Womit man sich aus Sicht eines Strafrechtlers seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, zeigt dieser Ausschnitt aus einem Haftbefehl:
Man muß schon Strafjurist sein, um verstehen zu können, daß man durch einen Diebstahl von zwei Flaschen Parfum und mit einer Nagelschere in der Tasche soviel Geld verdienen kann, daß man davon Miete und Strom bezahlen und dann auch noch Lebensmittel einkaufen gehen kann. Und dafür dann auch noch in den Knast kommt.
Dass er von den zwei Parfums allein seinen Lebensunterhalt bestreiten wolle, steht da auch nicht. Abgesehen davon kommt es auf den genauen Verwendungszweck wohl ohnehin nicht an: wenn man ihm den Diebstahl mit Waffen nachweisen kann, ist es völlig egal, ob er die Sachen verticken wollte oder einfach nur ein Liebhaber auserlesener Düfte ist.
Eine 11cm lange Nagelschere? Ist das eine Schere für Elefanten? Wahrscheinlich ist nicht die Klinge 11cm, sondern der „Hebel“, also so eine Art Rentner-Ich-Hab-Rücken-Schere für die Fußnägel.
Was wird denn als Haftgrund angeführt? Er wollte wohl verduften?
@quicker-easier: Selbstverständlich ist der Verwendungszweck relevant.
Dieses mal dreht man den schweren Diebstahl über die Nagelschere, beim nächsten mal hat der angebliche Dieb hoffentlich gelernt und lässt die daheim, daher lässt man sich schön den 243 Abs 3 offen stehen. Wo eine Nagelschere für 3 Monate Mindeststrafe reicht, sind 2 Diebstähle mit Verkaufsabsicht natürlich gewerblich und somit schwer.
Was soll man auch sonst machen als ein möglichst schnellen Gefängnisaufenthalt vorzubereiten? Etwa Armut bekämpfen? Perspektiven schaffen? Ist doch viel einfacher so.
Der Kiosbesitzer verkauft einzelne Süßigkeiten für 10 Cent und bestreitet damit seinen Lebensunterhalt. Da wird das mit +/- 150 EUR Warenwert wohl erst recht möglich sein.
Ich habe ja, wie immer, keine Ahnung, aber:
a) Das Zeug heißt Azzaro
b) Azzaro Wanted wird bei Douglas online nur als EdT angeboten, nicht als Eau de Parfum (78,99 Euro, 100ml)
c) Paco Rabanne Luviches findet zumindest Google nicht. „Luviches“ hat 4 Treffer. Wollte es aber eh nicht kaufen. Vielleicht ist auch Google kaputt.
d) Die Nagelschere hat er auch im Laden geklaut. Wollte er nur nicht zugeben. Ändert das etwas?
e) „Wert“ ist immer wieder lustig. Hätten ja wenigstens „Preis“ schreiben können.
ist das nun hinreichend bestimmt?
PS. Guten Morgen
@Alle Einsperren :
Da habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Natürlich ist der Verwendungszweck der Nagelschere für den § 244 StGB relevant. Ich meinte den Verwendungszweck der Parfums – solange man den § 244 StGB bejaht, kommt’s auf die Gewerbsmäßigkeit nicht an.
Im Übrigen: wozu trägt jemand wohl griffbereit eine Nagelschere in der Jackentasche mit sich herum? Und natürlich macht es Sinn, Armut zu bekämpfen – aber die Vorstellung, man könnte dafür auf Strafverfolgung verzichten, ist ziemlich naiv, finde ich.
In meinen Augen lautet die Frage eher: „Woher nimmt der Ankläger die Annahme, der mutmaßliche Dieb wolle die beiden Flakons gewinnbringend verkaufen?“
@ JLloyd
Interessant wird es, wenn man unter besonders auffälligem Körper- oder Mundgeruch leidet. Hier wäre als Auffanglinie die eigene Mund- oder Körperhygiene in den Vordergrund zu rücken. Wer will schon immer mit Listerine oder eurodont gurgeln? Man gönnt sich ja sonst nix. Einmal im Leben darf ja auch etwas Luxus sein. Auch wenn er geklaut wäre.
Ich bin eher über das „im Wert von“ gestolpert. Korrekter wäre in diesem Falle sicherlich von „Preis“ statt „Wert“ zu sprechen ….
Und was lernen wir daraus? Waffen und andere gefährliche Werkzeuge immer erst separat zum Schluss stehlen ;-)
@quicker-easier: Natürlich bezog sich meine Aussage auch auf das Parfüm, nicht die Nagelschere.
Der § 243 Abs. 1 Satz 3 ist für diese Verurteilung zwar nicht relevant, der Hinweis zum „gewinnbringenden Verkauf“ bereitet (meiner Meinung nach) schon mal die nächste Verurteilung für schweren Diebstahl vor. Denn für die Wiederholung ist das sehr relevant, worum es beim aktuellen Fall geht.
Mich interessieren hier 2 Dinge. Erstens warum „gewinnbringend zu verkaufen“. Ist eine Gewinnerzielungsabsicht strafrelevant? Soweit ich mich an §§ 242 ff. erinnere nicht.
Zweitens woher stammt der Beweis dafür, vielleicht will er ja einfach einer Dame ein Geschenk machen, auf das sie sich ihm schenke.
Und ist nicht der Preis der Wert zu dem der Verkäufer verkauft? Aber dieses Detail erscheint nicht strafrelevant und kann daher vernachlässigt werden …
Ah, die 12 zu spät gesehen …
Also ist „gewinnbringend“ nur in Wiederholungsfällen relevant? Und woher stammt die Erkenntnis das es sich beim aktuellen um einen solchen handelt?
@Alle Einsperren:
Verstehe. Aber so funktioniert das nicht: Was heute im Haftbefehl steht, ist für die zukünftige Verurteilung irrelevant, und sollte er sich in Zukunft wieder erwischen lassen, wird es für die Frage der Gewerbsmäßigkeit ohnehin kaum darauf ankommen, was das Gericht beim ersten Mal hinsichtlich des Verwendungszwecks festgestellt hat.
Im Übrigen unterstellst du da auch eine sehr strategische Herangehensweise, die es bei den Strafverfolgungsbehörden so in der Regel nicht gibt. Vor allem nicht bei solchen Kleinkriminellen.
Ich würde eher vermuten, dass die Staatsanwaltschaft und/oder das Gericht sich nicht so hundertprozentig sicher waren, ob sich der Diebstahl mit Waffen am Ende beweisen lässt, und dass man deshalb (absichtlich oder unabsichtlich) noch etwas hineingeschrieben hat, was in Richtung Gewerbsmäßigkeit geht. Sozusagen sicherheitshalber. Ist aber an sich überflüssig.
„*Gewinnbringend* zu verkaufen“ ist natürlich in diesem Zusammenhang eine (zumindest regelmäßig) völlig überflüssige Formulierung.
„Gewinn“ ist per Definition die Differenz zwischen dem Verkaufspreis einerseits und dem Einkaufspreis sowie den entstehenden Kosten andererseits.
Wenn er das Zeugs klaut, ist sein EK-Preis natürlich Null. Bleiben die Kosten. Was soll das sein? Fahrtkosten zum Tatort? Fahrtkosten im Zusammenhang mit dem Verkauf? Vermittlungsprovision für jemanden, der ihm sagt, wo er die Sachen loswerden kann?
Würde es irgend etwas an der Strafbarkeit oder der Straferwartung ändern, wenn es *verlust*bringend verkaufen würde?
;-)
Genau Herr Hoenig, weil er ja sicher nur das eine Mal geklaut hat…