Rechtsschutz: Manchmal trügerisch

Mit welchen Fallstricken man im Versicherungsrecht rechnen muß, zeigt dieser Fall sehr schön.

Wilhelm Brause war seit 2008 Geschäftsführer einer GmbH. Wegen einer beruflichen Umorientierung wurde das Vertragsverhältnis zwischen Brause und der GmbH einvernehmlich zum 31. März 2017 beendet.

Ende September 2017 leitete die Staatsanwaltschaft gegen Wilhelm ein Ermittlungsverfahren ein. Ihm wurde zur Last gelegt, als Geschäftsführer der GmbH in der Zeit zwischen 2014 und 2016 einen gewerbsmäßigen Betrug begangen zu haben. Anfang April 2018 bekam Wilhelm Post von der Staatsanwaltschaft: Die Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung.

Der Ex-Geschäftsführer machte in dieser Situation das einzig Richtige: Er beauftragte einen Strafverteidiger, mit dem er eine Vergütungsvereinbarung traf und dazu – insoweit erleichtert – die Daten eines Rechtsschutzversicherungs-Vertrags mitteilte.

Als Geschäftsführer hatte er seinerzeit in Abstimmung mit den Gesellschaftern einen Spezialrechtsschutz versichert, der grundsätzlich auch die Kosten einer Strafverteidigung übernimmt. Versicherungsnehmerin war die GmbH, als mitversichert galten die Geschäftsführer. Alles gut also?

Die böse Überraschung kam mit der Antwort des Versicherers auf die Deckungsanfrage:

In obiger Sache können wir leider keinen Kostenschutz zur Verfügung stellen, da zum Zeitpunkt des Rechtsschutzfalles (Einleitung des Ermittlungsverfahrens im September 2017) ihr Mandant nicht mehr Geschäftsführer unserer Kundin [Anm. crh: der GmbH] gewesen war und dementsprechend nicht mehr mitversichert war. Beim DingsBums-Spezial-Straf-Rechtschutz kommt es nicht auf den Tatzeitpunkt an, sondern wann das Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde.

Die Ermittlungen wurden eingeleitet, nachdem Wilhelm Brause schon aus dem Unternehmen ausgeschieden war. Auf die Tatzeit kommt es in diesem Versicherungsfall nicht an.

Ganz kurz noch leuchtete zwischen den Zeilen der Absage ein kleiner Hoffnungsschimmer auf:

Nur beim sog. DingsDa-Strafrechschutz ist der Tatzeitpunkt maßgebend, wobei dieser eine Verteidigung bei Vorsatz-Straftaten nicht vorsieht, sondern nur dann wenn diese auch fahrlässig begehbar sind.

Betrug im Sinne von § 263 StGB ist eine klassische Vorsatztat, einen fahrlässig begangenen Betrug gibt es nicht. Aus-die-Maus.

Das bedeutet für Wilhelm Brause: Er (und auch die GmbH) wähnten sich jahrelang in teuer erkaufter Sicherheit, die ihnen von dem Versicherer versprochen wurde. Daß diese Sicherheit eine trügerische war, hätte er im Kleingedruckten nachlesen können …

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Bild: © Katharina Wieland Müller / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Rechtsschutzversicherung veröffentlicht.

8 Antworten auf Rechtsschutz: Manchmal trügerisch

  1. 1
    Thorsten says:

    Nun könnte man sich die Frage stellen, ob so eine Klausel nicht überraschend ist, da es bei Sachversicherungen (nicht nur RSV) stets auf den ursächlichen Zeitpunkt des Versicherungsfalls ankommt.

    Der „Klassiker“ bei RSV-Absagen ist ja, dass Versicherungsschutz versagt wird, weil der „Streit“ zwar während des Vertragszeitraums entstanden ist, die „Ursache“ für den Streit aber bereits vor Vertragsschluss bestanden hat.

    OK, Vertrag zwischen Unternehmern, möglicherweise auch zwischen Kaufleuten. Trotzdem: ganz ausgehebelt sind die Schutzvorschriften der §§ 305 ff. BGB dadurch nicht.

    Wenigstens eine Google-Recherche nach Rechtsprechung dazu, im Übrigen ein Rat vom Versicherungsrechtler sind hier vielleicht doch angebracht.

  2. 2
    Daniel says:

    Ich habe auch über ein Vergleichsportal eine Versicherung bei einem gelben Unternehmen abgeschlossen. Enthalten ist auch die Spezial-Strafrechtschutz. Vor einiger Zeit hatte ich mal Kontakt mit einem Berater, da ich den Versicherungsschutz erweitern wollte. Ich wurde dann gefragt was ich aktuell drin habe. Als ich sagte ich hätte Spezial-Strafrechtschutz teilte er mir mit, dass das überhaupt nicht möglich sei in meinem Vertrag. Jedoch habe ich einen Versicherungsschein. Laut Berater wäre dieser aber falsch ausgestellt. Den Tarif in meiner Kombi für diesen Preis würde es nicht geben. Ich habe dann relativ zügig den Kontakt abgebrochen und den Vertrag nicht geändert, da bei einer Änderung die Spezial Straf-RS rausfallen würde und ich diese nie wieder bekommen könnte.

    Jetzt habe ich allerdings Angst, dass wenn es mal zu dem Fall kommt die Versicherung sich um die Leistungen drücken wird.

  3. 3
    quicker-easier says:

    Eine nette Pointe wäre, wenn die Ermittler den Schriftverkehr mit der Versicherung finden würden. Dass der Mandant irgendwann vor 2014 Wert darauf gelegt hat, eine Haftpflichtversicherung mit Deckungszusage für Ermittlungen wegen vorsätzlicher Straftaten zu erhalten, könnte je nach Sachlage durchaus relevant werden… und die Versicherung kann sich ja glücklicherweise auch nicht auf ein Berufsgeheimis o.ä. zurückziehen.

  4. 4
    Charlie says:

    Nur kurz angemerkt: Viele Klauseln im Versicherungsvertragsrecht sind dispositiv, also verhandelbar. Wenn man also bei Abschluss darauf besteht (und andernfalls eine Abwanderung zur Konkurrenz in Aussicht stellt), bekommt man den maßgeblichen Zeitpunkt durchaus weg von der Eileitung des Ermittlungsverfahrens hin zum (vorgeworfenen) Tatzeitpunkt geändert. Muss man nur daran denken und machen … ;-)

  5. 5
    Rechtschutzblues muss nicht sein says:

    Lieber Herr Kollege,

    bitte richten Sie Willi Brause aus, für einen kleinen Obolus sorge ich für die Deckung. Sie haben da nämlich eventuell etwas übersehen.

    Kollegiale Grüße

  6. 6
    WPR_bei_WBS says:

    @ quicker-easier

    Sie haben da was missverstanden: Die Versicherung schließt die Deckung bei solchen Verfahren immer aus, unabhängig vom Ausgang (also unabhängig davon, ob „etwas dran“ ist).

    Dass der Mandant so eine Versicherung wollte, sagt also überhaupt nichts aus.

  7. 7
    BV says:

    @ quicker-easier, # 3:

    Und jetzt hat er sich auch noch einen Strafverteidiger genommen. Das ist ja quasi ein Schuldeingeständnis ;-)

  8. 8
    quicker-easier says:

    @WPR_bei_WBS und @BV:

    Das ist genau der Unterschied: Wenn ich mir einen Strafverteidiger nehme, nachdem gegen mich bereits ermittelt wird, heißt das natürlich gar nichts.

    Wenn ich dagegen besonders Wert lege auf eine Versicherung mit einer Deckungszusage, die auch bei Verdacht auf Vorsatzdelikte greift, bevor gegen mich überhaupt ermittelt wird, ist das schon ein interessantes Detail. Dieses Detail wird in vielen Fällen keine Rolle spielen, aber gerade in Wirtschaftsstrafsachen kann es durchaus darauf ankommen, ob jemand gutgläubig gehandelt hat oder nicht. Und wer schon einmal aktiv vorsorgt für ein etwaiges Ermittlungsverfahren gegen sich, ist tendenziell eben nicht gutgläubig.