Strafverteidiger und Steuerberater im Wirtschaftsstrafsachen

Sowohl Steuerberater als auch Strafverteidiger sind gleichermaßen Juristen, die sich jedoch auf unterschiedlichen Gebieten spezialisiert haben. Grundsätzlich haben die beiden Rechtsgebiete Strafrecht und Steuerrecht wenig miteinander zu schaffen.

Es gibt aber auch Verzahnungen dieser Rechtsgebiete; gut bekannt ist das Steuerstrafrecht. Aber auch bei dem Vorwurf einer Insolvenzverschleppung ist steuerrechtliches Know How entscheidend, zum Beispiel um aus der Finanzbuchhaltung die Frage nach einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit beantworten zu können.

In solchen Fällen ist es ratsam, die Verteidigung nicht allein einem Steuerberater oder allein einem Strafverteidiger anzuvertrauen; jedenfalls dann nicht, wenn nicht nur einem kleinen Gemüsehändler der Schwarzhandel mit Bananen oder dem Handwerker der zu späte Insolvenzantrag wegen Überschuldung vorgeworfen wird.

Der professionelle Start
Ich habe nun einen Fall übernommen, in dem die Mandantin eigentlich alles richtig gemacht hat. Ihr Steuerberater hat eine Strafverteidigerin empfohlen, die die Mandantin in einem Insolvenzstrafverfahren verteidigen sollte. Der Steuerberater hat sich im Ermittlungsverfahren in die zweite Reihe zurückgezogen und die Verteidigerin mit Informationen aus der Buchhaltung und mit Interna der Unternehmungen versorgt.

Mit diesem Material hätte die Verteidigerin eine solide Verteidigung aufbauen und eine Anklageerhebung voraussichtlich vermeiden können. Wenn sie denn mit den Auswertungen des Steuerberaters aus den Buchhaltungen professionell umgegangen wäre.

Der Beginn einer Bruchlandung
Statt dessen hat sie sich die Sache einfach gemacht. Das Paket, bestehend aus den vollständigen Auswertungen sowie einer ausführlichen Stellungnahme des Steuerberaters mit Handlungsvorschlägen, hat sie schlicht mit einem knappen Schriftsatz an die Staatsanwaltschaft geschickt, den sie dann abschließt mit den Worten:

Die Tatbestandsmerkmale sind nicht gegeben. Somit wird beantragt, das Ermittlungsverfahren gegen unsere Mandantin gemäß § 170 StPO einzustellen.

Diesem im klassischen Sprachduktus eines soliden Zivilrechtlers formulierten Antrag ist die Staatsanwaltschaft nicht gefolgt. Die Wirtschaftsreferentin der Staatsanwaltschaft hat statt dessen die Auswertungen des Steuerberaters ausgewertet und der Mandantin wurde über ihre Verteidigerin noch einmal rechtliches Gehör gewährt:

Bevor ich das Verfahren abschließe, gebe ich Ihnen noch einmal Gelegenheit zur Stellungnahme.

Der Absturz
Das hat die Verteidigerin auch für eine weitere kurze Verteidigungsschrift genutzt, die im Wesentlichen folgenden Satz enthielt:

Es ist Bezug zu nehmen auf die eingereichten Unterlagen und es wird angeregt, den Steuerberater als Zeugen zu den genannten Umständen zu hören.

Glücklicherweise hat die Staatsanwaltschaft sich darauf beschränkt, die Rosinen aus den von der Verteidigerin übermittelten Unterlagen herauszupicken, und nicht auch noch den Steuerberater zu den sonstigen Interna befragt. Es reichte auch so schon für die Anklage zur Wirtschaftsstrafkammer.

Wie man sieht, reicht es nicht aus, …
… neben einem Steuerberater auch einen Strafverteidiger zu engagieren, wenn man sich in einer ausgewachsenen Wirtschaftsstrafsache verteidigen möchte. So wie zumindest grundlegende Kenntnisse des Strafprozeßrechts beim Steuerberater hilfreich sind, ist es erforderlich, daß der Verteidiger ein gewisses Verständnis des Steuerrechts hat.

Rettungsversuche
Ob die Anregung der Vorverteidigerin, den Steuerberater als Zeugen zu vernehmen, eine konkludente Schweigepflichtentbindungserklärung darstellt, weiß ich nicht. Die Mandantin hat sie auf meinen Rat jedenfalls vorsorglich widerrufen.

Und ob die – unauthorisiert – eingereichten Unterlagen aus der Buchhaltung wegen fehlender (weil nicht vorher eingeholten) Einwilligung der Mandatin einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, werden wir dann mit der Strafkammer in der Hauptverhandlung erörtern. In einem Verfahren, das bei sachgerechter Verteidigung, eigentlich nicht hätte zur Anklage führen müssen.

Wiederbelebung
Es macht wenig Freude, eine abgestürzte Verteidigung wieder auf die Beine zu stellen – sowohl für den Verteidiger als auch für den Mandanten. Erfreulichere Ergebnisse auf einfacherem Weg erreicht man, wenn man so früh wie möglich mit einer professionellen Gestaltung des Verfahrens beginnt.

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Bild: © Karin Jung / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Steuerstrafrecht, Wirtschaftsstrafrecht veröffentlicht.

13 Antworten auf Strafverteidiger und Steuerberater im Wirtschaftsstrafsachen

  1. 1
    Zielfahnder Krawuttke says:

    Sowohl Steuerberater als auch Strafverteidiger sind gleichermaßen Juristen, die sich jedoch auf unterschiedlichen Gebieten spezialisiert haben.

    Nein, Steuerberater sind oftmals keine Juristen, sondern Wirtschaftswissenschaftler.

  2. 2
    WPR_bei_WBS says:

    Das war dann wohl das letzte mal, dass der Steuerberater die Justistin für sowas empfohlen hat…

  3. 3
    Mick says:

    Erfreulichere Ergebnisse auf einfacherem Weg erreicht man, wenn man so früh wie möglich mit einer professionellen Gestaltung des Verfahrens beginnt.

    Aus meiner Sicht ist hier das Problem, dass gerade wenn man – ich nenne es mal – ein „braver“ Bürger ist, schlichtweg wenig Kontakt zu Juristen hat. Man muss also irgendwen (Steuerberater, Internetportal, Freunden) vertrauen, dass dieser oder jener Anwalt gut ist.

    Natürlich gilt das auch für alle anderen Berufe (Handwerker, Ärzte, etc), nur ist ein Strafverfahren für die meisten Leute etwas ungewöhnliches, wo man wenig Erfahrung hat …

    • Lieber braver Bürger, das kann Ihnen ja nun nicht mehr passieren. Meine Telefonnummer steht gleich hier links. :-) crh
  4. 4
    JuergenW says:

    Die Unterlagen aus der Buchführung können doch auch beim unverdächtigen Zeugen beschlagnahmt werden, dazu wäre nur ein Gerichtsbeschluss nötig. Hier dürfte ein Beweisverwertungsverbot extrem schwierig zu erreichen sein. Viel gefährlicher könnte die freiwillig vorgelegte ausführliche Stellungnahme des Steuerberaters dazu sein.

  5. 5
    Matthias Lipp says:

    Sowohl Steuerberater als auch Strafverteidiger sind gleichermaßen Juristen, die sich jedoch auf unterschiedlichen Gebieten spezialisiert haben.

    In Ergänzung zu Zielfahnder Krawuttke: Steuerberater ist ein Berufsexamen. Dafür gibt es unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten. Ein Weg ist ein einschlägiges Studium plus zwei oder drei Jahre Berufserfahrung. Einschlägig ist dabei „ein wirtschaftswissenschaftliches oder rechtswissenschaftliches Hochschulstudium oder ein Hochschulstudium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung“ (Bundessteuerberaterkammer) – Wirtschaftsmathematik tut es also auch. Darüberhinaus kann mensch das StB-Examen auch als Steuerfachwirt plus Berufserfahrung (sieben bzw. zehn Jahre) ablegen.
    Mit anderen Worten – nein, das sind definitiv NICHT alles Juristen.

  6. 6
    Niggi Basler says:

    Ich hätte mir einen RA gesucht, der sowohl Fachanwalt für Strafrecht als auch Fachanwalt für Steuerrecht ist.

  7. 7
    Flamebeard says:

    @4 JuergenW: Das Problem in der obigen Schilderung ist doch, dass die Stellungnahme des Steuerberaters eben nicht von diesem freiwillig erfolgte, sondern von der Anwältin ohne Rücksprache mit der Mandantin an die StA übermittelt wurde.

    Mich würde hierbei brennend interessieren, ob, und wenn ja, wie hier ein Verwertungsverbot erzielt werden kann. (Schließlich könnten die Papiere ja auch in einem Rucksack auf einer Polizeiwache auftauchen, dann hätten die ja auch verwertet werden können…)
    Und wenn nicht, in wie weit sich die Mandantin an ihrer (Ex-)Anwältin schadlos halten könnte. Denn hätte diese ihren Job im Sinne der Mandantin gemacht, wäre das Ergebnis vor Gericht u.U. ein ganz anderes gewesen…

  8. 8
    Zielfahnder Krawuttke says:

    „Deshalb ist die sog. Finanzverwaltung und die StB Kammer auch sehr zurückhaltend, einem RA einen StB Titel zu geben.“

    Der „Titel“ wird nicht einfach so vergeben. Auch RAe können das StB-Examen angehen und bestehen. Es sind dort halt ganz andere Fertigkeiten und Kenntnisse verlangt, als in der juristischen Universitätsausbildung gelehrt werden. Das StB-Examen macht man nicht im Vorbeigehen.

  9. 9
    Fry says:

    Ich bin auch mal – obgleich Leser dieses und anderer Juristenblogs – Ziel eines Steuerstrafverfahrens und Mandant eines teuren aber unzureichend qualifizierten Anwalts geworden, der zu meinem Entsetzen mit dem Staatsanwalt kooperativ, ich sage mal „geschmust“ hat, statt klare Kante zu zeigen.
    Zum Glück war an dem Vorwurf SO WENIG dran, dass ich es mit Hilfe meines Buchhalters alleine retten konnte. In der Tat, das gibt es, Anwälte, wo man noch besser dran ist, wenn man sich selbst verteidigt…

  10. 10
    JuergenW says:

    @ Flamebeard: Die Stellungnahme wurde von einer zu diesem Zeitpunkt beauftragten und damit auch bevollmächtigten Verteidigerin eingereicht. Bei Schriftstücken, die die Verteidigung vorlegt wird nicht gefragt, ob diese dazu befugt ist, sie ist es in dem die Verteidigung das Mandat mitteilt. Unterlagen eines Sachkundigen Dritten (Steuerberater) vorzulegen schließt konkludent ein, dass die Verteidigung hier eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht mitteilt, sonst dürften die Unterlagen ja nicht vorgelegt werden. Woraus hätte denn die Staatsanwaltschaft denn schließen können, dass die Unterlagen unzulässigerweise vorgelegt wurden.

  11. 11
    Mick says:

    @crh: Wenn ich in Berlin wohnen würde, würde ich das tatsächlich machen. Einmal quer durch die Republik macht den Umgang jetzt auch nicht einfacher ;) Sie kennen nicht zufällig einen bloggenden und bikenden Kollegen am anderen Ende der A9? ;)

  12. 12
    HugoHabicht says:

    Steuerberater kann man übrigens auch werden, wenn man an der Verwaltungshochschule studiert hat und früher selbst Steuerprüfer war. Viele Wege führen nach Rom….

    Das Steuerberater-Examen ist BTW auch für Wirtschaftswissenschaftler eine harte Nuß. Kenne einige, die daran gescheitert sind.

  13. 13
    Börni says:

    Steuerberater ist einer der wenigen freiberuflichen verkammerten Berufe, der auch für Menschen offen steht, die kein Studium absolviert haben.