Bei manchen Anfragen an unsere Kanzlei wünschte ich, das sie früher gestellt worden wären. Hier ist wieder einmal eine solche:
Hallo
im Januar 2018 hatte ich eine Hauptverhandlung. Der Richter setzte ein zeriten Termin an weil er noch ein Zeuge anhören wollte. Gestern komme ich zum Termin setzte mich da meine der Richter ,,
so heute neuer Hauptverhandlungtermin neuer Staatsanwalt alles was in der ersten Verhandlung war zählt nicht mehr “.
Ich sagte nein das war nicht vereinbart sonst hätte ich mir ein Anwslt doch hinzu gezogen.Da meinte der Richter das er bestimmt und sagte zu den Staatsanwalt das er vorlesen soll.
Das hat mich so geschockt das mir während der Verhandlung schlecht war und nicht bei der Sache war.Ich habe eine Schiene von der blase zur Niere was der Richter weiß. Durch das lange sitzen hatte ich so schmerzen ( 2 Stunden). das ich den ganzen Tag Blut im Urin hatte.Der Richter fragte nicht mal ob wir Pause machen sollen oder wie es mir geht.Ein
Tag vorher bat ich per Mail das ich nicht lange sitzen kann.
Wie findrn Sie das Verhalten ?
Dazu gleich drei Antworten:
- Wenn jemand ein konkretes Problem hat, bei dessen Lösung er einen Rechtsanwalt um Mithilfe bitten möchte, ist es nicht sinnvoll, den Fall in einem öffentlich einsehbaren Kommentarfeld zu schildern; erst Recht nicht unter Mitteilung seines vollständigen Namens.
- Wer die Ansicht vertritt, in seinem Strafverfahren keinen Strafverteidiger zu benötigen, sollte sich nicht beschweren, wenn sich später herausstellt, daß diese Ansicht falsch war.
- Suchen Sie sich einen Strafverteidiger und/oder legen Sie binnen Wochenfrist Berufung gegen das Urteil ein, wenn Sie das Ergebnis nicht akzeptieren wollen.
Noch irgendwelche Vorschläge?
Ab wann beginnt denn die Frist? Mit Zugang des schriftlichen Urteils unter Annahme Postlaufweg 2 Tage?
1. § 314 StPO und § 341 StPO
2. § 268 StPO
HTH crh
In dem Fall mit der Urteilsverkündung. Frist also 1 Woche ab dem Tag. Zustellung ist nur maßgeblich bei Verkündung in Abwesenheit des Angeklagten.
Ich kenne das erfreulicherweise nicht oft aber doch vorkommend in arbeitsrechtlichen Sachen. Wenn die Leute kommen mit der Ansage „Ich habe schon selber Klage eingereicht und morgen ist die Güteverhandlung, können Sie mich da begleiten und die Sache übernehmen?“ ist es noch nicht ganz so dramatisch. Wenn ich die Zeit habe, gehe ich in den Termin. Wenn nicht, bestelle ich mich ganz fix und beantrage Terminsverlegung (bei meinem Heimarbeitsgericht in Bonn geht das meistens).
Wenn die Leute aber mit dem identischen Anliegen kurz vor dem kammertermin kommen, kann ich im Regelfall auch nichts mehr retten. Auch nicht mehr in der Berufung (wegen der Präklusion).
„Noch irgendwelche Vorschläge? „
Nur bezüglich der Reihenfolge und der Details:
1.) Berufung einlegen, nicht dass die Frist verstreicht
a) Entweder per Fax oder persönlich bei Gericht
b) Post ginge auch, dauert aber (Frist!), Telefonisch etc. gilt nicht
2.) Zum Anwalt!
a) Erst die Berufungseinlegung, dann zum Anwalt – da eine Berufungsbegründung nicht notwendig ist, kann man da erstmal nicht viel falsch machen, außer eben die Frist zu verschlafen
3.) Sich offen eingestehen, wo die eigenen Kompetenzgrenzen liegen – da lag der Delinquent ja schon schief, also bitte den Anwalt nicht danach bewerten, dass er einem nach dem Mund redet.
weitere Vorschläge:
– gem. 137 I 1 StPO Recht auf Verteidiger in jedem Verfahrensstadium.
Der Fragesteller schreibt, dass er dem Richter ggü. erklärt habe, dass er ‚ sich doch sonst einen Anwalt hinzugezogen hätte‘
Darin sehe ich unmissverständlich (ausser bei dolus ignoranzia) den formulierten Wunsch nach einem Strafverteidiger ab diesem Zeitpunkt des Verfahrens.
Da der 137 StPO Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips ist (Recht auf ein faires Verfahren) und somit Verfassungsrang hat , müsste dessen Nichtbeachtung doch zur Neuverhandlung führen?
ansonsten:
Ich bin kein grosser Freund der „Unantastbarkeit“ der Richter; insofern könnte man bezüglich der ausgelösten gesundheitlichen Probleme und Schmerzen auch an eine Strafanzeige gegen den Richter weg. Körperverletzung (dolus eventualis) stellen. Ihm waren lt. Text ja diese Problematik und sogar die diesbezügliche Email bekannt. ( ggfs Problem des Zugangsnachweises). Kommt natürlich auch darauf an, wie in dieser Sache insgesamt die Äusserungen ggü. dem Richter waren; das kann ich so nicht beurteilen.
Müsste dann ggfs. die Staatsanwaltschaft „ermitteln“.
Jedenfalls dürfte m.E. der Richter danach auch wegen Befangenheit raus sein.
PS: Ich habe kein Paragraphensymbol auf meiner Smartphonetastatur. Sieht man mal wieder der Rechtsstaat ausgehöhlt wird ;-)
tatsächlich…
§§ ff :-)
Danke.
@viergewinnt: Sie haben zwar Anspruch auf Hinzuziehung eines Verteidigers (auf eigene Kosten und eigene Initiative, wenn kein Fall der notwendigen Verteidigung), aber nicht wann immer es Ihnen einfällt. Wenn jemand erstmal ohne Verteidiger in die Hauptverhandlung geht, die schon seit Wochen oder Monaten vorher terminiert ist, und ihm JETZT in der Verhandlung plötzlich einfällt (vielleicht weil sie nicht so toll für ihn läuft), dass er doch einen Verteidiger will, muss das Gericht nicht die Verhandlung aussetzen und warten, bis sich der Angeklagte einen Verteidiger gesucht hat. Im vorliegenden Fall ist es allerdings deshalb grenzwertig, weil ihm in der Ladung nicht ordnungsgemäß mitgeteilt wurde, welche Beweismittel das Gericht heranzuziehen beabsichtigt, er ging ja davon aus, dass nur noch ein weiterer Zeuge vernommen und nicht die ganze Beweisaufnahme wiederholt wird – andererseits, wenn er den ersten Durchgang ohne Verteidiger gemacht hat, ist es auch nicht unbedingt naheliegend, dass er jetzt umschwenkt.
Die Sache mit der Blasenschiene und der fehlenden Rücksichtnahme darauf ist eine andere Sache, um hier gleich den großen Knüppel der Körperverletzung zu ziehen, war der Angeklagte aber wohl etwas zu zurückhaltend. Die Anfrage liest sich ja so, als hätte er nicht einmal nach einer Verhandlungspause gefragt, sondern er beschwert sich, dass der Richter nicht von sich aus gefragt hat. Nur weil der Richter von der Grunderkrankung des Angeklagten weiß (oder wissen könnte, wenn ihm sein Schreiben präsent ist), weiß er noch nicht, wann es den Angeklagten drückt. Natürlich wäre es rücksichtsvoller, wenn er von sich aus nachfragt, eine Verpflichtung dazu sehe ich allerdings bei einem erwachsenen nicht geistesverwirrten Angeklagten nicht.
Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgert meiner Meinung nach, dass die Verhandlung gegen einen offensichtlich verhandlungsunfähigen Angeklagten null und nichtig ist.
Ich bin froh, daß Ihre Meinung nicht wesentlich ist.
crh
Ich habe nirgendwo etwas von einer „unwirksamen Verhandlung“ geschrieben.
„Neuverhandlung“.
„Null und nichtig“ (Ihre Worte) = nie stattgefunden = kein Strafklageverbrauch = Verhandlung findet neu statt . Oder ?
@RA Ullrich (und gfs crh)
klar auf eigene Kosten und Initiative. Eim Fall „notwendiger Verteidigung“ war es sicherlich nicht.
Aber das „JETZT plötzlich“ basierte ja gerade auf den erst unmittelbar vor HV bekannt gewordenen unerwarteten Umständen. Ob man damit “ hätte rechnen müssen“ stelle ich in Frage.
Nun scheint es ja zu meiner Sicht zum 137 StPO Kontra zu geben.
Aber, dass er Ausdruck des Rechtsstaatsprinzip (faires Verfahren) ist, dürfte unstrittig sein? Findet man zumindest in jedem Kommentar.
Und als solches verbietet sich m. E. eine restriktive, einschränkende Auslegung.
Immerhin ist auf Antrag sogar noch während der Urteilsverkündigung auch der Wiedereintritt in die Beweisaufnahme möglich. Umso mehr sollte es möglich sein, dass der A. sich auch noch eines Verteidigers bedienen darf. Auch wenn er erst während der HV feststellt, dass ihn die Angelegenheit “ überfordert“.
Und diesen Wunsch nach einem Verteidiger (eben JETZT) hat der A. nach meiner Sicht klar geäussert.
Man muss auch berücksichtigen, dass das Gericht für die meisten ein Ort erdrückender Ehrfurcht ist, wo viele weder wissen noch sich trauen, ihre Belange immer so eindeutig geltend zu machen.
Mag sein, dass man eine andere Sichtweise vertritt.
Ob man deshalb sagen kann, dass ich „von der Materie keine Ahnung hätte“ möchte ich auch bezweifeln. Immerhin gibt es bei fast allem Streitstände etc. Und wie gesagt ist der 137 StPO lt. Kommentaren Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips. Somit halte ich meine Sichtweise, dass der A. Anspruch auf einen Verteidiger ab seiner Äusserung gehabt hätte, nicht für abwegig.
Auch wenn eine Unterbrechung der HV unbequem ist. Rechtsstaat ist nunmal oft unbequem.
O.K. der ist alt, passt aber immer wieder gut:
„Kommt ein Mann mit einem halben Hähnchen zum Tierarzt und fragt „Kann man da noch was machen?““
ob der tatsächlich „immer (oder überall) passt“? Ich würde das tatsächlich mal eher offen lassen…