Warum ich keine Nazis und andere Dumpfbacken aus dieser Richtung verteidigen will, werde ich manchmal gefragt.
Das hängt u.a. damit zusammen, daß die Art des Denkens dieser Menschen so zuwider ist, daß ich als Verteidiger einfach kein Vollgas mehr geben kann. Deswegen empfehle ich im Bedarfsfall andere Kollegen, die insoweit ein dickeres Fell haben.
Ein weiterer Grund liegt darin, daß ich nicht bereit bin, im Auftrag und zum Gefallen des Angeklagten vollkommen idiotische Beweisanträge zu stellen. Ein klassisches Beispiel für eine solche Prozeßsituation ist das Verfahren gegen Kay Nerstheimer, Mitglied der Berliner AfD und des Abgeordnetenhauses(!).
Nerstheimer ist der Volksverhetzung angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, gegen Homosexuelle gehetzt zu haben. Die Details kann man googlen.
Er wird verteidigt von dem Leipziger Strafverteidiger Roland Ulbrich. Medienberichten zufolge soll er in der Hauptverhandlung am 26.01.2018 vor dem Amtsgericht Tiergartgen beantragt haben, zum Beweis der Tatsache, daß Homosexualität „widernatürlich“ und dies eine „vertretbare wissenschaftliche These“ sei, ein „medizinisches Sachverständigengutachten“ einzuholen. Der Verteidiger soll dann noch vorgetragen haben, selbst „abwegige Thesen“ seien keine „Volksverhetzung“.
Nach Schluß der Verhandlung verstieg sich dieser Verteidiger auf dem Flur dann noch zu dem Vergleich seines Mandanten mit Galileo Galilei, der seinerzeit auch der herrschenden Meinung (Erde als Mittelpunkt, um den sich die Sonne dreht) entgegen getreten sei.
Um so einen arroganten Rassismus auch noch in die Form von Beweisanträgen gießen zu können und seine Fähigkeiten in den Dienst solcher Widerlichkeiten zu stellen, muß jemand schon ganz schon schmerzbefreit sein. Igitt!
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Bild: © S. Hofschlaeger / pixelio.de
Die Art zu denken ist mir ebenfalls zuwider — da kann ich Sie durchaus verstehen. Aber besteht denn da ein qualitativer Unterschied zu anderen Angeklagten, der Ihre Entscheidung konsequent wirken lässt? Ich denke da generell an Kapitaldelikte, Missbrauchsprozesse, usw. . Da hat man ja häufig Menschen zur Rechten sitzen, welche ebenfalls alles andere als sympathisch sind und mit deren Denke man sich nicht anfreunden kann.
Mich interessiert wirklich, wo und wie man da als Strafverteidiger ( und Sie speziell) eine Linie zieht. Oder ist es letztendlich in dem Beruf nicht einzig und allein konsequent, wenn man — wie bspw. Vergès — alles verteidigt?
manich rational berechnen kann, sondern überwiegend emotional begründet. Genauso wie es diesem AfD-Verteidiger hier nicht gelingt, Distanz zu dem Angeklagten zu halten, würde es mir auch nicht gelingen. Wenn auch aus entgegen gesetzen Gründen. Deswegen ziehe ich die Konsequenz. Der Nazi-Verteidiger nicht.Das ist übrigens eine Folge, die mir durchaus Sorgen macht. Denn mein Verhalten zuende gedacht, blieben nur noch Gesinnungsgenossen übrig, die ihre Kameraden im Geiste verteidigen: Rassisten werden durch Rassisten verteidigt. Verteidiger dieses Kalibers sind nicht mehr unabhängig. Da kann nix Vernünftiges bei rumkommen. crh
So viel Schmerzen wird diesem Verteidiger dieser Beweisantrag nicht bereitet haben. Immerhin gehört er zum strammrechten Flügel der AFD.
@Belenus vielleicht ist es schwer, jemanden zu verteidigen, der ein Kind zuerst missbraucht und dann getötet hat. Aber ich habe noch nie gehört, dass in solch einem Verfahren der Verteidiger ein Gutachten beantragt hat, ob das Kind den Täter nicht durch sein Kinderlachen zur Tat provoziert hat. Es ist ein Unterschied, ob ein Verteidiger Schwächen in den Beweisen und Aspekte heraus arbeitet, die für den Angeklagten sprechen, oder sich zum Komplizen macht.
Den Leipziger Strafverteidiger Roland Ulbrich konnte ich vor vielen Jahren beim Amtsgericht und Landgericht kennenlernen.
Da hatte er einen homosexuellen Straftäter verteidigt :-()
Ok – mir ist der Ulbrich da schon mit komischen Beweisanträgen aufgefallen. Einmal hatte er seine Robe ausgezogen, diese auf den Tisch „geworfen“ und ist aus dem Gerichtssaal raus gegangen.
Ein komischer Anwalt der sein Fähnchen wohl in den Wind dreht wie es ihm passt. Geld stinkt ja nicht.
@Roland Ulbrich: ich musste dich vor Jahren kennenlernen und habe mir eine Meinung über dich und eine juristischen „Qualitäten“ gebildet. Wenn ich jetzt hier auf der Seite die Info über die Beweisanträge zur Homosexualität lese dann sehe ich meine damals gebildete Meinung über dich voll bestätigt.
Ich bin der Ansicht das du einfach einen Schuss in der Waffel hast. Und so was darf als Strafverteidiger tätigt sein? Ich bedaure da deine Mandanten :-(
Falls du deinen damaligen Mandanten zufällig mal wieder siehst richte ihm einen schönen Gruss aus und frage ihn wie es seiner Harnröhre geht ;-)
Guten Morgen, Herr Hoenig!
Danke für Ihre ehrliche und für mich nachvollziehbare Antwort. Wenn man die Wahl hat sich emotional seine Mandate auszusuchen, so hat man einen tollen Beruf. Ich würde mir heute wünschen, dass ich meine damalige „Anwaltskarriere“ bei einem „Mentor“ wie Ihnen begonnen hätte. So hätte ich vermutlich sehr viel Spaß an dem Beruf gefunden.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
So ein AfD_Rechtsanwalt hat es auch nicht einfach. Nicht nur, daß er nicht vorhandene „wissenschaftliche Thesen“ finden will – er hat es auch noch als stramm Rechtsdeutscher mit einer Richterin namens Ta-Som Yun in der Sache zu tun :-)
Gegen Homosexuelle hetzen ist Rassismus?
Ansonsten bin ich immer wieder baff, wie diese AfD es schafft zusammen zu bleiben. Da hetzen Mandatsträger gegen Homosexuelle, während man sich gleichzeitig hinter einer homosexuellen Spitzenfrau versammelt und im Wahlkampf (als einzige Partei!) explizit Plakatwerbung um schwule Wählerstimmen betreibt. Der Islam gilt als gefährliche Ideologie, aber wenn ein Landesvorstand zum Islam konvertiert, ist das seine Privatsache und die Partei stellt sich schützend vor ihn. Was hält diesen Laden noch zusammen?
Die Haltung von CRH kann ich nachvollziehen. Jeder hat seine persönliche Präferenz der Zu- und Abneigungen.
Was ich mich aber frage: wie gehen Richter mit sowas um? Die können es sich ja nicht aussuchen, sondern bekommen das auf den Tisch und sollen damit umgehen. Bekommt man bei so blödsinnigen Beweisanträgen dann kein Fremdschämen?
Wenn der Richter den Beweisantrag nicht nach § 244 IIIf StPO ablehnt, gibt er ihm statt, bewertet das Ergebnis der Beweisaufnahme und verurteilt den Antragsteller – auch in die Kosten für das Sachverständigengutachten (regelmäßig vierstellig).
Im vorliegenden Fall kann ich mir gut vorstellen, daß die Richterin dem Beweisantrag süffisant lächelnd stattgibt und einen geeigneten Sachverständigen für die Begutachtung aussucht. Und dann in der mündlichen (Ver-)Urteilsbegründung dezent beide Mittelfinger in die Höhe reckt. crh
Und wenn ein Richter einen Fall wirklich nicht objektiv beurteilen kann (oder unter Umständen auch nicht will), bleibt bei offensichtlicher Voreingenommenheit ja noch der Befangenheitsantrag.
Ich spreche ungern darüber, wen ich ungern verteidige. Jeder Angeklagte hat Verteidigung im wohlverstandenen Sinn verdient. Und ich halte es für eine Errungenschaft, wenn über Beweisanträge rechtlich entschieden wird, nicht moralisch.
Es ist richtig, daß Richter neutral und rechtlich auf Anträge zu reagieren haben. Darauf lege ich – wie Sie – auch in solchen Verfahren wie im vorliegenden großen Wert.
In öffentlichkeits-wirksamen Verfahren wie in einem, in dem ein Volksvertreter der Volksverhetzung angeklagt ist, bleibt es aber nun mal nicht aus, daß auch Unbeteiligte über dessen Prozeßverhalten (und Gebaren auf dem Gerichtsflur) „urteilen“. Das gilt umsomehr, als daß es ja nun auch kein klassischer Sach-/Tatsachenbeweis ist, der hier angetreten wurde, sondern mit der Beweisbehauptung der Anklagevorwurf quasi bestätigt und damit möglicherweise die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat von ihm (oder dem Verteidiger?) erneut begangen wird. Das ist verteidigungstaktisch Harakiri (aka: Verteidigerversagen), unethisch (ja, ich weiß, aber ich darf so urteilen) und nicht nur deswegen vollkommen idiotisch. Vor dem Hintergrund der Vita dieses Verteidigers wundert mich das aber eher nicht.
crh