Monatsarchive: März 2019

Und zack: Strafverfahren!

Wer glaubt, es seien immer nur die schlimmen Jungs mit den Schiebermützen und dem Vornamen Ede, die die Assistenz eines Strafverteidigers benötigen, dem sei diese Geschichte zum Nachdenken über das Thema „Ich doch nicht!“ erzählt.

Der ehrenwerte Gottfried von Gluffke hat in seiner Stadtvilla einen Hobbykeller, in dem er allerlei elektrisch betriebenes Gerät aufbewahrt. Den Strom für die Spiel- und sonstigen Zeuge liefern jeweils Akkus, die geladen werden müssen.

Einem dieser Akkus ist beim Ladevorgang scheinbar zu warm geworden, erst hat er dicke Backen gemacht und dann ist er geplatzt, allerdings nicht ohne Folgen. Ein paar Minuten später stand die hilfsbereite Feuerwehr vor dem Haus und schaffte es gerade noch, wenigstens die erste Etage der Wohnstatt vor Ruß und Wasser zu verschonen.

Die hinzugeeilte Polizei macht ihren Job und sichert (aka: versiegelt) die Brandstelle. Und sie legt eine Akte an, auf deren roten Deckel der Name „Gottfried von Gluffke“ und die Hausnummern § 306a StGB und § 306d StGB zu lesen sind. Die Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung traf einen Tag nach dem Wohnungsbrand
ein.

Gluffke hat jetzt also nicht nur ein fettes Problem mit seiner abgefakelten Wohnung und der Regulierung des Versicherungsfalls, sondern er sieht sich nun auch noch einem Strafverfahren ausgesetzt, an deren Ende der Gesetzgeber eine Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe ausgelobt hat.

So schnell kann’s kommen.

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Bild (CC0): OpenClipart-Vectors / via Pixabay

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Ermittlungshelfer im Fall „Rebecca“

Ich hatte ein oder zwei Tweets zum Fall „Rebecca“ abgesetzt. Das reicht dem einen oder anderen Bürger aus, mich als beteiligten Rechtsanwalt zu identifizieren.

Nun bekommen ich eMails, in denen Unterstützung der Ermittlungsbehörden geliefert wird. So etwas zum Beispiel:

Ich finde die Recherche und die Agenda in den einschlägigen Zeitungen nicht schlüssig und es bleiben Fragen unbeantwortet.

In früheren Ausgaben stand das sich das Handy von Rebecca mindestens 1 mal zwischen 6 und 8 Uhr im Router eingeloggt hat

Heute steht im Bericht das das Handy zwischen 6 und 8 Uhr eingeloggt war obwohl ein Anruf um 7:15 erfolgte und das Handy aus war … wie passt das zusammen ?

Es gibt Handys z.B. von Huawei ( Samsung Handys sicher nicht, bei gekräckten Versionen weiß ich es nicht genau, ) die schalten sich automatisch ein ( auch wenn sie ganz aus sind !!!) , wenn ein Wecker aktiviert wurde !

Wenn also ein Wecker eingestellt war, würde das vielleicht erklären warum sich das Handy einmal im Router eingeloggt hat.

Das könnte dann auch bedeuten das Rebecca schon vor 5:45 nicht mehr im Haus war !

Wo ist das Handy jetzt ? fehlt jede Spur ?

Nein, ich bin in dem Fall „Rebecca“ nicht engagiert, sondern auch nur ein Beobachter. Aber ich kenne solche eMails aus anderen „spektakulären“ Verfahren, anlässlich derer die Bevölkerung Mithilfe leisten will.

Und ich stelle mir die Frage, welche Vorstellungen manche Leser und Zuschauer von der Arbeit der Ermittlungsbehörden haben, dass man sich veranlasst sieht, Ermittlungshilfe leisten zu müssen?

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Bild (CC0): www_slon_pics / via Pixabay

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Start aus dem Winterschlaf

Hier hat sich die Kanzlei-Wanne fast vier Monate ausgeruht. Am Wochenende haben wir sie aufgeweckt.

Starterbatterie angeklemmt, Zündschlüssel gezeigt und zwei Sekunden später stand die Halle im Dieselgeruch. Gute alte Mechanik, frei von hypersensibler Elektronik.

Nun steht die Wanne erst einmal wieder beim Pflegedienst. Kfz-Meister Peter Jaekel in Bohnsdorf sorgt dann auch für frischen TÜV und vielleicht noch für das eine oder andere Accessoir (Angeblich soll es den Mercedesstern für den Kühlergrill noch geben.).

Mitte April kommt die Wanne wieder zurück nach Kreuzberg.

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Scheinselbständiges Entsetzen

Meinem Mandanten wird vorgeworfen, Arbeitsentgelt vorenthalten bzw. veruntreut zu haben. Anders formuliert lautet der Vorwurf, Scheinselbständige beschäftigt zu haben. Das ist verboten und wird nach § 266a StGB bestraft, wenn man dabei erwischt wird.

Kommt es dann zur Verurteilung, wird das Strafgericht auch die Einziehung der nicht abgeführten Sozialabgaben anordnen, § 73 StGB.

Selbst eine Freiheitsstrafe, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann, also über zwei Jahre hinausgeht (§ 56 Abs. 2 StGB), ist im Vergleich zu den Folgen dieser strafgerichtlich angeordneten Einziehung das geringere Übel.

Denn eine … sagen wir ‚mal … dreijährige Freiheitsstrafe ist irgendwann einmal abgesessen; meist bereits nach zwei Dritteln, also beispielsweise nach zwei Jahren.

Diese sogenannte Vermögensabschöpfungsmaßnahme eines Strafrichters hingegen hat Auswirkungen für die nächsten 30 Jahre. Erst dann verjähren die Forderungen, die auch jedes Insolvenzverfahren überleben.

Wenn es dann um solche Beträge geht, wie in diesem Fall, bedeutet dies was wirtschaftliche Aus bis zum St. Nimmerleinstag:

Diese Konsequenzen führen in den meisten Fällen zu blankem Entsetzen auf der Arbeitgeberseite.

So ein Risiko bekommt man nur dann einigermaßen in den Griff, wenn die Verteidigung frühzeitig mit dem Sozialversicherungsträger verhandelt *und* eine praktikable Einigung findet. So besteht am Ende eines solchen Verfahrens doch noch eine realistische Chance auf ein wirtschaftliches Überleben.

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Fall Rebecca R.: Treibjagd im Live-Tickermodus

Die Vereinigung der Berliner Strafverteidiger hat eine Presseerklärung zur Berichterstattung im Fall der vermissten Rebecca R. aus Berlin veröffentlicht, die ich nachfolgend vollständig zitiere:

Das Vorstandsmitglied, Frau Rechtsanwältin Cäcilia Rennert kritisiert im Namen der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e. V. die Berichterstattung im Fall Rebecca R. ebenso auf das Schärfste wie die Bereitschaft von Ermittlern, die Presse mit aus ihrer Sicht belastenden Details zu füttern.

Wir fordern die Presse auf, die mediale Vorverurteilung des Tatverdächtigen im Fall des verschwundenen Mädchens genauso einzustellen wie wir die Strafverfolgungsbehörden auffordern, die Durchstechereien nicht nur zu stoppen, sondern aktiv dem Eindruck entgegenzuwirken, das mediale Treiben sei für sie tolerabel.

Die aktuelle Berichterstattung, insbesondere in BILD, B. Z., aber nicht mehr nur in den Boulevardmedien tritt die Unschuldsvermutung des Verdächtigen mit Füßen und imponiert als Treibjagd im Live-Tickermodus. Darstellungen, die sich darüber hinaus im Ringen nach Sensationseffekten in Spekulationen ergehen und überbieten, untergraben in der frühesten Phase des Verfahrens bewusst das, was der Rechtsstaat um seiner selbst willen garantieren will und soll: Unvoreingenommenheit und Fairness gegenüber einem Verdächtigten.

Es ist auch an der Staatsanwaltschaft, die nach unserer Einschätzung keine Quelle derartiger Berichterstattung ist, dem rechtswidrigen Treiben von mindestens Teilen der Ermittler entgegenzutreten. Diese korrumpieren im Umgang mit der Presse die Verfahrensfairness möglicherweise irreparabel. Die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren mahnen hierzu aus gutem Grund in RiStBV Nr. 23 an, dass die Unterrichtung von Medien durch die Ermittler weder den Untersuchungszweck gefährden noch dem Ergebnis der Hauptverhandlung vorgreifen dürfe und der Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren nicht beeinträchtigt werden darf.

Diese in den Normappell gekleidete zivilisatorische Errungenschaft wird von manchen Medien sowie Teilen der Ermittler gegenwärtig auf dem Altar sich aufschaukelnder Sensationslust geopfert. Und zwar auch um den Preis, die Fairness des Verfahrens irreparabel zu beschädigen. Es ist an der Zeit und für alle dem Rechtsstaat professionell Verpflichteten geboten, diesem Treiben gemeinsam und deutlich entgegenzutreten.

Der Vorstand

Die Sorge um die vermisste Rebecca R. rechtfertigt auch meiner Ansicht nach nicht die Demontage elementarer Prinzipien unseres Rechtsstaats. Ich verurteile das kollusive Zusammenwirken der Ermittlungsbehörden mit insbesondere den Boulevardmedien, das durchaus Erinnerungen an amerikanische Westernfilme aufkommen lässt.

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Presseerklärung im Original als PDF

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Verräterische Sprache der Staatsanwaltschaft

Dem Mandanten wird vorgeworfen, als Geschäftsführer einer GmbH trotz Zahlungsunfähigkeit keinen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt zu haben.

Die Staatsanwaltschaft schreibt ihn also an und gibt ihm die Gelegenheit, sich zu diesem Vorwurf zu äußern, § 163a StPO.

Zutreffend erfolgt die Belehrung über die Möglichkeit, sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Auch die Information über das Recht, einen Verteidiger zu konsultieren, fehlt nicht. Alles gut soweit.

Dann folgt noch der – zutreffende – Hinweis auf § 111 OWiG und die Verpflichtung, die Personalien auf dem beigefügten Anhörungsbogen anzugeben. Hier wird es in meinen Augen schon kritisch: Denn die Pflicht entfällt, wenn diese verpflichtenden Angaben der Behörde bereits bekannt sind. Aber geschenkt …

Und wenn man schon gerade dabei ist, das Formular auszufüllen, kann der Adressat ja auch gleich in einem Aufwasch Angaben zu seinem Einkommen machen. Darauf weist der Herr Staatsanwalt als Gruppenleiter mit folgendem Text hin:

Dazu dreierlei Sensibilitäten:

  • Geldstrafen werden nur dann verhängt, wenn dem Beschuldigten eine Straftat nachgewiesen wurde. Wenn nicht, dann braucht’s doch auch keine Angaben zum Einkommen!
  • Geldauflagen werden nur dann erteilt, wenn „diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht; § 153a StPO.“ Auch hier steht doch erst noch die Antwort auf die Frage aus, ob hier überhaupt eine Schuld vorliegt.
  • Und schließlich: Warum warnt der Strafverfolger ausschließlich davor, dass er sich zum Nachteil des Beschuldigten verschätzen könnte? Denkbar – und bei Insolvenzverfahren naheliegender – ist doch auch die Alternative der Unterschätzung. Und dass eine nachteilige Verschätzung recht einfach korrigiert werden kann (wenn man weiß, wie es geht), verschweigt der Ermittler auch.

Das alles ist rechtlich noch völlig in Ordnung und nicht anzugreifen. Wenn ich mir aber den Subtext dieses Hinweises anschaue und hinter den Zeilen lese, dann erkenne ich das Vorurteil des Ermittlers und die Tendenz seiner Ermittlungen am Objektivitätsgebot des § 160 Abs. 2 StPO vorbei. Die Botschaft, ein nach allen Seiten offenes Verfahren zu führen, wird jedenfalls anders formuliert.

Oder war’s wieder einmal so, dass der Herr StA/GL einen Textbaustein erwischt und nicht weiter darüber nachgedacht hat, was er da auf den sekundärrohstoffhaltigen Briefbogen der Behörde gedruckt hat? Denn eigentlich scheint er ja ein ganz Vernünftiger sein, wenn man so mit ihm redet …

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Bild (CC0): wilhei / via Pixabay

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