Monatsarchive: Mai 2019

Beratender Verräter

In Insolvenzstrafverfahren spielen häufig auch Steuerberater eine wesentliche Rolle. Sie haben die in Schieflage geratenen Unternehmen regelmäßig über mehrere Jahre vertreten und beraten, verfügen also über werthaltige Informationen. Darauf greifen Ermittlungsbehörden und Insolvenzverhalter aufgrund ihrer berufsbedingten Neugier gern zurück.

Spannend wird es dabei, wenn bei der Befragung der Steuerberater neue Straftaten zutage treten. Hier habe ich zum Beispiel eine entdeckt, die sich in einer dunklen Ecke der Beiakten einem Vermerk versteckt hat:

Steuerberater sollten eigentlich wissen, dass auch sie einer Schweigepflicht unterliegen. Die allermeisten, die ich kennen gelernt habe, halten sich auch daran. Im Zweifel schauen sie auch einmal ins Gesetz und finden dort den § 203 Absatz 1 Ziffer 3 StGB. Spätestens dann halten sie sich mit Auskünften zurück.

Dieser Steuerberater, der über die Jahre hohe fünfstellige Honorare liquidiert und sicher auch überwiegend brauchbare Ergebnisse abgeliefert hat, könnte irgendwann ein Problem mit seiner Lizenz bekommen.

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Nicht alles falsch

Ich erinnere mich an einen TV-Auftritt von Johann Schwenn, Strafverteidiger aus Hamburg. Seinerzeit ging es um die Verteidigung von Jörg Kachelmann. Schwenn wurde – wenn man den Gerüchten glauben mag – von der „Die Zeit“ protegiert; er löste Rechtsanwalt Reinhard Birkenstock während laufender Hauptverhandlung ab, der Kachelmann bereits im Ermittlungs- und Haftverfahren verteidigt hatte.

In diesem Fernsehgespräch beurteilte Schwenn die Verteidigerleistung von Reinhard Birkenstock (ungefähr) mit den Worten:

Es war nicht alles falsch, was Birkenstock gemacht hat.

Ich empfand ein solches öffentliches Statement von jemanden, der während eines laufenden Verfahrens einen Kollegen aus dem Mandat gedrängt abgelöst hat, für völlig unangemessen, für hochgradig unkollegial. Um es mit den Worten meiner Mutter auszudrücken: Sowas macht man nicht!

Ich erinnere mich heute an diesen Auftritt von Schwenn, als ich in der LTO vom Streit um die Wedel-Recherche las.

In diesem Rechtsstreit vor dem Landgericht Hamburg geht es um die Erstattung von Anwaltskosten, die mittelbar dadurch entstanden sein sollen, dass sich drei Rechtsanwälte über eine Frage der Verjährung einer Sexualstraftat getäuscht haben sollen. Unter anderem der zweifellos rennomierte Strafverteidiger Johann Schwenn muss wohl irgendwas übersehen haben.

Pia Lorenz und Dr. Markus Sehl schreiben in der lto über den Anwaltsfehler:

Diese Frage der Verjährung wurde tatsächlich geprüft und von allen Beteiligten falsch eingeschätzt. Sowohl der Medienrechtler Schertz als auch Zeit-Anwalt Joerg Nabert sowie der vom Verlag Zeit extra für die heikle Verdachtsberichterstattung hinzugezogene Strafrechtler Johann Schwenn kamen zu dem Ergebnis, dass es keine Strafverfolgung gegen Dieter Wedel mehr geben werde, weil die in Betracht kommenden Straftaten verjährt seien.

Da hat er wohl daneben gelegen als Verteidiger für heikle Angelegenheiten.

Jedenfalls war die Auskunft falsch. Die behauptete Tat … wäre erst 2019 verjährt. Das beruht auf einer Gesetzesänderung von 2015 (§§ 78, 78b StGB), die man gewiss nicht übersehen durfte, wenn man als Rechtsanwalt mit dieser Frage befasst war.

schrieb Thomas Fischer über die mangelhafte Subsumtion durch den Strafrechtler.

Es sind aber nicht nur folgenreiche Fehler, die der Herr Kollege Schwenn macht. Er ist tatsächlich ein anerkannt hervorragender Verteidiger.

Aber manchmal auch ein frecher Flegel, wie meine Mutter ihn beschreiben würde.

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Keine Selbstbedienung bei der Pflichtverteidigung

Die Staatsanwaltschaft hatte den Erlass eines Strafbefehls beantragt. Es ging um die Klassiker aus dem Insolvenzstrafrecht: Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO), Bankrott (§ 283 StGB) und Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b StGB).

Eigentlich keine große Sache, wenngleich der Umfang der Ermittlungsakten kein geringer war. Am Ende sollte eine Geldstrafe mit 180 Tagessätzen dabei herauskommen, stellten sich die Wirtschaftsabteilungen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts vor.

Das besondere Problem hier:
Der Beschuldigte bringt aus einer anderen Sache eine offene Bewährung mit. Es droht also dort der Widerruf der Strafaussetzung der Bewährung. Das allein reichte in diesem Fall schon, um einen Fall der notwendigen Verteidigung anzunehmen. Ich vertrete zudem die Ansicht, dass Insolvenzstrafsachen per se Fälle sind, in denen dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt werden muss; aber das ist hier nicht das Thema.

Die Staatsanwältin fügte ihrem Antrag auf Erlass eines Strafbefehls also einen weiteren Antrag bei:

Der Richter schrieb daraufhin dem Beschuldigten und gab ihm Gelegenheit, zu diesem Antrag der Staatsanwaltschaft Stellung zu nehmen:

So muss das! Der Beschuldigte reagierte auch binnen der 2-Wochen-Frist:

Keine Woche später erging der folgende …

Nota bene:
Dem Beschuldigten gewährt man das rechtliche Gehör und die Möglichkeit, einen (Wunsch-)Verteidiger seines Vertrauens zu benennen. Dem Verteidiger stülpt das Gericht dann die Pflichtverteidigung eines ihm bis dato unbekannten Beschuldigten ungefragt über.

Ob ich überhaupt Lust auf die Verteidigung habe, oder Zeit, freie Kapazitäten oder sonstwas … scheint die Justiz nicht zu interessieren.

Ist das nur Gedankenlosigkeit? Oder die Vermutung, ich werde mich schon freuen, endlich mal wieder ein Mandat zu bekommen? Oder schlicht die Arroganz eines Richters, dem das Recht der Pflichtverteidigerbestellung zusteht?

Selbstverständlich übernehme ich auch in Wirtschaftsstrafsachen Fälle der notwendigen Verteidigung. Aber ich erwarte – zumindest vom Gericht, aber auch von dem Mandanten, dass ich vorher gefragt werde. Meine Kanzlei ist kein Selbstbedienungsladen, in dem sich Beschuldigte und Richter eine Verteidigung einfach aus dem Regal nehmen können.

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Die Wege der Akte sind unergründlich

So ein Aktenstudium ist für einen Strafverteidiger nicht nur Arbeit, sondern hat auch einen gewissen Unterhaltungswert.

In einer mittelschwergewichtigen Insolvenzstrafsache geistert die komplette Akte irgendwo in der Weltgeschichte herum, taucht dann zufällig aus dem Nirvana wieder auf und augenscheinlich kümmert das keinen Menschen.

So isse, unsere Staatsanwaltschaft. Immer für eine unterhaltsame Überraschung gut.

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Mach’s gut, Douglas …

… und Danke für den #towelday

Alles wird gut.

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Versuchen kann man es ja mal, oder?

Liebe Frau Justizkosteneinziehungstellensachbearbeiterin, die Sie mir diese Anfrage geschickt haben:

Was – glauben Sie – würden Sie mit mir machen, wenn

  • ich 2008 Ihr Verteidiger gewesen wäre,
  • aus jenem Verfahren noch gut 700 Euro Gerichtskosten offen sind,
  • mehrere Vollstreckungsversuche ergebnislos gewesen waren,
  • ich 2019 wüsste, wo Sie wohnen

und ich jetzt diese Ihre Anschrift der Justizkasse mitteilen würde und dann stünde morgen früh der Gerichtsvollzieher vor Ihrer Tür?

Ich halte fest:
Sie haben ein sonniges Gemüt und ich freue mich über Ihren Optimismus. Aber ich bin weder blöd, noch ein Mandantengeheimnisverräter.

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Schäbiger Vergleichsvorschlag

Wie bereits von erfahrenen Kommentatoren lässig angekündigt, lassen die schäbigen Rechtsanwälte nicht locker. Aber sie lassen nach.

Nach dem vorsorglichen Hinweis auf möglicherweise entstehende Kosten und der Androhung vermeintlich empfindlicher Übel …

Sollten Sie die Frist fruchtlos verstreichen lassen, werden wir unserer Mandantschaft empfehlen, das Verfahren gegen Sie umgehend fortzusetzen.

… verschickt die Hamburger Anwaltsbatterie erneut automatisierte, aber dennoch freundliche Grüße:

Irgendwelche namenlosen Wesen aus dieser KSP Kanzlei Dr. Seegers, Dr. Frankenheim Rechtsanwaltsgesellschaft mbH behaupten, sie hätten Rücksprache „mit unserer Mandantschaft“ gehalten. Diese Mandantschaft (es soll sich dabei mutmaßlich um die „dpa Picture-Alliance GmbH“ handeln) erkläre sich diese …

… nunmehr(*) […] im Interesse einer nunmehr(*) zügigen und außergerichtlichen Erledigung damit einverstanden, …

… sich mit mir zu vergleichen. Statt der ursprünglichen Bereicherung in Höhe von 371,02 Euro soll der Vermögensvorteil für ksp Rechtsanwält bzw. deren mutmaßliche Mandantschaft nur noch 223,00 Euro betragen. Aber nur dann, wenn die Systemarbeiter bis zum 27.05.2019 (also binnen 14 Tagen) meinen guten Namen auf deren schlechten Kontoauszügen lesen können.

Und dann folgt wieder dieser zivilprozessuale Standardsermon, von dem doch ohnehin niemand mehr davon ausgehen kann, dass er ernstzunehmen wäre:

Offenbar ist die Mandantschaft beratungsresistent – denn schließlich hat die Kanzlei ja schon einmal „die Fortsetzung des Verfahrens“ empfohlen.

Ich bin gespannt, um welches Verfahren es sich handeln könnte, wenn ich jetzt mal statt eines Blogbeitrages freundliche Post an die Staatsanwaltschaft (§ 253 StGB), an die Rechtsanwaltskammer (§§ 43, 43a BRAO) und die Gewerbesteuerstelle des Hamburger Finanzamts (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) schicke.

Liebe Kommentatoren, bleiben Sie am Apparat, um nicht zu verpassen, wenn es weitergeht in dieser schäbigen Geschichte …


(*) Ein schönes Wort: „nunmehr“. Wird gern und oft von Zivilunken genutzt. Servicehinweis an ksp.: Bitte den Textbaustein nochmal überarbeiten.

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Bayern: Arbeiten mit Profis

Ich möchte hier noch einmal dem Eindruck entgegen treten, ich hätte etwas gegen *die* Bayern.

Na gut, wenn es um das Strafmaß geht, besonders im Zusammenhang mit dem Fund 0,5 Gramm Cannabiskraut, halte ich an meinen berechtigten (jawoll!!) Vorurteilen fest.

Im strafverteidigenden Umgang mit den und bei der Organisation durch die Justizbehörden liegt Bayern jedoch ganz weit vorn.

Das mache ich aus aktuellem Anlaß noch einmal an einem Beispiel fest.

Stage 1: Frankfurt

Ich hatte mehrere Termine vor dem Landgericht Frankfurt am Main und hatte das Gericht um die Hereingabe eines Vorschusses auf meine Reisekosten (immerhin ein vierstelliger Betrag).

Das Gesetz ist insoweit eindeutig, den Frankfurtern ist das RVG aber augenscheinlich Wurscht.

Wie sich meine Vorschussbitte entwickelt und zu welchen Amputationen das in Frankfurt am Main geführt hat, kann man hier nachlesen. Die weitere hessische Entwicklung war dann noch Anlass für einen weiteren Bericht.

Am Ende jenes hessischen Vorschuss-Verfahrens stand ein gegen mich geführtes Ermittlungsverfahren wegen eines Ehrkränkungsdelikts, das von den professionellen (!) Ermittlern in Berlin auch gleich wieder eingestellt wurde.

Stage 2: München

Nun habe ich ein Verfahren vor dem Landgericht München. Auch hier habe ich um die Hereingabe eines Vorschusses auf die Reisekosten gebeten. Das war am vergangenen Montag. Und Zack: Vier Tage später – am Freitag – war der Vorschuss auf meinem Konto.

Man kann von *den* Bayern halten, was man will. Aber organisieren können sie …

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Strafrechtsrelevantes Anwalts-Inkasso

Das massenhafte Beitreiben von Forderungen stellt auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten eine gefahrgeneigte Anwaltstätigkeit dar.

Der 4. Senat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 14.03.2019 (4 StR 426/18) ausgeführt, dass die bei reiner Inkassotätigkeit rechtsgrundlos geltend gemachten Rechtsanwaltskosten einen Betrugsschaden darstellen können.

Wenn zusammen mit der Mahnung gleich auch noch die 1,3-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses des RVG geltend gemacht wird (wie es weit verbreiteter Usus ist), darf diesem anwaltlichen Mahnschreiben auch die schlüssige Erklärung entnommen werden, der Rechtsanwalt ist nicht allein mit der schlichten Mahnung beauftragt worden, sondern hat auch den Auftrag einer weiter gehenden rechtlichen Prüfung oder Beratung erhalten.

Fehlt es allerdings genau an diesem zweiten Auftrag, ist die Geschäftsgebühr nach Auffassung des BGH nicht entstanden. Macht der Inkasso-Anwalt sie gleichwohl geltend, liege eine Täuschungshandlung vor, die über einen Irrtum zum Schaden führt.

Vor dem Hintergrund, dass Masseninkasso regelmäßig eine dauerhafte Erwerbsquelle darstellt, sind auch die Voraussetzungen für den gewerbsmäßigen Betrug (§ 263 Abs. 3 StGB) gegeben. Und wenn man dann noch durch die Brille des Steuerrechtlers schaut, erblickt man schnell das Ende der freiberuflichen Tätigkeit und den Beginn des gewerbesteuerpflichtigen Kaufmannsladens mit der Soll-Versteuerung der Umsätze. Und dann wird es ernst.

Mal eben ein paar Mahnungen raushauen, um sich damit quasi automatisch das Konto zu füllen, kann durchaus zu heftigen Konsequenzen führen, wenn man nicht aufpasst.

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Pseudologie – ein Hinweis des Staatsanwalts

Es ist ein merkwürdiger Fall. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 263 StGB, also des Betruges, scheinen erfüllt zu sein – wenn man der Hypothese der Ermittler Glauben schenken mag und mal den zusammen getragenen Sachverhalt als zutreffend unterstellen möchte. Darüber wird noch zu reden sein, hier geht es um etwas anderes.

Täuschung, Irrtum, Vermögensverfügung, Vermögensschaden – alles da, was man für einen Betrug braucht. Vorsatz, OK, geschenkt. Das Problem liegt jedoch bei der Bereicherungsabsicht.

Eine größere zweistellige Anzahl von verschiedenen (!) Taten – also kein klassischer Fall des Cybercrime, bei dem eine Maschine tausende Menschen um’s Ersparte bringt. Alles individuell und quasi handgemacht. Und immer wieder etwas anderes. Viele leere Versprechen, eine Riesen-Show mit reichlich heißer Luft. Und am Ende ein recht hoher Schaden insgesamt.

Es fehlt aber an dem Nutzen für den Beschuldigten. Nicht einen Cent (naja, fast keiner) für’s eigene Portemonnaie. Null Vorteil für ihn selbst. Das Ganze ist nur sehr schwer zu verstehen.

Der erfahrene Staatsanwalt hatte da eine Idee, die er mit zusammen mit der Akteneinsicht übermittelt hat und für die ich ihm gedankt habe:

Wir waren uns einig, ein klassischer Hochstapler oder Serienbetrüger kann das nicht sein. Ein Fall der Pseudologie wird erwogen. Wobei sich auch die Gelehrten uneins sind, ob das eine Krankheit ist und wenn ja, was für eine.

Nun, das werden jetzt ein paar Strafjuristen klären. Mithilfe eines Sachverständigen, der noch gesucht wird.

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