Beschuldigtenbelehrung wie anno dunnemals

Ein intensives Aktenstudium liefert immer wieder gern anschauliches Material für einen Blogbeitrag. In einem Aktenpaket, das sich auf mehrere Umzugskartons verteilt, findet sich irgendwo auf Blatt zweitausendirgendwas die folgende „Beschuldigtenbelehrung“. Beschuldigter ist der Vater des mitbeschuldigten Sohnes.

Die Frage nun an die geschätzte fachkundige Leserschaft:
Das sich anschließende Vernehmungsprotokoll – sind die Inhalte verwertbar? Entspricht diese Belehrung den gesetzlichen Anforderungen?

Nur mal so nebenbei:
Es handelt sich um ein hochkarätiges Wirtschaftsstrafverfahren (§§ 299, 300 StGB), was sich zum Zeitpunkt dieser Vernehmung schon über zwei Jahre hinzog. Dies war auch keine spontane Vernehmung, sondern im Gegenteil: Sie wurde von der Staatsanwältin angeordnet, der Beschuldigte ist eine zentrale Figur in dem Verfahren und Ort sowie Zeitpunkt der Beschuldigtenvernehmung waren geplant. Trotzdem fertigten die Vernehmungsbeamten das vierseitige Protokoll handschriftlich an, offenbar weil ihnen die Technik – und damit auch die (relativ) rechtssicheren Textbausteine – nicht zur Verfügung standen. Die inhaltliche Qualität der Fragen hingegen war noch nicht einmal so übel.

Schade eigentlich.

Dieser Beitrag wurde unter Polizei, Steuerstrafrecht, Strafrecht, Wirtschaftsstrafrecht veröffentlicht und mit den Begriffen , verschlagwortet.

18 Antworten auf Beschuldigtenbelehrung wie anno dunnemals

  1. 1
    nachtbar says:

    §136a Abs3 ?

  2. 2
    Flo says:

    Mir fehlt da irgendwie der kleine dezente Hinweis das er auch seinen Mitbeschuldigten nicht belasten muss.

  3. 3
    JK says:

    Er muss Verwandte nicht belasten. Er ist der Vater des Angeklagten. Das ist in so einem Verfahren doch essentiell dann.

  4. 4
    Mirando says:

    Aber da steht doch, dass er über seine Rechte belehrt worden ist. Also über alle. Da kann gar nichts fehlen. Nach „insbesondere“ kommen nur einige Beispielrechte, um das ganze etwas anschaulicher zu gestalten. Insgesamt bewerte ich die Belehrungsleistung mit „sehr gut“.

  5. 5
    Richard says:

    Ich musste dreimal hinschauen, bis ich erkannt habe, dass da „…der heutigen Durchsuchungsmaßnahme…“ und nicht „…der lustigen Durchsuchungsmaßnahme…“ steht.

  6. 6
    RA Schepers says:

    Belehrung ist nicht ausreichend (Vater-Sohn).
    Der Inhalt ist ihm gegenüber verwertbar, seinem Sohn gegenüber nicht.

  7. 7
    NE says:

    Mich wundert der Hinweis auf die (vorgebliche?) Belehrung über „Pflichten“. M.W. gibt es keine speziellen „Pflichten“, die nicht ohnehin ggü. jedermann und allgemein gelten, so dass die Aussage daran kranken könnte.
    „Insbesondere“ klingt auch unglücklich, da war also noch mehr, was ebenfalls nicht protokolliert wurde.

  8. 8
    Andreas says:

    Das „Schade eigentlich“ impliziert IMHO die Antwort auf die gestellten Fragen… :-D

  9. 9
    JLloyd says:

    Gemeint ist hier vermutlich das Zeugnisverweigerungsrecht gem. §51(1) StPO

    Ggf. kommt auch die verkürzte Formulierung „sich selbst belasten“ anstelle der korrekten Formulierung auch „die Gefahr zuziehen sich selbst (oder einen Angehörigen) zu belasten“ in Betracht, aber als Beschuldigter steht ihm ohnehin ein generelles Schweigerecht zur Sache zu.

    Das Ganze dann i.V. mit §136a(3) StPO, wobei ggf. – wie bereits Herr RA Schepers ausführte – zwischen der Verwertung gegen den Vater und den Sohn zu unterscheiden ist.

  10. 10
    Duncan says:

    Irgendwie kann ich einer tatsächlich so stattgefundenen „Belehrung“ eines sehr erfahrenen Kriminalbeamten mit der Pension in Sichtweite immer mehr abgewinnen: Geben’s mir mal Ihren Personalausweis und ansonsten halten’s bitte den Schnabel bis Sie mit Ihrem Anwalt gesprochen haben. – OK, in Anbetracht des etwas unappetitlichen Tatvorwurfes inkl. Inkludierung von Kindern, vielleicht auch etwas der Gemütslage des Beamten geschuldet, aber an Verständlichkeit kaum zu überbieten.

  11. 11
    Paulchen says:

    Die Belehrung ist akzeptabel und führt zu einer in jeder Hinsicht verwertbaren Aussage. Ein Beschuldigter muss belehrt werden, dass er nichts sagen muss. Er muss, soweit keine anderen Tatvorwürfe betroffen sind, nicht noch zusätzlich so belehrt werden, als wäre er Zeuge.

  12. 12
    blu*b says:

    Die Party dauert schon 2 Jahre und der Beschuldigte wird nicht anwaltlich vertreten?

    • Manchmal dauert es ein wenig, bis die Notwendigkeit einer professionellen Verteidigung erkannt wird. (BTW: Das ist nicht mein Mandant!) crh
  13. 13
    CB says:

    Eine Zeugenbelehrung im Beschuldigtenstatus braucht nicht zu erfolgen – NJW 1978, 387.

  14. 14
    Der wahre T1000 says:

    Und kein Anwalt hat dem Mann gesagt, dass er den Mund halten soll? Wer was sagen will, der kann das spaeter vor Gericht auch noch, sofern sein Schweigen ihm das nicht erspart.

  15. 15
    RA Thorsten Hein says:

    Mal ungeachtet dessen, dass so einiges aus § 136 StPO fehlt – u. a. der Hinweis, dass der Verteidiger bereits VOR der Vernehmung beauftragt werden kann sowie ggf. der Hinweis auf Anwaltsnotdienste – ist die Belehrung „Ich muss mich nicht selbst belasten und brauche auch keine angaben tätigen.“ schon arg irreführend. Das klingt so, als brauche er nur dann kein Angaben tätigen, wenn er sich damit selbst belasten müsste.

    Es fehlen außerdem noch die Belehrung über den Tatvorwurf und der Hinweis auf den Pflichtverteidiger – es handelt sich ja immerhin um ein umfangreiches mehrjähriges Wirtschaftsstrafverfahren, und da sollte die Pflichtverteidigung klar sein.

  16. 16
    @RA Thorsten Hein says:

    Zumal nach der PKH Richtlinie EU 2016/1919 vom 26.10.2016:

    https://www.burhoff.de/veroeff/aufsatz/StRR_2019_5.htm

  17. 17
    Mirco says:

    @5
    lustig, hab ich auch gelesen

  18. 18
    meine5cent says:

    @RA Hein:
    EIne „Belehrung über den Tatvorwurf“ gibt es nicht, sondern eine Eröffnung des Tatvorwurfs und daran anschließend die Belehrung.
    So jedenfalls der klare Wortlaut und die Systematik des § 136 Abs. 1 S. 1 und S.2 (ist hinzuweisen = zu belehren) StPO. Die Eröffnung ist nicht Teil der Belehrung, ein Fehler der eigentlichen Belehrung liegt daher alleine anhand dieses Belehrungsvermerks nicht vor.
    Hinweis auf PflVtg führt eher nicht zu einem Verwertungsverbot.
    Was an der Konjunktion „nicht selbst belasten UND müssen auch keiine Angaben“
    irreführend sein soll ist mir unklar. Das und ergibt sich zwanglos daraus, dass das Gesetz den Hinweis auf die Selbstbelastungsfreiheit UND auf das Schweigerecht vorsieht.