Vielen Menschen gefällt es, andere Menschen „anzuzeigen“, damit sie mit einem Strafverfahren überzogen werden. In den Rechtsgebieten, in denen ich als Verteidiger unterwegs bin, sind es sehr oft zivilrechtliche Schadensersatzansprüche, die mithilfe der Strafverfolgungsbehörden durchgesetzt werden sollen.
Diese Anzeigeerstatter werden dann im weiteren Verlauf des von ihnen initiierten Ermittlungsverfahrens zu Zeugen, die mindestens einmal förmlich von der Polizei vernommen werden.
Das erfolgt meist in kahlen und ungemütlichen Amtsstuben, in denen der Vernehmungsbeamte die Aussage des vermeintlich Geschädigten mühsam in den Computer tippt. Den Kaffee, den man dort nicht angeboten bekommt, kann man ohnehin nicht trinken, wenn man noch über einen Rest Überlebenswillen verfügt.
Aber das geht ja noch alles. Denn an das Ermittlungsverfahren schließt sich dann (aus Sicht des Anzeigeerstatters: im günstigsten Fall) die Beweisaufnahme vor der Wirtschaftsstrafkammer oder der entsprechenden Abteilung beim Amtsgericht an. Auch dort gibt es keinen genießbaren Kaffee, sondern den Zeugenstand.
Beim Amtsgericht Pforzheim sieht der so aus:
Um den Zeugen herum sitzen mehrere schwarz berobte Juristen, von denen mindestens einer ziemlich grimmig aussieht: Das wird der Verteidiger sein.
Nachdem das Gericht und die Staatsanwaltschaft ihre Fragen losgeworden sind, darf dieser Verteidiger sich nun gemütlich auf seinem gepolsterten Stuhl zurücklehnen, und den quasi ungeschützt(!) mitten im Raum(!) stehenden(!) Zeugen ausführlich befragen. Um dann doch noch eine Frage zu stellen, bevor ihm einfällt, noch einmal die Aussagekonstanz zu prüfen und die ersten Fragen wiederholt, woraus sich dann Widersprüche ergeben, die hinterfragt werden müssen, ggf. auch von den anderen Beteiligten, die bequem an ihren Tischen auf Sesseln sitzen. Der Zeuge wird also erst gegrillt und dann in Scheiben geschnitten.
Ich würde es mir mehrfach überlegen, ob ich mich freiwillig einem solchem Martyrium aussetzen möchte …
Besten Dank an Rechtsanwalt Harald Stehr, Fachanwalt für Strafrecht, Göppingen für den Schnappschuss aus dem AG Pforzheim und das Attribut in der Überschrift.
Ich kenne das nur sitzend, gefühlt geschützt durch einen kleinen Tisch.
Hier stehend, unten rum nackig, ja, das hat eine neue Qualität. Das ist wie zum Grillen gemacht. ?
Wer sich hier außerhalb der Wahrheit bewegen will, braucht starke Nerven und einen schnellen Verstand.
ich würde mir den Rollstuhl meiner Frau (oder meiner Mutter) ausleihen…
In HN darf der Zeuge immerhin sitzen.
Ich durfte da allerdings letzthin eine Grillprozedur erleben, bei der die (aus der JVA gebrachte) „Zeugin“ so weit gegrillt würde, daß sie am Ende für alle ungenießbar war und sogar strafrechtliche Folgen auf sie zukommen dürften … in diesem Falle hat es sich allerdings für alle Beteiligten (Anklage, Nebenkläger, Verteidigung und wohl auch den kompletten Richtertisch) gelohnt, „drumherum“ zu fragen und herauszufinden, daß die Zeugin außer einem (von extern in den Mund gelegten?) Satz sich an nichts Sachdienliches erinnerte.
(das kommt dann davon, wenn man aus der JVA heraus identifizierbar von BILD zitiert wird …)
Sieht aus, als würden kurz vor Aufruf des Zeugen noch vier Baustellenstrahler aufgebaut, die sein Gesicht ordentlich ausleuchten.
Üblich ist der Zeugentisch, damit die Wahrheit „auf den Tisch“ kommt. – Eine weitere Funktion laut SZ 1996: Da schritt der Staatsanwalt Martin Slotty zum Zeugentisch, legte sich bäuchlings darauf und bat den polizeibeamteten Zeugen, an ihm zu demonstrieren, wie er zwei Arme hinten fesseln konnte.
Dass da noch keiner rebelliert hat? Und StA und Richter offenbar auch kein Problem damit haben?
Wobei: Sitzen ist ja das neue Rauchen, und Stehen ist gesund. Vielleicht hat da das behördliche Gesundheitsmanagement den Stuhl entfernt.
Mit Aussagekonsistenz ist wohl eher Aussagekonstanz gemeint, und ob deswegen (Konstanz nicht durch Vergleich mit vorhandenen früheren Aussagen, sondern durch Produktion mehrerer Aussagen innerhalb der HV?) Wiederholungsfragen zulässig sind, ist sicher eine spannende Frage.
Mh, finde ich schon ein starkes Stück. Wenn ich nicht mehr stehen könnte / wollte und sonst auch keine eigenen Interessen drin habe, würde ich als Zeuge einfach nach einem Stuhl fragen. Und beim „Nein“ mich halt auf den Boden setzen (oder noch besser: legen).
Aber: Ich kann mir vorstellen, dass viele sich bei dem gezeigten Aufbau sich eher wohl sicherer fühlen. Aus evolutionssicht kann man besser weglaufen, man steht und ist damit höher / über den sitzenden (Anwälten) und man kann sich auch noch „natürlich“ festhalten („wohin mit den Händen beim sitzen“ gibts also nicht).
Was ich am schlimmsten fände: Sitzen ohne Schutz – also einfach nur ein Stuhl (ohne Armlehne) in die Mitte stellen. Und der jeweils fragende steht dann noch auf.
Grillen und in Scheiben schneiden doch wohl nur, wenn der Zeuge seine Aussage fabriziert.
Wer ehrlich ist, muss nicht schauspielern und kann auch schlecht gegrillt werden.
Im übrigen, was spricht dagegen, dem Staat dabei zu helfen, einem Schuft auch mal heimzuleuchten?
> ZeugenSTAND?
Geständnisse sind nur im Stehen gültig. Sitzen kann der geständige Zeuge dann noch lange genug.
Aber wozu wird der Trockenrasierer auf dem Stehpult gebraucht?
Hätte so viele Ideen für Reality-TV-Gerichtsshows, aber leider ist § 169 GVG noch in Kraft.
Grillschürze?
[…] Der Zeugengrill: Högschd unangenehm, […]
Fühle mich bei diesem Bild des Gerichtssaals des AG Pforzheim irgendwie an Marc Rentons Wohnung im Film „Trainspotting“ erinnert.