Eine zähe Einstellung

Wenn’s läuft, dann läuft’s. Unter diesem Motto beschäftigt mich (oder genauer: meinen Mandanten) seit 2015 ein Verfahren in Dresden.

Im Hauptberuf ist mein Mandant Angestellter in einem Unternehmen, an das maximal erhöhte Sicherheitsanforderungen gestellt werden, und damit auch an dessen Beschäftigte. Eine Vorstrafe, auch eine kleine, hätte das Ende der Karriere zur Folge. Soweit die Ausgangslage.

Nun hatte mein umtriebiger Mandant eine Geschäftsidee, die er mit einer GmbH-Gründung umsetzte. Dabei war er allerdings weniger erfolgreich; erst kam die Krise, dann ein paar Fehlentscheidungen oben drauf und schon hatte die Wirtschaftsabteilung der Staatsanwaltschaft einen weiteren Fall.

Die Staatsanwältin sah in dem Fall eine Routineangelegenheit und bearbeitete die Akte nach „Schema F„. Auch das Gericht erkannte die Brisanz des Falles nicht. So ging das Strafbefehlsverfahren seinen trägen Gang.

Richtig Bewegung kam in die Geschichte erst, nachdem der Mandant mich mit der Verteidigung beauftragt hatte. Nach dem Einspruch gegen den Strafbefehl kam es zu einer zähen Hauptverhandlung mit einer umfangreichen Beweisaufnahme, verteilt auf vier Termine … ohne dass ein zeitnahes Ende absehbar war.

Dann kam das Friedensangebot des Richters: Das Verfahren sollte eingestellt werden gegen Zahlung einer Auflage in fünfstelliger Höhe. Zähneknirschend haben die Staatsanwältin und der Mandant zugestimmt. Die Sache hätte damit einigermaßen friedlich beendet werden können.

Die Auflagenzahlung sollte an eine gemeinnützige Organisation gehen. Namen und Bankverbindung des Vereins teilte das Gericht der Verteidigung schriftlich mit. Der Mandant zahlte und schickte mir den Überweisungsbeleg, damit ich die *endgültige* Einstellung des Verfahrens beantragen konnte.

Bei der Überprüfung des Zahlungseingangs bei dem Verein stellte der Richter fest, dass er mir die falsche Bankverbindung mitgeteilt hatte. Deswegen bekam ich statt des beantragten Einstellungsbeschlusses folgende Anweisung:

Diesem Schreiben war die Mitteilung des Vereins beigefügt:

Und jetzt? Soll der Mandant nach Vorstellung des Richters loslaufen und versuchen, eine zwei Monate alte Überweisung wieder zurückzuholen, um den Betrag dann noch einmal, dann aber an die richtige Adresse überweisen? Oder soll ich das gegen teures Zeithonorar an seiner Stelle erledigen?

Ich habe dem Richter einen „Ick-gloob-et-hackt“-Brief geschrieben:

ich nehme Bezug auf Ihr Schreiben vom **.**.2019, in dem Sie mitteilen, dass Sie in dem Beschluss vom **.**.2019 versehentlich eine falsche Bankverbindung des *.* e.V. angegeben haben.

Mein Mandant hat die Auflage nach Maßgabe Ihres Beschlusses fristgerecht erfüllt, indem er am **.**.2019 die Auflagenzahlung an eben diese Bankverbindung geleistet hat.

Die Überweisung wurde ausgeführt, einen Rücklauf hat es nicht gegeben. Die Rückforderung bzw. eine Stornierung einer solchen Überweisung ist grundsätzlich ausgeschlossen, zumal fast 2 Monate vergangen sind.

Es dürfte dem Gericht obliegen, die Folgen der falschen Angabe der Bankverbindung zu beseitigen

Der Mandant hat die Auflage vollständig und fristgerecht erfüllt, das Verfahren ist daher endgültig einzustellen, was ich nochmals beantrage.

Nun warten wir erst einmal auf die Reaktion des Gerichts. Wenn das Gericht meine Ansicht nicht teilen sollte, wird es wohl darauf hinauslaufen, dass erneut verhandelt werden müsste. Ob das erstrebenswert ist?

Aber vielleicht haben ja der Richter, die Staatsanwältin und/oder ein Blogleser noch eine andere Idee. 8-)

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13 Antworten auf Eine zähe Einstellung

  1. 1
    Peter75 says:

    Vertrackt. Einerseits hat der Mandant alles getan, was er tun sollte. Andererseits könnte er das Geld nach finaler Einstellung des Verfahrens zumindest auf dem Klageweg über 812 BGB o.ä. vom Empfänger zurück holen und wäre dann ganz fein raus, was auch nicht im Sinne des Erfinders wäre.

    Lösung: Abtretung des Rückzahlungsanspruchs gegen den unberechtigten Empfänger an die Justiz

  2. 2
    Daniel says:

    Würde es nicht eventuell Sinn machen, den Anspruch auf Rückzahlung an den Verein abzutreten, damit dieser die Zahlung holen kann?

    Falls der Empfänger nicht zahlt, kann der Verein ihn ja auf Zahlung verklagen.

  3. 3
    Daniel says:

    Interessant wäre es allerdings auch das Verfahren jetzt versuchen abzuschließen, da die Auflage erfüllt ist (Überweisung auf Konto XYZ) und im Anschluss den Geldbetrag über die ungerechtfertigte Bereichung zurück zu holen.

  4. 4
    NE says:

    Erstaunlich finde ich, dass tatsächlich nicht versucht wurde, das Geld zurückzuholen. Ein fünfstelliger Betrag soll sang- und klanglos fehlgeleitet bleiben?! Andererseits: Die falsche Bankverbindung kam vom Gericht. Möglicherweise aus dem Fundus der genehmen Auflagenzahlungsempfänger. Ggf. kann der Beschluss auf den tatsächlichen (falschen) Empfänger geändert werden?

  5. 5
    kollege MK says:

    anspruchsabtretungserklärung zugunsten des vereins ABER – tipp für die strafrechtler – anspruchsabtretungsannahme des vereins nicht vergessen. dann dürfte die auflage auch erfüllt sein. zivilrechtlich ist die rückholung der überweisung natürlich recht trivial, aber mit einigem aufwand verbunden. viel glück!

  6. 6
    RA Schepers says:

    Wieso soll der Angeklagte das Geld vom Empfänger zurückfordern können?
    Rechtsgrund war die Auflage des Gerichts. Diese Auflage ist auch (noch) in der Welt…

  7. 7
    Christian Dittrich says:

    Nun, vielleicht ist es möglich den Inhaber des Bankkontos bei der Bank ausfindig zu machen und den Zahlungsbeschluss auf den Empfänger umzuändern, der das Geld bekommen hat. Wenn es dann rein zufällig auch ein e.V. wäre, wäre die Angelegenheit auch geheilt.
    Da sollte die Staatsanwaltschaft doch die besten Möglichkeiten haben.

  8. 8
    jansalterego says:

    @RA Schepers. Zweckverfehlungskondiktion?

  9. 9
    Nicolai Mass says:

    Da das Gericht jetzt etwas von ihnen möchte ,was außerhalb dieses Falles liegt ,schicken sie dem Gericht erstmal eine Vollmacht das es unterschreiben darf ,damit sie überhaupt tätig werden dürfen.

  10. 10
    WPR_bei_WBS says:

    Ich frag mich auch gerade, was der Richter in seiner ihm eigenen Logik wohl meint was zu tun sei, wenn das Geld weg ist. Wer weiss, wer der Kontoinhaber ist und was der mit dem Geld gemacht hat. Insbesondere wenn man bedenkt, dass der auch nach zwei Monaten offenbar nicht mal von sich aus tätig wurde, um Herkunft und Zweck des Geldes zu klären. Ich meine, einen fünfstelligen Betrag auf dem Kontoauszug übersieht man so schnell ja nicht, gerade wenn er nicht zuodnenbar ist.

    Ja, auch für den Fall, dass es sich um das Konto eines anderen Buddy-Vereins des Richters handelt – im Verwendungszweck wird ja ein Geschäftszweichen o. Ä. stehen, dass der richtige Empfänger zuordnen kann, der falsche aber eher nicht.

  11. 11
    WPR_bei_WBS says:

    @RA Schepers

    Also erstmal schafft die Auflage kein (zivilrechtliches) Recht des Vereins aus Zahlung – und damit erst recht nicht für den Inhaber des tatsächlichen Gutschriftkontos.

    Selbsg wenn dem so wäre, wäre es eben ein Recht des bezeichnen Vereins. Es ist wohl offensichtlich, das nicht das Konto / irgendein Inhaber des Kontos der Begünstigte sein soll, und der in der Auflage genannte Verein nur für das schöne Schriftbild dort steht.

    Und wenn wir selbst das mal ignorieren, hätte man zum derzeitigen Zeitpunkt immer noch § 812 I 2 2.Alt. BGB – schließlich will der Richter nicht endgültig einstellen.

  12. 12
    RA MiG says:

    §839 BGB iVm. Art 34 GG, der Fehler dürfte nicht mehr unter das Richterprivileg fallen.

  13. 13
    Lob says:

    Wem gehört denn die Bankverbindung? Das müsste dem Richter wohl bekannt sein, denn ein simpler Tippfehler würde wohl keine weiterhin gültige Prüfsumme in der IBAN ergeben.