Kneipenschlägereifreispruch

Es ist nicht das erste Mal, sondern eher der Standardverlauf eines Körperverletzungsverfahrens, das seinen Usprung in einer Neuköllner Gaststätte gefunden hat.

Zu vorgerückter Stunde rückt die Polizei an, weil irgendjemand die Notruftaste an seinem Handy gefunden hat. Ein paar Tische und Stühle stehen nicht mehr dort, wo der Gastwirt sie ein paar Runden Molle mit Korn vorher hingestellt hatte. Der eine oder andere Stuhl ist dann auch nur noch zum Kaminanzünden geeignet. Einer der Gäste hat eine Beule am Kopf und die den Neukölln-Trouble-gewohnten Polizeibeamten vernehmen den zuverlässigen Hinweis: „Sie war’s! Sie war’s!“ und stellen die Personalien fest.

Die fleißige Amtsanwaltschaft drückt das Ermittlungsverfahren durch, schreibt die Anklage und der bedauernswerte Richter am Strafgericht hat die Sache auf dem Tisch. Es werden säckeweise Zeugen geladen, die teilweise unentschuldigt nicht erscheinen oder in ruhigere Gegenden umgezogen sind, ohne das dem Gericht mitzuteilen. Im dritten Hauptverhandlungstermin ist es dann endlich soweit: Alle ehemaligen Gaststättenbesucher sind anderthalb Jahre nach der Party als Zeugen vernommen worden.

Der Strafantrag des Amtsanwalts, der zwar auch nicht bei der Schlägerei dabei war, aber besser als alle Zeugen wusste, was geschehen war: 18 Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung mit einer vierstelligen Geldauflage, wegen einer gefährlichen Körperverletzung, § 224 StGB.

Ich habe in meinem Schlussvortrag das Geschehen als das zusammengefasst, was es tatsächlich war: Ein paar völlig besoffene Neuköllner haben sich morgens um drei Uhr in szentypischer Art miteinander unterhalten – worüber und wer mit wem, weiß keiner mehr so genau.

Das Urteil fiel dann auch verteidigerantragsgemäß aus:

Nebenbei: Meine Mandantin und der verletzte Zeuge sind nach der Urteilsverkündung erst mal gemeinsam einen trinken gegangen.

Neuköllner Kneipenschlägereien haben für einen Verteidiger nicht nur einen hohen Unterhaltungswert, sondern verlaufen sehr oft sehr erfolgreich.

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Bild (CC0): 453169 / via Pixabay

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5 Antworten auf Kneipenschlägereifreispruch

  1. 1
    ThetaPhi says:

    SIE WAR’S, SIE WAR’S! … ähm *stimmlagenwechsel*

    ER WAR’S. ER WAR’S!

  2. 2
    Non Nomen says:

    Neuköllner Kneipenschlägereien haben für einen Verteidiger nicht nur einen hohen Unterhaltungswert, sondern verlaufen sehr oft sehr erfolgreich.

    Zufriedene Kunden kommen wieder.

  3. 3
    Roland B. says:

    Es soll ja sogar, teils sogar literarisch verarbeitet, Leute geben, die sich zum freiwilligen Prügeln treffen wollen. Wollen.
    Ist bei uns wohl dennoch verboten, außer wenn Manager, Promoter & Co. dabei verdienen.
    Ohne Zeugenaussagen würde ich, wäre ich Richter (aber wir sind alle froh daß ich’s nicht bin) solche Schlägereien unter Willigen ignorieren. Jedenfalls solange sie im Rahmen bleiben, also niemand langfristig geschädigt wird. Oder ein Fremder, ein Unbeteiligter attackiert und geschädigt wird.

  4. 4
    Justiz says:

    Wie war das noch mit der überlasteten Justiz?

  5. 5
    Sykes & Matza says:

    Körperverletzungen aller Art sollten aus dem Strafgesetzbuch entfernt werden, da es sich um szenetypisch sozialübliche Kommunikationsformen handelt. Voll normal!

    Dann blieben justizentlastend und gebührenmindernd so einige zusammenfassende Schlussvorträge unvorgetragen.

    Verhindert wird das alles nur durch einen verfolgungsübereifrigen Amtsanwalt, der sich statt der vielen Überstunden besser mal in der Ankerklause gründlich weggeknallt hätte. Dann hätte er sogar eine Chance gehabt, dabei zu sein. Der war’s, der war’s!