Meinem Mandanten wird zur Last gelegt, einen Abrechnungsbetrug begangen zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn und seinen Pflegedienst bereits seit 2012.
Dem bisherigen Verteidiger ist es nicht gelungen, die Anklageerhebung zu verhindern. Das hat dem Mandanten nicht gefallen. Deswegen hat er nun einen neuen Verteidiger, nämlich mich.
Ich melde mich also beim Gericht, beantrage Akteneinsicht und die Gewährung einer angemessenen Frist zur Verteidigung im Zwischenverfahren. Relativ flott treffen hier die zwei Umzugskartons mit den Akten ein. Das Anschreiben enthält diesen Textbaustein:
Ist es wirklich von einem Vorsitzenden Richter am Landgericht und den Mitarbeitern auf der Geschäftsstelle einer Wirtschaftsstrafkammer zuviel verlangt, sich vor Abfassung solcher Schreiben einmal Gedanken darüber zu machen, wie es gelingen soll, diesen Aktenberg binnen dreier Tage einzuscannen und wieder zurückzusenden? Dort scheinen keine großen Leuchten zu sitzen.
Wenn ich jetzt auch noch daran denke, dass die Justiz (jedenfalls hier in Berlin, das wird in diesem auswärtigen Verfahren nicht anders sein) die Kosten für das Digitalsieren der Akten nicht erstattet, und ich daher gehalten bin, vorher zu prüfen (aka: zu lesen), was hinterher eingescannt werden soll, wird die Dreitagesfristsetzung völlig absurd.
Soll ich jetzt weitere Zeit dafür aufwenden, beim Gericht zu beantragen, die Frist für die Rücksendung der Umzugskisten großzügig zu verlängern? Oder soll ich ein Ermittlungsverfahren gegen mich riskieren, weil ich (zumindest vorübergehend) Urkunden unterdrücke und Akten unterschlage?
Die Staatsanwaltschaft brauchte sieben Jahre, um die Anklage schreiben zu können. Einem Verteidiger müssen dann drei Tage reichen, um den Inhalt der Akten zu erfassen?
Ich werde erfahren, welche Zeit sich die Richter genommen haben, um über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Zulassung der Anklage entscheiden zu können.
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Bild: © Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de
Die armen Bäume kommen noch hinzu, die leiden müssen.
Das mit dem nicht-erstatten der Scans ist immer noch der größte Witz. Gut, dass ich kein Anwalt bin – ich glaube ich würde aus Prinzip die Akten immer nach alter Väter Sitte kopieren. Was ich danach mit den Kopien mache (z. B. einscannen) hat den Kostenbeamten ja nicht zu interessieren…
Wenn ein Urteil ( mglw. ist die Tat zwischenzeitlich ohnehin verjährt, ja ja, ich weiß) abgesetzt wird ist dieses hoffentlich genau so bedacht wie dieser 3-Tage-Geniestreich. Was dann Gelegenheit gäbe, die Sache an anderem Orte fortzusetzen.
Wie wäre es, die Bände einzeln, jeweils nach Sichtung, zurückzureichen, quasi unverzüglich?
…wer hält diese Frist den überhaupt ein?
@ WPR_bei_WBS: Dann müsste das aber schon mit der Matritze kopiert werden. :-)
Das Kammergericht versteht davon, wie Kopierer arbeiten, etwa soviel wie Axel Voss vom Internet.
Aus dem Beschluss des Kammergerichts vom 28.08.2015, 1 Ws 51/15 geht hervor, dass das Kammergericht nur Kopien für erstattungsfähig hält, die vor dem Ausdruck nicht eingescannt wurden.
Vielleicht hätten sie vorher mal einen Techniker fragen sollen…
Der Zeitaufwand für ein Ermittlungsverfahren dürfte allerdings kaum geringer ausfallen, als der für eine Fristverlängerung.
Hier muss eine Regelung gefunden werden, z.B. pro 100 Seiten/ 1Tag (Wo es an gesundem Menschenverstand fehlt, muss eben eine Regelung her :-).
Evtl. könnte man die einzelnen Seiten auch wild durcheinandermischen und in einem Stapel zurückgeben.
Unverschämt finde ich, dass wir deswegen womöglich 3 Tage oder länger auf neue Blogs warten müssen.
@ busy
Shreddern und die Schnipsel zurückreichen?
oder noch lustiger: verbrennen und die Asche zurückreichen? har-har-har !!
Vermutlich hat der Richter einfach nur erfahren, dass der neue Verteidiger mit übernatürlichen Arbeitsmitteln ausgestattet ist. https://www.kanzlei-hoenig.de/2008/unverzichtbar/
Für eine erste Sichtung der Unterlagen wird die Zeit seit Mandatierung da eben angerechnet.
@ blafoo
Ich weiß, die sind bei KG bzgl dieser Thematik fernab jeglicher realität oder technischer Kenntnis. Genau deshlab ist für die ein Druck auf die „Kopieren“ Taste des Geräts ja offenbar kein Scannen. Weiß Gott, wo die die Grenze ziehen.
Meine Idee ist ja immer noch, einen Servive für Anwälte aufzumachen: KG-zertifizierte Kopierer, die Akte rein und kopieren – und dann am Papierauswurfschacht der Kopie gleich einen Scanner hinstellen, der die Kopie wieder einzieht und scannt. :-)
@blafoo (an der falschen Stelle auf Enter gedrückt)
Das ist immerhin realistischer, als sowas wie eine digitale Aktenführung vpn Gericht und Staatsanwaltschaft zu erhoffen.
Es gab schon spannendere Blog-Beiträge. Das ist halt ein Textbaustein, der bei der Gewährung von Akteneinsicht nahezu automatisch ausgespuckt wird. Schwer vorstellbar, dass bei einem entsprechenden Anruf oder Fax auf der Gegenseite kein Verständnis vorliegt. Wenn Ihnen das genügenden Anlass für einen Blog-Beitrag bietet, muss es bei Ihnen derzeit ja vergleisweise entspannt zugehen. Ich gönne es Ihnen.
Es gab schon originellere Blog-Kommentare.
Wenn bei Ihnen (hier Unterstellung einfügen), dann machen Sie doch einfach (hier paternalistischen Imperativ einfügen). Bei Ihnen scheint ja (hier missbilligende Bewertung einfügen).
@Mentator:
Falls ich Ihnen Kummer bereitet habe, möchte ich mich dafür entschuldigen. Ab sofort werde ich alles uneingeschränkt bejubeln, was ich hier zu lesen bekomme.
Aufregen, um sich aufzuregen. Ich wette einen größeren Betrag, dass alles gescannt wurde, bevor der RA auch nur einen Blick reingeworfen hat. Hat vermutlich eine Kanzleikraft 1-2 Std. gebunden. Na und?
@ Dr. Brumm:
„ch wette einen größeren Betrag, dass alles gescannt wurde, bevor der RA auch nur einen Blick reingeworfen hat. Hat vermutlich eine Kanzleikraft 1-2 Std. gebunden.“
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Ich bin dabei! Unter zwei Voraussetzungen wtte ich mit Ihnen:
1.) Sie geben den Betrag an
2.) Sie nennen mit Namen und ladungsfähige Anschrift der/des Zaubermitarbeit*, der/die es in max. 120 Minuten vermag, den gezeigten Papierkartoninhalt zu scannen.
Das haben Sie offenbar noch nicht selbst machen oder bezahlen müssen.
Nur ein Stichwort: „Heftklammern“ und in welchen Akten diese am häufigsten zu finden sind.
Die „Erregung“ von CRH ob der gedankenlos gesetzten 3-Tage-Frist vermag ich darum gut nachzuvollziehen.
@Dr. Brumm:
das hängt *stark* von den Akten ab. Sofern alles schön brav A4 Einzelseiten ohne Klammerung, aufgeklebten Zusätzen, … sind kann man mit einem Einzugscanner tatsächlich beachtliche Geschwindigkeiten erreichen.
Sobald aber beispielsweise Kassenzettel, zusammengeheftete Seiten oder auch „nur“ A5 dazwischen ist wird’s zeitaufwendig. Da ist dann auch mal eine Stunde pro Aktenordner schon schnell.
Wir hatten mal die Überlegung, unsere Archive zu digitalisieren, daher kenne ich die Probleme ansatzweise.
Nicht vergessen: zumindest stichprobenartig muss kontrolliert werden, ob auch wirklich alles gescannt wurde… (Stichwort Aktenvermerk auf der Rückseite).
und wenn man wirklich sichergehen will muss farbig gescannt werden (schwarz-weiß-„Kopierer“ kopieren manche Farben oder auch Textmarker nicht)
… und wenn solche Kleinigkeiten wie Zahlen wichtig sein könnten, will man vlt. doch nochmal manuell checken, ob Kopie und Original übereinstimmen.