Pseudologie – ein Hinweis des Staatsanwalts

Es ist ein merkwürdiger Fall. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 263 StGB, also des Betruges, scheinen erfüllt zu sein – wenn man der Hypothese der Ermittler Glauben schenken mag und mal den zusammen getragenen Sachverhalt als zutreffend unterstellen möchte. Darüber wird noch zu reden sein, hier geht es um etwas anderes.

Täuschung, Irrtum, Vermögensverfügung, Vermögensschaden – alles da, was man für einen Betrug braucht. Vorsatz, OK, geschenkt. Das Problem liegt jedoch bei der Bereicherungsabsicht.

Eine größere zweistellige Anzahl von verschiedenen (!) Taten – also kein klassischer Fall des Cybercrime, bei dem eine Maschine tausende Menschen um’s Ersparte bringt. Alles individuell und quasi handgemacht. Und immer wieder etwas anderes. Viele leere Versprechen, eine Riesen-Show mit reichlich heißer Luft. Und am Ende ein recht hoher Schaden insgesamt.

Es fehlt aber an dem Nutzen für den Beschuldigten. Nicht einen Cent (naja, fast keiner) für’s eigene Portemonnaie. Null Vorteil für ihn selbst. Das Ganze ist nur sehr schwer zu verstehen.

Der erfahrene Staatsanwalt hatte da eine Idee, die er mit zusammen mit der Akteneinsicht übermittelt hat und für die ich ihm gedankt habe:

Wir waren uns einig, ein klassischer Hochstapler oder Serienbetrüger kann das nicht sein. Ein Fall der Pseudologie wird erwogen. Wobei sich auch die Gelehrten uneins sind, ob das eine Krankheit ist und wenn ja, was für eine.

Nun, das werden jetzt ein paar Strafjuristen klären. Mithilfe eines Sachverständigen, der noch gesucht wird.

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Bild (Ausschnitt) von Gerd Altmann from Pixabay

Dieser Beitrag wurde unter Psychiatrie, Staatsanwaltschaft, Verteidigung, Wirtschaftsstrafrecht veröffentlicht.

4 Antworten auf Pseudologie – ein Hinweis des Staatsanwalts

  1. 1
    WPR_bei_WBS says:

    Scheint ja ein Staatsanwalt mit Augenmaß zu sein. Schön, auch sowas mal lesen zu dürfen :-).

  2. 2
    Sieg, Hanne says:

    Gemäß § 1896 Abs. 1 a BGB kann der Mandant die psychiatrische Begutachtung ablehnen, um z. B. wegen Betruges nicht den Rest seines Lebens in der Geschlossenen psychiatrischen Abteilung weggesperrt zu werden zwischen Vergewaltigern o. ä. etc.. Denn wer einem Geistesgestörten glaubt, Geld anvertraut, ist leider selbst Schuld. Als Betrüger geht der Mandant nur vergleichsweise kurz ins Gefängnis, meldet Privatinsolvenz an usw. usf.

    • Ganz so einfach ist es nicht, jemanden wegen eines Vermögensdelikts („Anlasstat“) nach § 63 StGB einzuweisen. Die „Gefahr“ im vorliegenden Fall ist auch sehr gering.
       
      Zum anderen hat ein Strafrichter (z.B. im Rahmen des § 246a StPO) auch die Möglichkeit, jemanden einzuweisen, ohne dass er sich hat explorieren lassen.
       
      Im Übrigen ist § 1896 Abs. 1a BGB zwar auch eine sehr schön formulierte Rechtsnorm, die aber im Strafprozess eher weniger angewendet wird. Und Privatinsolvenz ist kein Mittel gegen Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung (zB. Betrug). ;-)
       
      Grundsätzlich teile ich aber Ihre (von mir unterstellten) Bedenken. Eine Verteidigung in Richtung §§ 20, 21 StGB darf niemals die §§ 63, 64 StGB aus dem Blick verlieren. crh
  3. 3
    K75 S says:

    Wer wäre für solch ein Gutachten besser geeignet als Dr. Dr. Bartholdy … alias Gerd Postel?

  4. 4
    Pseudo-Sachverständiger says:

    Ich würde mich da als Sachverständiger anbieten – nur ein Pseudo-Sachverständiger kann schließlich eine Pseudologie feststellen