Verräterische Sprache der Staatsanwaltschaft

Dem Mandanten wird vorgeworfen, als Geschäftsführer einer GmbH trotz Zahlungsunfähigkeit keinen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt zu haben.

Die Staatsanwaltschaft schreibt ihn also an und gibt ihm die Gelegenheit, sich zu diesem Vorwurf zu äußern, § 163a StPO.

Zutreffend erfolgt die Belehrung über die Möglichkeit, sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Auch die Information über das Recht, einen Verteidiger zu konsultieren, fehlt nicht. Alles gut soweit.

Dann folgt noch der – zutreffende – Hinweis auf § 111 OWiG und die Verpflichtung, die Personalien auf dem beigefügten Anhörungsbogen anzugeben. Hier wird es in meinen Augen schon kritisch: Denn die Pflicht entfällt, wenn diese verpflichtenden Angaben der Behörde bereits bekannt sind. Aber geschenkt …

Und wenn man schon gerade dabei ist, das Formular auszufüllen, kann der Adressat ja auch gleich in einem Aufwasch Angaben zu seinem Einkommen machen. Darauf weist der Herr Staatsanwalt als Gruppenleiter mit folgendem Text hin:

Dazu dreierlei Sensibilitäten:

  • Geldstrafen werden nur dann verhängt, wenn dem Beschuldigten eine Straftat nachgewiesen wurde. Wenn nicht, dann braucht’s doch auch keine Angaben zum Einkommen!
  • Geldauflagen werden nur dann erteilt, wenn „diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht; § 153a StPO.“ Auch hier steht doch erst noch die Antwort auf die Frage aus, ob hier überhaupt eine Schuld vorliegt.
  • Und schließlich: Warum warnt der Strafverfolger ausschließlich davor, dass er sich zum Nachteil des Beschuldigten verschätzen könnte? Denkbar – und bei Insolvenzverfahren naheliegender – ist doch auch die Alternative der Unterschätzung. Und dass eine nachteilige Verschätzung recht einfach korrigiert werden kann (wenn man weiß, wie es geht), verschweigt der Ermittler auch.

Das alles ist rechtlich noch völlig in Ordnung und nicht anzugreifen. Wenn ich mir aber den Subtext dieses Hinweises anschaue und hinter den Zeilen lese, dann erkenne ich das Vorurteil des Ermittlers und die Tendenz seiner Ermittlungen am Objektivitätsgebot des § 160 Abs. 2 StPO vorbei. Die Botschaft, ein nach allen Seiten offenes Verfahren zu führen, wird jedenfalls anders formuliert.

Oder war’s wieder einmal so, dass der Herr StA/GL einen Textbaustein erwischt und nicht weiter darüber nachgedacht hat, was er da auf den sekundärrohstoffhaltigen Briefbogen der Behörde gedruckt hat? Denn eigentlich scheint er ja ein ganz Vernünftiger sein, wenn man so mit ihm redet …

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Bild (CC0): wilhei / via Pixabay

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4 Antworten auf Verräterische Sprache der Staatsanwaltschaft

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    matthiasausk says:

    Die Vermutung mit dem Textbaustein dürfte in Verbindung mit „das haben wir schon immer so gemacht“ richtig sein.

    (Mit „das haben wir schon immer so gemacht“-Menschen läßt sich leichter konstruktiv werden als mit „das haben wir noch nie so gemacht“-Menschen.)

  2. 2
    Textbaustein says:

    Es ist aber im Konjunktiv und mit „eventuellen“ und „unter Umständen“ formuliert, Herr Hoenig. Von daher hören Sie wohl das Gras wachsen … ;-)

  3. 3

    „Von daher hören Sie wohl das Gras wachsen “

    Die Verteidigung der Verfahrensrechte des Mandanten beginnt an der Graswurzel.
    Nicht nur im Strafrecht. Welch „freihändigen“ Umgang mit der Prozessordnung und auch dem materiellen Recht manche Gerichte auch im Zivilrecht „pflegen“ ist erschütternd. Woran das liegt?
    Der durchschnittliche Civilist (im Bild von CRH: wir, die krawattentragenden Rechtsanwälte mit Seitenscheitel) scheut in der Regel die notwendige Auseinandersetzung mit dem/der Richter/in darüm.
    § 42 ZPO ist den Kolleg* (und dem/der Zivilrichter* erst recht) weitgehend unbekannt.
    Die „Rechtspflege“ ist zu wichtig, um sich dafür auf ein „von Amts wegen“ zu verlassen.

  4. 4
    RA Ullrich says:

    Natürlich ist das ein völlig gängiger Textbaustein, Herr Kollege, tun Sie doch nicht so als ob Sie das nicht wüssten. Zumindest in Rheinland-Pfalz steht der ganz ähnlich formuliert standardmäßig unter jeder schriftlichen Beschuldigtenanhörung, auch schon unter den von der Polizei versandten. Das mag in Berlin anders sein, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit begegnet er auch Ihnen nicht zum Ersten mal. Da eine mögliche Boshaftigkeit des StA im Einzelfall hineinlesen zu wollen ist einigermaßen abwegig. Schon naheliegender ist es hingegen, eine generelle Boshaftigkeit der Staatsanwaltschaft hineinzulesen. Das Schweigerecht des Beschuldigten ist lästig, er soll hier durch überobligatorische einseitige Belehrung über mögliche negative Konsequenzen des Schweigens dazu verleitet werden, möglichst vorschnell und ohne vorherige Konsultation eines Anwalts Angaben zu machen. Direkt falsch oder gar rechtswidrig ist der Inhalt des Textbausteins nicht, das stimmt ja durchaus alles und dort wo er gebraucht wird steht auch der Konjunktiv. Geeignet und dazu bestimmt, den Unwissenden die „Risiken“ des Schweigens überschätzen zu lassen, ist der Textbaustein hingegen allemal.