Vorladung als Beschuldiger: Was tun?

Noch einmal ein Klassiker: Der Autofahrer bekommt Post vom Herrn Polizeipräsidenten und wundert sich.

Er wird als Beschuldigter vorgeladen, weil ihm eine Straftat zur Last gelegt wird. Eine Nötigung im Straßenverkehr und zwar auf der Autobahn vor mehr als zwei Monaten: Der Autofahrer kann sich an nichts erinnern, was er mit mit diesem Vorwurf in Verbindung bringen könnte.

So sieht das präsidiale Altpapier aus:

Die erste Reaktion des Autofahrers war die goldrichtige: Er liefert seinem Anwalt neues Material für einen Blogbeitrag. Er holt sich anwaltlichen Rat ein.

Der Kundige weiß, dass es sich um eine sogenannte Kennzeichenanzeige handeln muss. Eine angebliche Nötigung auf der Autobahn und der Umstand, dass der Autofahrer nicht angehalten wurde … die Fahreridentität dürfte aller Wahrscheinlichkeit also noch nicht feststehen; die Polizei hat den Autofahrer anhand des Kennzeichens ermittelt, er ist der Halter des Fahrzeugs.

Was sonst noch bekannt ist, wird ihm der freundliche Kriminalkommissar – wenn überhaupt – erst reichlich spät mitteilen, wenn der Autofahrer der Vorladung folgen würde. Bis dahin wird der Fahrer dem zweifellos professionellen Ermittler (*OBER*Kommissar) die noch fehlenden Beweismittel geliefert haben.

Deswegen wird der Verteidiger nun an den PolPräs schreiben und Einsicht in die Ermittlungsakte beantragen, die man sich dann in Ruhe anschauen kann. Danach entscheidet man, welche geschickte Formulierung die sinnvollste ist.

Unter Umständen reicht ein einziger Satz:

… sende ich die Ermittlungsakte mit Dank zurück und beantrage die Einstellung des Verfahrens, weil der Akteninhalt zum Nachweis der dem Autofahrer zur Last gelegten Tat nicht ausreicht.

Mehr muss in vielen Fällen der Kennzeichenanzeigen nicht sein. Jedes weitere Wort wäre eines zuviel.

Die meiste Arbeit hat Verteidiger oft damit, seinem Mandanten auszureden, die Sache klarzustellen: Dass der andere angefangen habe, jener der schlimme Finger und eigentlich alles ganz gewesen sei … All das ist völlig überflüssig:

Solange nicht nachgewiesen ist, wer hinterm Lenker sass, als dieses was-auch-immer stattfand, gibt es keinen überführten Täter einer Straftat, keine Eintragung in’s Fahrerlaubnisregister, keine Geldstrafe und kein Risiko für die Fahrerlaubnis.

Noch Fragen dazu? Hier gibt es alle Antworten.

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22 Antworten auf Vorladung als Beschuldiger: Was tun?

  1. 1
    RA Schepers says:

    Beeindruckend ist die eindringliche Belehrung dahingehend, daß man das gute Recht hat, die Klappe zu halten ;-)

    Impliziert der Satz „… weil der Akteninhalt zum Nachweis der dem Autofahrer zur Last gelegten Tat…“ nicht, daß der Mandant der Autofahrer ist?

  2. 2
    Flens says:

    Kleine Anmerkung: Die Eintragung gäbe es wohl eher zunächst im Fahreignungsregister (FAER), vormals Verkehrszentralregister (VZR), oder Sünderkartei als im (Zentralen) Fahrerlaubnisregister (ZFER).

    Ploppige Grüße aus der KBA-Stadt.

  3. 3
    Flamebeard says:

    @1: Nunja, der Angeschriebene ist erst einmal nur *ein* Autofahrer. Dass er bei dem bezeichneten Vorfall auch der Fahrer des Fahrzeugs gewesen ist, an dem das in dem Schreiben bezeichnete Kennzeichen befestigt war, müsste erst noch bewiesen werden.

  4. 4
    Willoughby says:

    @Flamebeard: Ich denke gemeint ist, dass eine Formulierung wie „… zum Nachweis der dem Halter zur Last gelegten Tat …“ vielleicht treffender und besser wäre. Aber vermutlich ist es im Ergebnis egal.

  5. 5
    Bernd says:

    Herzhaft lachen musste ich erst mal beim Ausdruck „präsidiales Altpapier“. Herrlich diese Gegensätze.

    Ansonsten ein Musterbeispiel für „Schweigen ist Gold“. Ich will mal hoffen, dass der gute Anzeiger keine Dashcam mitführte.

  6. 6
    SH says:

    Nein, die Tat wird ja wirklich dem Fahrer zur Last gelegt. Wer immer das auch war. Die Formulierung legt schon nahe, dass es ja nicht mal ausreichen würde, den tatsächlichen Fahrer zu überführen. Dass darüberhinaus auch noch der Nachweis nicht gelingen wird, dass der hier angeschriebene Halter dieser Fahrer war, ist dann ja irrelevant (und kann man bei Bedarf sicher nachschieben).

  7. 7
    busy says:

    Vermutlich wieder ein Opfer das zum Täter gemacht werden soll. Wird eine Halterhaftung eingeführt zeige ich auch mal alle Linksfahrer an, nur damit die Justiz eine Statistik bekommt, Strafen gibt’s ja fast nur für die anderen. Am tollsten wird’s bei 8- spurigen Autobahnen, die sind eigentlich sinnlos geworden. Ich wünsche mir mehr miteinander, statt schärfere Gesetze. Dafür könnte die EU doch auch mal ein bischen Geld investieren und entsprechende Schilder aufstellen.

  8. 8
    Hans says:

    @ #5 Bernd

    selbst wenn der Anzeigende eine Dashcam hat, wird damit der Fahrzeugführer in den meisten Fällen nicht identifizierbar aufgenommen.

  9. 9
    Der wahre T1000 says:

    Warum ist „die Schnauze halten“ eigentlich so schwer? Schaffen es die Polizisten immer wieder einen zum reden zu bewegen? Das faellt mir schwer vorzustellen.

    Was sagt der Stafverteidiger dazu? Wird jeder zum Plappermaul, wenn er ein paar nette Sprueche und einen Kaffee bekommt?

  10. 10
    Roger says:

    @ #5 / @ #8
    Zumal man mit einer Dashcam oft Aufnahmen erzeugt die einem auch selbst zur Last gelegt werden können.

    Eben sehr oft bei solchen Situationen in der sich zwei ’spezialisten‘ auf der Autobahn gegenseitig hochschaukeln.

  11. 11
    Jan says:

    Wieviel kostet den Autofahrer diese Verteidigung? Wird der Betrag bei Einstellung erstattet? Ist einfaches Nichterscheinen, was ja angeboten wird, auch der ausgedrückte Wunsch nach Einstellung?

    • 1. Es kommt auf den Umfang des Verfahrens an. Weitere Infos zu den Kosten gibt es hier.
      2. Nein. (Siehe hier, das gilt auch für Bußgeldverfahren)
      3. Nein, ist aber auch nicht erforderlich. crh
  12. 12
    whocares says:

    @T1000: Unterschätze nicht die Menschenkenntnis und Berufserfahrung von erfahrenen Polizisten. Die machen das täglich, und für die ist das nichts besonderes. Anders der Beschuldigte: Der ist mit der Situation i.d.R. überfordert, hat keinerlei Erfahrung damit, und vermutlich nervös. Außerdem hat doch der andere angefangen, und schwupps hat der sich verplappert.

    Es ist daher für den Beschuldigten das einfachste (und sicherste), überhaupt gar nicht bei der Vernehmung zu erscheinen.

  13. 13
    Bernd says:

    @Hans
    Für Nötigung gibt es viele Szenarien, auch welche, wo der Täter auf dem Bild zu sehen ist.
    Das ich ein solches Szenario meine, ergibt sich schon daraus, dass die von mir angesprochene Aufnahme nur mit Gesicht vom Täter einen Wert hätte.

    @Roger
    Da man „Herr“ über seine Aufnahmen ist, nimmt man nur den Teil, der relevant ist. Man soll sich ja nicht selber ans Messer liefern. ?

  14. 14
    Sven says:

    Es ist sicher richtig, die Klappe zu halten und über einen Anwalt erstmal in die Akte zu schauen. Aber wird es tatsächlich immer so leicht sein, das Verfahren ad Acta zu legen, wenn der Fahrer nicht identifizierbar ist? Oder folgt, meinetwegen erst bei der vierten oder fünften Anzeige, nicht irgendwann die Auflage an den Halter, ein Fahrtenbuch zu führen?

  15. 15
    Stefan says:

    Das ist echt übel. Ich kann also einfach jemanden, dessen Kennzeichen ich nicht mag, anzeigen und der hat dann mal direkt Kosten von 600 Euro, wenn ich die Preisliste richtig lese. Das ist also die normale Taktik, wenn man auf der Autobahn mal ausgebremst wird. Muss man sich merken!

  16. 16
    WPR_bei_WBS says:

    @ Bernd

    Da waere ich aber vorsichtig. Denn Schwups hat man eine Hausdurchsuchung am Hals – weil die Polizei ja auch nicht immer so doof ist und sich denkt, dass da was weggeschmissen würde. Und das findet man vermutlich noch auf der heimischen Festplatte und/oder SD-Karte, Backup-CD, …

  17. 17

    […] kanzlei-hoenigVorladung als Beschuldigter : Was tun ? Der Autofahrer bekommt Post vom Herrn Polizeipräsidenten und wundert sich. […]

  18. 18
    Ridcully says:

    #13: Wie kommen Sie darauf, in einem Fall wie diesem würden Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel zugelassen?

  19. 19
    Bernd says:

    @Ridcully
    Gar nicht.
    Es geht um die Identität. Nicht mehr, nicht weniger. Da reicht ein einfaches Foto (oder 2) aus dem Film. Das könnte genauso gut vom Beifahrer sein, der sein Handy zum Fotografieren benutzt hat.
    Ok, man könnte natürlich auch die volle Wahrheit sagen (Dashcam) und dem Gegner Kanonenfutter liefern.

  20. 20
    Ridcully says:

    #19: die Aufnahmen sind also komplett wertlos.

    Gibt es keinen Beifahrer, gibt es auch keine Fotos, sondern nur Ausschnitte aus einem Film. Dann müßte man als Fahrer erklären, mit was man fotografiert hat. Der Fahrer (= Zeuge) müßte also entweder die Wahrheit sagen (= unverwertbar) oder lügen (= (un-)eidliche Falschaussage). Und selbst wenn er lügen würde: die Daten der Kamera sollten sich in den Metadaten des Bildes wiederfinden.

    Das gilt entsprechend, wenn es einen Beifahrer gibt, aber keine Fotos.

    Fazit: in Fällen wie diesen ist die Dashcam bestenfalls wertlos.

  21. 21
  22. 22
    RAUllrich says:

    @T1000: Das liegt nicht nur an dem ggf. durchaus vorhandenen Talent der Polizisten, unverteidigte Beschuldigte zum Plaudern zu bewegen, sondern auch am natürlichen Rechtfertigungsbedürfnis desjenigen, der sich für unschuldig hält oder halten will. Nicht selten haben solche Geschichten von vermeintlichem Drängeln und Nötigen im Straßenverkehr 2 Seiten und die persönliche subjektive Wahrnehmung spielt da durchaus eine Rolle, auch Übertreibungen sind nicht gerade selten. Wer selbst der Meinung ist, er sei unschuldig (oder sich das halbwegs erfolgreich eingeredet hat), hat von Natur aus den starken Drang, allen, die es etwas angeht, zu erklären dass und warum sie unschuldig sind und der andere der Böse ist. Wer schweigt ist feige und/oder hat was zu verbergen – so denken viele Laien.
    Durch so eine übereilte „Richtigstellung“ gibt man dann aber leider schonmal zu, dass man der Fahrer war und dass es da einen Vorfall gab. Diesen Teil glaubt die Justiz dann gerne, der Rest ist im Zweifel Schutzbehauptung, denn der andere hat ja keinen Grund, einen völlig Fremden zu Unrecht anzuzeigen, wenn es nicht zu einem Unfall gekommen ist.