Für die Rückfahrt vom Landgericht Neuruppin nach Berlin hatte ich mir das schwarze Hemd aus- und einen hellgrauen Pullover angezogen. Noch kurz zum Tanken und dann auf die Autobahn … so war der Plan.
Tanken, bezahlen, einsteigen, losfahren, knapp in den Verkehr einfädeln und dann kommt mir ein Polizeiauto entgegen. Ein, zwei Minuten später war der Streifenwagen hinter mir und zwar mit eingeschaltetem Leuchtbalken, der mir das Anhalten und rechts Ranfahren geboten hat.
Der freundliche Polizist spulte seine Textbausteine ab. Ich habe ihm zunächst meinen Führerschein gegeben, der er sich intensiv anschaute.
„Haben Sie Ihren Personalausweis dabei? Das Bild in Ihrem Führerschein ist schon etwas älter.“
begründete er sehr diplomatisch seine Bitte und signalisierte mir, dass er mich für einen alten Sack hielt, dessen (rosa) Führerschein von 1997 stammt und als Ersatz für den (grauen) aus 1975 stammt.
Dann konnte ich ihm noch die Kopie des Fahrzeugscheins aushändigen, das Original liegt zuhause in einer Akte.
Sie wissen, warum wir Sie angehalten haben?
lautete seine nächste Standardtextbausteinfrage. Ich habe es mir verkniffen, an dieser Stelle den Besserwisser zu geben und auf die fehlende Belehrung hinzuweisen. Schließlich hatte ich ja nicht nur keinen Fahrzeugschein dabei sondern auch noch Kenntnis von dem seit 24 Tagen abgelaufenen TÜV.
Yup, das Auto hätte vor 4 Wochen beim TÜV sein müssen.
… war meine kleinlaute Antwort.
Ach?! Gut, dass Sie das sagen. Das habe ich noch gar nicht gesehen.
Si tacusisses oder in Neudeutsch: *Hmmmpf!* war meine interne Reaktion.
Ne, Sie waren nicht angeschnallt. Das hat man sehr deutlich auf Ihrem hellen Pullover gesehen.
Da ziehe ich einmal was nahezu Buntes an (weil grad nichts anderes zur Hand war) und schon werde ich dafür bestraft. Bei Verlassen der Tankstelle hatte ich noch das Portemonnaie aus der Gesäßtasche geholt, die Lücke im Verkehr gesehen, bin losgefahren und habe mich danach erst angeschnallt.
Er half nichts, außer einem kleinen Opportunitäts-Rabatt für den überzogenen TÜV und den nicht mitgeführten Original-Fahrzeugschein gab es kein Entrinnen. Wenigstens auf die Belehrung über die Gefährlichkeit des gurtlosen Fahrens hat der Polizist verzichtet.
Die Bezahlung des Verwarnungsgeldes per mobilem EC-Kartenlesegerät hat reibungslos geklappt, wie mir der Kontoauszug signalisierte.
Den grauen Pullover habe ich soeben dem Kleidersack für die Obdachlosenhilfe zugeführt. Ich bleibe bei meinem Schwarz, passt auch besser zu meiner Seele.
Besten Dank an den Beamten und seiner Kollegin für das trotz allem freundliche Gespräch.
“ Yup, das Auto hätte vor 4 Wochen beim TÜV sein müssen.
… war meine kleinlaute Antwort.“
Schweigen! Gegenüber Polizisten sollen Sie doch schweigen, Herr Kollege!
scnr ;)
Das zeigt ja sehr deutlich, dass diese ganzen Ratschläge von den üblichen Blog-Autoren („Schweigen ist Gold“ usw.) ganz schnell Makulatur sind, wenn man selbst mal in so eine Anhaltesituation kommt und in real den Polizisten gegenüber steht. Da ist man dann auf einmal doch nicht mehr so schlagfertig und weise wie beim Aktenstudium der eigenen Mandantschaft, die sich um Kopf und Kragen geredet haben.
Aber schön, dass Sie das hier trotzdem zum Besten geben. Hat ja auch nichts gekostet.
Jetzt haben wir den Beleg: Schwarzfahren ist billiger.
(„Zeigen Sie mir bitte Warndreieck und Verbanskasten“ . „Im Kofferraum, direkt neben der Anwaltskeule“)
Ich kenne zumindest einen Fall, in dem das Fahrzeug in Berlin von der Polizei gestoppt wurde, weil die Fahrerin (eine Rechtsanwältin) einen schwarzen Mantel trug und der Polizist auf die Entfernung nicht unterscheiden konnte, ob die Fahrerin angeschnallt war oder nicht.
Und ich kenne einen weiteren Fall, in dem die Polizei auf ein Bußgeld verzichtete, weil die Fahrerin den Unfall nur überlebt hatte, weil sie nicht angeschnallt war, aus dem Kfz geschleudert worden war, während das Kfz sich weiter überschlug. So teilte es der Polizist der Fahrerin mit auf der Intensivstation, wo die Fahrerin mit Schädel-Hirn-Trauma lag,
Porsche baut jetzt Autos mit Gurten in Gelb oder in Rot!
@Jens: dem ist nichts mehr hinzuzufügen …
Meine „grau Pappe“ Ausstellungsdatum 1972 führt regelmäßig zu identisch Wortwechsel mit Ordnungshütern in Routine-Kontrollen:
„Das ist ein Führerschein der Klasse 4. Haben Sie noch einen anderen Führerschein dabei?“
„Würden Sie bitte umblättern.“
Dort findet der Polizist auf Seite 4 eine Erweiterung aus 1974 mit den Klassen 1 und 3.
Ab da heisst es:“Gute Weiterfahrt!“
Oder sogar ähnlich wie in dem Film >Ziemlich beste Freunde<:"Wir werden Sie nach Hause eskortieren mit dem defekten Rücklicht."
Ich werde diese "grau Pappe" nicht umtauschen in eine rosa und dafür ca. 30 € Gebühren zahlen. Wenn ich damit nicht mehr fahren darf, fahre ich Taxi, denn dann bin ich über 70 Jahre.
Ich dachte sogar, dass die Beamten gerne einen Vorsatz annehmen, wenn man weiß warum man angehalten wird. Was dann möglicherweise das Bußgeld erhöhen könnte.
Aber wie kommt man auf die Idee, Polizisten in einem entgegenkommenden Fahrzeug könnten die TÜV-Plakette sehen, die sich doch (zumindest bei meinem Fahrzeug) auf dem hinteren Nummernschild befindet und die so winzig ist, dass selbst jemand aus einem hinterherfahrenden Fahrzeug nur mit sehr guten Augen den Ablaufsmonat erkennen kann?
Hätten Sie mal sofort einen Zivilunken angerufen. Der hätte Ihnen schon einen passenden Ratschlag erteilt. ;-)
Schön, daß Sie auch eigene Glanzleistungen veröffentlichen :-)
@7, alter Jakob
Wäre das in dem Fall nicht unerheblich? Vorsatz oder nicht, ein Verwarngeld ist doch erst ab 2 Monaten überzogen fällig? Somit ist es doch bei 24 Tagen eh wurscht?
Und Herr Anwalt, nur weil sie es ja sonst berechtigterweise sehr genau nehmen der Hinweis (ich denke Sie wissen es aber ihre Formulierung versucht das zu verwischen) bestraft worden sind Sie NICHT weil Sie einen bunten Pullover angezogen haben sondern weil Sie nicht angeschnallt waren.
Der bunte Pullover war vielleicht der Grund für das ERWISCHT werden aber nicht für das BESTRAFT werden.
Das ist jetzt eindeutig ein SCNR bei der Vorlage, es ist schließlich fast Wochenende :-)
Und danke für solche und andere Geschichten aus dem Anwaltsleben.
@Jens: +1
BTW: Wieso nur 30 €? Gab es einen Sofortrabatt für die Bearbeitungsgebühr? Waren das nicht nocheinmal 23,50?
30 € für einen unterhaltsamen Blogbeitrag ist doch quasi geschenkt! Denken Sie an die Milliarden von Mandate (Verkehrsrecht auch OWI und Strafrecht), die Ihnen allein dieser Blogbeitrag einbringt!
Ich bekomme selten Knoellchen. Aber wenn es passiert, dann bedenke ich immer die Kosten, die so ein Auto produziert: Wertverlust, Wartung, Treibstoff, Versicherung, Steuer. Da kommt soviel zusammen, dass das eine Knoellchen pro Jahr – auch wenn es mal heftig wird – ueberhaupt nicht ins Gewicht faellt. Also egal. Bloed waere nur ein fehlender Lappen.
Anders ist es, wenn ich im Ausland bin. In der Schweiz wird bekanntlich gern auch mal das Auto konfisziert. Und in den USA kann man auch schonmal eine Woche einsitzen, bis ein Richter einen zu ein paar hundert Dollar Strafe und 20 Stunden Muellsammeln verknackt. Das muss man nicht unbedingt haben.
@willi, #9: Die Überschreitung der HU-Frist ist bereits ab dem ersten Tag ordnungswidrig. Nur aus der Tatsache, dass im BKatV die standardisierten Regelsätze erst ab dem dritten Monat der Überziehung anfangen, ergibt sich nicht, dass die abgelaufene HU nicht auch vorher schon geahndet werden kann.
@Klaus, #10: CRH hat die Zahlung eines Verwarngeldes akzeptiert. In dem Fall kommen keine weiteren Gebühren mehr dazu, §56 (3) OWiG
das schwarze t-shirt auf dem foto zeigt wie es nicht geht.
der infantile schriftzug in grossen weissen buchstaben bewirkt das ein möglicherweise nicht angelegter gurt ganz klar zu sehen ist.
Sie wissen, warum wir Sie angehalten haben?
Ist diese Art der Einstiegsfrage nicht unzulaessig? Muss nicht direkt der Grund genannt werden? Vorallem, weil ich mich ja nicht selbst belasten muss? (siehe TÜV- Plakette?)