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Justiz
Unverständliche Verständigungsgespräche
Der (moderne) Strafprozess ist geprägt durch die Kommunikation der Verfahrensbeteiligten untereinander. Sehr deutlich wird dieses Prinzip anhand der Vorschriften über die Verständigung im weiteren Sinne.
Das Prozessrecht sieht dazu Erörterungsgespräche in jedem Stadium des Verfahrens vor: Im Ermittlungsverfahren (§ 160b StPO), nach der Anklageerhebung im Zwischenverfahren (§ 202a StPO) und dann auch im Hauptverfahren (§ 212 StPO).
Kurzer Prozess
Diese Gespräche haben regelmäßig zum Ziel, das Verfahren zu fördern, abzukürzen bzw. zu beschleunigen, wobei die Interessen der jeweils Beteiligten Eingang finden sollen in das Ergebnis der Gespräche. In den überwiegenden Fällen führen solche Gespräche dann auch zu Verfahrensabreden, die die Grundlage für einen „kurzen Prozess“ bilden – was wiederum allen Beteiligten zugute kommt: Die Justiz wird entlastet und der Angeklagte bekommt einen Rabatt beim Strafmaß.
Wie sieht das nun in der Praxis aus?
In einer uralten, umfangreichen Geschichte, in der es um den Vorwurf der Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§§ 299, 300 StGB) geht, stand die Hauptverhandlung an. Die Verteidigung und das Gericht gingen gleichermaßen von einer zweistelligen Anzahl an Hauptverhandlungsterminen aus, die nötig werden, um den komplexen Sachverhalt aufzuklären.
Die knappen Ressourcen des Gerichts standen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite stand der mittlerweile weit vom Gericht entfernt lebende Angeklagte, der eine feste Arbeitsstelle hat, die er verloren hätte, wenn er über einen Zeitraum von mehreren Monaten regelmäßig zweimal pro Woche 600 km zum Termin hätte an- und dieselbe Strecke wieder zurückreisen müssen.
Gute Idee
Der Vorsitzende machte das einzig Richtige: Er schlug einen Gesprächs- und Erörterungstermin vor, zu dem sich die Schwarzkittel (also die Berufsrichter, der Staatsanwalt und der Verteidiger) im Gericht an einen Tisch setzen sollten.
Der Erörterungstermin
Wir haben uns getroffen, vier Stunden miteinander gesprochen und waren uns am Ende einig: Wir treffen uns zum Hauptverhandlungstermin in 14 Tagen wieder, verhandeln noch einmal einen Tag lang und die Sache findet genau damit ihren Abschluss.
Der Hauptverhandlungstermin
Gesagt, getan: Der Termin fand statt, kurz nach der Mittagspause wurde das Urteil verkündet und eine Woche später war es rechtskräftig. Das Gericht hatte wieder Zeit für andere Sachen, der Staatsanwalt konnte die Akte schließen und der Angeklagte kann mit der Strafe leben, behält er doch seinen Job, mit dem er auch die Verfahrenskosten finanzieren kann.
Alles gut also? Von wegen!
Ich war dem Angeklagten zum Pflichtverteidiger bestellt worden und konnte nun die Pflichtverteidigervergütung abrechnen. Gesetzliche Grundlage dafür ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Danach bekommt der Verteidiger eine Vergütung für seine Bemühungen im Ermittlungs- und im Hauptverfahren. Es gibt sogenannte Verfahrensgebühren und Terminsgebühren.
Die Frage ist: Wieviel Terminsgebühren gibt es für die Teilnahme des Verteidigers an den zwei Terminen? Genau: Eine! Nicht zwei.
Das RVG sieht für die Teilnahme an einer „202a-Verhandlung“ keine Vergütung vor. Detlef Burhoff kommentiert in RVG – Straf- und Bußgeldsachen (4. Aufl., Rdz A 2279) diesen Unsinn :
Das bedeutet also, der Verteidiger fährt von Berlin nach Hamburg zum Gericht, trägt in einer vierstündigen Erörterung dazu bei, dass das Verfahren statt bis Ostern 2020 nur einen halben Hauptverhandlungstag dauert, und das Vergütungsgesetz zeigt ihm dafür den gestreckten Mittelfinger.
Wenn ein Verteidiger das nicht vor Einstieg in eine „160b-“ bzw. „202a-“ oder „212-Verhandlung“ mit einkalkuliert, arbeitet er für Gotteslohn.
Statt übler Schimpfworte
Wer macht eigentlich solche Gesetze? Richtig: Menschen, die monatlich Ihr Gehalt im Voraus auf’s Konto bekommen, egal, ob sie danach noch sinnvoll arbeiten oder nicht. Mir fallen dazu Worte ein, von deren Veröffentlichung mir meine Strafverteidiger dringend abgeraten haben.
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Image by OpenClipart-Vectors from Pixabay
Versuchen kann man es ja mal, oder?
Liebe Frau Justizkosteneinziehungstellensachbearbeiterin, die Sie mir diese Anfrage geschickt haben:
Was – glauben Sie – würden Sie mit mir machen, wenn
- ich 2008 Ihr Verteidiger gewesen wäre,
- aus jenem Verfahren noch gut 700 Euro Gerichtskosten offen sind,
- mehrere Vollstreckungsversuche ergebnislos gewesen waren,
- ich 2019 wüsste, wo Sie wohnen
und ich jetzt diese Ihre Anschrift der Justizkasse mitteilen würde und dann stünde morgen früh der Gerichtsvollzieher vor Ihrer Tür?
Ich halte fest:
Sie haben ein sonniges Gemüt und ich freue mich über Ihren Optimismus. Aber ich bin weder blöd, noch ein Mandantengeheimnisverräter.
Bayern: Arbeiten mit Profis
Ich möchte hier noch einmal dem Eindruck entgegen treten, ich hätte etwas gegen *die* Bayern.
Na gut, wenn es um das Strafmaß geht, besonders im Zusammenhang mit dem Fund 0,5 Gramm Cannabiskraut, halte ich an meinen berechtigten (jawoll!!) Vorurteilen fest.
Im strafverteidigenden Umgang mit den und bei der Organisation durch die Justizbehörden liegt Bayern jedoch ganz weit vorn.
Das mache ich aus aktuellem Anlaß noch einmal an einem Beispiel fest.
Stage 1: Frankfurt
Ich hatte mehrere Termine vor dem Landgericht Frankfurt am Main und hatte das Gericht um die Hereingabe eines Vorschusses auf meine Reisekosten (immerhin ein vierstelliger Betrag).
Das Gesetz ist insoweit eindeutig, den Frankfurtern ist das RVG aber augenscheinlich Wurscht.
Wie sich meine Vorschussbitte entwickelt und zu welchen Amputationen das in Frankfurt am Main geführt hat, kann man hier nachlesen. Die weitere hessische Entwicklung war dann noch Anlass für einen weiteren Bericht.
Am Ende jenes hessischen Vorschuss-Verfahrens stand ein gegen mich geführtes Ermittlungsverfahren wegen eines Ehrkränkungsdelikts, das von den professionellen (!) Ermittlern in Berlin auch gleich wieder eingestellt wurde.
Stage 2: München
Nun habe ich ein Verfahren vor dem Landgericht München. Auch hier habe ich um die Hereingabe eines Vorschusses auf die Reisekosten gebeten. Das war am vergangenen Montag. Und Zack: Vier Tage später – am Freitag – war der Vorschuss auf meinem Konto.
Man kann von *den* Bayern halten, was man will. Aber organisieren können sie …
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Image by Werner Heiber from Pixabay
Zahlreiche Fragen zur verletzten Ehre und die Langeweile
Es gehört zum Geschäft eines jeden Strafverteidigers, sich ab und an solche belletristischen Ergüsse zu Gemüte führen zu müssen:
Ich frage mich, ob das wirklich sein muss.
Warum erstattet ein erwachsener Mensch mit qualifizierter Ausbildung eine Strafanzeige und stellt einen Strafantrag wegen so einer dusseligen Kinderkrippenbemerkung?
Und warum vergeudet die Strafjustiz ihre wertvollen, teuren Ressourcen, um sich nun mit ehrgekränkten Sensibelchen und aufbrausenden Kleingeistern herumzuschlagen?
Können wir uns nicht darauf einigen, diesen § 185 StGB einfach zu streichen und statt dessen wieder das klassische Duell einführen? Sollen sich die beiden Herren doch allein miteinander beschäftigen und nicht die Gesellschaft in ihre Streitigkeiten mit hineinziehen. Mich langweilen solche Strafverfahren immer …
Nebenbei:
Das ist ein Auszug aus einem Strafbefehl, in dem eine Geldstrafe in Höhe von 10 Tagessätzen festgesetzt wurden. Wie kommt man eigentlich auf den äußerst schmalen Gedanken, einen Verteidiger beauftragen zu wollen mit dem Ziel, dass es am Ende „billiger“ wird? Oder hängt die Verwendung einer solch armen Formulierung mit diesem Gedanken irgendwie zusammen?
Und:
Haben die alle nichts Besseres zu tun? ;-)
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Bild (CC0): OpenClipart-Vectors / via Pixabay
Realitätsferne Justiz-Container
Das Urteil des Amtsgericht Fürstenfeldbruck (das liegt in Bayern) sorgt(e) für Aufregung:
Weil zwei Frauen ein paar Lebensmittel aus einem Mülleimer genommen haben, wurde sie wegen wegen (einfachen) Diebstahls (§ 242 StGB) verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte das Containern sogar als Diebstahl im besonders schweren Fall (§ 243 StGB) angeklagt.
Auch wenn am Ende nur eine zur Bewährung ausgesetzte Geldstrafe mit sozialer Arbeitsauflage dabei herauskam, wirft dieses Verfahren und das Verhalten insbesondere der Staatsanwaltschaft ein übles Licht auf die bayerische Justiz.
Treffend formuliert das Editorial des „Fachdienst Strafrecht“ (Ausgabe 03/2019) des Beck-Verlags diesen hochgradigen Unsinn:
Die Sorge um den Ruf der Justiz liegt nahe. Auf der einen Seite werde regelmäßig und gerade von der Strafjustiz über die Arbeitsüberlastung geklagt und neue Stellen gefordert. Auf der anderen Seite werden dann Fälle, die einen geringeren Unrechtsgehalt kaum haben könnten, mit der ganzen Härte des Gesetzes und einem ersichtlich unverhältnismäßigen Aufwand verfolgt. Wenn man das „Containern“ schon kriminalisiert, dann ist es ein Paradefall für eine Opportunitätseinstellung nach §§ 153, 153a StPO. Sich als Staatsanwaltschaft dieser Vernunftlösung mit dem Argument des „besonderen öffentlichen Interesses“ zu verweigern, ist eher Beleg besonderer Realitätsferne. Wünschenswert für die Zukunft wäre, dass, wenn schon keine Entkriminalisierung durch den Gesetzgeber erfolgt, zumindest eine großzügige und einheitliche Einstellungspraxis durch behördliche Weisungen in den einzelnen Ländern institutionalisiert wird.
Was sonst noch dazu zu sagen wäre, formulierte Tanja Podolski in der LTO
Vielleicht noch eine Ergänzung:
Der Richter hat die Geldstrafe auf 15 Tagessätze festgesetzt. Damit hat er de facto ein Rechtsmittel gegen seine Entscheidung verhindert. Denn gegen dieses Urteil ist ausschließlich die sogenannte „Annahme-Berufung“ möglich, die lediglich in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig ist, § 313 StPO. Nur Schelme denken sich bei diesem Strafmaß etwas Böses.
Prozesse, die die Welt bewegen
An einem Mittwoch im Dezember fand vor dem Amtsgericht Tiergarten ein Strafprozess statt, über den die dpa, in Folge zahlreiche Zeitungen und alle 20 Minuten in den Info-Radio-Nachrichten berichteten:
Der Meldung zufolge soll ein 28-jähriger Fahrradfahrer mehrere Frauen sexuell belästigt und dabei verletzt haben.
Was war geschehen, dass dieser mutmaßliche Belästiger und Körperverletzer sich nun vor dem Strafrichter verantworten muss, worüber die ganze Stadt nachhaltig informiert wird?
Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, in der Zeit von Januar bis April 2017, sieben Mal von hinten an die Geschädigten herangeradelt und Ihnen quasi en passant einen Klaps auf den Po gegeben zu haben. Laut Anklage auch schon mal so feste, dass er „den Opfern körperliche Schmerzen zufügte„.
Die dpa berichtet (zitiert nach Berliner Morgenpost):
Die Anklage lautet auf sexuelle Belästigung und Körperverletzung.
Keine Frage:
Anderen Menschen – gleich, ob Mann oder Frau; überraschend oder nicht – auf den Hintern zu hauen, ist großer Mist.
Aber, bitteschön, was ist das denn hier:
Qualifizierte Polizeibeamte nehmen umfangreiche Strafanzeigen auf und legen (mindestens sieben) Akten an. Die Beamten hören den Radfahrer und die Zeugen an, bringen deren Einlassungen und Aussagen auf’s Papier, schreiben jeweils einen Schlussbericht. Die Akten werden anschließend an die Staatsanwaltschaft geschickt und dann von Staatsanwälten (Volljuristen mit zwei Prädikatsexamina, teilweise promoviert) bearbeitet, nachdem fleißige Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle die Sachen einsortiert haben. Ein Staatsanwalt (dem die Verwaltung alle sieben Sachen auf den Tisch gelegt hat) schreibt eine komplizierte Anklage und schickt die Akte an das Gericht. Dort beschäftigen sich erneut fleißige Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle damit und bereiten sie vor für den Richter, damit der verfügen kann, dass die Anklageschrift dem Radfahrer zugestellt wird. Das erledigen die Mitarbeiter der Geschäftsstelle und im weiteren Verlauf ein Postzusteller, der dann die Zustellungsurkunde zurück schickt, damit die Geschäftsstellenmitarbeiter diese in die Akte heften können. Wenn’s gut für’s Gericht läuft, passiert nichts weiter, so dass der Richter einen Hauptverhandlungstermin organisieren kann. Er verfügt die Ladungen für den Anklagten und die Zeugen und benachrichtigt die Staatsanwaltschaft über den Termin. Am Terminstag wird der Radfahrer (und die Zeugen) am Eingangsportal von zwei Wachtmeistern durchsucht und zum Saal geschickt. Dort werden die Geladenen wieder von einem Wachtmeister empfangen und in den Saal eingewiesen. Dort sitzen bereits ein weiterer Wachtmeister, eine Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, ein Staatsanwalt und ein Richter. (Die qualifizierten Prozessberichterstatter der sensibilisierten einschlägigen Medien auf der Galerie erwähne ich nur der Vollständigkeit halber.). Dann beginnt eine Hauptverhandlung, deren Länge bei entsprechendem Verhalten des Angeklagten nicht kalkulierbar ist. Anschließend ergeht ein Urteil, das der Richter schriftlich begründen und dann via Geschäftsstelle dem Angeklagten zugestellt werden muss.
Bis hierher mitgelesen? Sehr gut!
Dann beginne ich nun mit der Berufung, die der Verurteilte gegen das Urteil des Amtsgerichts einlegt.
Ne, war’n Scherz. Ich bringe jetzt auch nicht die Variante mit einem Verfahren, in dem ein Verteidiger engagiert mitarbeitet. Oder dass ein, zwei Zeugen nicht erschienen sind. Dann kippt nämlich der Plan (s.o.) des Richters:
Ein Verhandlungstag ist vorgesehen.
Bitte, nochmal: Es ist nicht akzeptabel, Frauen und Männer gegen bzw. ohne deren Willen anzufassen; und grob schonmal gar nicht. Und mit einer sexuellen Konnotation erst Recht nicht.
Aber müssen wir für solche Sachen wirklich so einen Aufriss machen? Und das vor dem Hintergrund des berechtigten Herumjammerns aller öffentlich-rechtlicher Strafjuristen ob der knappen Ressourcen, die ihnen für ihre tägliche Arbeit (nicht) zur Verfügung stehen?
Gehört der – verwerfliche – Klapps auf den Hintern wirklich vor den Strafrichter?
Und: Was ist eigentlich mit den Klingelmännchen?
Und überhaupt: Radfahrer! War ja klar. Die schon wieder.
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Bild: © Tim Reckmann / pixelio.de
Nur dumm gelaufen?
Der Mandant war trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zu „seinem“ Termin erschienen. Das war keine gute Idee, denn dafür sieht das Prozessrecht den sogenannten Sitzungshaftbefehl vor (§ 230 StPO).
Eine Verhaftung konnte (zunächst noch, siehe unten) verhindert werden, der Mandant ist dann „freiwillig“ zu einem Wiederholungstermin erschienen, den das Gericht ein paar Wochen später anberaumt hatte. An diesem Sitzungstag wurde die Sache auch beendet; er wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und der Haftbefehl per Beschluss aufgehoben.
Dieser Beschluss hat dann wohl auch Eingang in die Gerichtsakte gefunden. Weiter ist er aber offensichtlich nicht gekommen.
In der vergangenen Woche meldete sich die Ehefrau meines Mandanten gegen 22:30 Uhr über unseren Notruf. Sie teilte mit, dass die Polizei ihren Mann fest- und mitgenommen habe. Das ist wohl nicht ganz unproblematisch vor sich gegangen; jedenfalls braucht die Wohnung jetzt eine neue Tür und auch einiges Mobiliar in der Wohnung muss ersetzt werden.
Erst am darauf folgenden Vormittag konnte ich die Sache klären.
Der zuständige und freundliche Polizeibeamte teilte mir mit, dass seine Kollegen den Sitzungshaftbefehl (siehe oben) vollstreckt hätten. In seinem Computersystem sei nichts von einer Aufhebung des Haftbefehls erkennbar. Auch sei beim Gericht niemand erreichbar, der ihm meine Information bestätigen konnte.
Glücklicherweise ist es mir gelungen, quasi über die „Hintertür“ Kontakt zu der zuständigen Mitarbeiterin auf der Geschäftsstelle des Gerichts aufzunehmen. Wir waren beide erleichtert, dass sich die Akte noch auf der Geschäftsstelle befand und nicht bereits auf dem Weg über die Staatsanwaltschaft zum Landgericht war, das über die Berufung zu entscheiden hat.
Denn in dieser Akte befand sich auch der Beschluss, mit dem der Haftbefehl aufgehoben wurde. Es war dann kein Problem mehr, den Beschluss auf die Polizeidienststelle zu schicken. Fünf Minuten später wurde der Mandant wieder in die Freiheit entlassen.
Es reicht also nicht aus, dass ein Haftbefehl aufgehoben wird, um zu verhindern, dass er vollstreckt wird.
Nun obliegt es dem Mandanten, den erlittenen Schaden gegenüber dem Land geltend zu machen. Wer sich einmal mit der Durchsetzung von Amtshaftungsansprüchen ernsthaft auseinandergesetzt hat, weiß, dass dies kein einfaches Unterfangen ist. Ich gehe davon aus, dass er am Ende auf irgendeinem Schaden sitzen bleiben wird.
Mit einer Entschuldigung für dieses Justizversagen rechne ich ebenfalls nicht. So ein Geschehen scheint wohl eher zum allgemeinen Lebensrisiko zu gehören … jedenfalls nach Ansicht der verantwortlichen Justiziellen. :-(
Entscheidung nach Aktenlage am St. Nimmerleinstag
Die Staatsanwaltschaft Berlin führt gegen meine Mandantin ein Ermittlungsverfahren. Der (Anfangs-)Verdacht steht auf einer hauchdünnen und tönernen Denunziation.
Darum geht’s:
Nach der obligatorischen Akteneinsicht bekam ich Post von der Staatsanwältin; sie hatte es eilig und setzte eine knappe Frist zur Stellungnahme:
Eine „Entscheidung nach Aktenlage“ ist in den überwiegenden Fällen die illustre Umschreibung der Drohung „…werde ich ansonsten Anklage erheben!„. Genau das wollte die Mandatin aber vermeiden – aus naheliegenden Gründen. Zumal an der Sache schon nach Aktenlage nicht viel dran war und die Vorwürfe recht einfach zu widerlegen waren.
Das war nicht nur meine Ansicht und die meiner Mandantin, sondern auch die der Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft (aus Gründen hier noch einmal so benannt). Deswegen lautete die recht übersichtliche Verteidigungsschrift am Ende:
Das war im Juni 2018. Seitdem passierte das, was immer passiert, wenn es die Staatsanwaltschaft nicht eilig hat, da sie sich lieber um Schwarzfahrer und Cannabiskonsumenten kümmert, statt Verfahren einzustellen, weil sich der vermeintliche Tatverdacht in Luft aufgelöst hat: Nämlich nichts!
Ich habe dann sukzessive eskalierend an die Bearbeitung bzw. Erledigung erinnert und die Entscheidung „nach – durch die Verteidigung aktualisierter – Aktenlage“ angemahnt.
Jetzt – knapp vor Erhebung der Dienstaufsichtsbeschwerde – hat sich endlich ein freundlicher (mich gut kennender) Staatsanwalt meiner Mandantin erbarmt. Naja, wenigstens so halbwegs. Er meldete sich in unserer Kanzlei und diktierte meiner Assistentin in die Telefonsnotiz:
Das ist die Berliner Staatsanwaltschaft, wie man sie kennt. Da fällt eine(!) Dezernentin aus und schon liegt der ganze Laden brach.
Ich wünsche der erkrankten Staatsanwältin gute Besserung, damit sie auch künftig wieder ihre volle Kraft für die Verfolgung der Kiffer im Görlitzer Park einsetzen kann.
Meine Mandantin erträgt die mit diesem armseligen Trauerspiel einhergehende Ungewissheit dann noch ein Weilchen …
Ernst zu nehmendes Landgericht
Irgendwas ist nicht so gelaufen, wie sich das die Staatsanwaltschaft vorgestellt hat. Das war im Jahre 2004 (nein, das ist kein Tippfehler!).
Und wenn dieses „Irgendwas“ nicht in das rosarote Weltbild einer durchschnittlich begabten Staatsanwältin paßt, setzt sie sich an den Schreibtisch in ihrem Elfenbeinturm und schreibt eine Anklage. Die Anklage in diesem Fall stammt aus dem Jahr 2010. Soweit, so normal.
Dann fand in 2012 eine Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht statt, die im zweiten(!) Anlauf nach 10 (s.o.) prickelnden Terminen im Dezember 2012 mit einem Urteil endete.
Eine Woche später ging das Fax mit der Berufung des verurteilten Rechtsanwalts beim Amtsgericht ein.
Ab 2015 versuchten sich mehrere Vorsitzende der zuständigen Berufungskammer daran, die Berufungshauptverhandlung zu terminieren. Ich habe den Überblick verloren, aber drei Ansätze mit jeweils 3 bis 5 Terminen waren es bestimmt. Nun soll es nicht vor April/Mai 2019 weitergehen.
Ich habe zwischendurch noch einmal ergänzende Akteneinsicht genommen und dabei dieses goldige Schreiben eines Zeugen an das Landgericht in den Akten gefunden:
Der Kundige erkennt an den Formulierungen, daß es sich bei dem Zeugen um einen zivilrechtlich orientierten Rechtsanwalt handelt.
Der angeschriebenen Berufungskammervorsitzenderichterin ist es unter Aufbietung aller vorhandenen Willenskräften noch knapp gelungenen, die Contenance zu bewahren; sie schreibt – höflichst – an den Zeugen:
… wird auf Ihr Schreiben vom **.**.2017 höflichst erwidert, dass Sie eine vom Gericht an Sie adressierte Zeugenladung selbstverständlich ernst nehmen dürfen. Zurückliegende Terminsaufhebungen habe ich ebenso wenig zu vertreten wie die bisherige Dauer des Strafverfahrens insgesamt. Eine nähere Stellungnahme hierzu werden Sie von mir daher nicht erwarten können.
Das war 2017. Danach hat der Zeuge eine weitere Ladung erhalten. Der Termin, zu dem er geladen war, wurde aufgehoben. Er wird sich damit abfinden müssen, noch weitere Ladungen zu erhalten, zunächst einmal irgendwann im Frühjahr 2019.
Vielleicht gelingt es aber auch der o.g. durchschnittlich begabten Staatsanwältin, ihr Weltbild zu überdenken, einen Fuß vor die Tür ihres Turms zu setzen und die vom Prozeßrecht vorgesehenen Folgen einer überlangen Verfahrensdauer zu recherchieren. Es kann aber auch sein, daß ihr dabei noch vom Kammergericht geholfen werden muß.
Man weiß es nicht …
Habe ich schon mitgeteilt, daß der Angeklagte das alles überhaupt nicht lustig findet, der von diesem heillos überforderten Chaosladen in Moabit seit nun über 14 Jahren traktiert wird?
Das schnell merkende Amtsgericht Mitte
Im Mai 2015 hat die Polizei einen Unfall aufgenommen. Es ging um Bremsen auf Rollsplitt im Fließverkehr in einer Baustelle. Das Mopped hatte danach ein paar häßliche Kratzer und einem Schaden in Höhe von rund 1.500 Euro.
Im September 2015 haben wir für die Moppedfahrerin Klage beim Amtsgericht Mitte eingelegt. Was bisher geschah:
- 16.09.2015 Klage zum AG Mitte
- 26.11.2015 Versäumnisurteil gegen Beklagte im Vorverfahren
- 11.12.2015 Einspruch gegen das Urteil
- 20.09.2016 2. Versäumnisurteil gegen Beklagte
- 05.10.2016 Berufung der Beklagten
- 02.03.2017 Das Landgericht gibt der Berufung statt, hebt das Urteil des AG Mitte auf und verweist das Verfahren dorthin zurück, weil das Versäunisurteil nicht hätte ergehen dürfen, da die Beklagter nicht ordnungsgemäß geladen war.
- 06.02.2018 Termin vor dem AG Mitte, es fehlten aber zwei Zeugen
- 13.11.2018 Neuer Termin, zu dem die beiden Zeugen (nochmals) geladen wurden
Das Verfahren ist bis hierher aus meiner Sicht bereits eine Farce. Aber nun folgt das hier:
Ich danke dem Himmel, daß ich mit diesem Gericht nichts zu schaffen habe. Denn in Anbetracht dessen, was die dort beschäftigten Richter veranstalten, wäre ich längst schon Beschuldigter eines Verfahrens wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz.
Admiror, o paries, te non cecidesse ruinis, qui tot iudicum taedia sustineas.