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Ziffer 7000 Nr. 1a RVG VV
Noch einmal: Der Irrsinn mit den Aktenkopien
Wenn ein Rechtsanwalt seinem Mandanten zum Pflichtverteidiger bestellt wird, muß die Justizkasse dem Verteidiger die gesetzlichen Gebühren und Auslagen erstatten.
Relativ problemlos ist die Abrechnung der Gebühren. Da gibt es knackige Regeln und feste Beträge im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
Anders sieht es aus mit den Auslagen, hochproblematisch ist die Abrechnung der Kopien. Das sieht man dem Gesetz von außen nicht an.
Ziffer 7000 des Vergütungsverzeichnisses (VV) des RVG …
… regelt die
Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten […] für Kopien und Ausdrucke […] aus Behörden- und Gerichtsakten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war.
Für die ersten 50 abzurechnenden Seiten gibt es für jede kopierte Seite 0,50 €, für jede weitere dann 0,15 €.
Alles klar soweit?
Dann schauen wir uns mal die – Berliner – Praxis an.
Wir haben Akteneinsicht beantragt und das Gericht überläßt uns … sagen wir mal … die 6 Bände der Gerichtsakte. Wir scannen sie ein und geben die Papierakten wieder zurück. Das sind 1.500 Blatt, nach Nr. 7000 VV RVG. Macht: 50 x 0,50 € plus 1.450 x 0,15 € = 242,50 €.
Erstattungsanspruch?
Was erstattet die Berliner Justizkasse? Nichts! Null. Keinen Cent. Und das seit 2015.
Und warum?
Das erklärt uns der Rechtspfleger einer Berliner Strafkammer:
Insoweit wird unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Kammergerichts vom 28.08.2015 zu – 1 Ws 51/15 – zunächst um Angabe gebeten, ob die geltend gemachten Seiten ausschließlich als Fotokopie in Papierform und nicht zusätzlich zu einem ( von Ihnen selbst/Ihrer Kanzlei, einem beauftragten Dienstleistungsunternehmen, z.B. Copycenter, oder von anderer Seite, z. B. Gericht, Staatsanwaltschaft, Mitverteidiger zur Verfügung gestellten) elektronisch / digital erstellten Dokument des Akteninhalts erstellt wurden.
Sofern die Kopien nicht zusätzlich zu einem elektronisch / digital erstellten Dokument des Akteninhalts erstellt wurden, wird gebeten, dies durch eine entsprechende anwaltliche Versicherung glaubhaft zu machen.
Soweit Kopien / Ausdrucke zusätzlich zu einem elektronisch / digital erstellten Dokument des Akteninhalts erstellt wurden, wird gebeten, deren Erforderlichkeit näher darzulegen bzw. zu begründen.
Ferner werden Sie um Einreichung des von Ihnen gefertigten Fotokopiensatzes zur Glaubhaftmachung gebeten. Erst dann kann eine Notwendigkeit und Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Beträge von hieraus geprüft werden.
Es wird darauf hingewiesen, dass einen Einreichung per Fax nicht einen Nachweis in körperlicher Form darstellt. Kopierauslagen nach Nr. 7000 VV RVG n. F. – anders als nach Nr. 7000 VV RVG a. F. – fallen nur dann an, wenn tatsächlich auch Kopien in körperlicher Form erstellt wurden. Um dem gerecht zu werden, kann daher grundsätzlich nicht auf die Vorlage der Kopien als Anspruchsnachweis verzichtet werden.
Die Darlegungs- und Beibringungspflicht liegt insoweit bei Ihnen, vgl. Kammergericht, Beschluss vom 5.10.16 -1 Ws 42/16 und 29.3.2017 – 1 Ws 15/17.
Ferner wird darauf hingewiesen, dass Kosten, die Ihnen im Rahmen der Durchsetzung des eigenen Pflichtverteidigervergütungsanspruchs entstehen ( z.B. für Einreichung/ Übermittlung/Übersendung bzw. Abholung der Kopien) als allgemeine Geschäftsunkosten nicht zu erstatten sind.
Dieser epische Vortrag ist das Resultat vielfältiger Auseinandersetzungen zwischen den Berliner Verteidigern und der Justiz.
Das bedeutet:
Wir kopieren die Akten, weil wir ohne Aktenkopien die Mandanten nicht verteidigen können. Der Aufwand, den wir mit der Erstellung der Kopien haben, wird nicht vergütet. Weil wir die Kopien in digitalisierter Form herstellen.
Übrigens:
Sobald die Akten einmal digitalisiert wurden, ist es de facto vorbei mit dem Erstattungsanspruch. Der naheliegende Gedanke, einscannen und dann ausdrucken, wird von der Argumentation der Richter am Kammergericht ins Nirwana umgeleitet.
Keine Alternative
Und wenn man sich jetzt einmal die Arbeitsweise eines Kopierers anschaut – was die Berliner Richter sehr intensiv gemacht haben – weiß man, daß auch der umgekehrte Weg – erstmal ausdrucken und dann (heimlich) einscannen – auch nicht geht. Denn jeder handelsübliche Kopierer scannt erst einmal das Original ein, bevor er an die Druckereinheit weiterleitet. Aus die Maus mit 7000 VV RVG.
Spitzeldienste
Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzten, wurden den Jusitzbediensteten aufgegeben, darauf zu achten, welche Verteidiger mit digitalen Aktenkopien arbeiten und welche die Aktenkopien mit der Sackkarre in den Gerichtssaal schleppen.
Auswege?
Legale Möglichkeiten (also außerhalb des § 263 III StGB), den Aufwand erstattet zu bekommen, sehe ich nicht. Vorschläge anyone?
Hinweis:
Ich hatte zu diesem Thema bereits 2015 einen Blogbeitrag geschrieben, der weitere Links zu den Hintergründen enthält.
Update:
Den vollständigen Verfahrensgang zu der Entscheidung des Kammergericht 1 Ws 64/15 habe ich hier als PDF (13 MB) hinterlegt.
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Bild: © Frank Offermann / pixelio.de
Kopien: Ausschließlich (!) in Papierform notwendig
Beim Sparen der Kosten auf Kosten anderer sind die Berliner Kostenfestsetzer erfinderisch. Es geht einmal mehr um die Erstattung der Aufwendungen, die wir beim „Kopieren der Ermittlungsakten“ hatten. Diesmal sind nicht die Kopien einzelner Seiten „nicht notwendig“, sondern – wenn es nach der Ansicht der Rechtspflegerin ginge – alle von uns angefertigten Kopien.
Aufgehängt ist das Problem an der Ziffer 7000 Nr. 1a RVG VV. Dort ist geregelt der Anspruch auf eine
Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten:
1. für Kopien und Ausdrucke
a) aus Behörden- und Gerichtsakten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war,
Ich war meinem Mandanten zum Pflichtverteidiger bestellt und habe nach Abschluß des Mandats beantragt, die Kosten festzusetzen:
In weiser Voraussicht habe ich gleich auch mal anwaltlich versichert,
dass die in der […] Berechnung enthaltenen Auslagen bei meiner Tätigkeit entstanden sind, und teile vorsorglich mit, die Kopien der Akten ausgedruckt zu haben.
Das hat die Rechtspflegerin offenbar zum Anlaß genommen, die Kosten erst einmal nicht festzusetzen. Sie teilt mit:
Die Dokumentenpauschale wurde zurückgestellt. Insoweit ist nunmehr die Versicherung erforderlich, ob die Kopien ausschließlich in Papierform hergestellt wurden.
Ich habe mich in Geduld geübt und höflich geantwortet:
Das reichte der Rechtspflegerin nicht. Sie rief zunächst in unserer Kanzlei an und wollte wissen, ob die Kopie der Ermittlungsakte ausschließlich in Papierform erstellt worden sei. Ich wollte es genauer wissen und habe schriftlich um schriftliche Fragestellung gebeten. Die kam dann auch recht flott via Fax:
Auf über zwei langen Seiten (pdf) habe ich daraufhin erläutert, was ich mit den Ermittlungsakten gemacht habe und argumentiert, warum dadurch der Kostenerstattungsanspruch entstanden ist:
Genützt hat es nichts – die Rechtspflegerin lehnt meinen Antrag ab:
Die Begründung erscheint mir mehr als abenteuerlich und ausschließlich von dem Motiv getragen, auf Teufel komm raus den Aufwand, den ein Verteidiger bei seiner Arbeit hat, nicht erstatten zu müssen.
Was bleibt mir nun übrig, wenn ich nicht auf den Kosten sitzen bleiben möchte? Mit der vorhandenen Technik kann ich keine Kopien herstellen, die den Anforderungen der Rechtspflegerin entspricht. Also werde ich mich – auf Teufel komm raus – gegen diese unsinnige Entscheidung zur Wehr setzen. #DasWollenWirDochMalSehen
Update:
Heute, am 30.07.2015, schreibt auch der Kollege Detlef Burhoff zu diesem Thema einen Blog-Beitrag, in dem er einen Beschluß des LG Berlin vom 23.07.2015 – (537 KLs) 255 Js 381/14 (28/14) – vorstellt und der einen vergleichbaren Unsinn enthält, wie die Entscheidung „meiner“ Rechtspflegerin.