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Knast
Einschluss oder Ausschluss
Eine interessante Fallkonstellation, die massive Auswirkungen haben kann auf die Gestaltung des Vollzugs von Freiheitsstrafen, liegt zur Zeit auf einem Tisch in Karlsruhe.
Zwei Strafvollzugsbediensteten wird eine fahrlässige Tötung vorgeworfen.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten die beiden Strafvollzugsbediensteten entschieden, einen bereits mehrfach wegen Verkehrsdelikten vorbestraften Strafgefangenen in den offenen Vollzug zu verlegen und ihm dort weitere Lockerungen zu gewähren. Der Strafgefangene hatte sodann während eines Ausgangs ein Fahrzeug geführt, ohne im Besitz der notwendigen Fahrerlaubnis zu sein, war in eine Polizeikontrolle geraten und geflüchtet; bei seiner Flucht stieß er mit dem Fahrzeug einer 21jährigen Frau zusammen, die ihren tödlichen Verletzungen erlag. Der Strafgefangene ist wegen dieser Tat bereits u. a. wegen Mordes rechtskräftig zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Das Landgericht hat in den Entscheidungen der Angeklagten, den Strafgefangenen in den offenen Vollzug zu verlegen und ihm Vollzugslockerungen zu gewähren, ein pflichtwidriges Handeln der Angeklagten gesehen, durch welches sie den Tod der Geschädigten fahrlässig mitverursacht hätten.
Das Landgericht Limburg hat die beiden Wachtmeiser zu neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden (Urteil vom 7. Juni 2018 – 5 KLs 3 Js 11612/16). Nun wird im Herbst der 2. Senat des Bundesgerichtshofs darüber entscheiden, ob das Urteil in Ordnung geht (2 StR 557/18).
Ich meine, dass allein schon das Verfahren bis hierher dazu führen wird, dass die Entscheidung über Lockerungen im Strafvollzug eher nicht „pro libertate“ getroffen werden. Sondern aus Risikoausschlussgründen dem Einschluss der (geschlossene) Vorzug gegeben wird.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 103/2019 vom 02.08.2019
PM: Urteil gegen „Freie Kameradschaft Dresden“ rechtskräftig
Die Pressestelle des Bundesgerichtshofs teilt in der Pressemitteilung Nr. 064/2019 vom 13.05.2019 mit:
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden verworfen, durch das diese jeweils wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und weiterer Straftaten zu Jugendstrafen verurteilt worden sind.
Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Angeklagten Mitglieder der kriminellen Vereinigung „Freie Kameradschaft Dresden“, die sich Ende Juli 2015 in Dresden gegründet hatte und deren Ziel es war, die rechtsextreme und ausländerfeindliche Gesinnung ihrer Mitglieder zu verbreiten und – auch mit Gewalt – die Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik Deutschland zu bekämpfen. Ihre Angriffe richteten sich in erster Linie gegen politisch Andersdenkende und Ausländer, aber auch gegen Polizeibeamte, soweit diese zum Schutz ihrer primären Angriffsziele eingesetzt waren. In mehreren Fällen agierte die „Freie Kameradschaft Dresden“ gemeinsam mit der als terroristische Vereinigung verfolgten „Gruppe Freital“.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die auf die jeweils erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten verworfen. Das Urteil ist damit rechtskräftig.
Beschluss vom 2. April 2019 – 3 StR 23/19
Zeit Online berichtete am 24.08.2017 über den Ausgang des Verfahrens vor dem Landgericht Dresden gegen die Dresdner Nazis:
Zwei Mitglieder der rechtsextremen Gruppe Freie Kameradschaft Dresden (FKD) sind vom Dresdner Landgericht zu Freiheitsstrafen von je drei Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Die Staatsschutzkammer sah die Vorwürfe der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, gefährlichen Körperverletzung, des Landfriedensbruchs und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion nach zehn Verhandlungstagen bestätigt. Für den 19-Jährigen verhängte sie eine Jugendstrafe.
Ob das Pack dann als bessere Menschen wieder aus dem Knast rauskommen wird, weiß ich nicht. Aber zumindest ist für die nächste Zeit deren Handlungsspielraum beschränkt. Manchmal und in diesen Fällen finde selbst ich den Knast für eine sinnvolle Einrichtung.
Eine Lichtblick-Matritze aus 1971
Die Gefangenen-Zeitung „Lichtblick“ schreibt über sich selbst:
Die Zeitschrift gibt es seit einem halben Jahrhundert. Die Themen und die Inhalte haben sich während dieser Zeit – im Groben betrachtet – kaum verändert. Der Teaser eines Beitrags aus dem Jahr 1971 zeigt, dass die Probleme, die die Sozialarbeit in der JVA Tegel heute hat, schon damals Thema waren. Von wegen tempora mutantur! Nicht im Knast.
Auf diese Ausgabe hat der Twitter-Account „jvaberlintegel leaks“ @jvaberlintegel hingewiesen, dem es sich zu folgen lohnt:
#Serie zu #derLichtblick aus der @jvaberlintegel im #Jahrgang Nr. 4 mit #Ausgabe Nr. 6 vom #Juni 1971. #NeueWege des Strafvollzugs. Hier der LINK https://t.co/1K2HDLgGCL pic.twitter.com/2kCpwpamdQ
— jvaberlintegel leaks (@jvaberlintegel) 16. Dezember 2018
Als jemand, der in den 70er Jahren sein Meinungsäußerungsrecht ebenfalls mithilfe der Kurbel an einem Matrizendrucker umgesetzt hat, finde ich das Layout und den Satz der Ausgabe 6/71 des Lichtblicks bemerkenswert. Die gruselige Qualität war nicht den Verhältnissen im Knast geschuldet, sondern die Flugblätter von damals sahen alle so aus. Das mal zum Thema „gute alte Zeit“. (Jetzt wisst Ihr auch, warum so viele Alt-68er Brillenträger sind!).
Wenn man sich aber mal an das Layout gewöhnt hat, ist diese Altausgabe der Zeitschrift durchaus lesenswert. Die Zeit in der JVA Tegel war gleichfalls keine „gute alte“.
Ach so: Den Lichtblick kann muss man abonnieren und durch Spenden unterstützen!
Bis zum bitteren Ende
Ein bayerisches Gericht hatte den Mandanten zu einer nicht mehr bewährungsfähigen Freiheitsstrafe verurteilt. Nach Rechtskraft des Urteils ist es ihm gelungen, von Bayern in eine Berliner Justizvollzugsanstalt verlegt zu werden.
Ihm war wichtig, möglichst nah bei seiner Familie untergebracht zu werden.
Und noch wichtiger: Es geht das Gerücht, daß es hier in Berlin verhältnismäßig häufig zur Reststrafenaussetzung zur Bewährung und vorzeitiger Entlassung kommt, wenn der Verurteilte zwei Drittel seiner Strafe verbüßt hat (§ 57 Abs. 1 Ziff. 1 StGB). Die Bayern sollen insoweit etwas hartleibiger sein, sagt man (es sei denn, man verdient seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Würsten, dann bekommt man die Halbstrafe nach § 57 Abs. 2 StGB.).
Der Mandant hat dann seine Verteidigung in der Strafvollsteckung selbst in die Hand genommen und den sogenannten Zwei-Drittel-Antrag gestellt. Das Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer, die darüber zu befinden hat, nahm seinen Lauf. Wenig später schon hat er einen Termin zur Anhörung erhalten. In der Ladung teilt das Gericht mit:
Das sieht nicht nach einem Spaziergang aus. Ich habe ihm geraten, sich an eine Kollegin zu wenden, die sich mit Strafvollstreckungsrecht auskennt und im schlimmen Fall auch ein Vollzugs-Coaching anbietet. Vielleicht finden die beiden dann gemeinsam einen Weg, die Vollstreckung bis zum bitteren Ende zu verhindern.
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Bild: © S. Hofschlaeger / pixelio.de
Der Widerruf zum Absaufen
Der Betreuer unseres Mandanten schickt uns den Beschluß eines Amtsgerichts. Der Richter hat die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen.
Zur Vorgeschichte:
Der Mandant ist psychisch erkrankt, es gibt eine multiple Substanzabhängigkeit, er wird entsprechend behandelt und steht unter Betreuung. Mehrere Bemühungen, ihm eine Tagesstruktur zu verschaffen, scheiterten; auch in einer Werkstatt für Behinderte gelang es ihm nicht, länger als ein paar Tage zu arbeiten. Er ist „willig“, aber überfordert.
Immer wieder ist es in der Vergangenheit zu kleinkriminellen Straftaten gekommen, ein tatsächlicher Schaden ist an keiner Stelle entstanden. In diesem Fall war er zur falschen Zeit am falschen Ort, wo er sich zu einem Schubser hat hinreißen lassen. Passiert ist de facto nichts, de jure war es eben eine heftig klingende Straftat.
In der Hauptsache wurde er verteidigt. Während der Bewährungszeit hatte er keinen Verteidiger. Auch in dem gerichtlichen Verfahren, in dem über den Antrag der Staatsanwaltschaft entschieden wurde, die Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen, war er nicht verteidigt. Das ist – nach herrschender Ansicht der Amtsrichter – kein Fall der notwendigen Verteidigung. Auch dann nicht, wenn ein Verurteilter nicht Herr seiner Sinne ist.
Also entscheidet der Richter am Amtsgericht:
Wenn dieser Beschluß rechtskräftig wird, schickt man einen kranken Menschen, der aufgrund dieser Erkrankung unfähig (nicht: unwillig!) ist, sich an Spielregeln zu halten und Auflagen zu erfüllen, auch nicht mit einer engagierten Unterstützung eines professionellen Betreuers, für 12 Monate in den Knast.
Was erwarten der Staatsanwalt und der Richter eigentlich, wie es danach weiter gehen soll? Ist diese Art mit instabilen Menschen umzugehen nicht ein Eingeständnis völliger Hilflosigkeit? Oder sind Richter und Staatsanwalt kalte Technokraten, die „an Recht und Gesetz gebunden“ sind und sich quasi in einem „Befehlsnotstand“ befinden, mit dem sie rechtfertigen, einen Menschen, der bis zum Hals im Dreck steckt, noch ein Stück weiter nach unten zu drücken?
Es ist nunmehr die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Verurteilten unbedingt erforderlich.
Erforderlich wofür? Damit er in dem Dreck umkommt?
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Bild: © Rudolpho Duba / pixelio.de
Droht Campino die Untersuchungshaft?
Herr Campino klettert zusammen mit mindestens zwei Damen in ein öffentliches Schwimmbad; genauer: In das Georg-Arnhold-Bad. In Dresden. Und zwar außerhalb der Freibadöffnungszeiten! Also nicht wirklich öffentlich.
Das geht gar nicht, ist deswegen verboten und kann – wenn auch die übrigen Voraussetzungen vorliegen – bestraft werden.
Dazu hilft ein Blick ins beliebte Strafgesetzbuch. § 123 StGB regelt den sogenannten Schwimmbadfriedensbruch:
Wer in das Freibad eines anderen widerrechtlich eindringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Man könnte aber auch an § 265a StGB denken:
Wer den Zutritt zu einem Schwimmbad in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Beides – also der Schwimmbadfriedensbruch und das Erschleichen des Zutritts zum Schwimmbecken – sind Antragsdelikte, werden also erst einmal nur dann verfolgt, wenn der Bademeister einen entsprechenden Strafantrag stellt.
Medienberichten zufolge soll der sächsische (Law and Order – Sie wissen schon.) Bademeister genau einen solchen Antrag gestellt haben.
Ob das am Ende zu der Verhängung einer Freiheitsstrafe führen würde, hängt u.a. entscheidend von dem Vorstrafregister des Musikanten ab. Darüber liegen mir keine zitierfähigen Gerüchte vor.
Aaaaaber, und jetzt komme ich auf die Frage in der Überschrift zu sprechen:
Der Mitteldeutsche Rundfunk (also der Funk zwischen Ostpreußen und dem Saarland – oder andersherum: Zwischen Maas und Memel) und andere Medien zitieren aus einem Brief des Schlagersängers an den Bademeister:
Uns ist bei dem nächtlichen Ausflug aufgefallen, dass z.B. die Startblöcke leichte Verschleißerscheinungen hatten und so wollen wir gerne mit einer kleinen Spende von 5.000.-€ mögliche Erneuerungsmaßnahmen an dieser und anderer Stelle unterstützen. Gerne würden wir damit auch die noch ausstehenden Eintrittsgelder von unseren Begleiterinnen und Begleitern in dieser Nacht begleichen.
Die 5.000-Euro-Spende soll also den zeugenden Geschädigten dazu veranlassen, sein Strafverfolgungsinteresse zu relativieren und den Strafantrag zurück zu nehmen.
Aus Sicht eines Strafjuristen ist das eine relativ gefährliche Kiste. Denn schauen Sie bitte mal in den § 112 StPO hinein, der die Gründe für die Anordnung einer Untersuchungshaft regelt:
Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen
[…]
3. das Verhalten von Campino den dringenden Verdacht begründet, er werde
[…]
b) auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige, insbesondere aber auf Bademeister, in unlauterer Weise einwirken
[…]
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).
Ok, ich kenne ein paar Ermittlungsrichter, die vor nichts zurückschrecken (und auch ein paar, die gern ihren Namen mal in der Zeitung lesen möchten). Aber der nächtliche Schwimmbadbesuch und die höflich formulierte Bitte um Vergebung, verbunden mit dem Angebot eines Quasi-Täter-Opfer-Ausgleichs zur Wiederherstellung des Rechtsfriedens und der Startblöcke, wird wohl eher nicht zur Einlieferung in die JVA Dresden führen (vgl. § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO).
Aber Vorsicht:
Die Kontaktaufnahme eines Beschuldigten mit dem Geschädigten während des laufenden Ermittlungsverfahrens ist jedoch grundsätzlich eine pikante Angelegenheit, die man – wegen des oben zitierten § 112 StPO – nur mit äußerster Vorsicht angehen sollte. Wenn ich jetzt empfehle, diesen Weg nur mithilfe eines Strafverteidigers zu gehen, wird man mir sicher vorwerfen, ich würde hier den Campinobadetag zur Eigenwerbung nutzen; deswegen lasse ich es.
Aber sage mir hinterher keiner, ich hätte nicht davor gewarnt, Zeugen zu bestechen.
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Bild: Von Matthias Muehlbradt from Berlin, Germany – Campino, CC BY 2.0, Link
Fernsteuerungsmedizin
Ich habe ein paar Zeilen über die medizinischen Versorgung von Gefängnisinsassen geschrieben.
Da hatten nämlich ein paar Leute eine hervorragende Idee, die in der JVA Moabit bestimmt auch umgesetzt wird. Irgendwann. In den nächsten 50 Jahren. Vielleicht.
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Bild: © Paul-Georg Meister / pixelio.de
20 Millionen Euro für die Desozialisierung
Unser Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), eigentlich ein ganz vernünftiger Mann, ist stolz.
Und zwar auf den Ausbau der JVA Tegel. Bis 2021 soll dort die Teilanstalt III saniert sein.
„Das wird mit Nachdruck vorangetrieben!“ sagte Justizsenator laut einem Bericht des rbb24.
Das denkmalgeschützte Haus stehe seit Jahren leer und verfalle. Nun werde die Modernisierung in Angriff genommen. Nach ersten Schätzungen beliefen sich die Kosten auf mindestens 20 Millionen Euro.
heißt es weiter in dem Bericht.
Da steckt der Senat nun einen achtstelligen Betrag in ein archaisches System, statt diesen Betrag in die Hand zu nehmen, um eine effektive und erfolgversprechende Resozialisierung unserer Mandanten zu betreiben. Als wenn jemals ein Mann, der in der JVA Tegel gesessen hat, gebessert wieder entlassen wurde.
Regelmäßig ist es doch so, daß die Straftat einen Mangel bei dem Straftäter offenbart. Statt nun diesen Mangel zu beheben, steckt man ihn zusammen mit anderen Mangelbehafteten in den Knast und hofft darauf, daß sich dadurch alle Mängel irgendwie von selbst beheben. Das kann doch einfach nicht funktioneren.
Und trotzdem werden Millionenbeträge dieses kaputte System investiert, mit dem versucht wird, eine Resozialisierung durch Desozialisierung zu erreichen. Vernünftig ist das nicht.
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Bild: © Marco Barnebeck(Telemarco) / pixelio.de
Flüchtlingsobergrenze erreicht?
In den vergangenen Tagen sind insgesamt neun Häftlinge aus der Justizvollzugsanstalt Plötzensee ausgebrochen oder nicht in den offenen Vollzug zurückgekehrt. Nach Ansicht einiger vermeintlicher Kompetenzträger trage der Justizsenator Dirk Behrendt (Die Grünen) dafür die Verantwortung.
Dazu hat der Vorstand der Vereinigung Berliner Strafverteidiger am 3. Januar 2018 die nachfolgende
Presseerklärung zu Gefangenenentweichungen aus der JVA Plötzensee
veröffentlicht:
Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger lehnt die oberflächlichen und von Sachkenntnis weitgehend ungetrübten Forderungen nach persönlichen Konsequenzen des Justizsenators für die jüngsten Entweichungen aus der JVA Plötzensee ab. Die jetzigen Vorkommnisse sind absehbares Resultat der verfehlten Personal- und Sparpolitik der Vorgängerregierungen des letzten Jahrzehnts. Deren Fehlleistungen sind weder dem Offenen Vollzug als Vollzugsform noch dem jetzigen Justizsenator anzulasten.
Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger hat ebenso wie die Rechtsanwaltskammer Berlin die langjährige Sparpolitik der Senate im Justizbereich wiederholt kritisiert. Auch unter dem CDU-Senator Heilmann wurde in den fünf Jahren seines Wirkens der Personalschlüssel in den Justizvollzugsanstalten nicht einmal im Ansatz an die Mindestanforderungen eines verantwortungsvollen Strafvollzuges und dessen tatsächliche Erfordernisse angepasst.
Tatsächlich kann erst angesichts der aktuellen Personalplanung des jetzigen Senators erstmals wieder Hoffnung auf Besserung aufkeimen. Damit ist keinesfalls gemeint, dass Justizpersonal nur insoweit vorhanden sein müsse, als es gelte, Ausbrüche zu verhindern: Nicht nur gesetzliche, sondern auch rational vordringliche Aufgabe eines aufgeklärten Strafvollzuges ist die Resozialisierung der Gefangenen. Berlin praktiziert zwar seit Jahren erfolgreich den Offenen Vollzug, ist indes traditionell ein Schlusslicht unter den Bundesländern, was die Zahl vorzeitiger Entlassungen aufgrund günstiger Prognosen für Gefangenen vor Ende ihres Vollzuges angeht. Dies ist direkte Folge der permanenten personellen Unterausstattung der Vollzugsanstalten durch die Vorgängerregierungen, welche bis heute eine adäquate Betreuung und Dokumentation der Behandlung der Gefangenen verhindert. Statt wohlfeiler Rücktrittsforderungen aus den Reihen derjenigen, welche diese Zustände maßgeblich mitzuverantworten haben, wäre es an der Zeit einen parlamentarischen und haushalterischen Konsens für einen verfassungsgemäßen Strafvollzug herbeizuführen, der gleichermaßen den Ansprüchen der Gefangenen und der Gesellschaft Rechnung und dann auch konsequent dafür Sorge trägt, dass entsprechende finanzielle Mittel und Personal bereitgestellt werden. Dies schuldet die Stadt nach unserer Auffassung nicht zuletzt auch ihren Vollzugsbediensteten, die unter schwierigsten Bedingungen und in Unterbesetzung einen immer noch bewundernswerten Einsatz zeigen.
Sach- und Personalmangel sind die Ursachen einerseits. Andererseits könnte man ja einmal mehr darüber nachdenken, ob es sinnvoll ist, daß fast jeder dritte Insasse in der JVA Plötzensee eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen wiederholten Schwarzfahrens bei den Berliner Verkehrsbetrieben verbüßt.
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Bild: Ahle, Fischer & Co. Bau GmbH, CC BY-SA 3.0
Sippenhaft fürs Bußgeld?
Die Möglichkeiten, eine Geldstrafe mit der Ersatzfreiheitsstrafe „abzusitzen“ oder im Rahmen des Programms „Schwitzen statt Sitzen“ abzuarbeiten, sind weitgehend bekannt. Darüber hatte ich unter anderem vor einigen Tagen hier geschrieben.
Was passiert aber bei Geldbußen, die im Bußgeld- bzw. Ordnungswidrigkeiten-Verfahren verhängt werden und die der Betroffene nicht bezahlt?
Zahlt jemand nachhaltig seine Geldbuße nicht, gibt es „nur“ die Erzwingungshaft, § 96 OWiG. Das heißt: Der Schnellfahrer wird bis zu 6 Wochen eingeknastet, um ihn zur Zahlung zu bewegen.
Eine interessante Idee in diesem Zusammenhang hat mir ein Blogleser zur Veröffentlichung übermittelt. Er hat an die Bußgeldstelle folgenden Brief geschrieben:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe einen Bußgeldbescheid von Ihnen erhalten. Ich denke, die Strafe selbst und die Höhe der Strafe sind gerechtfertigt. [Anm.: Er spricht von „Strafe“; zutreffend wäre jedoch „Geldbuße“. crh]
Ich sehe jedoch Geldstrafen als Sippenstrafen an, denn letztendlich wird ja die Geldstrafe einer verheirateten Person, aus dem zur Verfügung stehenden Familieneinkommen bezahlt; also würde meine Ehefrau genauso bestraft wie ich, bzw. wir beide dann zur Hälfte.
Daher möchte ich diese Geldstrafe mit einer Haftstrafe begleichen. Zu Ihrer Information möchte ich Ihnen mitteilen:
- Ich habe ein P-Konto, auf das meine monatliche Rente(aufgestockt durch die Grundsicherung) überwiesen wird.
- Das Mobiliar unserer Wohnung, also auch die technischen Geräte sind Eigentum meiner Ehefrau.
- Meine Ehefrau und ich leben seit 1980 in dem Zustand der Gütertrennung.
- Vermögen oder pfändbare Dinge habe ich nicht.
Natürlich weiß ich, dass eine Geldstrafe dieser Art nicht mittels Haftzeit abgegolten werden kann.
Aber, solange ich mich in Erzwingungshaft befinde, produziere ich keine Kosten, die ich produzieren würde, wenn ich in Freiheit wäre.
Über den Daumen belaste ich in Freiheit das Familieneinkommen mit ca. 8,00 Euro am Tage für Nahrungsmittel, Strom- Wasserverbrauch, Reinigungsmittel, Hygienemittel , Waschmittel usw. Sollten weitere oder höhere Kosten entstehen, etwa für Taxifahrten meiner Ehefrau um mich zu besuchen, werde ich diese meiner Berechnung zuschlagen und durch die Tage teilen, die ich in Haft verbringen“ möchte“.
Möchte – weil ich ja Jederzeit die Haft durch die Zahlung der Geldbuße beenden könnte.
Eine Zahlung wird meine Ehefrau vornehmen, wenn meine Berechnung ergeben hat, dass die Summe für die Geldstrafe dadurch „neutralisiert“ wurde, dass ich in der Haft versorgt wurde. Entstehen mir keine weiteren Kosten durch die Haft, wird meine Ehefrau in also 20 Tagen die Geldstrafe bezahlen, denn dann ist das Familieneinkommen durch meine Haftzeit so ausgeglichen, als wenn ich diese Geldstrafe nicht erhalten hätte.
Das ist ein interessanter Ansatz, über den es sich durchaus einmal nachzudenken lohnt.
Nun aber kommt ein Problem auf die Haftanstalt zu, das nicht so einfach zu lösen sein wird. Der Blogleser schreibt weiter:
Bitte sprechen Sie mit mir einen Termin zum Haftantritt an, denn ich muss dafür sorgen, dass ich vor dem Haftantritt genügend Medikamente besorge, denn ich leide unter Leukämie (CML) und muss täglich Medikamente (Sprycel) gegen diese Krankheit einnehmen.
Auch muss ich Blutverdünner einnehmen, dessen Dosierung engmaschig per Bluttest überprüft werden muss.
Nachts muss ich an ein Gerät zur Atemunterstützung angeschlossen sein. Ich besitze so ein Gerät und kann es gerne mitbringen. Allerdings muss sichergestellt sein, dass in der Zelle auch nachts 230 Volt Wechselstrom zur Verfügung stehen, mit dem das Atemgerät betrieben wird. Werde ich durch dieses Gerät nicht bei der Atmung unterstützt, kommt es nachts zu zig Atemstillständen, die massiv das Herz-Kreislaufsystem belasten und auch den Blutdruck in schwindelerregende Höhen treibt.
Wegen meines Rückenleidens und den durch die Leukämiemedikamente verursachten Muskelbeschwerden, müsste ich meinen Rollator mitbringen dürfen und meine Sitzgelegenheit die ich zum Duschen benötige, denn ich kann nicht ohne Abstützung stehen.
Weitere Krankheiten wie Bluthochruck und Wasseransammlungen in den Beinen und in der Lunge (besonders bei Bewegungsmangel) müssen ärztlich im Auge behalten werden, denn ich denke, dass die wenige Bewegung in den Tagen der Haft gerade die Wasseransammlung in den Beinen ungünstig beeinflussen wird.
Ich habe Ihnen nachfolgend einige Termine vorgeschlagen, bei denen es während der Haft (sollten keine Komplikationen auftreten) keine Laboruntersuchungen meiner Leukämie fällig sind; somit müsste ich nur wöchentlich zum Bluttest, denn aus Erfahrung weiß ich, dass Bewegungsmangel dazu führt, dass der Wert und somit die Blutverdünnung ansteigt.
Es sollte auch bei der Verpflegung sicher gestellt sein, dass ich keine Kohlprodukte essen muss, denn diese wirken sich durch den Vitamin K-Gehalt ungünstig auf die Blutwerte aus, denn das blutverdünnende Mittel beeinflusst die Vitamin K-Produktion der Leber.
Wegen meines Bandscheibenleidens und dem Wasser in den Beinen, bitte ich um ein Stufenbett, denn ansonsten würden meine Beine (auch durch den Bewegungsmangel) noch stärker anschwellen als üblich.
Diesen Problemen begegnen die Justizvollzugsanstalten in zunehmenden Maße: Die Knackis werden immer älter und die Gefängnisse sind überwiegend nicht zur Unterbringung von Senioren geeignet. Das sorgt bei den notorisch knappen Justizverwaltungen für erhebliche Sorgenfalten.
Aber auch der Weg in den Knast muß geplant werden. Nicht jeder künftige Häftling kann selbständig zum Gefängnis anreisen:
Auch werde ich nicht selber zur Haftanstalt fahren, sondern möchte durch eine Polizeistreife abgeholt werden, denn ansonsten müsste ich auch diese Kosten wieder in Haftzeit umrechnen, damit sie sich wieder durch eine längere Haftzeit neutralisieren. Auch hier wäre sicherlich eine Terminabsprache von Vorteil, denn dann würde ich mit allen medizinischen Unterlagen, Hilfsmitteln und Medikamenten zur Abholung bereit stehen.
Der Blogleser weiß, worauf es sonst noch ankommt:
Damit sie nun nicht meinen, dass ich Ihnen hier eine Gruselgeschichte serviere, möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich hiermit alle mich behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht gegenüber Ihrer Behörde und auch gegenüber der Haftanstalt entbinde. Diese Vollmacht ist gültig bis zum 31.12.2017.
Ein paar Sorgen möchte er der Gefängnisleitung nehmen, nicht aber ohne darauf hinzuweisen, daß er über seine Erfahrungen berichten wird:
Zu meiner Selbsteinschätzung möchte ich angeben, dass ich mir sicher bin, dass die Haftzeit mich nicht psychisch belasten wird, zumal ich diese ja auch jederzeit durch eine Zahlung der Geldstrafe beenden könnte; praktisch sitze ich ja freiwillig ein, damit meine Ehefrau nicht auch durch die Geldstrafe bestraft wird.
Und ich werde den Rest meines Lebens sicherlich in Gesprächsrunden anregende Gespräche darüber führen können, was ich in dieser Zeit so alles erlebt habe. Vielleicht interessieren sich ja auch einige Presseleute für mein Tagebuch über die Haftzeit.
Ich selber fühle mich für haftfähig, wenn die oben genannte notwendige medizinische Versorgung gewährleistet ist, ich die notwendigen Medikamente und die oben genannten Hilfsmittel zum Haftantritt mitbringen darf.
Viele Grüße
Ich habe den Blogleser auf einen Selbst-Erfahrungsbericht hingewiesen, den die Journalistin Barbara Keller vor einigen Jahren auf Berlinkriminell.de veröffentlich hat. Das scheint ihn nicht abzuschrecken.
Über den weiteren Verlauf dieser Bußgeldsache werde ich gern berichten …
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Bild: © Peter Reinäcker / pixelio.de