Knast

Geldstrafe, Ersatzfreiheitsstrafe, Arbeit statt Strafe

Wenn jemand (s)eine Geldstrafe nicht bezahlt, muß er damit rechnen, sie ersatzweise absitzen zu müssen. Das ist dann die Ersatzfreiheitsstrafe.

Eine völlige blödsinnige Idee, die zur kostenintensiven Übervölkerung der Knäste führt. Dort sitzen reichlich Leute ein, die z.B. beim Schwarzfahren erwischt wurden, weil sie kein Geld für ein Bahnticket hatten. Dafür gibt es dann eine Geldstrafe (§ 40 StGB), die diese Menschen aus demselben Grund nicht zahlen können, weshalb sie schwarz gefahren sind. Man muß schon hochwirksames Kraut rauchen, um auf solch abgefahrene Ideen zu kommen.

Nun gibt es aber auch noch solche Kandidaten, die zwar über die finanziellen Möglichkeiten verfügen, sich aber nicht von ihrem Geld trennen können oder wollen. Sie gehen sehenden Auges für ein, zwei Monate in den Knast; für jeden Tagessatz der Geldstrafe einen Tag Ersatzfreiheitsstrafe, § 43 StGB.

Das halten aber nur die allerhärtesten Schwaben bis zum Ende durch. Denn so ein Knast hat sehr, sehr wenig Gemeinsamkeiten mit einem Wellnesshotel auf der Alb.

Die meisten dieser „freiwilligen“ Knackis ziehen dann in den ersten ein, zwei Tagen die Notbremse. Sie zahlen die Geldstrafe und werden mit Zahlungseingang wieder vor die Gefängnistür gesetzt.

Es gibt noch die Alternative: Schwitzen! Statt zu sitzen oder zu bezahlen besteht die Möglichkeit, die Geldstrafe abzuarbeiten. Wir empfehlen unseren Mandanten in geeigneten Fällen die Straffälligen- und Bewährungshilfe Berlin. Dort gibt es ein Programm namens ASS – Arbeit statt Strafe, mit dem Menschen in schwierigen sozialen Lagen oder wirtschaftlichen Situationen geholfen wird.

Das Ganze funktioniert allerdings nur im Zusammenhang mit Geld-Strafen. Bei Geld-Bußen, also die Knöllchen wegen Zuschnellfahrens, funktioniert das nicht. Weder mit dem Absitzen, noch mit dem Abschwitzen. Zahlt jemand nachhaltig seine Geldbuße nicht, gibt es „nur“ die Erzwingungshaft, § 96 OWiG. Das heißt: Der Schnellfahrer wird bis zu 6 Wochen eingeknastet, um ihn zur Zahlung zu bewegen.

Das macht eigentlich kein klar denkender Mensch mit: Wegen einer Geldbuße in Höhe von 100 Euro begibt man sich nicht für 6 Wochen in staatliche Obhut. Um dann danach die Geldbuße doch noch zu bezahlen.

Eigentlich. Es gibt Ausnahmen. Über eine solche werde ich im nächsten Blogbeitrag berichten.

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Bild: © Peter Reinäcker / pixelio.de

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Die Resozialisierungslücke

Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, spricht Bekanntes kolumniszierend aus:

Ich halte es für unerträglich und verlogen, dass, wie, in welchem Ausmaß und mit welch merkwürdiger Energie verantwortliche Politiker und Verwaltungen seit vielen Jahren das gesetzlich verankerte Strafvollzugsziel der Resozialisierung missachten und in sein Gegenteil verkehren, um populistischen Stimmungen gerecht zu werden. Der Strafvollzug ist erbärmlich ausgestattet, ineffektiv und reformbedürftig. Stattdessen hat sich der Bund aus der Verantwortung verabschiedet; die Länder machen die Standards, wie sie wollen. Wenn die Resozialisierung „nicht klappt“, werden irgendwelche Strafen erhöht oder notfalls Minister entlassen. Dabei wäre es nach ganz einhelliger Meinung aller Sachverständigen einfach nur erforderlich, die eingesetzten Personalmittel zu verdreifachen. Die gesellschaftlichen Kosten wären wesentlich niedriger als heute, der Nutzen evident.

Quelle: Zeit Online

Deckt sich im Wesentlichen mit meinen Erfahrungen im Knast.

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Franz Kafka und der Brandschutz in der JVA

220px-kafka_der_prozess_1925Der Mandant wurde verhaftet. Bei der Verkündung des Haftbefehls wurde ihm auch gleich die Anklageschrift in die Hand gedrückt, bevor man ihn in die Untersuchungshaftanstalt verfrachtete. Kein leichtes Gepäck, diese Anklage; immerhin 765 Seiten Blatt Papier hat die Staatsanwaltschaft bedruckt. Das paßte aber – wenn auch eher knapp – in zwei handelsübliche Stehordner.

Welche Bedeutungen hat ein solches Werk, in dem soviel Arbeit steckt?

Die Strafjuristen haben von zweierlei Funktionen gehört, als sie im ersten Semester Jura noch die Strafrechtsvorlesungen an der Uni besucht haben.

Informationsfunktion
Die Anklageschrift soll dem Angeschuldigten das Wissen über den gegen ihn erhobenen Vorwurf vermitteln. Wer von Franz Kafka „Der Prozess“ gelesen hat, weiß, was es bedeutet, nicht zu wissen, was einem vorgeworfen wird.

Umgrenzungsfunktion
Mit der Anklage soll ferner die Tat konkretisiert und von anderen Lebenssachverhalten abgrenzt werden.

Es geht also um die Festlegung des Prozessgegenstands. Aber was hat das nun mit der Überschrift zu tun?

Diese oben beschriebene Anklageschrift ist brandgefährlich.

Zum einen
für den Angeschuldigten.
Denn bestätigen sich die Tatvorwürfe, könnte das die Desozialisierung hinter Gittern bedeuten, bevor man ihn nach ein paar Jahren als resozialisiert wieder entläßt. Keine schöne Aussicht.

Sie ist aber auch
für die Untersuchungshaftanstalt
gefährlich, und zwar im wörtlichen Sinne einer Brandgefahr. Soviel Papier auf einem Haufen in einem Ordner und dann in der Nähe ein Streichholz – das treibt einem gestandenen Gefängnisdirektor den Schweiß auf die Stirn.

Die Lösung für den Anstaltsleiter?
Ganz einfach: Man nimmt dem Gefangenen das Machwerk des Staatsanwalts ab und deponiert es bei seiner Habe, mithin unerreichbar für den Angeschuldigten.

Und jetzt?
Was ist mit der Verteidigung? Sind wir nun doch wieder bei Herrn Josef K. aus Kafkas Roman?

Die Suche nach der Lösung dieses Problems
habe ich erst einmal an die Strafkammer weiter gegeben, die über den Antrag des Staatsanwalts entscheiden muß, die Anklage zuzulassen und das Hauptverfahren vor dem Landgericht – Wirtschaftsstrafkammer – zu eröffnen. Zu diesem Antrag muß der Angeschuldigte gehört werden, § 201 StPO. Der hat aber nichts zu sagen, weil er die Anklage gar nicht kennt.

Der Vorsitzende Richter dürfte da ein Problem mit seinem Terminskalender und den laufenden Fristen bekommen. Was rät der Verteidiger dem Richter in so einer Situation?

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Bild: © © Foto H.-P.Haack – Antiquariat Dr. Haack Leipzig / via Wikipedia

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Strafverschärfung als Politik?

Die Tagesschau berichtete heute morgen, Herr Bundesjustizminister Maas wolle noch vor Weihnachten einen Gesetzesentwurf vorlegen. Ok, das wird er nicht selber machen, dafür hat er ein paar studierte Leute, die ihm der Steuerzahler dafür finanziert.

Thema dieses Tagesschauberichts war einmal mehr eine Strafverschärfung. Heute im Angebot:

Härtere Strafen bei Wohnungseinbrüchen.
Einbrecher sollten mit mindestens sechs Monaten Haft bestraft werden.

 

einbruchsdiebstahlverschaerfung

Justizminister Gnadenlos?
Keineswegs. Denn für den seit dem 1. April 1998 (ich hab’s ausgerechnet: seit 18 Jahren und 7 Monaten) geltenden § 244 Abs. 1 Ziff. 3 StGB war Herr Maas nicht verantwortlich. Seit diesem Datum schon bekommt ein Wohnungseinbrecher mindestens 6 Monate, höchsten 10 Jahre Freiheitsentzug.

Und was hat es genützt?
Gibt es den Junkie vom Kotti, der einen Bruch plant, und sich vorher Gedanken über die Mindeststrafe macht? Die ihn dann davon abhält, in die Kreuzberger Hinterhauswohnung einzusteigen? Oder die Touristen aus dem bettelarmen Osteuropa, die sich wegen der gewerbs- und bandenmäßiger Begehung ihrer Einbrüche ohnehin keine Gedanken über die Mindestfreiheitsstrafe machen müssen, weil für sie eher die Obergrenze in Betracht kommt?

Dazu noch die These,
daß ein eingesperrter Wohnungseinbrecher mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nach professioneller Schulung im Knast die künftigen Brüche qualitativ hochwertiger ausführen können wird.

Was soll das also?
Fischen der Wählerstimmen unter den Dresdner Montagssparziergängern?

Update/Korrektur:

Die Tagesschau hat die Absicht des Herrn Ministers verkürzt dargestellt. Es soll der minder schwere Fall nach § 244 Abs. 3 StGB wegfallen.

kommentierte zutreffend RA Jörg Jendricke

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JVA Tegel: Bestrafte Hinweise

jva-tegelWie die Gefängnisleitung mit Häftlingen umgeht, die auf augiastische Miststände in der JVA-Tegel hinweisen, ist Inhalt eines Fernsehbeitrags im ZDF.

Zwei Gefangene, Timo F. und Benjamin L. berichteten über ein Schmuggel-Netzwerk in der JVA Tegel. Von einigen der dort beschäftigten Wachtmeistern werde eine Im- und Export-Unternehmung unterhalten und betrieben.

Mitte September 2016 veröffentlichten die Journalisten Christian Esser und Manka Heise, an die sich die beiden Gefangenen gewandt haben, in der Sendung Frontal 21 im ZDF einen Beitrag über diesen nicht akzeptabeln gefängnisinternen Übelstand.

Nachdem Timo F. über unsere Kanzlei detaillierte und ausführliche Hinweise über dieses Netzwerk an das Landeskriminalamt geliefert hat, läuft ein Ermittlungsverfahren. Gegen einen(!) Beamten. Aber immerhin: Die Staatsanwaltschaft ermittelt schon mal.

Weil nun aber Benjamin L. und Timo F. die Vorwürfe auch in Frontal 21 öffentlich gemacht haben, nachdem sich die JVA-Leitung und die Senatsverwaltung für Justiz nicht angemessen bewegen wollten, werden sie jetzt dafür von der Gefängnisleitung mit Disziplinarmaßnahmen überzogen; ihnen werden weitere zur Resozialisierung notwendige Hilfen gestrichen.

Über diese Reaktionen der JVA Tegel berichten Manka Heise und Christian Esser in einem weiteren Beitrag auf Frontal 21.

1280px-mosaico_trabajos_hrcules_m-a-n-_madrid_05Statt die Ställe Augias‘ in Tegel zu säubern, werden diejenigen bestraft, die auf den Mist hinweisen. Die Frage nach der grundsätzlichen Berechtigung eines Gefängnisses ist schon nicht einfach zu beantworten. Gute Argumente für deren Abschaffung liefert aber das Verhalten der JVA-Leitung und der Senatsverwaltung für Justiz in diesem Fall.

Ich gebe die Hoffnung aber nicht auf, daß wenigstens im Dezernat 34 des LKA Berlin der eine oder andere Herakles arbeitet.

Was sonst noch geschah, kann man in diesen Blogbeiträgen (mit weiterführenden Hinweisen) nachlesen.

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Bilder:
ScreenShot aus dem Videobeitrag vom 01.11.2016 / © ZDF
Mosaik / Luis García, CC BY-SA 3.0

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Frontal21: Nachklapp zum „kriminellen Netzwerk in JVA“

Zur Abwechslung mal ein Fernsehtipp:

Heute um 21 Uhr im ZDF: Frontal21

Im Nachgang zum Film „Verdacht auf kriminelles Netzwerk in JVA“ wird ein weiterer Beitrag zum Thema Schmuggel-Netzwerk in der JVA Tegel ausgestrahlt. Darin geht es um die Restriktionen für die Gefangenen, die den Schmuggel in der JVA Tegel aufgedeckt haben.

Worum es insgesamt geht, habe ich in dem Blogbeitrag „Keine Freunde in der JVA Tegel“ beschrieben. Dort finden sich auch einige Links zu weiterführenden Informationen.

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Wie Schmuggeln nicht verhindert wird

732437_web_r_b_by_janusz-klosowski_pixelio-deUnter der Überschrift:

„Einschmuggeln verbotener Gegenstände bzw. Substanzen in Haftanstalten“

richtete sich der Abgeordnete Sven Rissmann (CDU) mit einer schriftliche Anfrage an die Berliner Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz.

Herr Rissmann wollte unter anderem wissen:

Welche Maßnahmen werden in den Haftanstalten ergriffen, um das Einschmuggeln verbotener Gegenstände bzw. Substanzen zu verhindern?

Die Antwort der SenJusV (pdf) ist umfangreich und interessant:

Es werden …

… in den JVA‘en alle rechtlich zulässigen Mittel genutzt, um das Einbringen von verbotenen Substanzen und Gegenständen zu verhindern und um erfolgreich eingebrachte in den Anstalten aufzufinden.

Das sind laut „Straßmeir, Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz“ die folgenden Maßnahmen:

  • Durchsuchung neu aufzunehmender Gefangener unter Entkleidung einschließlich der eingebrachten Sachen im Zuge des Aufnahmeverfahrens,
  • Durchsuchung Gefangener nach jeder Abwesenheit von der Anstalt (Urlaub, Ausgang) ohne Entkleidung sowie einzelner Gefangener auch unter Entkleidung,
  • Kontrolle von Gefangenen nach Besuchen, bei Vor-liegen von Verdachtsmomenten auch unter Entkleidung,
  • ausschließliche Durchführung von Sprechstunden unter Einsatz einer Trennscheibe bei Verdacht auf Betäu-bungsmittelhandel innerhalb der Anstalt sowie
  • Unterbringung auf einer Abschirmstation für Gefan-gene, die mit Betäubungsmittelhandel aufgefallen sind, auf der u. a. die Haftraumausstattung auf das Notwendigste reduziert und Anstaltskleidung zu tragen ist sowie die Freizeitgestaltung nur in dem abgegrenzten Bereich stattfindet,
  • Kontrolle der Besucher beim Betreten der Anstalt mittels Abstreifen sowie unter Zuhilfenahme von Metalldetektoren,
  • optische Überwachung der Sprechstunden,
  • Kontrolle des Brief-und Paketverkehrs auf unerlaubte Gegenstände und Drogen,
  • Kontrolle der auszutauschenden Kleidungsstücke, insbesondere bei den Abgaben für Untersuchungsgefan-gene,
  • Kontrolle einfahrender Fahrzeuge, insbesondere der von Lieferfirmen,
  • Sicherheitsüberprüfungen nach einem abgestuften System beim Einlass von Externen (Führungszeugnisse, Bundeszentralregisterauszüge),
  • regelmäßige Kontrollen der Gefangenen, ihrer Hafträume und der ihnen zum Gebrauch überlassenen Gegen-stände,
  • außerordentliche Sonderkontrollen von kurzfristig bestimmten Anstaltsbereichen,
  • fortlaufendes und regelmäßiges Absuchen von Freiflächen bevor Gefangenen der Zutritt ermöglicht wird, um Überwürfe sicherzustellen,
  • Urinkontrolluntersuchungen auf Drogenkonsum,
  • Einsatz von Drogenspürhunden der Polizei und des Zolls während der Weihnachts-und Osterpaketzeiten sowie zwecks Durchführung von Sonderkontrollen,
  • spezielle Bedienstete mit erweitertem Fachwissen und Erfahrung zum Thema Drogen im Vollzug, denen auch die Planung von Sonderkontrollen obliegt (angegliedert an Sicherheitsabteilungen der Anstalten),
  • gemäß § 25 Justizvollzugsdatenschutzgesetz Auslesen elektronischer Datenspeicher von Geräten, die Gefangene ohne Erlaubnis des Justizvollzuges besitzen, zwecks Erlangung von Kenntnissen über sicherheits-und strafrechtlich relevante Inhalte,
  • Errichtung von Mobilfunkblockern, die die Nutzung von Handys verhindern.Um die Suche nach verbotenen Gegenständen und insbesondere nach Betäubungsmitteln in den JVA’en noch weiter zu intensivieren, wird derzeit außerdem eine eigene Diensthundestaffel für den Justizvollzugaufgebaut.

Und was fehlt sonst noch?

Richtig! Angemessene – und mit Rücksicht auf die grundsätzlich gegebene Vertrauenswürdigkeit von Justizbediensteten durchführte – Kontrollen der Wachtmeister. Damit das, worüber Timo F. (und Frontal21) und Fatina Keilani im Tagesspiegel berichten, nicht mehr auf der Tagesordnung bleibt.

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Bild: © Janusz Klosowski / pixelio.de

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Presseerklärung: „Kriminelles Netzwerk in Berliner JVA?“

Das Magazin „Frontal21“ berichtete am 13.09.2016 im ZDF über Timo F. und das „Kriminelle Netzwerk in Berliner JVA“:

In Deutschlands größter Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel soll der Schmuggel von Waren in und aus der Haftanstalt an der Tagesordnung gewesen sein. Involviert in den Schwarzhandel seien angeblich mehrere Justizbeamte, berichten Gefangene.

Der Bericht hat für Reaktionen gesorgt, allerdings (noch) nicht für die gewünschten. Der Bremer Kollege Rechtsanwalt Dr. iur. habil. Helmut Pollähne, mit dem ich gemeinsam Timo F. verteidige, hat anläßlich einer Pressekonferenz am heutigen Donnerstag eine Presseerklärung herausgegeben, die ich hier vollständig wiedergeben möchte:

„Kriminelles Netzwerk in Berliner JVA?“

Mein Mandant, Timo F., hat wesentlich dazu beigetragen, illegale Vorgänge in der JVA Tegel aufzudecken, die vom ZDF treffend als „kriminelles Netzwerk in Berliner JVA?“ betitelt wurden – nach den mir vorliegenden Erkenntnissen kann man das Fragezeichen allerdings getrost weglassen und durch ein Ausrufezeichen er-setzen!

Wie hat die JVA darauf reagiert? Sicherlich nicht so, wie es von einer staatlichen Behörde zu erwarten wäre, die Kenntnis darüber erhält, dass einige ihrer Mitarbeiter seit längerer Zeit in größerem Umfang in kriminelle Machenschaften verstrickt sind: Einschmuggeln von Waren in die JVA und illegaler Handel mit Waren aus der JVA, um nur die gravierendsten Vorwürfe zu nennen. Man muss dies nicht zuletzt des-halb einen Justizskandal nennen, weil die JVA bekanntlich den Auftrag hat, die Gefangenen dazu zu befähigen, künftig „in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen“ (§ 2 Satz 1 StVollzG). Dieser Auftrag wurde offenbar in großem Stil in sein Gegenteil verkehrt.

Von der JVA, dem schließlich doch noch eingeschalteten LKA und der senatorischen Aufsichtsbehörde wurde bisher wider besseren Wissens der Eindruck vermit-telt, es handele sich – wenn überhaupt – um einen Einzelfall. Mögen andere Juristen entscheiden, wo die Schwelle vom Justizskandal zur Strafvereitelung überschritten ist, vom Organisationsverschulden ganz zu schweigen.

Mein Mandant durfte mit Recht für sich beanspruchen, vor Repressalien und Mobbing infolge der Enthüllungen geschützt zu werden, insbesondere indem man ihn in eine andere JVA verlegt. Fehlanzeige: Er befindet sich nach wie vor am selben Ort, wie die von ihm schwer belasteten Beamten. Das ist das Gegenteil von staatlicher Fürsorgepflicht. Auch meine Versuche, diesbezüglich zu einer Vereinbarung mit der JVA zu kommen, scheiterten: An mündliche Zusagen fühlte sich später nie-mand mehr gebunden, schließlich wurde der Kontakt zu mir ganz eingestellt, Schreiben einfach nicht mehr beantwortet – auch deshalb wurde eine Beschwerde bei der senatorischen Dienstaufsicht erhoben, zu der ich bisher allerdings noch nicht einmal eine Eingangsbestätigung erhalten habe.

Wer den Eindruck erhält, er finde innerhalb der zuständigen Stellen kein Gehör, diese wären eher mit Vertuschung befasst, der wendet sich an die Öffentlichkeit: In der Demokratie ein selbstverständlicher Vorgang! Nicht so in der JVA: Herr F. sieht sich infolge der ZDF-Berichterstattung mit Disziplinarmaßnahmen konfrontiert, die bei Gericht angefochten werden mussten; eine Entscheidung steht in seinem Fall noch aus. Es sieht sich auch mit der Drohung konfrontiert, die weitere Voll-zugsplanung auf sog. Vollverbüßung einzustellen.

Nach den absehbaren politischen Veränderungen in Berlin mögen die zukünftig Verantwortlichen unter Beweis stellen, ob eine funktionierende Dienstaufsicht über den Justizvollzug noch möglich ist. Andernfalls wäre die parlamentarische Kontrolle gefragt.

Darauf kann mein Mandant allerdings nicht warten: Er muss jetzt in eine andere JVA verlegt und wieder in seine alte Vollzugsplanung versetzt werden; die Disziplinarmaßnahmen müssen ein Ende haben.

Bleibt schließlich zu hoffen, dass die Aufarbeitung dieses Skandals insgesamt mit dazu beiträgt, den Justizvollzug dazu anzuhalten und die Lage zu versetzen, sei-nem gesetzlichen Auftrag und den Rechten der Gefangenen gerecht zu werden. Hier liegt auch diesseits „krimineller Netzwerke“ vieles im Argen, nicht nur in Berlin.

Dr. iur. habil. Helmut Pollähne
– Rechtsanwalt –

Dem „eingeschalteten LKA“ (es handelt sich um das LKA 3 – Wirtschaftskriminalität, Korruption, Umwelt-/Verbraucherdelikte, Polizeidelikte) liegt ein über 70-seitiges Dokument vor, in dem Timo F. ausführlich und so detailliert, wie es ihm möglich war, die Zustände in der JVA Tegel beschreibt. Zwischenzeitlich haben sich weitere Zeugen sowohl bei den Verteidigern, als auch beim LKA direkt gemeldet, die die von Timo F- formulierten Vorwürfe bestätigen.

Ich gehe davon aus, daß das LKA und die dortigen Beamten jedem Ermittlungsansatz nachgehen werden, um Licht in den dunklen Knastalltag zu bringen. Es ist schon einmal begrüßenswert, daß die Ermittlungen von einer Spezialabteilung für Korruptions- und Polizeidelikte geführt werden. Und wir gehen davon aus, daß das LKA – unabhängig von theoretisch denkbaren Einflußnahmeversuchen der Verwaltungsspitze – „seinen Job macht“. Und die Ermittler gehen davon aus, daß wir ihnen dabei auf die Finger schauen.

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Schikanen in der JVA Tegel?

Eine EILMELDUNG der Gefangenen-Gewerkschaft erreichte uns:

Schikanen in der JVA Tegel werden verschärft: Timo F. und Benny L. in der JVA Tegel 4 Wochen unter Verschluss

Timo F. und Benny L., die maßgeblich die „Klau-und-Schmuggel-Wirtschaft“ Bediensteter in der JVA Tegel über einen Beitrag im Reportage-Magazin „Frontal21“ öffentlich gemacht haben, sind seitens der JVA-Leitung mit einer so genannten Disziplinarstrafe belegt worden.

Als „Begründung“ wird angeführt, dass die beiden Protagonisten Videoaufnahmen, die im „Frontal21“-Beitrag gezeigt wurden, „unerlaubterweise“ gemacht hätten.

Die Disziplinarstrafe, die laut JVA-Leitung ab dem 27. September gilt, sieht u.a. Folgendes vor: die beiden Gefangenen werden mindestens vier Wochen unter Verschluss gehalten, d.h. sie haben lediglich anderthalb Stunden Aufschluss, die Beschäftigungsverhältnisse wurden storniert und die TV-Geräte eingezogen. Demnach handelt es sich um die drakonischste Variante der Disziplinarstrafe. Zudem wurde Timo F. unseren Informationen zufolge die Heranziehung seines Rechtsanwalts verwehrt.

Die Gefangenen-Gewerkschaft (GG/BO) (GG/BO) ruft die interessierte Öffentlichkeit dazu auf, die weiteren Drangsalierungen gegen Timo F. und Benny L. nicht widerspruchslos hinzunehmen. Es ist offensichtlich, dass es der JVA-Leitung nicht nur darum geht, vom anstaltsinternen Skandal des Schmuggels und der Hehlerei durch Bedienstete abzulenken, sondern die aktiven Gefangenen Timo F. und Benny regelrecht mundtot zu machen.

Dem Vorwurf, daß Timo F. der Zugang zu mir als einem seinem Verteidiger verwehrt wurde, wird nachgegangen.

Update 17:55 Uhr:

  • Die Eilmeldung wurde auf den aktuellen Stand gebracht.
  • Timo F. hatte zwischenzeitlich Kontakt zu seinem Verteidiger.
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Alle müssen raus. Oder?

731049_web_r_by_birgith_pixelio-deIch denke mal laut:

Von denjenigen, die für ein paar Jahre in den Knast mußten, kommen die wenigsten als bessere Menschen wieder raus.

Je länger jemand im Knast sitzen muß, desto größer ist die Aussicht darauf, daß er nach seiner Entlassung weitere Straftaten begeht.

Über 90 % aller Gefängnis-Insassen …

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Bild: © birgitH / pixelio.de

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