- Kanzlei Hoenig Info
- 1 & 1 Internet AG
- Allgemeines (Kanzlei)
- Arcor
- Behörden
- Berufsrecht der Rechtsanwälte
- Blick aus dem Fenster
- Blickpunkte
- Buchtip
- Cybercrime
- Der Baum vor dem Fenster
- Fahrerlaubnisrecht
- Gericht
- GEZ
- Hinweis!
- In eigener Sache
- Justiz
- Knast
- Kreuzberg
- Mandanten
- Medien
- Motorradrecht
- Nebenklage
- Neukölln
- Off Topic
- Ordnungswidrigkeiten
- Ordnungswidrigkeitenrecht
- Philosophisches
- Politisches
- Polizei
- Prozeßbericht (www.prozessbericht.de)
- Psychiatrie
- RA-Micro
- Ratgeber Strafrecht
- Rechtsanwälte
- Rechtsschutzversicherung
- Richter
- Rocker
- Staatsanwaltschaft
- Strafrecht
- Strafverteidiger
- Strafvollstreckung
- Telekom
- Troll-Award
- Unerwünschte Werbung
- Urlaub
- Verkehrs-Strafrecht
- Verkehrsunfall
- Verteidigung
- Vollmacht
- Vollstreckung
- Zeugen
- Zivilrecht
- Kanzlei-Wanne
- Motorradrecht
- Archiv
- Kommentar – Policy
Knast
Der rote Punkt an der Zellentür
In diesen Tagen berichten einige Printmedien über einen vormals hochkarätigen Untersuchungshäftling, der gut vier Wochen lang unter Schlafentzug litt. Ich habe einen Pressebericht über die sozialen Medien geschickt, mit der Anmerkung:
Auch ne Art der Folter.
Das Thema scheint es aber Wert zu sein, ein paar mehr Worte darüber zu verlieren.
Zunächst einmal:
Der 61 Jahre alte Gefangene wurde im November 2014 vom Landgericht Essen wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung wurde er noch im Gerichtssaal verhaftet. Sechs Monate, ein halbes Jahr lang ist er vorher zu jedem Hauptverhandlungstermin pünktlich und „freiwillig“ erschienen.
Eine solche Saalverhaftung ist etwas, das ein durchschnittlicher Strafverteidiger in seiner gesamten Karriere wohl nicht mehr als zwei- oder dreimal erlebt.
Das Landgericht unterstellte dem – nicht rechtskräftig – Verurteilten, er würde sich dem Verfahren durch Flucht entziehen, wenn man ihn rausließe.
Der Versuch der Verteidigung, den Haftbefehl gegen Stellung einer Sicherheitsleistung in Höhe von nahezu 900.000 Euro außer Vollzug setzen zu lassen, scheiterte im März d.J. am 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm. Das Risiko, daß der Häftling einem „bestehenden Fluchtanreiz“ nachgebe, sei größer, als daß er sich dem weiteren Strafverfahren stellen werde. An dieser Stelle sei noch angemerkt: Der verursachte Schaden, den der erstinstanzlich Verurteilte angerichtet haben soll, habe rund 500.000 Euro betragen.
Nun gut, wir kennen die Akten nicht. Aber so richtig schön hört sich das alles erst einmal nicht an. Die entscheidenden Richter und beantragenden Staatsanwälte werden sicherlich ihre Gründe haben. Und hoffentlich keine sachfremden.
Jetzt aber:
Die Fallhöhe war beträchtlich. Vor Beginn des Verfahrens war der Mann – zumindest aus der Distanz betrachtet – sehr weit entfernt von seiner aktuellen Lage. Wie es jetzt im Inneren dieses Menschen aussieht, kann sich ein Außenstehender nur schwer vorstellen; selbst mir, dem den Umgang mit inhaftierten Schlipsträgern nicht fremd ist, fällt es schwer nachzuvollziehen, was in dem Essener Häftling vorgeht.
Der Essener Gefängnisdirektor hat da wohl bessere Erfahrungen. Er wird von den Medien zitiert:
„Wenn jemand alles zu verlieren droht, ist das der typische Fall eines Bilanz-Selbstmordes.“
Da isses, das böse Wort: Selbstmordgefahr. Der Supergau. Nicht aus Sicht des Gefangenen, neinein. Sondern aus Sicht der Gefängnisleitung! Denn wenn sich die Suizidgefahr realisieren sollte, müßte der Herr Direktor ganz massive Beeinträchtigungen seine Karriere betreffend hinnehmen.
Deswegen klebt er – in dubio pro rubrum dot – einen roten Punkt an die Tür der Zelle, in der sich der Gefangene 23 Stunden täglich aufhalten muß.
Ich kenne die Verhältnisse in der JVA Essen nicht. Für die Untersuchungshaftanstalt Moabit in Berlin hat die Journalistin Katja Füchsel im Tagesspiegel die Folgen des roten Punkts so formuliert:
Ein Teil dieses Überwachungssystems ist der rote Punkt. Das Signal auf der Zellentür zeigt den wachhabenden Justizvollzugsbeamten die Risikofälle an, bei denen sie stündlich eine so genannte „Lebendkontrolle“ vorzunehmen haben. Rund 200 Türen der JVA Moabit sind mit einem roten Punkt versehen. In den Zellen brennt außerdem während der ganzen Nacht das Licht.
Dem Essener Herrn Direktor – hoffentlich im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem Anstaltsarzt – reichte die Stunde aber nicht: Der Gefangene soll während seiner Untersuchungshaft mehr als 28 Tage lang alle 15 Minuten einer solchen Lebendkontrolle unterzogen worden sein: Und zwar rund um die Uhr, tags und nachts. Da versuche man mal, ein Auge zu zu kriegen!
Und nun?
Es ist und bleibt eine ganz schwierige Abwägung. Selbstverständlich ist es geboten, einen verzweifelten Untersuchungsgefangenen davon abzuhalten, sich das Leben zu nehmen. Aber ihn dabei in den Tod (zumindest aber in die Krankheit) zu treiben, indem man ihm den Schlaf „raubt“? Stehen der JVA keine anderen Möglichkeiten der Suizid-Vorbeugung zur Verfügung? Mir fallen da durchaus einige ein, die weniger einschneidend wirken: Unterbringung in Doppelzellen, sozialpsychiatrische Betreuung, Arbeit, Sport, Freigang, Besuch …
So, wie das – für Außenstehende wie mich – aussieht, scheint es aber nicht gewollt zu sein. Der Häftling ist laut Medienberichten aber offenbar kein Sympathieträger. Liegt es daran?
Ergänzendes Schwieriges
Wie verhält sich ein Verteidiger eigentlich, wenn er den Verdacht – oder auch nur die Vermutung – hat, sein inhaftierter Mandant ventiliert (ernsthaft?) den Gedanken, sich mit dem Bettuch am vergitterten Fenster aufzuhängen? Meldet er die Suizid-Gefahr den Wachtmeistern? Was ist, wenn er sich täuscht? Darf er das überhaupt (§ 203 StGB)? Macht er sich im Ernstfall „mitschuldig“, wenn er seine Befürchtung nicht mitteilt? Kann er die Verantwortung dafür tragen, daß alle 15 Minuten kontrolliert wird, ob sein Mandant noch atmet? Diese Fragen habe ich mir mehr als einmal stellen müssen – mit meinen Antworten habe ich bisher noch nicht daneben gelegen. Bisher.
…
Sage mir, wie ein Land mit seinen Gefangenen umgeht, und ich sage dir, wie es um den zivilisatorischen Fortschritt steht.
Quelle: Michel Foucault „Überwachen und Strafen“ (Sponsored Link)
__
Bild Zellentür: © Peter Reinäcker / pixelio.de
Zugangsdaten von KinoX.to gesucht
Die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden ermittelt. Zum einem immer noch gegen die Betreiber von kino.to. Aber auch das Nachfolge-Ermittlungsverfahren ist genauso noch nicht abgeschlossen, wie der Betrieb von
Der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden, Wolfgang Klein, bedauert:
Wir konnten es nicht abschalten, weil wir die Zugangscodes nicht haben.
Nicht abgeschlossen ist außerdem die Fahndung nach den beiden 22 und 25 Jahre alten Brüdern aus Lübeck, denen vorgeworfen wird, die Betreiber des Streaming-Portals Kinox.to zu sein. Die bisherigen Hinweise auf den Aufenthaltsort seien bisher „nicht zielführend“ gewesen, heißt es in einer Agenturmeldung.
Nun, die Ermittler haben ja auch noch reichlich Zeit. Die Straftaten, um die es hier geht, verjähren nach 5 Jahren (§ 78 III 4 StGB iVm. § 108a UrhG). Wegen des noch laufenden Betriebs könnte man hier auch auf den Gedanken kommen, daß die Frist noch gar nicht begonnen hat (§ 78a StGB). Aber die Strafverfolgungsbehörden werden ohnehin den § 78c StGB lesen und anwenden können; dann sind die beiden Jungs bereits in ihren Mittdreißigern, bevor sie sich wieder frei bewegen können.
Vielleicht wäre eine Selbststellung daher eine Alternative: Bei der Verurteilung zur Höchststrafe, die bei entsprechendem Coaching völlig entspannt und nur zu Zweidritteln abzusitzen wäre, könnte der jüngere der beiden seinen 26. Geburtstag ganz offiziell wieder in einem Dresdner oder Lübecker Club feiern.
Ehrlich eingemauert
Der Mandant ist jetzt (wieder) auf dem konkreten Weg der Besserung. Er litt zur Tatzeit an einer massiven psychiatrische Erkrankung. Deswegen war er schuldunfähig (§ 20 StGB). Und weil er gleichzeitig unter Beweis gestellt hat, imstande zu sein, eine vollbesetzte Neuköllner Eckkneipe binnen kürzester Zeit leer zu räumen, hat man ihn vor ein paar Jahren in ein Krankenhaus des Maßregelvollzug eingewiesen (§ 63 StGB).
Nach langer Zeit und einigen Irrungen und Wirrung steht nun seine Entlassung unter Bewährungsaufsicht an. Die Klinik ist der Ansicht, das würde nicht nur funktionieren, sondern auch, daß weitere Heilungserfolge innerhalb der Unterbringung nicht mehr zu erzielen seien.
Bemerkenswert offen beurteilt der Chefarzt den Zustand seiner Einrichtung, wie sie in der Regel von den Untergebrachten empfunden wird. Aus der an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts adressierte Stellungnahme des Arztes:
Intramural, also innerhalb der Mauern. Eine erfrischend ehrliche Umschreibung der Zustände in der forensischen Psychiatrie.
Anstaltsleiter in die Raucherzelle!
Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat ein Herz für Nichtraucher. Die Richter haben den raucherfreundlichen Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen vom 03.02.2014 exakt fünf Monate später am 03.07.2014 unter dem Aktenzeichen 1 Vollz (Ws) 135/14 abgeändert.
Inhaftierte Nichtraucher dürfen danach nicht (mehr) mit rauchenden Mitgefangenen in einer Gemeinschaftszelle untergebracht werden (wenn sie die fünf Monate überlebt haben ;-) ). Nur wenn sie passionierte Passivraucher sind und einer gemeinschaftlichen Unterbringung mit Rauchern ausdrücklich zustimmen, kann die Knastverwaltung sie in die Raucherzelle schließen.
Im vorliegenden Fall ging es um einen Strafgefangenen, der eine mehrjährige Haftstrafe in einer süddeutschen Justizvollzugsanstalt verbüßt. Er wurde zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins beim Amtsgericht Gelsenkirchen im September 2013 in die Justizvollzugsanstalt Essen überstellt. Dort wurde er vier Tage in einer Gemeinschaftszelle gesteckt, in der sich ein paar Quarzer die Lungen mit Nikotin vollpumpten.
Die Essener Richter wollten sich mit einem Taschenspielertrick aus der Affaire ziehen. Der Bayern-Knacki hatte beantragt, seine Unterbringung in einer Zelle mit den Nikotin-Junkies für rechtswidrig zu erklären. Die Strafvollstreckungskammer des LG Essen wies diesen Antrag zurück, da der Strafgefangene gegenüber der Justizvollzugsanstalt seinerzeit nicht beantragt habe, in einer Einzelzelle oder in einer rauchfreien Gemeinschaftszelle untergebracht zu werden.
So geht’s nicht, meinten die OLG Hammer. Das nordrhein-westfälische Nichtrauchergesetz verbiete das Rauchen in einem mit mehreren Personen belegten Haftraum, wenn eine der darin untergebrachten Personen Nichtraucher sei. Das sei von Amts wegen zu berücksichtigen, also auch ohne Antrag des Nichtrauchers. Wenn die JVA meint, Raucher mit Nichtrauchern gemeinsam wegschließen zu müssen, sei sie gehalten, vorher mal nachzufragen.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie manche Knastleitungen und Strafvollstreckungskammern mit einer Selbstverständlichkeit davon ausgehen, aus einem Knast ein Loch machen zu müssen, das zu Zeiten akzeptabel war, in denen man sich das Mittagessen noch mit der Keule besorgen mußte. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, daß erst über zwei Instanzen mühsame Klimmzüge gemacht werden müssen, um eine einigermaßen menschenrechtskonforme Unterbringung zu erstreiten.
Aus der Website der JVA Essen:
Es sind zahlreiche […] Hilfsangebote entwickelt worden, die allesamt dazu beitragen sollen, das es dem Gefangenen gelingt, […] künftig in sozialer Verantwortung ein Leben […] zu führen.
Vielleicht sollte man dem Anstaltsleiter auch mal so ein Hilfsangebot machen. Nötig hätte er es.
__
Bild: Giovanni Borea / pixelio.de
Schülerlotsen im Knast
Unser Mandant wurde rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. In Anbetracht der Ausgangserwartung der Staatsanwaltschaft von dicht an die neun Jahre zumindest ein geringer Teilerfolg. Damit muß der Mandant nun leben.
Er wurde „heimatnah“ in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) nach Westdeutschland verlegt. Einer der Mitverteidiger hat ihn dort kürzlich besucht. Er berichtete, daß sich unser Mandant zwischenzeitlich schon ganz gut eingerichtet und mit seiner Situation einigermaßen arrangiert habe. Dazu beigetragen hat ganz besonders, daß er einen Job bekommen hat, der ihn die meiste Zeit des Tages beschäftigt.
Ein weiterer Grund dafür, daß es ihm nicht allzu schlecht geht, ist auch der Vergleich mit den Mitgefangenen. Der Kollege berichtet:
Die meisten Häftlinge haben wohl ein „LL“ (Lebenslange Haft). Er gilt mit seinen fünfeinhalb Jahren als „Schülerlotse“.
Der Vergleich mit denjenigen, denen es schlechter geht als einem selbst, ist auch den Menschen zu empfehlen, die keine Freiheitsstrafe absitzen müssen, sondern sich über Arbeitsüberlastung, laute Musik oder schlechtes Wetter beschweren.
__
Bild: Martin Berk / pixelio.de
Eine rührende Knastpostkarte
Untersuchungshäftlinge haben viele Probleme. Eines der größten ist die Ungewissheit. Und zwar in zahlreichen und unterschiedliche Facetten. Eine Frage, die sich den Gefangenen immer wieder stellt, lautet: Habe ich den richtigen Verteidiger ausgewählt? Tut der denn auch wirklich alles Mögliche für mich?
Um dem Mandanten stets das Gefühl zu vermitteln, daß er sich zumindest deswegen keine Sorgen machen sollte, ist Kommunikation wichtig. Deswegen halte ich meine Knackis stets mit reichlich Verteidiger-Post auf dem Laufenden. Selbst scheinbar unbedeutende Gesprächs- und Aktennotizen schicke ich in Abschrift in den Knast. Denn jeder Brief bringt Abwechslung und zeigt, daß der Verteidiger am Ball bleibt.
Nun war ich zwei Wochen nicht in der Kanzlei, sondern zum Aufladen der eigenen Akkus mit dem akkulosen Fahrrad in den Bergen. Auch darüber hatte ich den Mandanten informiert. Mit einer Ansichtskarte, die Optimismus vermitteln sollte und vermittelt hat.
Darauf hat der Mandant nun reagieren wollen. Der springende Punkt aber war, daß in der Justizvollzugsanstalt keine Ansichtskarten erhältlich sind. Er wußte sich zu helfen und bastelte selbst eine:
So was geht echt runter wie Öl.
Reststrafenaussetzung nach Resozialisierung
Den Mandanten hat es erwischt. Erst bei der Tatbegehung, kurz danach in einer verlängerten Untersuchungshaft und dann noch bei der Urteilsverkündung. Insgesamt knapp 4 Jahre hat es gegeben. Spätestens da wußte er, daß er nicht auf einem Ponyhof unterwegs war.
Von diesen rund 4 Jahren hat er jetzt fast 3 abgesessen. Nun bekomme ich den Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts:
Ich habe dem Mandanten geraten, sich nicht mehr bei irgendwelchen Regelverstößen erwischen zu lassen. Seine knackige Erwiderung:
Keine Angst, ich bin jetzt resozialisiert.
Das hört man als Strafverteidiger ja nun mit einem lachenden und einem weinenden Auge. ;-)
Post aus dem Gaswerk
Der Mandant sitzt in der Untersuchungshaft. Und nutzt dort sein Recht, an mich als seinen Verteidiger Briefe zu schreiben, die nicht von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht kontrolliert werden. Die Post des Mandanten an alle anderen Empfänger liest im Ermittlungsverfahren der Staatsanwalt, später nach Anklageerhebung dann der Richter. Jedenfalls immer dann, wenn – meist gemeinsam mit dem Erlaß des Haftbefehls – solcherlei Einschränkungen vom Haft- bzw. Ermittlungsrichter nach § 119 StPO angeordnet wurden.
In der vergangenen Woche bekomme ich eine solche „Verteidigerpost“ von meinem Mandanten:
Irgend ein ganz komisches Gefühl stellte sich bei mir ein, als ich die Ortsangabe vor dem Datum gelesen habe. Diejenigen, die verantwortlich dafür sind, daß der Knast in einer Straße gebaut wurde, die einen solchen Namen trägt, scheinen über eine nur ganz eingeschränkte Sensibilität zu verfügen. Allein, daß die Bayern ein sonderbares Volk sind, kann der Grund dafür nicht nicht sein.
Ja, es ist mir bekannt, daß „ein Gaswerk eine Anlage zur Herstellung, Speicherung und Bereitstellung von technischen Gasen, insbesondere von solchen für Heiz- und Beleuchtungszwecke„, also eigentlich etwas ganz ziviles ist. Trotzdem: Die Verbindung zwischen einem Ort, an dem Gefangene in Zellen (oder Kammern?) untergebracht sind, und einem Gaswerk, ist beileibe keine glückliche.
Das eigene Knie
Elf Monate Untersuchungshaft mit anschließendem Freispruch. Das führt grundsätzlich zu einer Haftentschädigung in Höhe von 25 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung (§ 7 Abs. 3 StrEG). Das ist ohnehin nur ein unverschämtes Trinkgeld, das der Gesetzgeber dem zu Unrecht Weggesperrten vor die Füße wirft. Es gibt aber Fälle, da gibt es aber noch nicht einmal das.
Dem freigesprochenen Untersuchungshäftling Wilhelm Brause hatte man eine Brandstiftung vorgeworfen. Das Landgericht Aurich sprach ihn im ersten Durchgang schuldig und verurteilte ihn. Die Revision des Herrn Brause war erfolgreich, der BGH hob das Urteil auf. Im zweiten Durchgang kam es zum Freispruch. Die Zwischenzeit verbrachte Wilhelm im Knast.
Für diese Zeit habe er aber seinen Entschädigungsanspruch verwirkt, weil er im Ermittlungsverfahren als Zeuge gegenüber der Polizei falsche Angaben gemacht habe, meinte jetzt das OLG Oldenburg. Dadurch sei er in den Verdacht geraten, selbst der Täter zu sein.
Wilhelm Brause hatte nämlich der Polizei und dem Gebäudeversicherer erzählt, nur der Vermieter und er seien im Besitz eines Schlüssels für das Gebäude. Die (erste) Verurteilung fand ihre entscheidende Grundlage aber darin, daß nur Brause die Gelegenheit hatte, das Gebäude zu betreten und den Brand zu legen.
Brause habe aber gewußt, daß auch noch weitere Personen einen Schlüssel und damit Zugang zum Objekt und Gelegenheit zur Brandlegung gehabt hatten. Und genau aus diesem Grund wurde er im zweiten Verfahren freigesprochen und aus der Haft entlassen.
Kann es sein, daß hier der Ärger des Gerichts im Vordergrund steht ihn freisprechen zu müssen, obwohl er eigentlich verurteilt gehört? So nach dem Motto: „Wir wissen ganz genau, daß Du das warst. Wir können es Dir leider nur nicht beweisen. Und deswegen gibt es auch keine Entschädigung!“
Es kann aber auch ganz anders gewesen sein, und Brause wollte einfach mal gucken, wie es sich anfühlt, wenn man sich selbst ins eigene Knie schießt.
__
Bild: Joachim Frewert / pixelio.de
Brandschutz in der JVA
Der Leiter der süddeutschen Justizvollzugsanstalt hat mir das schlagende Argument selbst geliefert: Brandschutz!
Die Ermittlungsakten, die uns die Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt hat, wurden mal wieder in Umzugskartons geliefert. Zwei dicke Dinger, prall gefüllt mit Pappe und Papier. Nach entsprechender Behandlung konnten wir den Umfang reduzieren auf eine handelsübliche DVD. Der Paketdienst hat die Kisten dann wieder zurück zur Staatsanwaltschaft gekarrt.
Nun stellte sich die Frage: Wie bekommt der Mandant Einsicht in die Akten? Der übliche Online-Zugang auf unsere elektronischen Akten ist ihm leider nicht möglich. Einen Internetzugang im Knast haben nur die wenigsten Häftlinge (und dann meist auch nicht legal).
Einen Computer wollte JVA-Leitung dem Mandanten aber zunächst auch nicht zur Verfügung stellen. So ein Teufelszeug in einer Untersuchungshaftanstalt … das geht ja nun mal überhaupt nicht!
Also habe ich vorgeschlagen, ich drucke unsere DVD aus, packe das Papier in Kartons (siehe oben) und beauftrage einen Paketdienst …
Aber das gehe ja auch nicht, meinte der Chef vom Knast. Zumal ich darauf bestand, daß die JVA für die Datensicherheit verantwortlich sei, wenn der Mandant – aus welchen Gründen auch immer – daran gehindert ist, auf das Papier und die Inhalte aufzupassen. Ich dachte da an einen zusätzlichen, abschließbaren Raum, der für die Ordner zur Verfügung gestellt werden sollte.
Entscheidend für den Oberaufseher war aber nicht das Platzproblem, sondern der Brandschutz. Und da unsere Kanzlei nicht über feuerfestes Papier verfügt, haben wir uns darauf einigen können: Ich schicke dem Mandanten eine DVD mit den Akten und die Justizvollzugsanstalt stellt ihm einen Laptop zur Verfügung.
Na bitte, geht doch.
Bild: M.E. / pixelio.de