Medien

Vorsicht Journalist

Nachdem bereits eine ganze Menge über das Buch des Journalisten geschrieben wurde – und nicht viel Gutes – wollte ich mich dann doch mal selbst davon überzeugen, was der gescheiterte ehemalige Jurist Joachim Wagner über meinen Beruf geschrieben hat.

Wagner- Vorsicht Rechtsanwalt
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Hätte ich allerdings geahnt, daß das Buch eine einzige Bleiwüste mit über 300 Seiten in einer (gefühlten) 2,5 Punkt kleinen Schrift darstellt …

Wagner- Vorsicht Rechtsanwalt-Schriftbild

… hätte ich meinen Jahresurlaub sicher anders geplant.

Ich frage mich, wie die Rezensoren so ein Werk binnen ein, zwei Tagen nach Veröffentlichung soweit durcharbeiten konnten, um darüber schreiben zu können. Aber ich bin ja eben nur einer dieser riskanten Strafverteidiger, kein Rezensent und kein Full-Time-Journalist; deswegen wird es auch etwas dauern, bis ich meinen Sermon zu dem Buch abgeben werde.

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Mal wieder im Focus

Nachdem es unsere Kanzlei im vergangenen Jahr bereits unter die

TOP 120 allgemein, TOP 20 im Strafrecht und TOP 5 Strafrecht im Osten

geschafft hat, wie mir der Plauener Strafverteidiger Herbert Posner seinerzeit mitteilte, bahnt sich für dieses Jahr vielleicht eine Wiederholung an.

Soeben aus der Post gefischt:

ImFocus

Es scheint also nicht alles falsch zu sein, was ich hier im vergangenen Jahr gemacht habe. 8-)

Ich bin gespannt auf das Focus-Spezial am 16. September 2014 …

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Alte Züchterweisheit

423387_web_R_B_by_Irene Lehmann_pixelio.deIn einer Agenturmeldung wird berichtet, daß Redaktionen sogenannter Boulevard-„Zeitungen“ den Eingang einer Geldentschädigungsklage bestätigt hätten. Die Straßenjungs reklamieren hämisch die Klageerhebung nur zwei Tage, bevor wesentliche Teile des Anspruchs verjährt wären und mehr als zweieinhalb Jahre nach dem Gegenstand der Berichterstattung, wegen der sie den Schadensersatz leisten sollen.

Ich kenne mich zwar mit diesem Zivilrecht nicht so genau aus. Aber dort wie im Strafrecht gilt derselbe Grundsatz: Fristen sind dafür da, daß sie (aus-)genutzt werden.

Und daß der Kläger in diesem Fall die Verjährungsfrist dazu genutzt hat, um eine Menge Punkte (meint: reichlich rechtskräftige Entscheidungen zu Persönlichkeits-Rechtsverletzungen) zu sammeln, die er dann bei der Journaille gegen Bares eintauschen wird, davon bin ich überzeugt.

Alte Züchter sehen der Entwicklung auch mit Gelassenheit entgegen: Am Ende werden die Schweine fett.

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Bild: Irene Lehmann / pixelio.de

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Pressefreiheit auf Türkisch

Kann das hier mal jemand in die türkische Sprache übersetzen und dann an die Herren Recep Tayyip Erdogan und Yigit Bulut schicken.

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Die beiden Herren scheinen sich mit den Grundwerten eines Rechtsstaats noch nicht so richtig auszukennen und könnten ein wenig Nachhilfe gebrauchen, wie man heute in der ZEIT nachlesen kann.

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Hartnäckig für einen Caffè und Cantuccini

Seit ein paar Wochen läuft eine Frau hinter mir her. Jetzt aber nicht deswegen, was Sie jetzt schon wieder denken. Nein, diesmal keine Ferkelei. Obwohl, vielleicht doch?

Die Frau ist (oder war) Boxerin. Und jetzt schreibt sie ein Buch. Also die besten Voraussetzungen, um irgendwann mal eine kompetente Journalistin zu werden.

Und weil man als Journalistin Stoff braucht, sucht man frau sich einen Strafverteidiger. Also einen von denen, die eigentlich immer was zu erzählen haben.

Aber sie wollte nicht irgendwas, sondern nur das Eine, also was ganz Bestimmtes.

Ich hatte vor einigen Jahren einen Mandanten, der monatlich am Ersten sein Gehalt aufs Konto bekam und trotzdem zu den Unbequemen in der Firma gehörte. Nun, ja. Er hatte auch noch ein Hobby, das mit seinem Beruf eher wenig kompatibel war. Deswegen hat man ihn geärgert. Mehrmals sogar. Diese Ärgernisse endeten aber alle mit Einstellungen des Verfahrens, in einem Fall nach echt zähem Kampf mit einem Freispruch.

Das war der Stoff, der sich für die Boxerin spannend anhörte. Sie schrieb mir eine eMail und teilte mir mit, daß sie sich mit mir treffen will werde. Dazu hatte sie bereits einen Besprechungstermin erschlichen über meine Assistentin mit mir vereinbart.

800px-Biscotti_di_PratoIch mußte schon tief in meine Kiste von nachhaltigen Argumenten greifen, um ihr verständlich zu machen, daß ich als Strafverteidiger nicht einfach mal so bei Caffè und Cantuccini über meine Mandate und Mandanten plaudern kann, darf und möchte.

Boxende Journalistinnen lassen da nicht so einfach locker. Zumal wenn der Schwerpunkt eher auf Boxen liegt, als auf einer sauberen Recherche über Schweigepflichten, Vertrauensverhältnisse und Zuverlässigkeiten eines Strafverteidigers.

Sie ging ihren Weg geradlinig weiter. Ein paar Wochen danach meldete sich eben jener freigesprochene Mandant und teilte mir mit, daß „die Andrea“[*] eine gaaanz Nette sei und sie mich demnächst besuchen werde, damit ich ihr alles erzählen könne.

Mit „Alles“ meinte der Mandant das, was sich in dem dreijährigen Verfahren ereignet hatte.

Es dauerte noch ein wenig, dann meldete sich die nette „Andrea“ wieder hier:

Sehr geehrter Herr Hoenig,
inzwischen habe ich mit Herrn und Frau Bullmann[*] gesprochen. Sie haben mir gesagt, dass sie Ihnen das ok gegeben hätten zu einem Gespräch mit mir. Haben Sie Zeit und Lust auf einen Kaffee?

Solche Anträge bekomme ich ja nun nicht zum ersten Mal. Aber diesmal habe ich mir endlich mal die Zeit genommen, über die Zeit zu schreiben, die mir solche Zeitdiebe nehmen, damit ich mich am Ende nicht mehr mit den wesentlichen Dingen des Lebens (s.u.) beschäftigen kann.

Aber jetzt! Ich verabschiede mich nun mit dem Hinweis auf einen kleinen Beitrag über mein Leben und setze mich in einen freundlichen Biergarten … italienische Heißgetränke gibt es erst morgen früh wieder. Und die trinke ich gemeinsam mit einem noch viiiel netteren Menschen.

Schönes Wochenende!

[*] der richtige Name ist der Redaktion bekannt ;-)

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Begründeter Stress für den Oberstaatsanwalt

Ich hatte in der vergangenen Woche bereits über den Verdacht berichtet, daß im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen den Rapper Bushido die Politik auf die Strafverfolgung Einfluß genommen haben könnte. Bushido war vorgeworden worden, den Regierenden Bürgermeister Wowereit beleidigt zu haben. Die Frage der Erhebung bzw. Zulassung der Anklage könnte unter Umständen nicht im Kriminalgericht beanwortet worden sein, sondern in der Senatskanzlei des gestressten Bürgermeisters.

Das Gossenblatt Berlins berichtete am Sonntag darüber, daß an der Sache etwas Ernsthaftes dran sein könnte: Es sei ein Brief aufgetaucht, in dem Oberstaatsanwalt Dr. Behm von einem rangniederen Staatsanwalt belastet wird. Behm, sein Vorgesetzter, habe „massiv auf die Bearbeitung eingewirkt, um sein Ansehen wenigstens bei Herrn Wowereit aufzupolieren„. Der OStA habe anschließend gelogen, schreibt der Mitarbeiter der zuständigen Abteilung bei der Staatsanwaltschaft, die den Bushido-Fall bearbeitet hatte.

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. veröffentlichte am 31.03.2014 dazu die nachfolgend vollständig zitierte Pressemitteilung:

In den letzten Tagen ist in der Berliner Presse wiederholt über das Verhalten des Leitenden Oberstaatsanwalts Dr. Andreas Behm im Zusammenhang mit der Anklage gegen den Rapper Bushido wegen dessen Song „Stress ohne Grund“ berichtet worden. Das gegen Bushido eingeleitete Strafverfahren, welches unter anderem auf eine Anzeige des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit zurückging, war durch die zuständige Abteilung des Amtsgerichts nicht zur Hauptverhandlung zugelassen worden. Die gegen diese Nichteröffnungsentscheidung gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft hatte das Landgericht verworfen.

Nachdem der Verteidiger des Angeschuldigten im Beschwerdeverfahren wiederholt darauf gedrängt hatte, die Akte insoweit zu vervollständigen, als darin u. a. auch vermerkt sein sollte, ob es im Vorfeld der Anklage oder sonst Kontakte zwischen dem Anwalt des Regierenden Bürgermeisters und der Staatsanwaltschaft gegeben habe, hatte das Landgericht Berlin die Staatsanwaltschaft hierzu offiziell zur Stellungnahme in einer so genannten dienstlichen Erklärung aufgefordert. In dieser dienstlichen Erklärung teilte die Staatsanwaltschaft dann mit, es habe „im Vorfeld des Verfahrens oder außerhalb des Inhalts der Akten“ in keiner Form Kontakt zum Anwalt des Regierenden Bürgermeisters gegeben. Der Leitende Oberstaatsanwalt Dr. Andreas Behm soll sich dieser Erklärung offiziell angeschlossen haben, indem er handschriftlich auf dieser Erklärung vermerkt hatte „Dasselbe gilt auch für mich“.

In verschiedenen Presseartikeln der letzten Tage wird nun berichtet, dass es solche Kontakte sehr wohl gegeben habe. Konkret soll sich der Anwalt des Regierenden Bürgermeisters im Vorfeld der Anzeigenerstattung beim Leitenden Oberstaatsanwalt Dr. Behm gemeldet und ihn über den der später erstatteten Strafanzeige zugrunde liegenden Sachverhalt informiert haben.

Damit konfrontiert soll der Leitende Oberstaatsanwalt erklärt haben, dieses Gespräch zwischen ihm und dem Anwalt des Regierenden Bürgermeisters sei „aufgrund seiner inhaltlichen Bedeutungslosigkeit“ nicht in seiner Erklärung gegenüber dem Landgericht erwähnt worden.

Nun berichtet die BZ in ihrer gestrigen Sonntagsausgabe von einem ihr zugegangenen anonymen Brief eines Mitarbeiters aus der für die Anklage gegen Bushido zuständigen Abteilung der Staatsanwaltschaft. Danach soll Oberstaatsanwalt Dr. Behm in dem Gespräch mit dem Anwalt des Regierenden Bürgermeisters diesem „bestätigt haben, welche Straftatbestände er für gegeben hält“. Darüber hinaus soll Dr. Behm einen ersten Vermerk der Staatsanwaltschaft, der zu dem Ergebnis weitestgehender Straflosigkeit kam, negiert und gegenüber den zuständigen Staatsanwälten auf Anklageerhebung gedrungen haben.

Sollten die Informationen aus der Presse zutreffend sein, so hätte der Leitende Oberstaatsanwalt Dr. Behm gezielt Einfluss auf ein laufendes Ermittlungsverfahren genommen. Dies widerspräche der gesetzlich normierten Objektivität der Anklagebehörde. Darüber hinaus hätte der Leitende Oberstaatsanwalt Dr. Behm in einem laufenden gerichtlichen Verfahren eine ersichtlich unwahre dienstliche Erklärung abgegeben. Damit hätte der Leitende Oberstaatsanwalt nicht nur gegen seine dienstrechtliche Wahrheitspflicht verstoßen, sondern auch einem der wichtigsten Behördenprinzipien – dem der Transparenz – zuwider gehandelt.

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger fordert deshalb die umfassende Aufklärung des Sachverhalts. Sollten sich die in der Presse gegen den Leitenden Oberstaatsanwalt erhobenen Vorwürfe nicht als haltlos erweisen, hätte er das Vertrauen der Mitglieder der Vereinigung Berliner Strafverteidiger verloren.

Rechtsanwalt Dr. Toralf Nöding
für den Vorstand

In dem Songtext „Stress Ohne Grund“ heißt es:

Jeden Tag im Fadenkreuz, ich zeig dir wie der Hase läuft.

Es wird nicht überliefert, ob Bushido damit den Bürgermeister oder den Oberstaatsanwalt zitiert hat.

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Enttäuschter Journalist, enttäuschter Leser

In einer Diskussion über den Inhalt eines Beitrags der Strafakte zum Komplex Teldafax, wird eine altbekannte Enttäuschung offenbar, die strafprozessualen Laien nicht selten widerfährt.

Es geht um die oft verächtlich als „Budenzauber“ bezeichnete Anträge der Verteidigung zu Beginn eines Mammutverfahrens. Wenn so ein Antrag dann einmal – aus Sicht des Antragstellers – erfolgreich ist, sind

Handelsblatt-Redakteure, die seit 2010 in die­sem Fall re­cher­chie­ren,

selbstredend enttäuscht, weil der große show down vor dem Strafrichter, dem sie entgegen gefiebert haben, erst einmal verschoben wird.

Was war passiert?

Der Strafprozess gegen ehemalige Topmanager des insolventen Billigstromanbieters Teldafax muss neu aufgerollt werden. Die Richter der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer 7a am Bonner Landgericht gaben am Freitag den Besetzungsrügen der Verteidiger statt und setzten das Verfahren schon am zweiten Verhandlungstag aus.

berichtete das Handelsblatt. Diesen Bericht begleitete der der Twitterer und Handelsblattredakteur Sönke Iwersen mit einem Kurzkommentar:

Besetzungsrüge00

Vier lange Jahre mit harter Arbeit führten angesichts dieses Bremsmanövers zu langen Gesichtern in der Handelsblattredaktion (der offenbar der Hype um eine ehemaligen Inkasso-Anwalts nicht unbekannt zu sein scheint. ;-)).

Nun folgt das, was angesichts der gewohnten Qualität des Handelsblatts für den kundigen Leser enttäuschend ist:

Besetzungsrüge02

Herr Iwersen unterliegt einem klassischen Irrtum: Strafverteidiger haben nicht die Aufgabe zu verhindern, daß die von Journalisten ermittelte „Schuld“ ans Licht kommt. Wir Advokaten müssen ganz besonders gut aufpassen, daß Ermittlungen und Verfahren, die einem Urteil vorangehen, den Regeln entsprechen, die konstitutiv für unseren Rechtsstaat sind. Ich rede jetzt nicht von der Pressefreiheit, sondern von einem rechtsstaatlichen Strafverfahren.

Schlechthin konstituierend für einen fairen Strafprozeß ist die richtige Besetzung des Gerichts. Nicht ohne Grund steht ganz oben auf dem Treppchen der absoluten Revisionsgründe die „nicht vorschriftsmäßige Besetzung“ des Gerichts, § 338 Ziffer 1 StPO.

Diese Verfahrensvorschrift hat ihren Anker im Art. 101 Abs. 1 GG, der vor knapp 65 Jahren im allerersten Band des Bundesgesetzblatts auf der allerersten Seite (BGBl. I S. 1) veröffentlicht wurde.

Besetzungsrüge03Die Autoren, die diesen sehr übersichtlichen Absatz in unsere Verfassung formuliert haben, waren nachhaltig beeindruckt von den 12 Jahren, die das Tausendjährige Reich bestanden hat (zur gefälligen Lektüre – lesen bitte! – über die Rolle der Justiz im 3. Reich sei der Artikel von Richard Schmid in der ZEIT aus dem Jahr 1965 empfohlen).

Wer sich auch nur am Rande mit der Rolle der Justiz in den Jahren 1933 bis 1945 beschäftigt hat, wer auch nur ahnt, welchem Einfluß und Druck die Richter in der damaligen Zeit ausgesetzt waren und wer auch nur teilweise die Konsequenzen erinnert, die aus dieser Willkür entstanden sind, muß sich im Klaren sein: Zu einer unabhängigen Justiz gehören unabhängige Strafverteidiger, die zumindest darauf aufmerksam machen können, wenn mit der Justiz mal wieder was schiefläuft (ob sie es am bösen Ende wieder gerade rücken können, steht wiederum auf einem anderen Blatt).

Ich erinnere an dieser Stelle nur ganz oberflächlich an den Volksgerichtshof, an die Sondergerichte, an die „Standgerichte der inneren Front“, an die Nacht und Nebel-Justiz, an die Militärgerichte … und und und.

Vielleicht wird vor diesem Hintergrund deutlich, warum bei einem entsprechend sensibilisierten oder auch nur sonst erfahrenen Strafverteidiger eine gelbe Lampe angeht, wenn er den Geschäftsplan vom Landgericht Bonn studiert und dort von der Einrichtung einer Hilfsstrafkammer erfährt, vor der „sein“ Prozeß stattfinden soll. Es gehört zur Pflicht eines gewissenhaft und verantwortungsvoll arbeitenden Strafverteidigers, in jedem Fall die korrekte Besetzung des Gerichts zu prüfen. Und wenn er auch nur den leisesten Zweifel hat, muß er ihn artikulieren.

Es hat wilde Zeiten gegeben, in denen Innenminister Strafverteidiger das damalige (liberale) Prozeßrecht sehr extensiv genutzt haben, um ihre Mandanten zu verteidigen. Damit war der Gesetzgeber nicht einverstanden, deswegen hat er – insbesondere vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit den Strafprozessen gegen die Rote Armee Fraktion – einige Beschränkungen in das aktuelle (restriktive) Prozeßrecht eingeführt.

Solche Beschränkungen bzw. Ergänzungen erkennt man leicht an den „Buchstabenparagraphen“, wie beispielsweise der § 222b StPO einer ist.

Ist die Besetzung des Gerichts […] mitgeteilt worden, so kann der Einwand, daß das Gericht vorschriftswidrig besetzt sei, nur bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache in der Hauptverhandlung geltend gemacht werden.

… heißt es. Es soll u.a. verhindert werden, daß Verteidiger die Fehlbesetzung erkennen, aber erst einmal schweigen, um nach 150 Hauptverhandlungsterminen und Urteilsverkündung dann in der Revision die Besetzungsrüge zu erheben. Wir erinnern uns: Die nicht vorschriftsmäßig Besetzung eines Gerichts führt zwingend zur Aufhebung des Urteils, § 338 StPO.

Das sind also die Hintergründe für die Besetzungsrüge zu Beginn eines Verfahrens. Einem Verteidiger zu unterstellen, er wolle damit das Verfahren verzögern, die Verurteilung eines „extrem schuldigen“ (eieiei!) Angeklagten verhindern und die Ermittlungsarbeit engagierter Journalisten zunichte zu machen, zeugt nicht gerade von einem aufgeklärten Verhältnis zum rechtsstaatlichen Strafverfahren.

Recht ist nicht, was dem Volke nützt!

BTW:
Das sehr diffizile Problem mit der Unschuldsvermutung und die Zusammenhänge mit den Erfahrungen aus dem 3. Reich erkläre ich Herrn Iwersen gern mal bei einem Caffè in unserer Kanzlei.

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Bild: Wikimedia

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Moral ist wichtig. Muß man doppelt haben.

Wer über lange Jahre hinweg den ultimativen Moralapostel (m/w) gegeben hat, für den (m/w) sind die Konsequenzen besonders heftig, wenn man ihm (m/w) in eigener Sache unmoralisches Verhalten nachweisen kann. Ja, ich schreibe über Frau Alice Schwarzer (m/w).

Die in Ehren (das meine ich ernst!) alt gewordene Journalistin hat sich in meinen Augen spätestens seit dem Strafverfahren gegen Herrn Kachelmann als ernst zu nehmende Journalistin disqualifiziert. Mit ihrem erbärmlichen „Versuch“ (oder sollte ich Wahndelikt schreiben?), sich als Gerichtsreporterin bei der BILD einen Namen zu machen, hat Frau Schwarzer eindrucksvoll belegt, daß Altwerden nicht in jedem Fall etwas mit zunehmender Weisheit zu tun hat.

Aber es ist ihr zumindest hervorragend gelungen, im Sumpf des Boulevard nicht aufzufallen; sie hat das dortige Niveau gehalten (wenn’s hoch kommt): Das, was sie über den Strafprozeß geschrieben hat, zeigt, sie hat vom Strafrecht ebenso viel Ahnung, wie das Nachtschattengewächs aus dem Inkareich, an das ich in Form des Sejerlänner Riewekooche gute Erinnerungen habe. Auf dieser intellektuellen Höhe vermarktet sie sich und Ihre Straftaten nun selbst.

Frau Schwarzer ist bei einer 30 Jahre andauernden Steuerhinterziehung erwischt worden. Nun aber nicht so, wie sie es gern gehabt hätte. Und darüber jault sie auf:

Ja, ich hatte ein Konto in der Schweiz. Seit Jahrzehnten, genauer: seit den 1980er Jahren. Und erst im vergangenen Jahr habe ich es bei meinem Finanzamt angezeigt.

Frau Schwarzer nutzt einen Begriff aus der Abgabenordnung: Anzeige, Selbstanzeige nach § 371 AO:

Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 AO bestraft.

Ein Unikum im deutschen Straf(prozeß)recht.

Sie schreibt weiter:

Inzwischen ist alles legal.

Denn sie habe

unaufgefordert die Initiative ergriffen […], ihr Konto in der Schweiz zu legalisieren

Alles sei wieder gut: Sie habe …

den Fehler wieder gutgemacht. [Sie] habe für die letzten zehn Jahre gesamt rund 200.000 € Steuern nachgezahlt, plus Säumniszinsen. Der Fall ist damit auch aus Sicht der Steuerbehörde bereinigt.

Alles gut? Nein, das ist genauso dummes Zeug, was sie da schwätzt, wie das in der Bildzeitung zum Fall des Herrn Kachelmann.

Unaufgefordert?
Von wegen, Sie hatte einfach Schiss, daß ihr Name auf einem dieser geklauten und gehehlten Datenträger aus der Schweiz auftaucht. Feigheit und fehlende Eier waren die Motive für diese Selbstanzeige. Das ist nur durch die juristische Brille „Freiwilligkeit“, Moral sieht anders aus.

Kaltes Kalkül!
Dieser § 371 AO ist der in eine Rechtsnorm gegossene Ausdruck der Verlogenheit. Der Rücktritt vom vollendeten Delikt gegen Geldzahlung führt im Steuerrecht zur Straflosigkeit. Das ist so, als würde der Schläger nach seiner Tat zum Opfer sagen: „Och, das tut mir jetzt aber Leid!“, ihm 50 Euro für die zahnärztliche Versorgung zwischen die nicht mehr vorhandenen Zähne stecken und deswegen nicht mehr bestraft würde (denken Sie das Beispiel mal mit einer Sexualstraftat durch!). Von dieser Regelung hat Frau Schwarzer Gebrauch gemacht. Das ist keine Sternstunde einer vollendeten Moral.

Alles wieder legal?
Legal bedeutet in diesem Zusammenhang, daß die Straftat nicht bestraft werden kann, und keine Steuerschulden mehr offen sind. Und wie sieht das aus mit der Moral? Frau Schwarzer hat für 10 Jahre nachgezahlt. Und was ist mit den anderen, davor liegenden 20 Jahren? Yup, wegen der Straftaten in dieser Zeit kann Frau Schwarzer nicht bestraft werden. Sie muß auch nichts von den 20 Jahre lang hinterzogenen Steuern nachzahlen. Über diese Zeit ist Gras gewachsen. Das Gras der Verjährung. Eine Wiese, auf der das Unmoralkraut meterhoch steht.

Diese unmoralische Person schwingt sich nun auf, und reklamiert die Verletzung ihrer Persönlichkeit und den Mord ihres Rufes. Weil die Medien, der Spiegel, aufgedeckt haben, daß die Moral-Ansprüche, die Frau Schwarzer an andere hat, für sie selbst keine Geltung haben. Sie beweint die Verletzung des Steuergeheimnisses durch die Journalisten des Spiegel.

Das Steuergeheimnis hat der Gesetzgeber aber nicht dazu installiert, um eine Person, die sich mit Macht in das Licht der Öffentlichkeit gedrängt hat, um ihr Moral zu lehren, dann vor eben genau dieser Öffentlichkeit zu schützen, wenn sie als nicht mehr bestrafbare Straftäterin unterwegs war.

Der Fall ist damit auch aus Sicht der Steuerbehörde bereinigt.

… möchte Frau Schwarzer uns nun glauben machen. Ist er nicht!

Ich kann nicht einschätzen, ob sie (wieder einmal?) gelogen hat oder ob sie – als Bildzeitungsreporterin – einfach nur keine Ahnung hat von dem, was sie da schreibt.

Anders als von der Journalistin Alice Schwarzer in der vergangenen Woche behauptet, ist ihr Verfahren auch nach einer Selbstanzeige und Steuernachzahlung nicht beendet. Die Finanzbehörden prüfen derzeit noch, ob Schwarzers Selbstanzeige vollständig ist und sie damit vor Strafverfolgung bewahrt.

lese ich im Spiegel.

Die Frage, ob für die Steuerhinterzieherin die strafbefreiende Wirkung ihrer Selbstanzeige eintritt, ist noch unbeantwortet. Das ist auch nachvollziehbar. Denn wenn sie erst gegen Jahresende die Hosen runterlassen hat, dann ist nicht damit zur rechnen, daß binnen weniger Wochen das gegen sie eingeleitete Strafverfahren wieder beendet wurde.

Merkwürdig ist, daß Frau Schwarzer die Legalisierung ihrer eingeräumten Straftaten noch nicht bestätigt bekommen hat. Für meine Mandanten und mich ist eine Selbstanzeige erst dann „erfolgreich“, wenn wir eine entsprechende Mitteilung von der Straf- und Bußgeldstelle erhalten haben. Vorher halten wir uns bedeckt und tönen nicht rum, weil das ansonsten auch die sensiblen Gemüter der Finanzverwaltung wecken könnten.

Was kann man sonst noch zu dieser alten Dame des Feminismus sagen? Das schreibt RiBGH Thomas Fischer, eher wenig zurückhaltend, dafür in der gebotenen Deutlichkeit, in der Zeit – unbedingt lesen!

Nicht Nachsinnen über das Unrecht treibt die Menschen an, ihre geheimen Konten von ganzem Herzen zu bedauern, sondern die pure Furcht vor dem Erwischtwerden. So funktioniert Strafrecht.

Schönes Schlußwort von Herrn Dr. Fischer.

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Presseerklärung zur Strafverteidigung in der Türkei

Ich gebe hier die gemeinsame Pressemitteilung vom 26.12.2013 der

wieder.

Strafverteidigung wird in der Türkei weiter kriminalisiert

Am 24.12.2013 hat in Silivri bei Istanbul das sogenannte ÇHD-Verfahren gegen 22 Anwältinnen und Anwälte begonnen. Es handelt sich neben dem sogenannten KCK Anwält_innenprozess mit 46 Angeklagten und dem Prozess gegen 10 Vorstandsmitglieder der Istanbuler Anwaltskammer um den dritten Massenprozess gegen Anwält_innen in Istanbul. Die Anwält_innen sind alle Mitglieder der Zeitgenössischen Juristenvereinigung (ÇHD), einer Mitgliedsorganisation der EJDM, einer europäischen Juristenvereinigung, die sich für Menschenrechte einsetzt.

Aus Deutschland waren Vertreter_innen der EJDM, des RAV und der VDJ anwesend, die das Verfahren als Teil einer internationalen Delegation von Berufsverbänden u.a. aus Italien, Belgien, den Niederlanden, Spanien, Frankreich, Österreich und der Schweiz beobachteten. Die Angeklagten waren an der Strafverteidigung von angeblichen DHKP-C Mitgliedern beteiligt, einer Organisation, die als Terrororganisation eingestuft wird. Ihnen wird Mitgliedschaft bzw. Leitung dieser Organisation vorgeworfen. 9 von ihnen befinden sich seit dem 18. Januar 2013 in Untersuchungshaft.

Am ersten Verhandlungstag waren ca. 500 türkische Rechtsanwält_innen anwesend, die gemeinsam aus Solidarität die Verteidigung aller Angeklagten übernommen haben. Darunter befanden sich u.a. der Präsident des Dachverbandes der türkischen Anwaltskammern sowie mehrere Kammerpräsidenten. Weitere Kammervorsitzende haben als Beobachter
teilgenommen.

Die türkische Anwaltschaft bringt damit ihren Widerstand gegen den Angriff auf ihre Unabhängigkeit zum Ausdruck.

Die Anklagevorwürfe beziehen sich in weiten Teilen auf die rechtsanwaltliche Tätigkeit der Angeklagten. So wird Ihnen beispielsweise vorgeworfen, dass sie ihren Mandant_innen geraten haben, ihr verfassungsmäßiges Recht zu schweigen wahrzunehmen. Die gemeinsame Annahme und Bearbeitung von Mandaten wird als Beleg für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation bewertet. Dem ÇHD Vorsitzenden Selçuk Kozagaçli wird angelastet, er habe den Vorsitzenden der DHKP-C trotz Kenntnis von dessen Funktion verteidigt.

Nach der auszugsweisen und damit wertenden Verlesung der Anklageschrift durch das Gericht gaben die Angeklagten eine Stellungnahme ab.

In seiner sechsstündigen Verteidigungsrede trug Selçuk Koza?açl? u.a. vor, dass ihm die Teilnahme an Beerdigungen von Mandanten als Ausdruck der Mitgliedschaft in der DHKP-C zum Vorwurf gemacht wurde. Immer wieder betonte er, dass die anderen Angeklagten und er nur ihren Beruf ausgeübt hätten.

Der Vorsitzende der VDJ, Dieter Hummel kündigte in diesem Zusammenhang an, dass Selçuk Kozagaçli in seiner Eigenschaft als ÇHD Vorsitzender am 17. Mai 2014 in Berlin der Hans-Litten-Preis verliehen werde. Damit soll die mutige Haltung der ÇHD-Kolleg_innen gewürdigt werden.

Thomas Schmidt, der Generalsekretär der EJDM, erklärte: „Mit dem Prozess und der schon fast 1 Jahr andauernden Inhaftierung des ÇHD Vorsitzenden und weiterer Vorstandsmitglieder soll der ganze ÇHD kriminalisiert und weitere regierungskritische Arbeit verhindert werden.“

EJDM, RAV und VDJ fordern die sofortige Beendigung des Verfahrens und damit die Freilassung der inhaftierten Kolleginnen und Kollegen.

Der Kollege Rechtsanwalt Dieter Hummel steht in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ) für Rückfragen zur Verfügung.

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Die sensible Seele eines Nazikaders

Ich habe aus prominenter Ecke Post bekommen, von einem Menschen, mit dem ich noch nicht einmal beruflich zu tun haben möchte. Von dem einem „stadtbekannten Offenburger Nazikader Florian S.„, wie er verschiedentlich von anderer Seite beschrieben wurde.

Der starke Mann (hier gibt’s ein paar Bilder von ihm) nimmt Anstoß an einer Formulierung, die ich im Zusammenhang mit einem (anwalts-)berufsethischen Thema genutzt hatte:

Es ging […] um die Frage, ob es einer links-alternativen Anwältin gestattet ist, eine rechtsradikale Dumpfbacke zu verteidigen.

Aufhänger war ein Artikel vom 25.06.2012 in der LTO, in dem Christian Rath über „Die linke Anwältin und der Neonazi“ schrieb. Die politisch links engagierte Rechtsanwältin Tina Gröbmayr hatte die Verteidigung diese Florians übernommen und ist damit auf massive Kritik aus ihren eigenen Reihen gestoßen.

Florian S. „stolperte zufällig“ über den Freispruch für den Neonazi und reagierte empört:

Ich hätte ihn „zweimal als rechtsradikale Dumpfbacke diffamiert„. Diese „Betitelung seiner Person“ empfand er nicht nur „als in höchstem Maße unverschämt, sondern auch absolut ehrverletzend„. Das könne er „nicht auf sich sitzen lassen„, tönte es in seiner an unserem Schund- und Spamfilter vorbeigeschmuggelten eMail.

Ein großes „Tam-Tam“ möchte er aber „hinblicklich seines bevorstehenden Revisionsprozesses“ nicht machen. Großzügig, wie sensible Neonazis nunmal sind, bekomme ich von ihm im vierten Satz seines Anschreibens „die einmalige Gelegenheit einer außergerichtlichen Einigung„.

Einmalige Gelegenheiten gab es früher im Sommerschlußverkauf. Vielleicht hat Floriano an die dortigen Supersonderangebote gedacht, als er von mir „erwartet

– den Passus der „Dumpfbacke“ aus dem Blog zu nehmen
– eine schriftliche Entschuldigung
– eine Entschädigungszahlung in Höhe von € 1.500,- (eintausendfünfhundert Euro)

Im Umgang mit der Justiz nicht unerfahren vergißt der Schnäppchenjäger auch nicht, mir eine Frist zu setzen: „bis zum 15.11.2013„. Also habe ich noch ein wenig Zeit.

Seine Bankverbindung (allerdings noch nicht SEPA-konform) hat er mir dann auch gleich mitgeteilt, damit die Einhaltung der Frist nicht an überflüssigen Nachfragen scheitert.

Es folgen die semi-professionell verschwurbelten Androhungen empfindlicher Übel wie „Strafanzeige wegen Beleidigung und übler Nachrede“ und die Beauftragung seiner „Anwältin Frau G. über seine Rechtschutz mit der Nebenklage

Anstand beweist der Nazi zum Schluß aber auch:

Mit freundlichen Grüßen

Florian S.

Was ist bloß aus den knallharten Nazis geworden, daß die sich jetzt schon über Blogbeiträge eines kleinen Kreuzberger Strafverteidigers aufregen. Und wegen Ehrverletzungen anfangen zu weinen. Das hat es zu meiner Zeit nicht gegeben.

Lieber Florian S., es tut mir Leid, wenn ich Ihrer sensiblen Seele Unrecht getan haben sollte: Ich entschuldige mich „hiermit“ schriftlich bei Ihnen.

Aber vielleicht waren Sie ja gar auch nicht Thema jenes Blogbeitrages, der Sie so sehr gekränkt haben soll. Oder geht es Ihnen gar nicht um die Ehre? Sondern um die Kohle, damit Sie Ihre erfolgreiche Verteidigerin adäquat honorieren können? Das hätte was, echt!

Einen habbich noch:

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