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Medien
Höllenengel in allen Himmelsrichtungen
Die Berichterstattung aus dem Hause Springer ist nicht unbedingt ein leuchtendes Beispiel für Qualität im Bereich der Printmedien. Ich rede jetzt nicht nur von dem mit übergroßen Lettern und Brüsten bedruckten Papier aus der Rudi-Dutschke-Straße. Auch die anderen Blätter aus dieser Ecke scheinen es nicht so ernst zu nehmen mit dem Anspruch an saubere Berichterstattung.
Schauen wir uns mal ein Beispiel aus der Berliner Morgenpost vom 2. Mai 2013 an.
Der 1. Mai lieferte den Krawallmachern aus Kreuzberg kein Material; also den Reportern, meine ich. Dann müssen sie eben an anderer Stelle suchen, um das Blatt zwischen der Werbung voll zu kriegen.
Die starke Polizeikonzentration auf Grund der vielen Demonstrationen am 1. Mai haben Rocker der Hells Angels und Red Devils zu einer Demonstration der Stärke ausgenutzt.
[…]
Die Rocker haben es offenbar ausgenutzt, dass Tausende Polizisten bei den großen Demos in Schöneweide und Kreuzberg waren
Könnte es sein, daß der arbeitsfreie Tag von den Motorradfahrern offenbar genutzt wurde, um eine gemeinsame Ausfahrt zu machen? Nein, kann es nicht; denn dann könnte man ja darüber nicht berichten.
Die etwa 70 Rocker waren bei ihrer Ausfahrt auf schweren Harley-Maschinen sowie in teuren Autos und Vans unterwegs.
Kommt hier etwa der Neid eines freien Journalisten zum Ausdruck, der sich von seinem schmalen Zeilenhonorar lediglich eine Zwiebacksäge wie die Peugeot 103 oder das vierrädrige Modell 105 aus dem selben Hause leisten kann? Ja, Harleys sind schwer, es sind ja auch keine Sportmaschinen. Welchen Informationsgehalt hat dieser Satz sonst noch?
Ein starker Verband von Hells Angels und Mitgliedern von Unterstützer-Klubs hatte sich am Maifeiertag von 12.45 Uhr im Zehlendorfer Ortsteil Nikolassee auf der Spinnerbrücke getroffen.
Nun, an einem sonnigen Feiertag treffen sich an der Spinnerbrücke in aller Regel mehrere Hundert Zweiradfahrer, auf schweren Harley-Maschinen, auf leichten Supersportlern und manchmal auch auf Zwiebacksägen. Ein paar davon tragen Kutten, andere Schleifpads an den Knie und ein paar wenige auch Badelatschen (der Wannsee ist in der Nähe!).
Der Überschrift des Artikels ist zu entnehmen, daß der Haupteingang nach Berlin komplett dicht war:
Hells-Angels-Rocker blockieren die Berliner Avus
Der Unsinn wird allerdings im Text korrigiert:
Nach Angaben von Augenzeugen blockierten die Rocker dabei die Avus-Zufahrt Spanische Allee.
Es handelt sich also nicht um die komplette Autobahn, sondern schlicht um die Auffahrt, die an sonnigen Feiertagen (s.o.) von den Besuchern der ehemaligen Pommesbude auf „der Brücke“ genutzt wird.
Rocker ignorierten sämtliche Verkehrsregeln …
Das muß jetzt nicht weiter kommentiert werden, oder?
… wobei andere Verkehrsteilnehmer behindert und besonders auf der Avus stadteinwärts zum Teil genötigt wurden.
Wenn man sich vergegenwärtigt, was sonntags Nachmittags stadteinwärts auf der AVUS abgeht, braucht man keinen einzigen Rocker, um von „Behinderungen“ und „Nötigungen“ zu sprechen. Bei Lichte betrachtet sieht es doch so aus, daß ein paar Moppedfahrer nach einem Imbiss auf die Autobahn gefahren sind und ein paar Autofahrer kurzzeitig den rechten Fuß lupfen mußten, um sich anschließend ungehindert (?) weiter im zähflüssigen Verkehr in die Stadt hinein zu quälen.
Das Finale der AVUS, es naht der Ku’damm:
Im Konvoi verließen die Hells Angels aus Berlin und Potsdam die Autobahn am Funkturm und fuhren über Halensee auf den Kurfürstendamm. Dort missachteten die Rocker nicht nur massiv rote Ampeln.
Wir haben in unserer Kanzlei jedes Jahr eine hohe zweistellige Anzahl von Autofahrern, denen man einen massiven Rotlichtverstoß vorwirft. Das sind alles keine Verbrecher, sondern oftmals gut situierte Schlipsträger, teils mit Kutte (vulgo: Weste eines Dreiteilers) und gar nicht so wenige Journalisten, die mal eben schnell noch bei Dunkelgelb über die Fußgängerampel …
Eine im Amtsdeutsch genannte Verbundfahrt wäre anmeldepflichtig gewesen.
Eine spontane Fahrt von „der Brücke“ in die Stadt ist selbstverständlich nicht anmeldepflichtig, aber an sich – auch wenn es so wäre – auch nicht der Rede wert. Wenn es denn ein werthaltiger Bericht werden soll.
zudem sei das Tragen der sogenannten Rockerkutten eine Ordnungswidrigkeit.
Zum Thema „Wert“ noch eine Anmerkung: Wenn man keine Ahnung hat … Mir ist jedenfalls keine Vorschrift bekannt, nach der das Tragen einer Kutte verboten oder erlaubnispflichtig wäre. Von verbotenen Abzeichnen oder Colors („Berlin City“) berichtet hier niemand.
Erst eilig herbei gerufenen Polizeikräften gelang es, den Aufmarsch der Rocker in Schöneberg zu stoppen. Um sich beabsichtigten Kontrollen der Polizei zu entziehen, rasten die Höllenengel in alle Himmelsrichtungen davon.
Na, wenigsten ein bisschen Sprachwitz hat der Springer-Schreiber. :-)
Ich kann mir die Situation gut vorstellen. Da fahren ein paar Harleys – sagen wir mal zehn oder so – die Grunewaldstraße entlang, als die zufällig vorbeifahrende Besatzung eines Opel Corsa zur Kelle greift. Ein Teil der Kradler biegt nach links, ein anderer Teil nach rechts in die Martin-Luther-Straße ab, der Rest tuckert weiter in Richtung Kurfürstenstraße. Harleys und rasen? Also, nahörensiemal!
Dann endlich, ganz zum Schluß (genau wie in den alten Filmen mit Bud Spencer und Terence Hill) kommt es doch noch zu einer Keilerei:
An der Kurfürstenstraße wurden drei der Rocker gestoppt, wobei es zu einem Angriff auf einen Beamten kam. Ein Rocker leistete Widerstand und versetzte einem Beamten einen Kopfstoß, der dadurch leicht verletzt wurde. Der Angreifer konnte überwältigt, gefesselt und festgenommen werden.
Die Qualität der Berichterstattung bis hierher deutet darauf hin, daß man über diese Situation vielleicht auch anders berichten könnte. Wenn sie sich eben anders ereignet hat. Das wissen wir aber nicht, lieber Zeilenhonorarempfänger.
Nein, ich widerstehe nun der Versuchung, am Ende dieses Beitrags über einen Polizeiübergriff mit Quarzhandschuhen und Pfefferspray zu berichten. Ich will mir ja nicht nachsagen lassen, ich würde tendenziös und ohne jeden Sachverstand berichten.
Zusammenfassung:
Also was ist eigentlich am 1. Mai passiert? Ein Journalist hat einen Bericht geschrieben.
Danke an die Donnerkatze für den Hinweis auf diesen Bericht. crh
Strafbefreiter Gossenjournalismus?
Stellt sich eigentlich niemand die Frage, wie Kayhan Özgenc und Olaf Wilke in den Besitz eines Sachverständigengutachtens gelangt sind, das ein Psychiater im Auftrag eines Oberlandesgerichts zur Vorbereitung einer (künftigen) Hauptverhandlung erstellt hat?
Gibt es eine Rechtfertigung dafür, daß diese beiden, die sich als Investigativ-Journalisten preisen lassen, Material verwursten, das möglicherweise durch die Begehung von Straftaten bemakelt ist?
Ist der Begriff „Investigativ-Journalismus“, den diese beiden Bildreporter zu verkörpern suchen, ein Freibrief dafür, Straf- und Persönlichkeitsrechte zu verletzen?
Die Gosse ist ursprünglich die gemauerte, gemuldete Abwasserrinne in der Straßenmitte von mittelalterlichen Städten. Mittels der Gosse wurden alle Formen von Abwasser aus der Stadt herausgespült. Diese Abwasser verursachten Geruchsbelästigungen. Mit dem Aufkommen von unterirdischen Kanalisationen (Anfang des 20. Jahrhunderts) wurden die Gossen entfernt.
Quelle: Wikipedia
Kann es sein, daß man irgendwas (Anfang des 20. Jahrhunderts) bei der Entfernung vergessen hat?
Haftbefehl gegen Hoeneß
Einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom gestrigen Nachmittag zufolge soll gegen Uli Hoeneß ein Haftbefehl erlassen worden sein. Nach der Durchsuchung seiner Wohnung und seiner Festnahme am 20. März 2013 wurde dieser Haftbefehl angeblich gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von 5 Mio. Euro außer Vollzug gesetzt (siehe § 116 Abs. 1 Ziffer 4 StPO) und Hoeneß wieder entlassen.
Die Außervollzugsetzung gegen Kautionszahlung ist meiner Ansicht nach allerdings kein Hinweis darauf, daß Herr Hoeneß mit einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung rechnen muß, wie dies in der SZ zu lesen war.
Voraussetzung für einen solchen Haftbefehl ist zunächst ein dringender Tatverdacht, § 112 StPO. Der ist unproblematisch gegeben, wenn der Beschuldigte sich zuvor selbst angezeigt hat und davon auszugehen ist, daß er keinen Unsinn erzählt. Das möchte ich hier vor dem Hintergrund der Strafbefreiung, die ein Steuerhinterzieher anstrebt, ausschließen.
Eine weitere Voraussetzung ist (im vorliegenden Fall) die Fluchtgefahr als Haftgrund. Und diese kann durch Erfüllung von Auflagen beseitigt werden, eben auch durch die Hinterlegung einer Kaution, die verfallen würde, wenn der Beschuldigte sich dem Strafverfahren durch Flucht entzieht.
Selbstverständlich wird nach einer Selbstanzeige erst einmal ein „ganz normales“ Ermittlungsverfahren eingeleitet, bei dem den Ermittlern das volle und übliche Instrumentarium zur Verfügung steht. Wenn sich dann am Ende herausstellt, daß Steuern hinterzogen wurden, sind die Voraussetzungen für die Strafbefreiung nach § 371 Abgabenordnung (AO) zu prüfen. Liegen sie vor, wird das Strafverfahren ohne Urteil eingestellt.
Wenn die Kaution von dem Hinterzieher gezahlt wurde, ist aber sicher davon auszugehen, daß sie auch dann nicht zurückgezahlt wird, wenn Herr Hoeneß die sonstigen Auflagen (soweit vorhanden) erfüllt hat und auch sonst nicht geflohen ist. Es ist damit zu rechnen, daß dann gegen die Steuerverbindlichkeiten aufgerechnet wird.
Um zum gegenwärtigen Zeitpunkt und bei dem aktuellen Informationsstand eine Verurteilungswahrscheinlichkeit formulieren zu können, benötigt man ein solches Instrument, das nicht nur unserer Kanzlei, sondern wohl auch den Journalisten der Süddeutschen zur Verfügung steht.
Nebenbei:
Ein kluger Verteidiger wird wissen, wie die Aufrechnung der Justiz- bzw. Landeskasse gegen den Kautions-Rückzahlungsanspruch zu vermeiden ist. 8-)
Es soll aber angeblich auch kluge Haftrichter geben, die das zu verhindern wissen. ;-)
Journalistische Inkompetenz
Ich war interessiert daran, was der Tagesspiegel zu dem nun anstehenden Zwischenverfahren gegen Christian Wulff zu vermelden hat. Doch als ich diese Sätze in dem Artikel von Jost Müller-Neuhof gelesen hatte …
Sollte seine Anklage wider Erwarten vom Gericht gestoppt werden, wäre nicht seine Unschuld belegt, sondern nur die fragliche Nachweisbarkeit des Schuldvorwurfs. Ein Grund zu triumphieren wäre das nicht. Gleiches gilt für einen späteren Freispruch zweiter Klasse, im Zweifel für den Angeklagten. Denn aus dem Geschehen erwiesene Unschuld zu destillieren, dürfte auch wohlmeinenden Richtern schwerfallen.
… habe ich aufgehört zu lesen. Der Journalist hat von dem, was er dort schreibt, ganz leicht erkennbar keine Ahnung.
Weder werden Anklagen „gestoppt“, noch hat eine Nichtzulassung der Anklage etwas mit der Schuldfrage des Angeschuldigten zu tun.
Es geht an dieser Stelle des (Zwischen-)Verfahrens auch nicht um die „Nachweisbarkeit des Schuldvorwurfs“, sondern um die Frage, ob die Anklageschrift den Anforderungen des Strafprozeßrechts genügt oder nicht.
Das Gericht wird nach Zulassung der Anklage und nach der dann durchgeführten Beweisaufnahme einen etwaigen Freispruch auch nicht „klassifizieren“. Denn es gibt nur einen Freispruch, der besagt, daß die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln nachzuweisen ist. (Ich dachte, das hätte die Journaille spätestens nach dem Kachelmann-Verfahren begriffen.)
Schon einmal gar nicht ist es Aufgabe eines Richters, irgendwas zu „destillieren“. In einem Strafverfahren geht es – jedenfalls unter dem hier interessierenden Aspekt – ausschließlich um die Frage des Schuldnachweises. Gelingt der Nachweis nicht, ist der Beschuldigte unschuldig.
Eigentlich ganz einfach. So einfach, daß das auch ein Jost Müller-Neuhof verstehen sollte.
Lieber Tagesspiegel, eine Voraussetzung für qualitativ hochwertige Berichterstattung ist auch die Kompetenz der Journalisten, die die Berichte schreiben. Daran solltest Du arbeiten.
Prozeßbericht >>Faschomike<<
Die sächsischen Ermittlungsbehörden und Gerichte haben in der Vergangenheit für reichlich – nennen wir es mal höflich – Erstaunen gesorgt. Da sitzt ein halbnackter Fußballspieler mit einem auf den Oberarm tätowierten Hakenkreuz herum und wird fotografiert.
Und gegen wen ermitteln die sächsischen Strafverfolger? Genau, gegen den Fotografen, der das Bild von dem tätouwierten Oberarm ins Netz – auf die Mannschaftshomepage vom Roten Stern Leipzig – gestellt hatte. Wegen Verstoßes gegen § 86a StGB.
Unter der Überschrift Fußball, Nazis und Staatsanwaltschaft in Sachsen habe ich mich mit meinem Beitrag eingereiht in eine umfangreiche Berichterstattung (siehe die Linksammlung beim Roten Stern Leipzig) über diese seltsame Entscheidung.
Offenbar hat dieser weit verbreitete Aufreger zum Nachdenken bei Entscheidungsträgern der Staatsanwaltschaft geführt, die nicht auf beiden rechten Augen blind sind.
Der Fotograf, Carsten G., teilte mir nun mit, daß Eva-Maria Kasimir in der Leipziger Internetzeitung einen Prozeßbericht über das Verfahren gegen den Hakenkreuzträger Mike L. geschrieben habe.
Mike L. ist demnach erstinstanzlich zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Urteil des AG Leipzig ist dem Bericht zufolge noch nicht rechtskräftig; der Verurteilte soll Berufung eingelegt haben.
Na, denn. Schauen wir, was das Landgericht mit diesem Fußballnazi macht.
Danke an meinen Namensvetter für den Hinweis und Gratulation zu diesem Erfolg.
Eitelkeit statt Vollzugslockerungen?
Die Journaille muß täglich, oder wie in diesem Fall wöchentlich, das Papier vollkriegen. Dazu kommen die Reporter auf Ideen, die nachdenklich machen sollten.
Mein Kollege und Nachbar, Rechtsanwalt Steffen Dietrich, suchte am Donnerstag vergangener Woche nach einem Verurteilten, der sich einer Wochenzeitung hingeben will.
Ein Journalist einer seriösen Wochenzeitung möchte einen Beitrag über Menschen fertigen, die sich auf eine längere Haftstrafe vorbereiten.
Der Strafverteidiger zitiert dabei aus einer eMail des Journalisten …
Ich möchte ihn/sie die letzten Tage/Wochen vor Haftantritt begleiten und so miterleben, was es heißt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden zu sein.
… der selbstredend zusicherte,
dass der Fall tatsächlich anonym bleibt.
Ich rate jedem „Verurteilten“ davon ab, sich auf diesem Weg in die Gefahr zu begeben, daß ihm Vorteile im (offenen) Vollzug nicht gewährt werden. Diese Gefahr besteht unabhängig von dem (ehrlichen) Bemühen des Journalisten um Anonymisierung; denn irgendwelche Fakten, aus denen zumindest Insider Rückschlüsse auf die Identität ziehen können, müssen in dem Bericht geliefert werden, wenn er Substanz haben soll.
Nützen tut es dem späteren Inhaftierten mit großer Sicherheit nicht – von der Pflege seiner eigenen Eitelkeit einmal abgesehen. Das (Entdeckungs-)Risiko ist nicht unerheblich und wird, so es sich denn realisiert, zu nicht vorhersehbaren Reaktionen der Kommission führen, die im weiteren Verlauf der Vollstreckung über Vollzugslockerungen zu entscheiden hat.
Nebenbei: Auch Knast-Zeitungen wie der Lichtblick sind an solchen Berichten interessiert.
Bild: via Wikipedia
Sizilianische Verhältnisse?
Meinen Blogbeitrag über eine Fahndungslüge hat Sebastian Heiser von der taz motiviert, sich diesem Problem von der (klassisch) journalistischen Seite zu nähern. Das Resultat seiner Recherche ist heute in der Zeitung zu lesen:
Die Polizei schafft es nicht, Zeugen stets gut zu schützen – und greift sogar zu Falschaussagen.
Man darf sich vor dem Hintergrund der Art und Weise, wie mit Zeugen umgegangen wird, nicht wundern, daß es zunehmend schwieriger wird, Zeugen zu finden, die dazu beitragen, ein Ermittlungs- und Strafverfahren voranzubringen.
Die Justiz beschwert sich über die Omertà in Verfahren zum Beispiel gegen Rocker. Die Ermittler tragen durch das von Heiser und mir beschriebene Verhalten aber selbst und wesentlich dazu bei, daß immer weniger Bürger (die keine Rocker sind) bereit sind, dem Staat zu vertrauen.
Die provokante Frage von Heiser:
Polizeipräsident Klaus Kandt […] sieht vertrauenwürdig aus – aber sind das auch seine Ermittler?
scheint berechtigt zu sein.
Ein sizilianisches Sprichwort lautet: „Cu è surdu, orbu e taci, campa cent’ anni ’mpaci“ – „Wer taub, blind und stumm ist, lebt hundert Jahre in Frieden.“
Wollen wir das wirklich?
Fall Mollath: Interview mit dem Schöffen
Über das dem Urteil vom 8. August 2006 gegen Gustl Mollath vorausgehende Strafverfahren berichteten u.a. Oliver García auf de legibus – Justiz im Wahn-Wahn – und Gabriele Wolff in ihren beiden Beiträgen Rosenkrieg und Versagen von Justiz & Psychiatrie – Teil 1 sowie Teil 2. Beide Autoren unternehmen jeweils den sehr lesenswerten und in beiden Fällen wie ich meine erfolgreichen Versuch, anhand der öffentlich zugänglichen Materialen das Verfahren zu rekonstruieren.
Oliver García geht nun einen Schritt weiter und nimmt Kontakt auf zu dem Schöffen Karl-Heinz Westenrieder, der an dem Urteil mitgewirkt hat. Herr Westenrieder hat sich bereits an die Medien gewandt und seine Ansicht bekundet, daß dieses Urteil ein Fehlurteil gewesen sei.
Ich bewerte das Urteil aus heutiger Sicht als Fehlurteil. Wesentliche Punkte, die in der Verhandlung, der Hauptverhandlung, nicht zur Sprache kamen, waren zum Beispiel die detaillierte Beschreibung von Gustl Mollath über Geldwäsche-Aktionen seiner Frau und anderen.
zitierte am 17.11.2012 Report Mainz den ehemaligen Krankenhausmanager.
In einen Interview zum Fall Mollath ergänzt Oliver García auf de legibus nun seine Rekonstruktion der Hauptverhandlung durch das „Insiderwissen“ des Schöffen Westenrieder. Das gelingt den beiden gemeinsam bis in kleinste Details:
García
Mollath war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bereits vorläufig untergebracht. Er wurde aus dem Bezirkskrankenhaus Straubing in den Gerichtssaal gebracht. Haben Sie davon etwas mitbekommen?Westenrieder
Er wurde mit Bauchfesseln in den Saal geführt.García
Mit Bauchfesseln?Westenrieder
Mit Bauchfesseln. Er hat gebeten, daß ihm die Fessel hinten entfernt wird, weil es schmerzt. Es wurde dann vom Vorsitzenden Richter auch genehmigt.García
Bauchfessel heißt: ein Gürtel und die Hände waren daran befestigt?Westenrieder
Ein Gürtel mit einer Vorrichtung am Rücken, die von den Begleitpersonen zusammengedreht werden kann, so daß der Betroffenen immer fest im Griff ist.García
Eine Art Zwangsjacke?Westenrieder
Das will ich damit nicht sagen.
Westenrieder bewegt sich da auf einem schmalen Grat: Die Verletzung des Beratungsgeheimnisses stellt eine Straftat dar. Solange er nur aus der öffentlichen Hauptverhandlung berichtet, ist die rote Linie objektiv nicht überschritten. Es ist allerdings nicht auszuschließen, daß sich der eine oder andere Richter oder Staatsanwalt durch seine Berichte auf den weißen Schlips getreten fühlt. Es sei daran erinnert, daß sich das Ganze in Bayern abspielt.
Wir sollten ein Auge darauf behalten, wie sich die Sache weiterentwickelt und ob es der bayerischen Justiz gelingt, sich irgendwann zu rehabilitieren.
Bedrohte Pressefreiheit?
Heise Online berichtete gestern ebenfalls über die Durchsuchung der Wohnung und des Arbeitsplatzes eines Journalisten aus dem Hause Springer. Auch dort wird die Sache differenziert betrachtet.
„Einfach mal so“ in die Unterlagen eines Journalisten zu schauen, geht gar nicht; da wird die Staatsanwaltschaft mit Hilfe des Art. 5 GG zurück gepfiffen. Wenn allerdings der – gut begründete und erhebliche – Verdacht besteht, dieser zu durchsuchende Reporter könnte eine Straftat begangen haben, dann muß es selbstverständlich erlaubt sein, ihm die Bude auf den Kopf zu stellen.
Auf Heise formuliert man es so:
Die DJU betonte, nur durch die Sicherheit von Informanten sei gewährleistet, dass die Presse ihren Aufgaben frei von Einflussnahme nachgehen könne. Entsprechend habe 2007 das Bundesverfassungsgericht geurteilt, nachdem die Redaktion des Magazins Cicero nach Beweismitteln durchsucht worden war. Auch in diesem Fall sei die Durchsuchung unverhältnismäßig gewesen. Jedoch war dem Cicero-Journalisten damals keine eigenständige Straftat vorgeworfen worden.
Wenn dieser Morgenpost-Chefreporters bestochen haben sollte, dann wäre die Durchsuchung und die Beschlagnahme der Unterlagen auf alle Fälle gerechtfertigt. Über die Frage, ob die Verdachtsschwelle bereits überschritten ist, hinter der die Staatsanwaltschaft die Morgenpost lesen darf, bevor sie gedruckt wurde, wird eine Strafkammer des Landgerichts Berlin entscheiden.
Es ist sicherlich angesagt, solche Aktionen der Staatsanwaltschaft sehr, sehr kritisch zu betrachten. Aber wenn Springer – auf welchem Wege und mit welchen Mitteln auch immer – Polizeibeamte alimentieren sollte, um an Informationen zu gelangen, dann geht die Gefahr für die Pressefreiheit ganz bestimmt nicht von den Strafverfolgungsbehörden aus.
Obiter dictum:
Der (Agentur-)Bericht über die Durchsuchung der eigenen Chefredaktion befindet sich bei der Berliner Morgenpost hinter einer Pay Wall; das hat doch was. ;-)
Die Morgenpost wird ihre Leser über den weiteren Verlauf des Verfahrens informieren.
Na, denn.
Mutmaßliche Beamtenbestecher bei Springer
Es juckt mir ja schon in den Fingern, diesen mutmaßlichen Beamtenbestecher genau so zu behandeln, wie die Behandlung von Verdächtigen in dem Hause an der Rudi-Dutschke-Straße üblich ist. Aber auch für die Schergen Journalisten der Bildzeitung Publikationen aus dem Hause Springer gilt nun mal erst die Unschuldsvermutung.
Hannes Heine berichtet in der heutigen Ausgabe des Tagesspiegels:
Ein „Morgenpost“-Reporter steht im Verdacht der Beamtenbestechung. Deshalb hatte sich die Staatsanwaltschaft zur Durchsuchung von Büro und Wohnung des Journalisten entschlossen – ein wegen der grundgesetzlich verankerten Pressefreiheit brisanter Vorgang.
Die staatliche Durchsuchung des Arbeitsplatzes eines Journalisten hat eine vergleichbare Qualität wie die Durchsuchung der Kanzlei eines Strafverteidigers. Auf den Schreibtischen der beiden „Berufsgeheimnisträger“ liegt in der Regel allerlei vertrauliches Material, das nicht in falsche Hände kommen darf.
Das sieht der Gesetzgeber genauso: § 53 StPO verleiht sowohl einem Verteidiger als auch einem Journalisten ein Privileg. Beide haben ein Auskunftsverweigerungsrecht. Genauso wie Pfarrer und Bundestagsabgeordnete.
Dieses Privileg ist allerdings nicht grenzenlos. Wer mit der rechtsstaatstragenden Stellung Schindluder treibt, bekommt es mit eben diesem Rechtsstaat in Gestalt der Ermittlungsbehörden zu tun.
Dem Springer-Reporter wird vorgeworfen, einem Fahnder des Landeskriminalamtes (LKA) Geld gezahlt zu haben, um an vertrauliche Informationen zu kommen. Bei dem Polizisten sollen zuvor Quittungen gefunden worden sein, auf denen der Name des Journalisten steht.
Ein Sprecher des Axel-Springer-Verlages bestritt den Bestechungsvorwurf: „Wir zahlen nicht für Informationen.“
… ist im Tagesspiegel zu lesen (was – was auch sonst – nicht anders zu erwarten war).
Es ist die heilige Aufgabe der Presse, Informationen zu liefern, die die Träger der Staatsgewalt nicht (freiwillig) geliefert hätten. Deswegen sind Medienvertreter mit großen Freiheiten ausgestattet. Zu und mit Recht. Wenn aber einige Schmutzfinken dieses Recht mißbrauchen, sich außerhalb der Grenzen bewegen, gehört ihn ordentlich Feuer unter dem Hintern gemacht. Zum Schutze genau dieser Pressefreiheit, die sie ausgebeutet haben.
Was passiert, wenn man solchen fehlgesteuerten Leuten freies Geleit bietet, hat der Fall um Herrn Kachelmann einer breiten Öffentlichkeit deutlich gemacht.
Und man muß gar nicht in die Sphären der Prominenz aufsteigen. Auch im Kleinen passiert es immer wieder, daß um der (widerwärtigen) Schlagzeile Willen Informationen „gestohlen“ und „gehehlt“ werden.
Da tauchen beispielsweise sensible persönliche Daten aus nicht-öffentlichen Terminen beim Haftrichter nur wenige Stunden später auf dem Titelblatt der Gossenzeitung auf. Daß sich hier der Blick auf die Justizbediensteten richtet, die sich über eine milde Gabe kurz vor Weihnachten freuen könnten, liegt nahe. Beamte haben – anders als Journalisten – keine Privilegien in diesem Zusammenhang. Sie verlieren ihre Position, wenn’s böse kommt ihre gesamte berufliche Existenz. Und das nur, weil ein gieriger Schmierfink eine Schlagzeile braucht.
Die – im Zweifel unterbezahlten – Beamten tun mir Leid. Die mutmaßliche Beamtenbestecher aber gehören an empfindlichen Körperteilen aufgehängt, sobald das „mutmaßlich“ nicht mehr geschrieben muß.