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Geschützt: Heinrich Heine, Ratten, Flüchtlinge, Til Biermann und andere Missverständnisse

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Heinrich, Rudi und Gretchen vor 50 Jahren

Mit dem Kollegen Heinrich Schmitz verbindet mich nicht nur die Freude am Schreiben in diesem Internetz und der gemeinsame Beruf. Sondern auch eine Vergangenheit, die wir zwar nicht gemeinsam, aber dennoch in der selben Atmosphäre verbracht haben.

Über diese Zeit, in der er wie ich mit Gammlern, Langhaarigen und Kommunisten zu tun hatten, schreibt Rechtsanwalt Schmitz bei den Kolumnisten. Der Beitrag handelt von 1968, Rudi Dutschke und von dem neu erschienenen Buch der Witwe Gretchen Dutschke-Klotz:


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Sowohl die Kolumne (am besten zuerst) als auch das Buch (im Anschluß daran) sind uneingeschränkt lesenswert.

Heinrich Schmitz schließt seine Rezension des Buches nach einer kurzen Einleitung mit einem Apell von Gretchen Dutschke:

Ja selbstverständlich ist dieses Buch auch ein ganz starkes Statement gegen all die neuen Reaktionäre, Identitäre, Pegidisten und fehlgeleitete Patrioten, die die Zeiger der Zeit zurückdrehen wollen. Und deshalb sollten es nicht nur wir Alten mit melancholischen Gefühlen an die zu schnell verwehte Jugendzeit genießen, es sollten auch die jungen Menschen lesen. Die für die all die Freiheiten, die damals mühsam erkämpft wurden, heute so selbstverständlich sind, dass sie sie gar nicht zu schätzen wissen und deren Gefährdung gar nicht erkennen. Da die von sich aus offenbar gar nicht auf die Idee kämen, sich dieses Buch zuzulegen und es womöglich gar noch zu lesen, wäre es doch eine nette Idee, wenn wir Alten es ihnen einfach schenken würden, schon damit sie verstehen, dass es nun bald alleine ihre Welt und ihre Zukunft ist, die heute auf dem Spiel steht. Denn auch da hat Gretchen Dutschke recht:

„Jetzt sind die Jungen dran!“

Also, haut rein!

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Der Kreuzberger Kampfradler

FimberpasshöheNoch ein Thema, das sich für einen Blogbeitrag am Sonntag eignet: Fahrrad-Aktivisten.

Von ihrer Anlage her sind das zunächst erst einmal ganz normale Fahrradfahrer. Es gibt aber einige, die das unmotorisierete Zweirad nicht nur als Mittel zur Fortbewegung sehen, sondern eine Lebenseinstellung damit verbinden. Das führt dann schon einmal dazu, daß alles was das Radfahren einschränkt, zum Angriff auf das eigene Leben stilisiert wird. Und dementsprechend verteidigt werden muß. So entsteht eine Art Fundamentalismus.

Kreuzberg ist ein Territorium, in dem viele von diesen Aktivisten pedalieren. Sie haben erreicht, daß endlich eine Hauptverbindungsroute zwischen unserer Kanzlei und dem Kriminalgericht fahrradfreundlich gestaltet wird. Seit ein paar Tagen gibt es auf der Skalizer- und Gitschiner Straße einen weißen Strich auf der Fahrbahn, der einen – benutzungspflichtigen – Radweg vom Autoverkehr trennen soll. Eine grundsätzlich feine Sache, muß ich doch jetzt nicht mehr Umwege in Kauf nehmen, wenn ich mit Rad zur Arbeit fahre und dem Autolärm nicht auf die Ohren haben will.

Radwege schaffen Freiräume, aber nicht nur für Radfahrer, sondern auch für Autofahrer, die irgendwo parken müssen, wenn sie nicht mehr Autofahren wollen. Dann kriegen die aktivierten Biker erhöhten Puls, aber so richtig. Und der äußert sich dann in organisierter Form, über die man dann die Welt via Twitter informiert.

Was mir sofort aufgefallen ist: Der Supersportler auf der Tacx-Rolle fährt durch die automobile Rush Hour ohne Helm! Selbstverständlich habe ich das sofort reklamiert.

Das geht ja nun gar nicht, vor den großen Augen der kleinen Kinder ein schlechtes Vorbild abzugeben! Aber auch diese nur gut gemeinte Warnung empfindet der gemeine Fahradfundamentalist als lebensbedrohlich (s.o.) und fordert mich unter Beifall seinesgleichen zur sofortigen Rechtfertigung meiner desaströs-diskriminierenden Rechtsansicht auf:

Ok, es ist manchmal anstrengend, mit dem Rad zu fahren. Und ich möchte mir nicht ins eigene Gesicht schauen, wenn ich mein MTB den Fimberpaß hochtrete.

Aber muß man hier im Berliner Flachland genauso verbissen sein?

Immer schon locker bleiben, Kampfradler. Aus einem verkniffenen Hintern kommt selten ein fröhlicher Furz!

Update:
Volksentscheid Rad @radentscheid hat mich blockiert, der humorlose Geselle.

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Fehlendes Verständnis

Offenbar nicht tot zu kriegen: Das Unverständnis mancher Journalisten von dem, worüber sie schreiben.

Andreas Wyputta, Inlandskorrespondenz der taz, berichtet über den Auftakt des Verfahrens um das Geschehen bei der Düsseldorfer Loveparade.

Schon die Überschrift signalisiert seine mangelnde Kenntnis des Prozeßrechts.

Das, was sich im Titel andeutet, setzt sich im Text fort:

Ihre angeklagten zehn Untergebenen werden von 32 AnwältInnen verteidigt. Schon am ersten Prozesstag setzten diese auf eine Verzögerungsstrategie:

Was erwartet das Publikum, was erwartet ein Prozeßberichterstatter von einem Verfahren dieses Umfangs? Das nicht im angestammten, aber zu kleinen Landgericht, sondern im Congress Center Düsseldorf Ost (CCD Ost) der Messe Düsseldorf stattfindet?

Aufruf -> Präsenzfeststellung -> Anklageverlesung -> Geständnisse -> Urteil?

Alles mal eben zwischen zweitem Frühstück und Mittagspause?

Verteidigung und Verteidiger
Welche Vorstellungen von der Aufgabe der effektiven Verteidigung in einem solchen Verfahren herrscht selbst bei einem solchen Medium wie der taz? Ich bin enttäuscht.

Lieber Andreas Wyputta, der Job der Verteidigung besteht darin, dafür zu sorgen, daß den Angeklagten ein rechtsstaatliches Verfahren gewährleistet wird. Düsseldorf ist nicht die Türkei, um vielleicht an dieser Stelle kurz an Deniz Yücel (und die anderen Inhaftierten) zu erinnern.

Antrags- und Erklärungsrechte
Das Recht, Anträge zu stellen und Erklärungen abzugeben, ist das wichtige Mittel der Verteidigung zur Umsetzung der Rechtsstaatsgarantie im Strafprozeß.

Rechte zur Beteiligung auf Augenhöhe
Zunächst einmal sind sie recht effektive Möglichkeiten, sich an dem Ablauf eines Strafverfahrens zu beteiligen. Statt als passives Objekt staatlichen Handelns untertänigst abzuwarten, was von oben angeordnet und ausgeurteilt wird, kann der effektiv verteidigte Anklagte als aktives Subjekt das mitgestalten, was ehedem kluge Köpfe z.B. in Art. 1 GG und Art. 6 EMRK formuliert haben. Ich ärgere mich darüber, daß gerade einem taz-Journalisten die Sensibilität für diese grundlegende Bürger- und Menschen-Rechte abhanden gekommen ist (oder nie vorhanden war?).

Eingeschränktes, weil störendes Recht
Andreas Wyputta ist allerdings nicht allein mit der in seinem Artikel verkörperten Ansicht, Verteidiger stören nur den kurzen Prozeß. Seit 1950 wurde das Verfahrensrecht, also die StPO, das GVG, die dazugehörige obergerichtliche Rechtsprechung u.v.m., immer wieder geändert.

Das Strafprozeßrecht ist (war?) ausgestaltet als Schutzrecht zugunsten des Beschuldigten, Angeschuldigten und Angeklagten. Damit werden solche hohen Rechte wie „Würde des Menschen“, „Freiheit der Person“, „Recht auf den gesetzlichen Richter“ und andere justizielle Grundrechte in einfaches Recht transportiert, damit sie im Alltag verwirklicht werden können. Und das ging den „Herrschenden“ immer wieder gegen den Strich, was dann zur zunehmenden Abnahme der Schutzrechte führte. Die Prozeßrechte des Angeklagten wurden (und werden immer weiter) zusammengekürzt.

Konsequenzen der Kürzungen
Und jetzt ist es insbesondere das, was Herrn Wyputta auf die Nerven geht, nämlich das „Eröffnungsfeuerwerk“ der Verteidiger zum Prozeßstart, die notwendige Konsequenz aus diesen sich ausweitenden Einschränkungen der Verfassungrechte eines Angeklagten.

Ein Ablehnungsgesuch (vulgo: Befangenheitsantrag) …
.. ist unzulässig, wenn es zu spät gestellt wird, §§ 25, 26a StPO. Will der Journalist wirklich zulassen, daß ein Verletzter zum Richter über den Schädiger urteilt? (Lesehinweis: § 22 StPO)

Zeugen …
… sind das wichtigste, aber zugleich auch das unzuverlässigste Beweismittel in einem Verfahren. Erscheint es dem Journalisten nicht sinnvoll, dieses Beweismittel zu stablisieren und die Erinnerung der Zeugen soweit wie jetzt noch möglich unbeeinflußt zu bewahren? (Lesehinweis: §§ 243 II, 58 StPO)

Die Anklageschrift …
… ist die Geschäftsgrundlage, auf der die Verhandlung geführt wird. Das ist die Stelle, an der die Vorwürfe exakt bestimmt und von anderen Geschehen abgegrenzt werden. Deswegen ist sie an sehr strenge Formen gebunden. Ist die Anklageschrift schon fehlerhaft, dann kann darauf kein fehlerloses Urteil begründet werden. Will der Gerichtsreporter Schlampereien an diesem Fundament zulassen? (Lesehinweis: § 200 StPO)

Verpflichtung der Verteidiger
Wenn ein Verteidiger davon ausgehen kann, daß das Gericht mit Richtern besetzt ist, die kraft Gesetzes oder wegen Befangenheit ausgeschlossen sind, oder die Anklageschrift Mängel aufweist, oder Zeugen beeinflußt werden (können), dann ist er verpflichtet (sic!), entsprechende Anträge zu stellen. Und stellt er sie nicht unmittelbar zu Beginn des Verfahrens, ist das nicht reparabel. Dann entscheiden ausgeschlossene und/oder befangene Richter mithilfe beeinflußter Zeugen über falsch erobenene Vorwürfe. Ich bin überzeugt davon, daß auch Andreas Wyputta das nicht will.

Ständiges Angebot
Es gibt genügend Strafjuristen, die einem um solide Berichterstattung bemühten Journalisten gern hilfreich zur Seite stehen werden. Das Angebot muß nur angekommen werden. Für eine solche Berichterstattung wie die hier zitierte fehlt mir daher das Verständnis.

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Terroristen, Chewbacca und das Mimimi der AfD

Bernd Höcke und seine Kameraden waren Ziel eines terroristischen Angriffs. Die Täter sind bekannt und werden die Konsequenzen(*) auf’s Schärfste zu tragen haben.

Sehr, sehr schön! Und politisch.
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(*) Die Mitglieder des Zentrums für Politische Schönheit (ZPS) werden fürchterlich leiden müssen. An dem Kater ihrer Lachmuskeln. Ich leide mit gratuliere ihnen.

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Die Schnorrer und die Exitfilm

Ich hatte in der Vergangenheit einen recht unangemehmen Kontakt mit dem von Dipl.-Jur. Andreas Baum geführten Unternehmen EXIT Film- und Fernsehproduktion. Nicht nur ich, sondern auch andere Kollegen fühlten sich von den Filmemachern über’s Ohr gehauen.

Jeder Anwalt kennt die Mal-eben-eine-kurze-Frage-Anfragen, mit denen manche Menschen versuchen, für lau an das know how professioneller Berater zu kommen. Verlangt wird, manchmal mehr – manchmal weniger, daß sich der Rechtsanwalt die (seine!) Zeit nimmt, um Probleme fremder Leute zu lösen – aber jeweils ohne daß diese irgendwie auf die Idee kämen, dafür auch eine wie auch immer gestaltete Gegenleistung anzubieten.

Die Exitfilm hat sich in der Vergangenheit genau auf diesem Terrain bewegt. Nicht um eigene Rechtsprobleme zu lösen, sondern um kostenlos Material abzugreifen, das die Filmemacher anschließend in einer eigenen Produktion verwurstet haben, die sie dann für teuer Geld verkaufen konnten. Der Lieferant des Materials wurde in den beschriebenen Fällen noch nicht einmal mit einem warmen Händedruck entlohnt.

Scheinbar ist Andreas Baum und die Exitfilm weiter auf diesem Beratungsschnorrer-Marktplatz unterwegs, damit die Herstellung einer „ZDF-Dokumentation“ entsprechend seines Mottos sehr viel preiswerter – und mit Sicherheit günstiger, als Sie vermuten! wird bzw. bleibt.

Kollegen berichteten über eMails, die sie kürzlich von der Film- und Fernsehproduktions-Gesellschaft erhalten hatten. Auch ich habe am Wochenende von Exitfilm Post bekommen:

Subject: Anfrage nach Betroffenen für ZDF-Doku zum Thema Cold Calls und unerlaubte Werbeanrufe

Sehr geehrter Herr Hoenig,

wir arbeiten an einer ZDF-Dokumentation über untergeschobene Verträge am Telefon bzw. nicht genehmigte Werbeanrufe (Cold Calls). Kennen Sie Betroffene und können Sie uns Kontakte zu einigen Fällen aus jüngster Zeit vermitteln? Um andere Verbraucher aufzuklären, ist es für die Berichterstattung wichtig, dass Betroffene über Ihre Erlebnisse erzählen.

Unser besonderer Fokus liegt auf Energieanbieter. Darüber hinaus sind wir interessiert an anderen Fällen, in denen Verbrauchern Verträge untergeschoben wurden. Daher würden wir uns freuen, mit Ihrer Hilfe Geschädigte zu finden, die mit uns reden wollen.

Sollten Sie aus Ihrer Mandantschaft jemanden finden können, stünden Sie auch als Experte für ein kurzes Interview zu Verfügung?

Ich verzichte sehr gern auf die erneute Zusammenarbeit mit diesem Laden. Bedauert habe ich den Mitarbeiter von Exitfilm, der mir die eMail geschickt hat. Deswegen habe ich ihn informiert über das Geschäftsgebaren seines Arbeitgebers.

Sehr geehrter Herr H*,

nichts gegen Sie persönlich, aber mit dem Unternehmen, für das Sie auftreten, habe ich in der Vergangenheit ziemlich üble Erfahrungen gemacht.

Ich arbeite selbstverständlich gern mit Film-/Fernsehschaffenden zusammen und liefere ihnen Material für deren Produktionen. Aber wenn ich mich – wie von der Exit – über’s Ohr gehauen fühle, fallen mir nur ziemlich üble Schimpfworte ein, die ich hier besser nicht aufschreibe.

Worum geht es? Das können Sie hier nachlesen.
http://tinyurl.com/yas46j3y

Mit Betrügern habe ich berufsbedingt oft zu tun. Und Schnorrer schicke ich regelmäßig dahin, wo sie meiner Ansicht nach hingehören … Diese „Exitfilm“, für die Sie arbeiten, paßt gut in diesen Zusammenhang.

Suchen Sie, sehr geehrter Herr H*, sich einen *seriösen* Arbeitgeber; dann können Sie sich gern nochmal bei uns melden; ich stehe Ihnen dann mit spannenden Informationen gern zur Verfügung.

Ihnen ein schönes Wochenende noch! Dem Unternehmen wünsche ich die Pest den Hals.

Liebe Kollegen, wenn Ihr auf die Zusammenarbeit mit Exitfilm nicht verzichten wollt: Laßt Euch eine Vergütungsvereinbarung unterzeichnen und liquidiert einen Vorschuß, bevor Ihr Euch mit diesen Leuten abgebt. So machen es alle Strafverteidiger mit den Leuten, denen man einen Betrug zur Last legt.

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Bild: Screen Shot von der Website der Exitfilm, auf der Andreas Baum über die „Kosten“ informiert.

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Anonymer Rassismus und feige Polizisten

Die bisher bekannt gewordenen Mitteilungen feiger Polizeibeamter, die sich mit anonymen Denunziationen in rassistischer Art und Weise vor wem auch immer zu profilieren versuchen, stößt übel auf.

Die Berichterstattung zu den von diesen dunklen Gestalten behaupteten und bislang durch nichts belegten Zuständen in der Berliner Polizeiakademie gibt die Vereinigung der Berliner Strafverteidiger die nachfolgend zitierte Presseerklärung ab:

Presseerklärung zu den durch einen anonymen offenen Brief bekannt gemachten tatsächlichen oder vermeintlichen Zuständen in der Berliner Polizeiakademie

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger nimmt die Presseberichterstattung der letzten Tage zu den durch einen anonymen offenen Brief eines Polizeibeamten bekannt gemachten tatsächlichen oder vermeintlichen Zuständen in der Berliner Polizeiakademie zum Anlass folgender Erklärung:

Wir können weder den Zustand der Ausbildung noch ihrer Bedingungen beurteilen. Anonyme Denunziationen sind indes in einem Rechtsstaat oder in rechtsstaatlichen Verfahren nicht geeignet, die Grundlage einer seriösen Beurteilung zu bilden. Hierauf gar nicht oder nur bedingt nachdrücklich hingewiesen zu haben, belegt aus unserer Sicht auch ein Defizit an seriöserer Berichterstattung der meisten involvierten Medien.

Ein Defizit an rechtsstaatlicher und demokratischer Erziehung und Gesinnung wird zuvörderst bei den anonymen Kritikern deutlich. Neben deren offen zutage tretendem Rassismus ist uns insbesondere dieses Defizit Anlass für hiesige Erwiderung. Denken in Kategorien von Sippenhaft, Schuld oder Verdacht durch persönlichen Umgang ist kennzeichnend für sicherheitspolitisches Denken totalitärer Prägung und mag für die Polizei unter den deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts Leitlinie ihres Denkens gewesen sein, mit den insbesondere während der Zeit der Nazidiktatur bekannten Folgen. Die Vorstellung, dass ein junger Mensch ohne individuelle Schuld, allein weil er einen bestimmten Familiennamen trüge, der ihn aus Sicht der Medien als Mitglied eines“ arabischen Clans“ kennzeichnet, vom öffentlichen Dienst auszuschließen wäre, tangiert indes die Menschenwürde des Betroffenen so offensichtlich und ist eines Rechtsstaats derart unwürdig, dass man nur hoffen kann, dass auch der anonyme Verfasser des offenen Briefes dies erkannt hat und aus diesem Grund anonym geblieben ist. Denn anders als jemand, der einen nicht gut beleumundeten Namen trägt, offenbart vielmehr der Anonymus durch diese Ansichten seine charakterliche Ungeeignetheit für den Polizeidienst.

Defizitär in rechtsstaatlicher Gesinnung erweist sich der Anonymus aber auch, wenn er meint, der Vizepräsidentin Koppers ihre Anwaltswahl vorwerfen zu können, weil der von ihr mandatierte Anwalt auch Angehörige einer arabischen Großfamilie vertreten habe. Der Gedanke der Sippenhaft soll hier anscheinend auch noch auf Rechtsanwälte übertragen werden, welche mit der Verteidigung eine für den Rechtsstaat konstitutive und überaus wichtige Aufgabe übernehmen. Auch an dieser Stelle wird mithin ein Rechtsverständnis deutlich, dass nicht geeignet ist, Ausbildungsmängel an der Polizeiakademie zu belegen, sondern allein beim anonymen Verfasser des offenen Briefes. Man kann von daher nur hoffen, dass diese Form der Kritik in keiner Weise repräsentativ für Geisteshaltung und Ausbildungsstand der Berliner Polizei ist. Indes tragen diejenigen, welche sich einzelne Punkte der anonymen Kritik – aus welchen politischen oder gegebenenfalls auch sachlichen Überzeugungen auch immer – zu eigen zu machen die Verantwortung, sich von Form und Geisteshaltung, die aus den anonymen Schreiben spricht, zu distanzieren. Denn hierzu haben sie hinreichend Anlass und – im Gegensatz zu Menschen, die bestimmte arabische Nachnamen tragen – auch die Möglichkeit. Dass es Politikern, die ihr Bild zuvörderst in Boulevardmedien pflegen, hierzu an Haltung fehlt, überrascht weniger, als dass die Parteien, die sich dem Rechtsstaat verpflichtet fühlen, nicht in der Lage zu sein scheinen, hier die gebotene klare Sprache zu finden.

Berlin, den 13. November 2017

Der Vorstand

Der Beamte, der so dämlich war, eine Voice-Mail mit vergleichbaren rassistischen Inhalten zu verschicken, wird zu identifizieren sein.

Ich hoffe sehr, daß sich so ein nicht akzeptables Verhalten in der Karriere dieses Ausbilders deutlich bemerkbar machen wird. Solche Bullen Beamte braucht kein Mensch. Das nämlich sind die eigentlichen Feinde in den Reihen der Polizei.

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Heute: Sonntagsarbeit in der Unterhaltungsindustrie

Wenn ich richtig gezählt habe, sind es über 20 Unterhaltsindustriearbeiter, die sich heute Morgen zu nachtschlafender Zeit am heiligen Sonntag im Film-Studio treffen.

Dazu kommt noch das Team vom Catering und weitere hilfreiche, deswegen unverzichtbare Sonntagsarbeiter. Und wozu das Ganze?

Was an früheren Sonntagen dabei herausgekommen ist, kann sollte man sich hier mal anschauen.

Eine willkommene Abwechselung im Alltag eines Strafverteidigers, die insbesondere wegen des tollen Teams der Sonntagsarbeiter große Freude macht. Trotz des frühen Aufstehens, zu einer Zeit, in der der Rest der Welt noch im Bette liegt.

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Der Exekutor und sein Lieblingsdieb

Eigentlich sieht der Josef Ley gar nicht so aus, wie einer, der Spaß daran hat, Existenzen zu vernichten. Tut er aber. Nachhaltig. Bei der „Bild“.

Kennt man den Namen Götz Decker noch? Also, ohne zu googlen? Erstmal ehrlich klicken hier, und danach weiterlesen:
 

Götz Decker?


     

 

Ergebnis anschauen

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Decker wurde wegen Diebstahls von 1,35 Millionen DM (sic!) vor knapp 17 Jahren zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 10 Monaten verurteilt.

Was genau passiert ist, kann man auf Wikipedia nachlesen: Wie der Mann einen Geldtransporter leergeräumt hat, nach Südafrika abgehauen ist und sich dann leichtsinnig mit dem deutschen Boulevard eingelassen hat. Nebenbei: Es wird berichtet, daß der Josef Ley der Autor des Wikipedia-Beitrags ist; der Duktus paßt jedenfalls.

Der Boulevard hat seinerzeit ausführlich über Decker berichtet und den Ermittlungsbehörden damit das Material dazu geliefert, ihn in Südafrika zu pflücken und einzutüten. Berichten zufolge soll Ley schon 2005 engagiert an der Sache dran gewesen sein.

Der „Bild“-Reporter Ley hat einen Narren an Decker gefressen. Investigativ deckt er auf: 2001 war die Tat, 2005 die Verurteilung, 2009 die Entlassung aus der Haft (mit Reststrafenaussetzung zur Bewährung) und dann eine psychische Erkrankung. Das war Herrn Ley erneut eine Schlagzeile wert. Und Anlaß dafür, sich über den am Boden liegenden Mann und seine Krankheit lustig zu machen.

Das war’s dann aber immer noch nicht. Decker hat sich über die Jahre wieder berappelt. Und hat einen Job bekommen. Das war Anfang Juli. Den Job hat er nicht mehr, berichtet Josef Ley stolz über den Erfolg seiner Veröffentlichung am 28.07.2017 auf der Titelseite der „Bild“.

In den Innenseiten liefert Ley das Ergebnis seiner Arbeit als Head Hunter ab. Details aus dem Arbeitsvertrag und Photos eines Registerauszugs veröffentlicht der Reporter. Ob er dem neuen Arbeitgeber Deckers ein Belegexemplar der Bild zugeschickt hat, um ihn zu der Kündigung des Arbeitsvertrages zu veranlassen, ist bislang nicht bekannt.

Sehr schön ist das Ergebnis dieser journalistischen Qualitätsarbeit. Josef Ley reichte es nicht aus, daß der Mann für seine Tat drei Jahre lang im Knast saß, sich danach in der Psychiatrie mit „therapeutischen Parksparziergängen“ behandeln lassen mußte und nun versucht, sich wieder auf die eigenen Füße zu stellen. Er mußte ihn wieder hinrichten.

Ich gratuliere dem Herrn Ley zu diesem wunderbaren Erfolg und verneige mich vor der Qualität seiner journalistischen Arbeit. Das hast Du wirklich gut gemacht, Josef!

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Epilog:

„Bild“ will gern eine richtige Zeitung sein. Also eine mit Journalisten, die recherchieren und besondere Dinge rausfinden und diese dann exklusiv veröffentlichen. Nicht mehr nur dieses ekelige Revolverblatt, das einfach mal Geschichten erfindet oder Leute fertigmacht.
Quelle: BILDblog

Auch bei „Bild“ wird man ja noch träumen dürfen.

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Die Neuzeit beim Landgericht Potsdam

Die Journalistin Lisa Steger hat mit Dirk Ehlert, dem scheidenden Präsidenten des Potsdamer Landgerichts, gesprochen. Das Gespräch ist noch bis zum 18.07.2017 hier nachzuhören.

In der Vorankündigung zu der Ausstrahlung auf Antenne Brandenburg hieß es u.a.:

In welchem Zustand ist derzeit die brandenburgische Justiz? Warum dauern die Verfahren hier so lange? Und welche Folgen hat es, dass überall Richter und Staatsanwälte fehlen?

Ich hab’s mir angehört, auch weil ich gehofft hatte, daß Frau Steger die Gelegenheit nutzen konnte, Herrn Ehlert zum „Pillendienst-Verfahren“ zu befragen, über das die Journalistin ausführlich berichtet hatte.

Das war leider kein Thema, aber ich wurde mit folgendem Dialog mehr als entschädigt:

Lisa Steger:

Ich kannte mal einen Staatsanwalt, der hat seine Aktenstapel immer an die Wand gelehnt, damit sie nicht umfallen. Die sind ungefähr einen Meter hoch. Gibt es diese Leute bei Ihnen auch?

Der Präsident:

Das ist bei uns ein bisschen neuzeitlicher gestaltet …

Und jetzt, so dachte ich, kommt der Hinweis auf digitale, also eben neuzeitliche, Aktenführung.

Der Präsident weiter:

Wir haben jetzt Aktenschränke, in die die Akten gelegt werden können. Oder bei Strafrichtern gerade die Aktenwagen. Allerdings, wenn Sie versuchen, in das Zimmer zu kommen bei einem Strafrichter, der einen aktuellen Strafprozeß hat, ist es schwierig, einen Platz noch zu finden.

Nein, das habe ich mir NICHT ausgedacht!

Ok, aus der Perspektive eines kurz vor der Pensionierung stehenden Richters scheinen Aktenschränke und Aktenwagen ein Fortschritt darzustellen. Das wäre eine Erklärung.

Nun, vielleicht hat Frau Steger ja noch die Gelegenheit, den nächsten Präsidenten, der aus Altersgründen das Gericht verläßt, zum Thema Floppy Disks zu befragen. Im Verhältnis zum Aktenschrank sind die ja eine echte technische Revolution. Aus der Perspektive der Potsdamer Justiz.

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Bild „Historische Speichermedien“: George Chernilevsky / Public Domain

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