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Medien
BILD-Reichelt: Doch kein richtiger Brandstifter
Wenn ich auch der Ansicht bin, es mangelt dem Herrn E-i-C BILD Digital Julian Reichelt an grundlegenden Kenntnissen des Presse- und Persönlichkeitsrechts.
An Humor fehlt es ihm jedenfalls nicht:
Chapeau!
Und besten Dank an den Chefreporter für den Schnappschuß.
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Bild: ©BILD ;-)
Julian Reichelt: Wir werden das dann hier prüfen.
Wenn man dem Vorsitzenden der BILD-Chefredaktion und Chef von BILD-Digital, Herrn Julian Reichelt, in seiner eigenen Sprache antwortet, ruft er die Polizei:
Hören Sie dazu den Kommentar:
In einem Interview auf Radio Eins zeigt Herr Reichelt deutlich, welchen Respekt er vor den Rechten Dritter hat – nämlich gar keinen:
Das Recht am eigenen Bild ist dann verletzt, wenn der Betroffene sich in seinen Rechten verletzt fühlt und das zur Anzeige bringt. Alle Betroffenen, die wir gezeigt haben, habe ich auf Twitter eingeladen, diese Recht geltend zu machen und sich an uns, an BILD zu wenden, gerne an mich persönlich und zu sagen: „Hier ist mein Recht am eigenen Bild verletzt, mein Name ist soundso und ich möchte das Recht am eigenen Bild gerne einfordern.“ Wir werden das dann hier prüfen und wir werden die Daten, die uns dann übermittelt werden, an die Polizei weiterreichen, und dann kann entschieden werden …
Damit unverholen zu drohen, denjenigen, der die Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte gegenüber der Zeitung reklamiert, gleich an die Polizei durchzureichen, hat schon eine gewisse Extravaganz.
Ganz schlechter Stil, ganz schlecht. Ich habe ein dickeres Fell und mehr Verstand bei Ihnen erwartet, Herr Reichelt.
Dead or Alive – Die Straftäter bei der BILD
Der Fahndungsaufruf der Bildzeitung mit den Fotos von Demonstranten aus dem Hamburger Schanzenviertel stellt nach einhelliger juristischer Ansicht einen klaren Rechtsbruch dar. Und zwar gleich unter mehreren Blickwinkeln.
Die schäumende Bezeichnung der Abgebildeten als „Verbrecher“ und „Schwerkriminelle“, ohne genau zu wissen, was die denn da machen, stellt nicht nur einen Verstoß gegen den Pressekodex und die Unschuldsvermutung der EMRK dar.
Die Chefredakteure des Boulevardblatts Julian Reichelt und Tanit Koch setzen sich über die Spielregeln hinweg, die sich unser Rechtsstaat mühsam erkämpft hat. Reichelt und Koch unterscheiden sich nur nominell von denjenigen, denen man den Landfriedendsbruch nach § 125 StGB vorwirft: Die einen gefährden das Land durch Stein- und Flaschenwürfe, die anderen mit dem Aufruf zur Lynchjustiz.
Die Veröffentlichung von Bildern in dieser Form ist zudem grundsätzlich strafbar. Nach § 33 KunstUrhG gibt es dafür eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Allerdings ist zur Strafverfolgung ein Strafantrag erforderlich, der binnen dreier Monate (§ 77b StGB) gestellt werden muß.
Solange die abgebildeten Jungs aber nicht identifiziert sind, würde ich Ihnen von einem Strafantrag abraten. Sie müßten sich outen, um diesen Antrag als Verletzte im Sinne des § 77 StGB stellen zu können.
Das wissen die beiden Verbrecher Reichelt und Koch. Und im Zweifel begehen sie unter den Augen eines Millionenpublikums eine Straftat, ohne dafür belangt werden zu können. Dumm sind die beiden ja nun wirklich nicht.
Wenn die Fahndung allerdings „Erfolg“ haben sollte, stellt diese Art Öffentlichkeitsfahndung der Bildzeitung einen gewichtigen Strafmilderungsgrund dar und wird zu einem erheblichen Rabatt beim Strafmaß führen. Sind die beiden Gefährder dann doch ein bisschen blöd?
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Bild: © Thomas Max Müller / pixelio.de
Hörhinweis: Der Präsident heute Abend im Radio
Aus höchst zuverlässiger Quelle wurde mir folgender Kassiber übermittelt:
Am 10. Juli strahlt Antenne Brandenburg zwischen 21 und 22 Uhr eine Sendung mit Dirk Ehlert, dem scheidenden Präsidenten des Potsdamer Landgerichts, aus. Sie hören den Sender in Berlin, Potsdam und Umgebung auf der Frequenz 99,7.
Pressetext Dirk Ehlert
Er war Amtsrichter, Landrichter, Staatsanwalt, Rechtsberater in Saudi-Arabien und zuletzt Präsident des Potsdamer Landgerichts. Jetzt geht Dirk Ehlert in Pension.
Wie sehen seine Zukunftspläne aus? Was hat Dirk Ehlert als Jurist auf der Arabischen Halbinsel erlebt? Welche spektakulären Verfahren gab es in seiner Amtszeit, und wie ist es, sie als „Insider“ zu verfolgen? In welchem Zustand ist derzeit die brandenburgische Justiz? Warum dauern die Verfahren hier so lange? Und welche Folgen hat es, dass überall Richter und Staatsanwälte fehlen?
Am 10. Juli ist Dirk Ehlert zu Gast im „Antenne-Gespräch“. Im Studio ist Lisa Steger.
Ich bin gespannt, ob das Potsdamer Pillendienst-Verfahren und meine Kritik an den Zuständen (sic!) der Potsdamer Staatsanwaltschaft auch Thema des Gespräches sein wird.
Verteidigung des Rechtsstaats gegen Gefühle
Lorenz Maroldt spricht wahre Worte im Tagesspiegel Checkpoint:
Sowas hört und liest man viel zu selten in den Medien. Das mußte jetzt auch mal gesagt werden!
Professionelle Rechtswegerschöpfung im Wald
Im Zusammenhang mit der Beschwerde von Deniz Yücel hatte ich in einem Blogbeitrag vor übertriebenem Optimismus gewarnt. Und auf die Fallstricke hingewiesen, die das sogenannte Subsidiariätsprinzip (Art. 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG) über den Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht spannt.
Ein schönes Beispiel …
… dafür, daß selbst anerkannte Profis über diese Vorschrift stolpern können, zeigt der Beschluß der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgericht (BVerfG), vom 24. Mai 2017 – 2 BvQ 26/17.
Beschluß
Das Amtsgericht München hatte einen Durchsuchungsbeschluß erlassen, der die Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei anordnete. Die Ermittler haben dann anläßlich der Durchsuchung Unterlagen und Daten sichergestellt.
(Kein) Rechtsmittel
Gegen diese Sicherstellung hatte sich die Kanzlei (und parallel auch die Mandantschaft der Kanzlei – Az: 2 BvQ 27/17) zunächst beim Amtsgericht München gewehrt (analog § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO), ohne Erfolg. Die Beschwerde der Kanzlei gegen die Entscheidung des Amtsgerichts hatte das Landgericht noch nicht entschieden, für die Mandantschaft wurde diese Beschwerde gar nicht erst erhoben.
Das Ziel …
… nämlich die Verhinderung der Sichtung der sichergestellten bzw. beschlagnahmten Unterlagen und Daten durch die Staatsanwaltschaft, hat die Kanzlei dann mit einem Eilantrag auf eine einstweiligen Anordnung beim Bundesverfassungsgericht nach § 32 Abs. 1 BVerfGG zu erreichen versucht.
Hat nicht funktioniert, …
… weil die Möglichkeiten des fachgerichtlichen Eilrechtsschutzes nicht ausgeschöpft wurden. Zu früh geschossen also.
Auf die Beschwerde nach § 304 StPO hätte das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts aufheben können. Eine Beschwerde-Entscheidung gab es noch nicht (s.o.). Zudem – und da genau liegt der subsidiäre Hund begraben – hätte das Landgericht (aka: Beschwerdegericht) nach § 307 Abs. 2 StPO von Amts wegen oder auf Antrag die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung des Amtsgericht bis zur Entscheidung über die Beschwerde aussetzen können.
Einen solchen (Aussetzungs-)Antrag hat weder die Kanzlei noch deren Mandantschaft gestellt. Aus-die-Maus.
Keine Laien
Wenn man sich jetzt mal anschaut, durch wen sich die Kanzlei und deren Mandantschaft hat vertreten lassen, sieht man, daß es sich keineswegs um Debütanten oder strafprozessuale Amateure handelt. Die Verteidiger sind ernst zu nehmende Schwergewichte.
und
Nicht lustig
Es ist natürlich leicht, sich über so einen vermeintlichen Anfängerfehler lustig zu machen. Die beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zeigen aber einmal mehr, daß Verfassungsbeschwerden keine Kindergeburtstage sind.
Nota bene:
Selbst wenn die Verfassungsgeschwerden zulässig gewesen wären, hätte das nicht zwingend auch deren Begründetheit zur Folge gehabt. Nicht ohne Grund liegen die Erfolgsquoten insoweit bei unter 5% (in Worten: fünf Prozent). Der verfassungsrechtliche Wald versteckt sich nicht selten hinter den Bäumen.
Was hat das nun mit Deniz Yücel zu schaffen?
Und da schließt sich nun der Kreis zur Menschenrechtsbeschwerde von Deniz Yücel. Wenn schon das Bundesverfassungsgericht sich schwertut mit der Annahme von Beschwerden, wird das beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ganz bestimmt nicht einfacher sein.
Ich drücke Deniz Yücel und den anderen in der Türkei inhaftierten Journalisten dennoch sämtliche Daumen!
PS:
Eine Zusammenfassung der beiden Beschlüsse des BVerfG mit einem anderen Schwerpunkt hat Marc Chmielewski in der juve geschrieben.
Deniz Yücel vs. Türkei vor dem EGMR
Medienberichten zufolge hat der in der Türkei inhaftierte Journalist Deniz Yücel Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erhoben.
Yücel sitzt seit Februar 2017 in Untersuchungshaft; ihm wird vorgeworfen, Terrorpropaganda und Volksverhetzung betrieben zu haben.
Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Ok, teilte den Medien mit, die Beschwerde werde …
… von seinem Gegenstand her unter die Fälle gerechnet, die vom Gericht vorrangig behandelt werden und als solche in kürzest möglicher Zeit untersucht werden sollen.
Ich (aka: leidenschaftlicher Berufsoptimist) möchte an dieser Stelle vor zuviel unberechtigtem Optimismus warnen. Denn die Hürden für die Zulässigkeit einer solchen Individualbeschwerde (Art. 34 EMRK) sind nicht ohne, auch wenn Art. 35 Abs. 1 EMRK auf den ersten Blick einen recht überschaubaren Eindruck macht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte …
… kann sich mit einer Angelegenheit erst nach Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe […] befassen.
Mir sind die Rechtsbehelfe im türkischen Haftverfahren nicht bekannt. In der deutschen StPO gibt es beispielsweise die mündliche Haftprüfung, die Haftbeschwerde, die weitere Beschwerde und schließlich noch die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde. Vergleichbares dürfte auch in der Türkei geregelt sein.
Optimismus-Dämpfer Nr. 1
Deniz Yücel ist seit etwas mehr als 100 Tagen inhaftiert. Innerhalb einer solchen Zeitspanne das Haftverfahren und anschließend auch noch das Eilverfahren einer Verfassungsbeschwerde zu durchlaufen, ist schon in Deutschland ein Job für Fortgeschrittene.
Soweit mir bekannt ist, betreibt die türkische Justiz an allen möglichen Ecken das Gegenteil dessen, was man als Verfahrensbeschleunigung bezeichnen könnte. Will sagen: Diese sogenannte „Subsidiarität der Menschenrechtsbeschwerde“ nutzen die türkischen Justiziellen, um den Weg nach Straßburg mit reichlich Steinen zu versehen.
Die türkische Kollegin Fethiye Cetin berichtete auf der diesjährigen Mitgliederversammlung der Vereinigung Berliner Strafverteidiger unter vielem anderen von der Installation eines Bollwerks gegen Klagen zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Deswegen schließe ich allein aus dem Zeitablauf auf Probleme bei der Zulässigkeit der Beschwerde.
Optimismus-Dämpfer Nr. 2
Wer sich hier in Deutschland einmal näher mit den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer (deutschen) Verfassungsbeschwerde beschäftigt hat, weiß, welche ungeschriebenen Schwierigkeiten dieses auch dort geltende Subsidiaritätsprinzip (§ 90 Absatz II 1 BVerfGG) macht.
Der Rechtsweg ist nicht erst dann erschöpft, wenn alle formellen Rechtsbehelfe genutzt worden sind. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich allerlei informelle Rechtsbehelfe ausgedacht, um nicht zu früh in die Rechtsprechungskompetenz der ordentlichen Gerichte eingreifen zu müssen (und das ist auch gut so, wie ich meine).
Was sind nun diese informellen Rechtsbehelfe?
Das deutsche, teilweise ungeschriebene Prozeßrecht bietet da u.a. die Dienst-/Fachaufsichtsbeschwerde, Untätigkeitsbeschwerde, Gegenvorstellung, Anträge an die Staatsanwaltschaft und/oder das Gericht auf Einstellung des Verfahrens nach §§ 153, 153a, 154 und/oder 154a StPO … usw.. Es würde mich echt überraschen, wenn den türkischen Rechtsverdrehern ;-) nicht Vergleichbares eingefallen wäre.
Chancenlos?
Wir Juristen, besonders die Strafjuristen, haben es gelernt, so zu argumentieren, daß jedes(!) gewünschte Ergebnis als gesetzeskonform durchgeht. Auch und gerade in den Verfahrensvorschriften verlangen viele sogenannte unbestimmte Rechtsbegriffe eine Interpretation. Und das genau sind die Spielräume, innerhalb der sich nun auch die Richter beim EGMR bewegen werden.
Sind sie – wie ich – der Ansicht, daß Yücel „nur seinen Job“ als Journalist gemacht hat, als er über den Kurdenkonflikt und den Putschversuch vom Juli 2016 berichtete, und deswegen dafür nicht bestraft werden darf, werden die Richter seine Menschenrechtsbeschwerde als zulässig interpretieren. Wenn nicht, dann nicht. Ich bin gespannt, habe aber Hoffnung.
Nachwort:
Ich bin kein Verfassungs- oder Menschenrechtler, sondern Instanzverteidiger; Ergänzungen oder Korrekturen meiner Gedanken sind daher willkommen. Mit diesem Beitrag möchte ich gleichwohl auf die rechtliche Situation, in der sich Deniz Yücel befindet, aufmerksam machen, um damit zumindest für ein gewisses Verständnis des nun anstehenden Straßburger Verfahrens beizutragen.
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Bild: © Piratenpartei Deutschland
Öffentlichkeitsarbeit: So bitte nicht!
In den Anfängen meiner Tätigkeit als Strafverteidiger habe ich die Medienvertreter grundsätzlich vom Hof gejagt. Erst nachdem ich die eine oder andere gute Erfahrung mit Journalisten machen konnte, habe ich mich nach und nach umorientiert. Nicht ohne ein- oder zweimal in ein offenes Messer der Journaille gelaufen zu sein – glücklicherweise ohne damit meinen Mandanten geschadet haben.
Gelernt habe ich dabei, daß es nicht ganz so trivial ist, im Rahmen einer Strafverteidigung mit der Presse, dem Radio oder dem Fernsehen zu reden. Dabei denke ich nicht in erster Linie an die vorteilhafte Darstellung meiner Person (ja, auch Anwälte sind manchmal eitel).
Im Focus ;-) Mittelpunkt steht allein das Mandanteninteresse: Nützt es meinem Auftraggeber, wenn ich mit den Medien spreche? Wenn nicht, dann darf man allenfalls reden, ohne etwas zu sagen.
Zu diesem Problemkreis werden hilfreiche Bücher und/oder Fortbildungsveranstaltungen für Strafverteidiger (pdf) angeboten, deren Lektüre bzw. Besuch sehr sinnvoll ist.
Denn bei aller Kontakt- und Auskunftsfreude sollte das wichtigste Gut einer Mandanten-Anwalt-Beziehung nicht vergessen werden: Das Vertrauensverhältnis, das entscheidend auf der Vertraulichkeit und der Verschwiegenheit beruht. Nicht ohne Grund wird der Bruch des Berufsgeheimnisses berufsrechtlich (§ 43a BRAO, § 113 BRAO) und strafrechtlich (§ 203 StGB) geahndet. Unbedachtes Geschwätz kann also im Ernstfall durchaus die Lizenz kosten.
Sofern der Verteidiger weiß, wie es funktioniert, kann die Kontaktaufnahme mit – seriösen – Journalisten sehr hilfreich sein. Wer die Risiken kennt, kann die Chancen nutzen, die diese Wechselbeziehung bietet.
Wenn ich aber sowas hier in der Zeitung lese, stellen sich mir die Nackenhaare auf:
Litigation-PR ist ja eine feine Sache. Aber diese Zitate sind eher katastrophal – zuvörderst für den Beschuldigten und nicht zuletzt auch für den Rechtsanwalt, den ich nicht als „Strafverteidiger“ bezeichnet wissen möchte. So geht das nicht!
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Bild: © LaLuca / pixelio.de
Überflüssiger Reporter
Der Prozess beginnt mit einem bunten Strauß überflüssiger Befangenheitsanträge.
So überschreibt ein Glossenjournalist und für seine etwas anderen, schrägen Geschichten bekannter Reporter, unter anderem Gerichtsreporter seinen Beitrag in einer ansonsten seriösen, altehrwürdigen Tageszeitung. Es geht um den ersten Hauptverhandlungstermin in einer Umfangstrafsache.
Tags zuvor gab es die Schnellschüsse der bekannten Nachrichten-Agenturen und – selbstredend – einer Zeitung, die immer als erste mit den Toten spricht. Diese unrecherchierten und auf schiere Reproduktion des Gehörten reduzierten Kurzbeiträge gaben das Prozeßgeschen einigermaßen korrekt wieder, der BILD-Reporter in dem für dieses Medium bekannten Sprachstil. Das ist OK so.
Der faule Redakteur hingegen kramte irgendwas aus seiner Erinnerung, und bastelte sich den Rest dazu. Obwohl er sicherlich hinten auf der Galerie gesessen haben wird, hat er zum einen nicht zugehört und zum anderen das Nichtgehörte auch nicht verstanden.
In rund 3.000 Zeichen zeigt er, welchen katastrophalen Spuren ein prekäres Dasein als Glossenschreiber hinterlassen kann. Solche Hohlfiguren empfinden selbstverständlich Langeweile, wenn sie Vorträgen zuhören müssen, die aus mehr als nur zwei Sätzen bestehen.
Trotzdem weiß er:
Der erste Verhandlungstag vor dem Landgericht brachte nichts – bis auf drei Befangenheitsanträge seines Verteidigers,
Er kennt die Akten nicht, die Hintergründe für die Ablehnungsgesuch auch nicht. Er versteht nichts von den Spielregeln, die im Strafprozeß gelten und ist damit auch nicht imstande, den Sinn dieser Verfahrenseröffnung zu erfassen. Ok, das ist nicht jedem gegeben. Aber nicht jeder outet sich damit als Dilettant.
Aber in der Einschätzung der Qualität des Verteidigers hat er Chancen, die er zu nutzen weiß:
einer offenkundigen Dauerredner-Koryphäe, die eigens aus Berlin eingeflogen kam.
Und richtig stellt der prekariatäre Pleistozäneur dar:
es kam nicht einmal zu einer Verlesung der Anklage.
Was soll der arme Staatsanwalt auch machen, wenn der Vorsitzende wegen der Ablehnungsgesuche ihn nicht zum Vortrag auffordern darf. Aber das muß man als Gerichtsreporter diesen Niveaus ja auch nicht wissen.
Seinem Wortschwall konnte man entnehmen, daß er auch sonst wenig begriffen hat von dem, was er in den gut 60 Minuten Verhandlungsdauer gehört hat.
Erwähnenswert ist noch, daß mein einigermaßen freundlicher Kommentar mit einem Hilfsangebot an den Berichterstatter, die intellektuelle Mangelernährung, unter der er zu leiden scheint, zu kompensieren, nicht veröffentlicht wurde … obwohl ich mich den Mühen einer Disqus-Anmeldung unterzogen hatte:
Liebe Gerichtsreporter oder die, die es werden wollen. Ich beiße nicht! Ihr könnt mich gern ansprechen, wenn Ihr Fragen habt oder Hintergrundinformationen braucht, um gute und unabhängige Artikel zu produzieren. Und nicht so einen Müll.
Admiror, o paries, te non cecidesse ruinis, qui tot scriptorum taedia sustineas.
In diesem Sinne: Frohes Fest!
Big Data und die Wahlerfolge der Populisten
Wer sich fragt, was passiert ist, dort in Großbritannien mit dem Brexit und da in den USA mit dem Trump, findet in „Das Magazin“ vielleicht eine Erklärung.
«Das Magazin» ist eine wöchentliche Beilage vier renommierter Zeitungen in Schweiz. Unter der Überschrift „Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt“ liefern die beiden Journalisten Mikael Krogerus und Hannes Grassegger Hinweise auf ein Phänomen, mit dem sich hiesige Wahlkampfmanager unbedingt mal beschäftigen sollten.
Die vielen Versuche, die Wahlerfolge der Populisten in Great Britain, in den USA und in den deutschen Bundesländern zu erklären, übersehen die extrem effektiven Möglichkeiten, die das Internet und die sozialen Netzwerke liefern, um Einfluß auf richtungsweisende Entscheidungen zu nehmen. Wenn man weiß, wie es funktioniert.
Jeder, der nicht die letzten fünf Jahre auf dem Mond gelebt hat, kennt den Begriff «Big Data». Big Data bedeutet auch, dass alles, was wir treiben, ob im Netz oder ausserhalb, digitale Spuren hinterlässt. Jeder Einkauf mit der Karte, jede Google-Anfrage, jede Bewegung mit dem Handy in der Tasche, jeder Like wird gespeichert. Besonders jeder Like. Lange war nicht ganz klar, wozu diese Daten gut sein sollen – ausser dass in unserem Facebook-Feed Blutdrucksenker beworben werden, weil wir grad «Blutdruck senken» gegoogelt haben. Unklar war auch, ob Big Data eine grosse Gefahr oder ein grosser Gewinn für die Menschheit ist. Seit dem 9. November kennen wir die Antwort. Denn hinter Trumps Onlinewahlkampf und auch hinter der Brexit-Kampagne steckt ein und dieselbe Big-Data-Firma: Cambridge Analytica mit ihrem CEO Alexander Nix.
[Verlinkungen durch den Blogautor.]
So leiten Krogerus und Grassegger ihren lesenswerten Report ein. Es geht um Methoden der „Psychometrie“ bzw. „Psychografie“ und die sogenannte „Ocean-Methode“ und in welchem Zusammenhang sie mit den relativ harmlos erscheinenden Netzwerken wie Google und Facebook stehen.
Erschreckende Erkenntnisse, die hoffentlich zum Nachdenken anregen. Es ist eben nicht einfach eine ungefährliche Spielerei, wenn Facebook Werbung für Waschmittel ausliefert, weil man sich kurz zuvor bei Google oder Amazon Waschmaschinen angeschaut hat.
Auch wenn’s ein wenig dauert: Die Lektüre des Artikels der beiden Schweizer ist notwendig. Unbedingter Lesebefehl!
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Bild: © Lupo / pixelio.de