Medien

Krähentheorie widerlegt!

340745_web_R_by_Bernd_pixelio.deDas haben wir bereits in der Grundschule gelernt: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

Allein: Es stimmt nicht!

In einem sehr lesenswerten Artikel der Legal Tribune Online (lto) vom 25.07.2016 hackt die Krähe namens Mosbacher unter andem der Krähe namens Fischer gleich mehrere Augen aus.

Ein Krähenkampf in der professoralen Schwergewichtsklasse, immerhin richten beide Vögel am Bundesgerichtshof (siehe hier (Mosbacher) und hier (Fischer)).

Wenn ich nun den Ruf eines Orakels hätte, würde ich hier den künftigen Inhalt einer bekannte Rechtskolumnen der Zeit vorhersehen.

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Bild: © Bernd / pixelio.de

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Sehr geehrte Frau Anne Losensky

327959_web_R_K_B_by_Harald Wanetschka_pixelio.deVor etwas mehr als 2 Jahren hatte ich Ihnen, Frau Anne Losensky, schon einmal einen Brief geschrieben. Damals ging es um den Prozeß um „Jonny K.“, der geplatzt war.

Sie hatten am 6. Juni 2013 in der BZ über die Folgen für die Hinterbliebenen des Getöteten berichtet. Und zwar scheinheilig, unvollständig und wesentliche Informationen verschweigend.

Offenbar sind Sie eine von der Sorte, die entweder nichts dazu lernen möchten. Oder aber Sie hacken bewußt Falschmeldungen in die Tasten, um Stimmung zu machen. Jeweils aber auf Kosten anderer. Anders ist Ihr Bericht vom 13. Juni 2016 in der BZ nicht zu erklären.

Werner Siebers ist einer der Verteidiger in dem Verfahren gegen Mohamed „Momo“ A., das derzeit vor dem Landgericht Berlin verhandelt wird. Auch dieser Prozeß ist geplatzt. Und Sie berichteten am 13. Juni darüber.

Es paßt zu Ihrer scheinbaren Grundhaltung, einen „absurden Grund“ für den Fehlstart dieses Verfahren zu konstruieren. Ohne jede belastbare Information behaupteten Sie falsch und ins Blaue hinein, das Gericht habe keine Schöffen gefunden, die bereit gewesen wären, …

… an dem Prozess gegen das berüchtigte Mitglied einer arabischen Großfamilie teilzunehmen.

Das sei ein einmaliges Vorkommnis „in der Berliner Justizgeschichte„, behaupteten Sie. Als wenn Sie sich mit historischen Recherchen beschäftigen würden! Stimmungmache und Hetze, das scheinen Ihre Kompentenzfelder und Motive zu sein. Um damit den Kampf am Kiosk gewinnen zu können.

Nach Ihrem Bericht bedurfte es nur einer einzigen und kurzen Frage an einen der Prozeßbeteiligten, um den Unsinn, den Sie schrieben, als solchen zu entlarven. Von Druck auf die Schöffen konnte keine Rede sein. Grund war schlicht die Überlastung der Strafkammer und deren Geschäftsstelle: Eine zu späte Ladung der Schöffen führte zu deren Ausbleiben am ersten Verhandlungstag.

Der Verdacht liegt nahe, daß es Ihnen gar nicht darauf ankommt, einen sauber recherchierten Hintergrund zu schaffen, vor dem Sie einen Prozeßbericht schreiben. Statt dessen hacken Sie Erstunkenes, Erlogenes, Erfundenes und einfach Quatsch ins Gossenblatt, wie es Werner Siebers in seinem Blogbeitrag zutreffend darstellt.

Um Ihren Duktus aufzugreifen: Widerlich, was Sie da veranstalten! Sie sollten sich schämen, Frau Losensky!

Das hatte ich Ihnen bereits in meinem offenen Brief vom 7.Juni 2013 geschrieben. Ich habe es in diesen Beitrag kopiert. Denn das stimmt immer noch.

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Bild: © Harald Wanetschka / pixelio.de

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Weisheiten des Lebens: Heute aus Düsseldorf

Unser Nachbar verfügt über eine größere Menge an Lebenserfahrung. Eine solche hat er nun an uns weitergegeben.

Ein Ausschnitt aus dem Kölner Express vom 27. April 1982:

MannOhneKnast

Unter dieser Überschrift erstattete der Journalist Ulrich Lang vor 34 Jahren einen launigen Prozeßbericht:

MannOhneKnast2

So unterhaltsam kann Strafrecht sein. Jedenfalls im Rheinland.

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Ausschluß der Öffentlichkeit vor dem Schwurgericht?

758559_web_R_K_B_by_Dirk Maus_pixelio.deVor dem Potsdamer Landgericht findet zur Zeit die Hauptverhandlung gegen einen 33-jährigen Angeklagten statt, dem u.a. vorgeworfen wird, der „Mörder von Elias und Mohamed“ zu sein. Die Öffentlichkeit, insbesondere die Medien mit den großen Buchstaben, nimmt engagierten Anteil an dem Verfahrensauftakt.

Die Verteidigung hat nach Aufruf der Sache beantragt, die Öffentlichkeit für das gesamte Verfahren auszuschließen. Auch die Angehörigen der getöteten Kinder wollen die Medienvertreter nicht dabei haben, wenn über die Sache verhandelt wird – allerdings nur teilweise: Nur während der Anklageverlesung bzw. an einzelnen Tagen.

Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist unverzichtbarer Teil des fairen und rechtsstaatlichen Verfahrens. Einerseits. Aber auf der anderen Seite stehen die Persönlichkeitsrechte der Prozeßbeteiligten. Hier also die der Hinterbliebenen und die des Angeklagten.

Die Schwurgerichtskammer des Gerichts muß nun über die Anträge entscheiden und eine Abwägung treffen. Die Regeln dafür stehen im § 171b GVG:

Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (…) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde.

Dieser Ausschluß kann auf Antrag (der Verteidigung, der Zeugen …) oder von Amts wegen (also auf Initiative des Gerichts) erfolgen.

Wenn aber …

… das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt …

… darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden.

Das Gericht hat also zwischen zwei Übeln zu entscheiden: Entweder die Öffentlichkeit muß draußen bleiben oder der Angeklagte wird nackt ausgezogen an den Pranger gestellt und möglicherweise schmerzende Details des Tathergangs finden sich in Wort und Bild im Netz und in den übrigen Medien.

Zu einer soliden Verteidigung gehört es, bei dieser Art des Verfahren den „171b-Antrag“ zu stellen. Oder gewichtige Gründe zu haben, den Ausschluß der Öffentlichkeit nicht zu beantragen.

Übrigens – für angehende Revisonsrechtler: Die Rüge in der Revision, die Voraussetzungen des § 171b GVG hätten nicht vorgelegen und der Ausschluß sei zu Unrecht erfolgt, ist nicht zulässig (BGH, Beschluß vom 19. 12. 2006 – 1 StR 268/06; Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 171b GVG Rdnr. 25). Damit ist einem Vorwurf, der Antrag der Verteidigung sei in Hinblick auf § 338 Nr. 6 StPO eine „Revisionsfalle“ für die Strafkammer, der Boden entzogen.

Update:
Die Schwurgerichtskammer hat den Ausschluss der Öffentlichkeit abgelehnt.
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#UEFAEURO2016 und die Mordversuche der Russen

Von den Timelines auf Twitter darf man sicherlich nicht ausschließlich gut durchdachte Abhandlungen erwarten. Wer ein aber Mindestmaß an Qualitätsansprüchen hat, sucht sich daher Twitterer aus, von denen – neben guter Unterhaltung – erwarten kann, daß sie nicht nur Blödsinn schreiben.

Deswegen folge ich einem Journalisten der BILD Investigative Recherche („Alles mit Kriminalität„).

Kurz vor meinem Wechsel in die vollständige Horizontale gestern Abend machte er mich mit diesem Tweet nochmal wach:

Mordsversuch

Peter Rossberg war so freundlich, mir trotz meiner anfänglicher Unhöflichlichkeit („ich weiß, fällt ihnen schwer, aber Stichwort Kinderstube und das Wort ‚bitte’…„) den Link auf dieses Video zu schicken, damit ich mir selbst von den „Mordversuchen“ ein Bild machen konnte:

Am Ende liegt der etwas übergewichtig erscheinende Mann in der roten Turnhose reglos in der Ecke. Mangels entsprechender Sensationsberichterstattung in der BILD gehe ich mal davon aus, daß er überlebt hat. Deswegen kann es schonmal kein Mord sein, sondern allenfalls ein Versuch. So weit, so korrekt, der Tweet.

Schaut man sich jetzt aber mal die Merkmale des § 211 Abs. 2 StGB etwas genauer an, kommen die ersten Zweifel, ob sie in dieser Videoaufzeichnung wiederzufinden sind.

Möglich erscheint mir, daß der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB) durch „die Russen“ erfüllt ist: Die Tritte gegen den Kopf des Turnhosenträgers könnte man als eine Körperverletzung „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“ ansehen. Ganz sicher ist das aber auch nicht: Die schwarzen Jungs tragen scheinbar Turnschuhe und keine in Sachsen gängigen Springerstiefel mit Stahlkappen.

Der eine oder andere Jurastudent wird weitere Straftatbestände entdecken, die hier in Frage kommen könnten. Mir geht es um einen anderen Aspekt.

Was soll die Exklamation des Fußballfans der Offenbacher Kickers bedeuten? Wie lautet die Botschaft des Veranwortung für die politische Meinungsbildug tragenden Journalisten, wenn er schreibt:

Nichts anderes als Mordversuche der Russen.

Mit einem Blick auf das Strafmaß dessen, was Peter Rossberg proklamiert, wird es deutlich:

Für einen versuchten Mord (§§ 221, 23 StGB) gibt es (bis zu) lebenslange Freiheitsstrafe. Der Investigativtwitterer ist – im Übrigen: zu Recht – entsetzt über das Verhalten der Randalierer und fordert eine möglichst hohe Bestrafung. Und zwar die höchste, die wir haben (bedauert er diese Begrenzung nach oben?).

Denn für eine gefährliche Körperverletzung gibt es nach § 224 StGB „nur“ maximal 10 Jahre Freiheitsstrafe. Das reicht Peter Rossberg anscheinend nicht.

Selbstverständlich ist das Verhalten der Treter nicht akzeptabel, unter keinem Aspekt. Aber bevor ich – als Qualitätsjournalist – die höchste Bestrafung fordere, die unser System bereit hält, muß ich mir doch Gedanken machen, ob das alles noch zusammenpaßt.

Die Verfahren vor den Schwurgerichgtskammer der Landgerichte (wo Mord und Totschlag verhandelt werden) dauern stets lange Tage und erfordern viele Klimmzüge, bevor ein Mord i.S.d. § 211 StGB ausgeurteilt werden kann. Das weiß auch (und gerade) ein Investigativjournalist der BILD.

Und genau deswegen sei mir die Frage gestattet, wo der Unterschied besteht zwischen „Nichts anderes als Mordversuche der Russen!“ einerseits und „Todesstrafe für Kinderschänder!“ andererseits? Die Gemeinsamkeit dieser Forderungen könnte in der Rechtsstaatsferne oder in der mangelnden Bildung des Proklamanten bestehen. Mit verantwortlicher Berichterstattung („rein privat ist hier gar nichts„) hat das jedenfalls nichts zu tun.

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Jan Böhmermann, Ralf Höcker und Dieter Nuhr

Ich frage mich, ob Herr Prof. Dr. Ralf Höcker, LL.M. (IP) (London) seine Medikamente (und gegebenenfalls welche) trotz ärztlicher Verordnung nicht eingenommen hat. Jedenfalls gibt mir seine (mutmaßliche) Stellungnahme (die des Medienrechtlers, nicht die seines Mediziners) gegenüber einem einem Kölner Proletenblatt Anlaß, an seiner Steuerungsfähigkeit (Höckers, nicht des Arztes) zu zweifeln.

In diesem – nicht zitierfähigen – Aufsatz zieht der expressive Medienrechtler einmal mehr Rückschlüsse in einem Rechtsgebiet, von dem er genauso viel Ahnung zu haben scheint, wie die Durchschnittsleser dieses vermeintlichen Presseorgans.

Der Zivilist Höcker begrüße die Entscheidung des Landgerichts Hamburg, die dem Satiriker Jan Böhmermann die rot markierten Teile (pdf) eines …

… Gedichts gegen Erdogan per einstweiliger Verfügung untersagt.

Sich gegenüber einer solchen Zeitung zu dieser Stellungnahme bewegen und (in dieser grammatisch und inhaltlich höchst engagierten Form) zitieren zu lassen, zeigt schon einiges von dem Niveau, auf dem sich der vom JUVE-Handbuch 2015 als einer der führenden deutschen Presserechtsanwälte bezeichnete RTL-Talkmaster a.D. bewegt. Der Inhalt dieser Stellungnahme hebt das Niveau aber auch nicht:

Höcker

Daß der Prozeßbevollmächtigte des türkischen Erdogan, der Präsident, dieser nicht rechtskräftigen Entscheidung eines für solche Kapriolen sogar unter Strafverteidigern bekannten hanseatischen Gerichts die Hand zum Gruße reicht, kann ich nachvollziehen. Sein Bruder im Geiste, Rechtsanwalt Michael-Hubertus von Sprenger, ist ja auch „sehr beglückt über die gute Rechtsprechung in Deutschland“.

Ich freue mich aber, daß es nicht der Kölner Rechtsirrtumslexikumsautor ist, der die Entscheidung über die Strafbarkeit eines Fernsehvortrags entscheidet. Sondern erst einmal eine Staatsanwaltschaft ermittelt und, nach einer sorgsamen strafrechtlichen Prüfung, dann vielleicht Anklage erhebt. Erst danach kann sich eine erneute Prüfung durch ein oder mehrere Gerichte anschließen. Und dann, erst dann, lieber Kollege Dr. Höcker, kann man einigermaßen sicher ein, ob und gegebenenfalls welche strafrechtliche Konsequenzen der Vortrag des Gedichts für Jan Böhmermann hat.

Bis dahin halte ich mich, auch nach fast 20 Jahren Erfahrung mit Strafverteidungen, mit einer verbindlichen Stellungnahme zur Strafrechtsrelevanz der Vorlesung bescheiden zurück.

Und vor Allem:
Ich sage auch nichts zu medien- und presserechtlichen Problemen. Denn davon habe ich schlicht keine Ahnung. Grüßen Sie Herr Dieter Nuhr von mir, Herr Kollege.

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Pöbeln ist auch ein Menschenrecht

Der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts hat am 10. März 2016 beschlossen:

Meinungsfreiheit schützt auch emotionalisierte Äußerungen

Dies geht aus der Pressemitteilung Nr. 21/2016 vom 29. April 2016 harvor.

Die Meinungsfreiheit umfasst auch die Freiheit, ein Geschehen subjektiv und sogar emotionalisiert darzustellen, insbesondere als Erwiderung auf einen unmittelbar vorangegangenen Angriff auf die Ehre, der gleichfalls in emotionalisierender Weise erfolgt ist. Dies hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts in einem heute veröffentlichten Beschluss entschieden. Damit gab sie der Verfassungsbeschwerde einer Beschwerdeführerin statt, die sich gegen eine zivilgerichtliche Unterlassungsverurteilung gewandt hatte.

Sachverhalt:

Der Kläger des Ausgangsverfahrens war mit der Beschwerdeführerin liiert, bis sie ihn Anfang des Jahres 2010 wegen Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung anzeigte. Im darauf folgenden Strafprozess vor dem Landgericht wurde der Kläger freigesprochen, da ihm eine Straftat nicht nachgewiesen werden konnte. Am Tag des Freispruchs sowie am Tag darauf äußerten sich die Anwälte des Klägers in Fernsehsendungen über die Beschwerdeführerin. Etwa eine Woche nach der Verkündung des freisprechenden Urteils erschien zudem ein Interview mit dem Kläger, in dem er über die Beschwerdeführerin sprach. Daraufhin gab auch die Beschwerdeführerin ein Interview, das eine Woche nach der Veröffentlichung des Interviews mit dem Kläger erschien.

In der Folgezeit begehrte der Kläger von der Beschwerdeführerin die Unterlassung mehrerer Äußerungen, die sie im Rahmen dieses Interviews getätigt hatte. Das Landgericht verurteilte die Beschwerdeführerin antragsgemäß. Die Berufung zum Oberlandesgericht und die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof blieben ohne Erfolg.

Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen alle drei Entscheidungen und rügt im Wesentlichen die Verletzung ihrer Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG).

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrer Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

1. Die Urteile des Landgerichts und des Oberlandesgerichts berühren den Schutzbereich der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin. Die Einordnung der Äußerungen als Werturteile und Tatsachenbehauptungen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Tatsachenbehauptungen sind nicht erwiesen unwahr. Im Strafverfahren konnte nicht geklärt werden, ob die Angaben der Beschwerdeführerin oder die des Klägers der Wahrheit entsprechen. Nach dem Freispruch des Klägers stellen sich deshalb die verschiedenen Wahrnehmungen als subjektive Bewertungen eines nicht aufklärbaren Geschehens dar, die nicht als Tatsachenbehauptungen, sondern als Meinungen zu behandeln sind.

2. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin. Die Untersagung der streitgegenständlichen Äußerungen bewegt sich nicht mehr im fachgerichtlichen Wertungsrahmen.

a) Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als subjektive Freiheit des unmittelbaren Ausdrucks der menschlichen Persönlichkeit ein grundlegendes Menschenrecht. Sie umfasst nicht zuletzt die Freiheit, die persönliche Wahrnehmung von Ungerechtigkeiten in subjektiver Emotionalität in die Welt zu tragen. Dabei kann insbesondere bei Vorliegen eines unmittelbar vorangegangenen Angriffs auf die Ehre eine diesem Angriff entsprechende, ähnlich wirkende Erwiderung gerechtfertigt sein. Wer im öffentlichen Meinungskampf zu einem abwertenden Urteil Anlass gegeben hat, muss eine scharfe Reaktion auch dann hinnehmen, wenn sie das persönliche Ansehen mindert.

b) Die angegriffenen Entscheidungen genügen diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht. Zwar haben die Gerichte zutreffend einerseits das große Informationsinteresse der Öffentlichkeit und andererseits den Freispruch berücksichtigt, der dazu führt, dass die schweren Vorwürfe, die Gegenstand des Strafverfahrens waren, nicht unbegrenzt wiederholt werden dürfen. Auch haben sie berücksichtigt, wieweit die Äußerungen sich auf öffentliche Angelegenheiten bezogen.

Indem die Gerichte davon ausgingen, dass sich die Beschwerdeführerin auf eine sachliche Wiedergabe der wesentlichen Fakten zu beschränken habe, und hierfür auf das öffentliche Informationsinteresse abstellen, verkennen sie die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auch unabhängig von einem solchen Interesse geschützte Freiheit, ein Geschehen subjektiv und sogar emotionalisiert zu bewerten. Zugleich übersieht diese Sichtweise das öffentliche Interesse an einer Diskussion der Konsequenzen und Härten, die ein rechtsstaatliches Strafprozessrecht aus Sicht möglicher Opfer haben kann. Zu Gunsten der Beschwerdeführerin war in die Abwägung zudem einzustellen, dass sie sich in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu dem (noch nicht rechtskräftigen) Freispruch äußerte und lediglich wiederholte, was der Öffentlichkeit aufgrund der umfänglichen Berichterstattung zu dem Strafverfahren bereits bekannt war. Die Gerichte haben überdies das vorangegangene Verhalten des Klägers nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt. Der Beschwerdeführerin steht ein „Recht auf Gegenschlag“ zu und dabei ist sie nicht auf eine sachliche, am Interview des Klägers orientierte Erwiderung beschränkt, weil auch der Kläger und seine Anwälte sich nicht sachlich, sondern gleichfalls in emotionalisierender Weise äußerten. Der Kläger, der auf diese Weise an die Öffentlichkeit trat, muss eine entsprechende Reaktion der Beschwerdeführerin hinnehmen.

Ich hoffe, daß diese Entscheidung des BVerG (Beschluss vom 10. März 2016, 1 BvR 2844/13) jetzt keinen negativen Einfluß auf das derzeit schöne Wetter in Kreuzberg hat.

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Ein paar Fragen zu „Amtsgericht-bestraft-Helfer“

595772_web_R_B_by_Rainer Sturm_pixelio.deIn den letzten Tagen war wieder einmal ein gehetztes Borstentier im medialen Dorf unterwegs.

Ich beziehe mich auf den Artikel von Tim Höhn in der Stuttgarter Zeitung (StZ) vom 12. März 2016. Der Journalist berichtet einigermaßen sicher über den Sachverhalt; seine Bewertung macht aber aus professioneller Sicht ein paar Anmerkungen notwendig.

Zunächst einmal:
Es geht hier nicht um Notwehr, sondern um Nothilfe. Aber das ist eigentlich nicht entscheidend.

Das dem Fall zugrunde liegende Problem ist ein Klassiker: Es stellt sich die Frage nach der „Gegenwärtigkeit“ des Angriffs. Diese Voraussetzung muß sowohl bei der Notwehr (§ 32 Abs.2 Var.1 StGB), als auch bei der Nothilfe (§ 32 Abs.2 Var.2 StGB) gegeben sein.

Nur wenn der rechtswidrige Angriff noch andauert, kann eine Notwehr-/Nothilfe-Tat gerechtfertigt und damit straflos sein.

Die Richterin stand also vor dem Problem, das Gewusel des Vorfalls auseinander dröseln zu müssen. Nach einer wohl umfangreichen (und – so wie es sich liest – nicht emotionslosen) Beweisaufnahme ist sie zu dem Ergebnis gekommen:

Es hat eine Zäsur stattgefunden.
Der eigentliche Angriff, bei dem der Angeklagte helfen wollte, war – für die Richterin – beendet. Damit dauerte – aus Sicht der Richterin – der Angriff nicht mehr an, er war nicht mehr gegenwärtig und damit lagen die Voraussetzungen des § 34 StGB nicht mehr vor. Aus die Maus.

All diejenigen, die jetzt darüber diskutieren, waren in der Gerichtsverhandlung nicht anwesend und konnten sich kein Bild von den (glaubhaften?) Aussagen der (glaubwürdigen?) Zeugen machen. Auch die notwendigen Aktenkenntnisse fehlen.

  • Sollte man sich dann nicht mit einer Bewertung dieser Entscheidung zurückhalten?

Und noch eine sehr schwierige Frage stellt sich:
Darf eine Richterin – die unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen ist, Art. 97 GG – sich von den gesellschaftlichen Folgen ihrer Entscheidung beeinflussen lassen? Das von diesem Urteil ausgehende Signal ist für einen couragierten Nothelfer ganz bestimmt nicht hilfreich.

  • Also lieber gegen das Gesetz entscheiden, wenn Volkes Seele sonst das Kochen anfängt?

Der Fall hat aber noch weitere Besonderheiten.
Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben und dem „Helfer“ darin eine gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Am Ende der Beweisaufnahme beantragt der Sitzungsvertreter der Anklagebehörde einen Freispruch. Das ist ganz sicher nicht die Regel. Tim Höhn beschreibt das Phänomen in seinem Artikel vom 11. Februar 2016 in der StZ so:

Dass ein Gericht eine Strafe verhängt, nachdem die Staatsanwaltschaft Freispruch gefordert hat, ist eine Seltenheit. Wie es überhaupt selten vorkommt, dass die Anklagebehörde sich derart weit von der Anklage distanziert – weil damit immer das Eingeständnis verbunden ist, dass bei den Ermittlungen Fehler gemacht wurden.

Das ist erstens richtig und zweitens falsch.
Der von der Staatsanwaltschaft beantragte Freispruch hat eher den Charakter einer totalen Sonnenfinsternis auf dem Kreuzberg; zutreffend, das kommt nur alle 375 Jahre mal vor.

Aber ein Fehlereingeständnis?
Nein, einfach nur eine am Gesetz (§ 160 Abs. 2 StPO) orientierte Entscheidung. Wenn sich vor Gericht der Verdacht(!), der der Anklage zugrunde liegt, in der Beweisaufnahme nicht bestätigt, muß auch der bissigste Terrier der Staatsanwaltschaft den Freispruch beantragen.

Darf die das?
Staatsanwaltschaft und Verteidigung haben den Freispruch beantragt. Darf die Richterin dann trotzdem verurteilen? Auch hier hilft der Blick ins Gesetz, und zwar in dasselbe, das einem Richter hilft, sich gegen das gesunde Volksempfinden zu stellen: Art. 97 Abs. 1 GG und § 261 StPO. Wäre auch noch schöner, wenn das Gericht nach der Pfeife der Staatsanwaltschaft tanzen müßte. ;-)

Schwer verständlich,
aber zulässig ist das Verhalten der Staatsanwaltschaft dann in der Woche nach dem Urteil. Obwohl der in der Beweisaufnahme anwesende Staatsanwalt den Freispruch wollte, legt seine Behörde – also derjenige, der auf der Hühnerleiter weiter oben sitzt – ein Rechtsmittel gegen das Urteil ein. Und zwar mit dem Ziel, den Verurteilten noch härter zu bestrafen.

Auf den Punkt gebracht
Um eine solche Konstellation einem strafrechtlich unbedarften Mandanten zu verständlich zu machen, braucht ein Strafverteidiger Engelszungen:

  • Die Staatsanwaltschaft beantragt Freispruch,
  • das Gericht verurteilt dennoch wegen einer fahrlässigen Körperverletzung,
  • die Staatsanwaltschaft geht ins Rechtsmittel und
  • strebt die Verurteilung wegen vorsätzlicher gefährlicher Körperverletzung.

Also:
Das Verfahren vor dem Amtsgericht Ludwigsburg ist unter reichlich Gesichtspunkten eine hoch spannende Geschichte. Wenn da nur nicht ein Mensch beteiligt wäre, der deswegen bereits in Untersuchungshaft gesessen hat und dessen gesamte wirtschaftliche Existenz vom Ausgang dieses Strafverfahrens abhängt. Aber er muß eben Opfer bringen, damit die Strafjustiz auch in außergewöhnlichen Fällen ihre Funktionsfähigkeit unter Beweis stellen kann. Nicht wahr? Oder??

Conclusio

    Eingehüllt in feuchte Tücher,
    prüft man die Gesetzesbücher
    und ist alsobald im klaren:
    Strafrecht ist ganz schön verfahren.

Aber das bisschen Strafrecht macht man ja gern mal nebenher.

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Gedicht frei nach Christian Morgenstern .

Bild: © Rainer Sturm / pixelio.de

Besten Dank an Maximilian G. für den Anstupser zu diesem Beitrag.

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Adblock Plus: Für ein Web ohne Springer!

Auch das Landgericht Köln hat nun mit Urteil vom 29.September 2015 (Az.: 22 O 132/14) entschieden, daß Springer keinen Unterlassungsanspruch gegen den Werbeblocker Adblock Plus hat.

Wie die Kanzlei Dr. Bahr berichtete, schließt sich das LG Köln …

… damit den bisherigen Urteilen anderer Gerichte in dieser Angelegenheit an: Zeit.de war mit seiner Klage gegen AdBlock Plus vor dem LG Hamburg (Urt. v. 21.04.2015 – Az.: 416 HKO 159/14) gescheitert. RTL war in München erfolglos (LG München I, Urt. v. 27.05.2015 – Az.: 37 O 11843/14), ProSiebenSat.1 ebenfalls (LG München I, Urt. v. 27.05.2015 – Az.: 37 O 11673/14).

Ich bin erleichtert, daß ich dieses wunderbare Plugin auch künftig für gegen den Werbe-Müll von der Nordseite der Kreuzberger Rudi-Dutschke-Straße nutzen kann.

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Vertrauen Sie Beck?

Mal eben was zum Thema „Vereiteln der Zwangsvollstreckung“ nachschlagen. Und dann das hier:

VertraueninBeck

Kann man dem Verlag noch vertrauen? Ist die Kommentarliteratur aus dem Hause Beck noch zuverlässig?

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