Ordnungswidrigkeiten

Freispruch für alle Temposünder

Ein Richter aus dem westfälischen Herford spricht seit vergangener Woche jeden Temposünder frei. Der Verkehrsjurist Helmut Knöner vermutet Geldschneiderei als Motiv der Radarfallen.

berichtete heute GMX.net.

Die Argumentation des Richters, wenn sie denn zutreffend dargestellt wird, ist interessant:

Städte und Gemeinden verdienten mit den Blitzanlagen viel Geld. „Viele spüren den Druck der leeren Kassen“, sagte Knöner. Um Geldschneiderei auszuschließen, müsse aber klar geregelt werden, aus welchen Gründen Radarfallen eingesetzt würden. „Es muss eine Kontrolle stattfinden. Mir fehlen konkrete gesetzliche Regeln.“

Das hört sich nachvollziehbar an. Aber daß bis zu einer gesetzlichen Regelung überhaupt nicht mehr gemessen werden darf, halte ich schon für ein wenig gewagt.

Ich schau mal, ob wir eine Ausfertigung einer solchen Entscheidung bekommen.

Danke an Rechtsanwalt Tobias Glienke für den Hinweis.

5 Kommentare

Post aus der Schweiz

Als bekennender Fan der europäischen Oase freue ich mich grundsätzlich über jede Post von dort. Schließlich sind die Schweizer und die Siegerländer, beide als kämpferisches Bergvölkchen bekannt, traditionell eng miteinander befreundet. Nur die Blauäugigkeit der rot-weißen Bergbewohner ist manchmal ein wenig irritierend.

Da ist nun angeblich ein VW zu schnell durch das Baselland gefahren. Behauptet jedenfalls die Verkehrsaufsicht 3:

Für diese Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 km/h auf einer Landstraße werden nun mal eben 188,97 Euro liquidiert. Ganz schön heftig, was da aufgerufen wird.

Und das in einem schlicht gehaltenen Anschreiben; immerhin aber gleich ein Überweisungsvordruck mit auf der einzigen(!) Seite. Wenn man sich dagegen einmal einen guten deutschen Bußgeldbescheid anschaut, was da so alles drin steht! Dann dieses Zettelchen aus der Schweiz. Ich muß schon sagen, es gibt doch ziemlich unterschiedliche Anforderungen an ein Bußgeldverfahren, diesseits und jenseits der Berge.

Nun glaube ich aber nicht, daß ich unserer Mandantschaft dazu raten werde, einfach mal so die Hälfte eines Hartz-IV-Monatseinkommens in die Schweiz zu verfrachten. Schauen wir mal, wie das Bezirksstatthalteramt Liestal auf unsere freundlichen Standard-Textbausteine reagiert.

Eines aber muß man den Eidgenossen lassen: Die Androhung empfindlicher Übel, die etwas weiter nördlich zum guten üblichen Ton gehört, findet man auf dem sehr zurückhaltend formulierten Schreiben nicht. Und das ist doch mal wieder ein Grund mehr, die Käse- und Schokoladenfabrikanten sympathisch zu finden.

12 Kommentare

Weitere Ermittlungen

Aus einem Anhörungsbogen in einer Bußgeldsache:

Bitte senden Sie den Fragebogen innerhalb einer Woche nach Zugang dieses Schreibens an die oben genannte Dienststelle zurück, selbst wenn sie von Ihrem Zeugnis-/Aussageverweisungerungsrecht Gebrauch machen. Sie vermeiden dadurch weitere Ermittlungen.

Ja und? Solange der Mandant nicht selbst ermitteln muß, dürfte ihm das gleichgültig sein, ob die oben genannte Dienststelle nun weiter ermittelt oder nicht.

5 Kommentare

Doch keine Zivilstreife

Angebliche Zivilbeamte hielten mit einer Kelle aus einem Fahrzeug heraus einen Autofahrer an. Der 36-Jährige wurde aufgefordert, seine Papiere zu zeigen und stieg aus dem Wagen aus. In diesem Moment setzte sich einer der unbekannten Täter in das Auto des Mannes und fuhr davon. Gleichzeitig verschwand das zweite Fahrzeug.

Quelle: Tagesspiegel

Eine interessante Argumentationshilfe im Zusammenhang mit einer Verteidigung gegen den Vorwurf (§ 49 III 1 StVO)

entgegen § 36 Abs. 1 bis 4 ein Zeichen oder eine Weisung oder entgegen Abs. 5 Satz 4 ein Haltgebot oder eine Anweisung eines Polizeibeamten nicht befolgt, …

… zu haben.

4 Kommentare

Pieks

Es ging um ein paar kleine Mängel an einem Transporter. Der Mandant wurde mit dem Auto auf dem Weg zur Werkstatt angehalten, der Wagen trotz Nachweis des Werkstatt-Termins sichergestellt und begutachtet. Am Ende stand ein Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße von über 200 Euro.

Eigentlich waren die Sachen (Scheinwerferreflektor leicht angerostet; rechter Außenspiegel oben rechts eine briefmarkengroße blinde Stelle; eine von zwei Kennzeichenbeleuchtungen defekt, Ölnebel am Getriebegehäuse) ein Verwarnungsgeld wert, mehr aber nicht.

Der Richter wollte aber nicht. Allen Ernstes behauptet er doch, daß auch ein defektes Polster des Fahrersitzes ein sicherheitsrelevanter Sachmangel wäre:

Wenn da was durchpiekst, ist der Fahrer abgelenkt und es kann zum Unfall kommen.

Ich hatte Mühe, auf dieses „Argument“ nicht zu erwidern. Wenigstens hat er die Geldbuße auf unter 200 Euro reduziert.

11 Kommentare

Schwarzblitzer im Britzer Tunnel

In Britz blitzt es bald unsichtbar. Am Montag beginnt in Berlins längsten Autobahntunnel die Montage von zwölf so genannten Schwarz-Blitzern. Voraussichtlich Ende April soll die Anlage in Betrieb gehen, wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am Sonnabend bestätigte.

berichtet die Berliner Morgenpost.

Spannend finde ich diesen Hinweis:

Anders als bei Radar-Überwachungen in Deutschland üblich, wird im Tunnel Britz auch von hinten fotografiert. Damit können erstmals auch Motorradfahrer zur Kasse gebeten werden.

Wenn dann kein zweites Foto von vorn geschossen wird, gibt das aber nichts mit der Ermittlung des Motorrad- und Auto-Fahrers, wenn der über das Kennzeichen ermittelte Halter ihn nicht verrät. Dann sind wir maximal wieder beim stumpfen Schwert namens Fahrtenbuchauflage. Damit schreckt man aber allenfalls die Sensibelchen unter den Verkehrsteilnehmern ab. Ernsthafte Fahrer schreiben lieber als daß sie laufen.

Ich freue mich auf die neuen Mandate … ;-)

23 Kommentare

Es lohnt sich …

… für die Stadt Bielefeld und für betroffene Fahrer.

Die Westfälischen Nachrichten (WN) wärmen das Thema „Blitzer am Bielefelder Berg“ noch einmal auf und liefern Zahlen:

Pro Woche fotografierte die Anlage in ihren besten Zeiten 4000 Fahrer. Das sind im Schnitt 571 am Tag, 23 in der Stunde, alle drei Minuten eine Aufnahme.

Mit der Bearbeitung der eingeleiteten Bußgeldverfahren seien 27 Juristen beschäftigt, berichten die WN. Es rechne sich:

Im Schnitt rechnet die Stadt Bielefeld mit 100 Euro pro Bescheid. Das bedeutet rund 10 Millionen Euro Einnahmen. Zieht Schlüter die Personalkosten, Büroräume und Sachkosten ab, dann bleiben unterm Strich sieben Millionen Euro an Einnahmen – in einem Jahr.

Die Installationskosten für die Meßeinrichtung dürften sich in kürzester Zeit amortisiert haben. Aber auch für einen Geblitzten Betroffenen kann es sich lohnen, einen etwaigen Bußgeldbescheid prüfen zu lassen:

Aus den 283 917 Fotos wurden rund 100 000 Bußgeldbescheid. Die anderen sind technisch nicht okay, von Ausländern, die deutsche Ordnungsbehörden nicht verfolgen können, oder aus anderen Gründen nicht zu gebrauchen.

Über den dicken Daumen bedeuten diese Zahlen: Zwei Drittel der Messungen sind nicht verwertbar. Ob die 27 Aschenputtel Juristen tatsächlich immer die „richtigen“ Messungen aussortieren und in’s Kröpfchen werfen? Da wäre ich mir nicht so sicher wie der Herr Schmidt.

Einspruch, Akteneinsicht, Prüfung sind die Möglichkeiten, die der Gesetzgeber für die Betroffenen installiert hat. Und in den meisten Fällen hilft’s, einmal genauer hinzuschauen.

WN-Artikel gefunden bei LexisNexis.

8 Kommentare

Ordnung muß sein – in Gifhorn

Tolle Geschäfts-Idee: Erst die Gebühren für die Straßenreiniung kassieren, dann die Straßen nicht freiräumen und statt dessen Knöllchen verteilen an diejenigen, die wegen der unterlassenen Schneeräumung Probleme haben, ihr Auto abzustellen.

Ich kann da nur zum zivilen Ungehorsam aufrufen: Das Verwarnungsgeld massenhaft nicht bezahlen, dann massenhaft ins Bußgeldverfahren einsteigen und schießlich massenhaft vor das Amtsgericht Gifhorn ziehen, damit der dort zuständige Richter in umfangreichen Beweisaufnahmen den Sachverhalt unter Zuhilfenahme kundiger Sachverständiger den Fall entscheiden kann.

Videoclip gefunden bei Rechtsanwältin Kerstin Rueber.

10 Kommentare

Teures Telefonat

Den Vogel abgeschossen hat ein uns nicht ganz unbekannter Mandant. Man will ihn beim Telefonieren während der Fahrt erwischt haben.

Die Regelbuße dafür beträgt 40 Euro. Er hat jetzt eine Rechnung bekommen, in der die Kosten für dieses Telefonat wegen „Voreintragungen im Verkehrszentralregister… bußgelderhöhend berücksichtigt wurden“.

Für diese 190 Euro hätte er sich eine ganze Telefonzelle kaufen können. Mal sehen, was das Amtsgericht daraus macht.

10 Kommentare

Spritmangel

Für zwei Autodiebe war die Fahrt gestern Abend in Charlottenburg beendet. Nachdem den Männern im Alter von 22 Jahren gegen 19 Uhr 45 auf der BAB 100 am Rathenautunnel das Benzin im gestohlenen „BMW“ ausgegangen war, blieben sie mit dem Fahrzeug liegen. Beamte des Polizeiabschnitts 25 nahmen kurz darauf das Duo fest. Ein 42-jähriger Mann hatte bereits vorgestern den Diebstahl seines Fahrzeuges bei der Polizei angezeigt. Bei der Durchsuchung des Autos fanden die Beamten eine Schreckschusswaffe, die beschlagnahmt wurde. Da der Fahrer keinen gültigen Führerschein besaß, wird gegen ihn auch wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis ermittelt. Die Diebe wurden im Anschluss der Kriminalpolizei überstellt.

Quelle: Pressemeldung der Polizei Berlin

Eine Frage an die Jura-Studenten: Haben die „Autodiebe“ auch einen Verstoß gegen das Gebot begangen, nur mit ausreichender Tankfüllung auf die Autobahn zu fahren? Oder anders gefragt: Obliegt es einem Dieb, sich vor Antritt der Fahrt um den Treibstoffvorrat zu kümmern? Oder reicht es aus, einfach nur doof zu sein.

8 Kommentare