Ordnungswidrigkeitenrecht

Massenhaft Knöllchen in Berlin

Blitzer an der BundesalleeWir kennen sie alle: Die Blitzer, die an 14 Stellen der Hauptstadt den Fahrzeugverkehr beobachten. Mehr als eine Viertelmillion Mal (250.000) hat es in 2015 unangenehme Photos gegeben, die der Herr Polizeipräsident den Auto- und manchmal auch den Motorradfahrern geschickt hat.

Es gibt auch ein Ranking zwischen den festinstallierten Meßgeräten, berichtet der Berliner Tagesspiegel.

  1. Im Blitzer Britzer Tunnel (A100) hat der Schwarzblitzer fast 300 mal täglich gezuckt.
  2. Am Siemensdamm, kurz vor dem Jakob-Kaiser-Platz, gab es immerhin noch 120 freundliche Frontphotos pro Tag.
  3. Die Bronzemedaille geht an die Säule in der Schildhornstraße, dort druckte der PolPräs 75 mal das wenig beliebte Ticket.

Auch wenn man genau weiß, wo diese Dinger stehen, passiert es selbst ortskundigen Fahrern immer mal wieder, an ihnen vorbei zu semmeln. Das nachfolgende Bußgeld-Verfahren läuft dann größtenteils automatisiert ab.

Man kann dann ebenso automatisch ins Portemonnaie greifen und zahlen – solange mit dem Bußgeld keine Punkte ins Flensburger Register oder gar ein Fahrverbot verbunden sind. Spätestens dann tut’s weh und es ist sinnvoll, sich die Sache genauer anzuschauen.

  • Steht wirklich fest, wer gefahren ist?
  • War die Technik der Geräte in Ordnung?
  • Sind die Verfahrensvorschriften eingehalten worden?
  • Kann man mit Einsicht und Reue die Standard-Folgen abmildern?

Alles Fragen, die nicht einfach zu beantworten sind. Und dann gibt es noch den Richter, bei dem man – ähnlich wie bei einem Betrunkenen – nie vorhersagen kann, in welche Richtung er torkelt. Was es sonst noch für Möglichkeiten gibt, steht hier.

Und schaden kann’s auch nicht, denn schlimmer als im Bußgeldbescheid vorgesehen, kann es eigentlich nicht werden. Solange der Verteidiger ein bisschen Routine hat und aufpaßt. Und wenn ein Routinier am Werk ist, gibt es immer mal wieder positive Überraschungen.

Versuch macht kluch, diese Lebensweisheit gilt auch und gerade im Bußgeldrecht.

Nebenbei:
Wer meint, er brauche in Bußgeldsachen keinen Verteidiger, oder wer sich keinen leisten möchte – der kann sich ja mal zu unserem kostenlosen eMail-Kurs anmelden: Selbstverteidigung in Bußgeldsachen. Mit ein bisschen Glück geht’s auch ohne Verteidiger.

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Bild: Sebastian RittauEigenes Werk, CC-BY 4.0

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Pingelig oder arrogant?

Der Halterin eines PKW wurde gem. § 163a StPO eine Zurlastlegung mitgeteilt: „Ihnen wird zur Last gelegt, zu schnell unterwegs gewesen zu sein.

Nach umfangreichen, zweimonatelangen und intensiven Ermittlungen konnte die Behörde mit tatkräftiger Unterstützung durch sachkundige Inaugenscheinnehmer und nach einer kunstgerechten Verteidigungsschrift des erfahrenen Fachanwalts für Verkehrsrecht feststellen:

Der bärtige, bebrillte Fahrer, den das Meßfoto hinterm Lenkrad abbildete, hatte nur wenig Ähnlichkeit mit der Halterin; mit großer Wahrscheinlichkeit konnte deswegen dieser Fahrer nicht die Betroffene sein.

Dann ging es recht flott:
Binnen zweier weiterer Wochen, in denen das Verfahren von einem Schreibtisch zum nächsten getragen wurde, bekam die Halterin Post.

Einstellungsbescheid

Soweit, so klug und so erfreulich.

Bemerkenswert und aufschlußreich ist der letzte Satz dieser Einstellungsnachricht.

Verantwortlicher

Was bisher geschah:
Noch bevor das Verfahren gegen die Halterin eingestellt wurde, hatte Mr. President ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen einen anderen Betroffenen eingeleitet und – auch um sicher den Eintritt der Verjährung auszuschließen – einen Bußgeldbescheid gegen ihn erlassen.

Ob die Bußgeldbehörde diesmal richtig gelegen hat, steht aber noch nicht fest; der Betroffene hat die Verteidigung gegen den Bußgeldbescheid aufgenommen: Einspruch Euer Polizeipräsidialehren!

Dieser Satz ist also bei Lichte betrachtet – zumindest vorläufig – falsch. Er offenbart aber einen erheblichen Mangel bei dem verantwortlichen Textbausteinverfasser und/oder -anwender.

Solange die Fahreridentität nicht sicher feststeht, ist ein Betroffener nicht der „Verantwortliche“. Er ist allenfalls „Verdächtigter“ oder eben „Betroffener“ in einem Bußgeldverfahren.

OK, es sieht ein wenig nach Pingeligkeit aus,
wenn ich mich hier an so einem einsamen Begriff hochziehe. Aber an dieser Kleinigkeit ist doch erkennbar, mit welchem Selbstverständnis – man könnte es auch Arroganz nennen – ein Sachbearbeiter darüber entscheidet, wer für eine Ordnungswidrigkeit „verantwortlich“ ist. Man möchte ihm zurufen: Art. 6 Abs. 2 EMRK gilt auch in Bußgeldsachen.

Und dann noch zum Schluß:
Wenn dann irgendwann einmal feststehen sollte, daß der Betroffene auch tatsächlich der Fahrer war, ist noch zu prüfen, ob der Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung auch im Übrigen zutrifft. Bei dieser Prüfung wirken dann ein Richter, ein Sachverständiger und ein Strafverteidiger mit. Aber sicher nicht ein Textbausteinverschleuderer vom Referat Verkehrsordnungswidrigkeiten und Bußgeldeinziehung beim Polizeipräsidenten in Berlin.

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Mittwochs-OWi: Ein Schuß – zwei Treffer

728187_web_R_K_B_by_E. Kopp_pixelio.deDie Bußgeldbehörde hatte sich auf mich eingeschossen. Gleich zweimal kurz hintereinander hat sie gegen mich – völlig zu Unrecht, selbstverständlich – ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet.

Nur gut, daß mir ein Bekannter einen guten Strafverteidiger empfohlen hat, der durch nur einen einzigen Schriftsatz mit einer flammenden Verteidigungsrede den unhaltbaren Vorwürfen entgegen trat. Dieser Schuß hat gesessen, gleich zweimal (pdf):

Einstellung

Hätte ich selbst nicht besser hinbekommen. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn mich das Gericht da verurteilt hätte. Schönen Dank auch!
8-)

Nebenbei:
Wer meint, er brauche in Bußgeldsachen keinen Verteidiger, oder wer sich keinen leisten möchte – der kann sich ja mal zu unserem kostenlosen eMail-Kurs anmelden: Selbstverteidigung in Bußgeldsachen. Mit ein bisschen Glück geht’s auch ohne Verteidiger.

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Bild: © E. Kopp / pixelio.de

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Überzeugende Begründung via Nulltextbaustein

In einer Bußgeldsache haben wir für unseren Mandanten Einspruch eingelegt. In diesem Fall hat Rechtsanwalt Tobias Glienke sogar eine ausführliche Begründung des Rechtsmittels geliefert. Darauf reagiert das Bezirksamt Kreuzberg mit folgendem Schreiben. Weil der Verteidiger den Kreuzberger Bezirksbeamten nicht überzeugt hat:

Begründung

Manche Textbausteine in Bußgeldsachen können wir auch dann spontan rückwärts singen, wenn wir nachts um drei Uhr geweckt werden. Den hier kannten wir noch nicht. Diese formularmäßige Darlegung^^ hat den Verteidiger daher lange beschäftigt. Nicht mit „Überdenken“, sondern mit Bauch-vor-Lachen-Halten.

Jungs, da oben im Kreuzberger Rathaus, Jürgen Palla hat heute für Euch leckere Mettknacker mit deftigem Grünkohl und Salzkartoffeln im Angebot (4,50 €). Ein paar fettige Kohlehydrate helfen oft recht effektiv bei geistig anstrengender Arbeit im Bezirksamt! Nur für den Fall, daß irgendwo irgendwas fehlen sollte … ich meine: Textbausteine oder so …

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Mittwochs-OWi: TÜV mit erheblichen Mängeln

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I. Der Vorwurf
Die Polizei hatte „erhebliche Mängel“ am Auto unseres Mandanten gefunden. In der Folge gab es Post vom Polizeipräsidenten: 150 Euro Geldbuße und runde 500 (!) Euro Verfahrenskosten standen im Bußgeldbescheid.

Und als Zugabe war ein Punkt im FAER zu erwarten.

II. Das Problem
Vor ein paar Jahren hatte das Auto mal auf dem Dach gelegen. Es war an allen Ecken und Kanten verbeult; ein Dachholm war eingeknickt. Alles war grob zurechtgebogen und leidlich nachlackiert. Das hatte der technisch versierte Polizist vor Ort gesehen.

Der Haus- und Hof-Sachverständige der Berliner Polizei bestätigte (erwartungsgemäß) die Analyse des uniformierten Fahrzeugtechnikers und stellte dann auch noch weitere Mängel fest. Dafür gab es dann die Rechnung über knapp 500 Euro.

III. Die Verteidigung
Der Mandant hatte das Fahrzeug in diesem Zustand gebraucht sehr günstig gekauft und war damit schon fast vier Jahre unterwegs. Während dieser Zeit hatte er den Wagen zweimal in die Werkstatt seines uneingeschränkten Vertrauens gebracht. Dort wurde es zur Hauptuntersuchung einem technischen Sachverständigen vorgeführt. Es gab jeweils den begehrten Stempel – versehen nur mit dem Hinweis auf „geringe Mängel“.

IV. Das Ergebnis
Der Richter beim Amtsgericht hatte ein Einsehen. Zweimal beim TÜV, deswegen setzte er die Geldbuße auf ein Verwarnungsgeld herab. Damit war dann auch der Punkt in Flensburg „gespart“.

V. Und das Allerbeste
Die Verfahrenskosten – damit auch die recht hohen Gutachterkosten – bekam der Mandant von seinem Rechtsschutzversicherer erstattet. Allein deswegen hatte sich der Gang zum Rechtsanwalt und der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid bereits gelohnt.

Nebenbei:
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Bild: © E. Kopp / pixelio.de

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Mittwochs-OWi: Geknacktes PoliScanSpeed

728187_web_R_K_B_by_E. Kopp_pixelio.de„Niemals aufgeben – Never give up!„, so lautet die Devise auch im Bußgeldverfahren.

Der Vorwurf
Eine mit Flens und ÖPNV bewehrte Geschwindigkeitsüberschreitung

Das Problem
Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte per PoliScan Speed. Das Supergerät der Verkehrsüberwachung. Schießt erst dann ein Bild, nachdem die Messung schon längst gelaufen ist. Das bedeutet, dass man aus dem Messfoto nichts mehr über die gefahrene Geschwindigkeit des abgebildeten Fahrzeugs ablesen kann. Der „Prototyp“ des so genannten standardisierten Messverfahrens. Er liefert eine Art Anscheinsbeweis: Die Messung ist grundsätzlich korrekt.

Die Verteidigung
Der Fachanwalt für Verkehrsrecht weiß aber: Wo Technik ist, da ist auch Fehler. Entscheidend für die Verwertbarkeit der Messung ist die richtige Zuordnung des abgebildeten Fahrzeugs zu der gespeicherten Messung. Zweifel an dieser Zuordnung entstehen vor allem dann, wenn zum Beispiel mehrere Fahrzeuge auf dem Foto zu erkennen sind.

Im vorliegenden Fall gab es ein weiteres kleines Einfallstor: Grundsätzlich muss ein Messrahmen im Foto zu sehen sein, der an allen vier Seiten geschlossen ist. Hier fehlte eine Seite.

Damit kippte der Vorteil des standardisierten Verfahrens. Es gab eine nicht vorgesehene Abweichung vom Standard. Das Gericht kann die Richtigkeit der Messung nicht mehr ex aemelo bestätigen, sie war nicht mehr überprüfbar ist. Auf ein technisches Sachverständigengutachten konnte in diesem Fall sogar verzichtet werden.

Das Ergebnis
Auch beim angeblich todsicheren Bestseller geht noch was. Das Verfahren gegen unseren Mandanten wurde nach § 47 II OWiG sanktionslos eingestellt.

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Mittwochs-OWi: Eine Linie ist kein Punkt

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Der Vorwurf
Eine einfache Geschwindigkeitsüberschreitung.

Das Problem
Die Fahreridentität war nicht mehr in Abrede zu stellen. Der Mandant hatte bereits auf die erste Anhörung eingeräumt, der Fahrer gewesen zu sein, als das Auto mit einem Lichtschrankenmessgerät gemessen wurde. Also blieb noch die Frage nach der korrekten Bedienung der Technik durch die Polizei.

Die Verteidigung
In solchen Fällen sind Kenntnisse des Verteidigers über den Aufbau der Messeinrichtung von entscheidendem Vorteil. Hier ging es nun um eine Linie, um die sogenannte Fotolinie. Damit man überprüfen kann, ob das Fahrzeug richtig gemessen wurde und auch, ob das Gerät korrekt aufgestellt wurde, muss die Fotolinie, also die Linie, auf der die Kamera auslöst, dokumentiert werden. Und zwar auf einem Extrafoto.

Eine Linie ist aber eine Linie ist eine Linie. Und kein Punkt. Allein an einem einsamen Punkt kann man keine eindeutige Linie ausrichten, sondern unendlich viele. In dieser Akte fehlte die Dokumentation der Messlinie. Der Beamte hatte lediglich eine Stelle – einen Punkt – auf der Leitplanke markiert.

Das Ergebnis
Die Messlinie konnte nicht nachvollzogen werden und damit war die Richtigkeit der Messung nicht überprüfbar. Das Verfahren wurde sanktionslos nach § 47 II OWiG eingestellt. Keine Geldbuße, keine Punkte und kein Fahrverbot.

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Mittwochs-OWi: Das Rotlicht und die Sonne

728187_web_R_K_B_by_E. Kopp_pixelio.dePiloten können Flugzeuge auch dann steuern, wenn sie draußen nichts sehen. Der Blindflug durch die Wolken birgt dank der Technik nur ein hinnehmbar geringes Risiko. Im Straßenverkehr sieht das etwas anders aus.

Der Vorwurf
Ein einfacher Rotlichtverstoß.

Das Problem
Das Regel-Bußgeld in Höhe von 90 Euro und vor Allem der eine Punkt taten dem Mandanten weh. Und irgendwie fühlte er sich ungerecht behandelt.

Die Verteidigung
Der Verteidiger machte geltend, daß das Rotlicht erst 0,2 Sekunden geleuchtet hat, als der bisher unbescholtene Mandant über die Linie gefahren ist. Entscheidend für den Mandanten waren aber die tief stehende Sonne im Westen und der im Osten knapp hinter ihm her fahrende LKW. Beides war sehr gut auf den automatisch angefertigten Fotos dokumentiert. Der Bußgeldkatalog sieht die Regelbußen für „normale“ Fahrlässigkeit vor. Hier konnte der Verteidiger den Richter davon überzeugen, daß nur eine gaaaaaanz leichte Fahrlässigkeit gegeben sei, weil er einen Auffahrunfall ausschließen wollte.

Das Ergebnis
55 Euro, keine Punkte und ein zufriedener Mandant.

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Mittwochs-OWi: Seltenes Absehen vom Fahrverbot

728187_web_R_K_B_by_E. Kopp_pixelio.deDas klappt fast nie: Absehen vom Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße. Jedenfalls nicht bei den Gerichten, bei denen massenhaft Verkehrsordnungswidrigkeiten verhandelt werden. Manchmal hat der Betroffene aber Glück.

Der Vorwurf
Geschwindigkeitsübertretung von 31 km/h innerorts.

Das Problem
Der Mandant war kein unbeschriebenes Blatt. Und ab einer Überschreitung von mehr als 30 km/h gibt es – wie eben auch hier – ein Fahrverbot. Aber der Mandant ist selbstständiger Wirtschaftsprüfer mit Einsätzen in ganz Deutschland und kommt ohne Auto nicht in die Kleinstädte mit den mittelständischen Unternehmen.

Obwohl der Mandant finanziell nicht schlecht ausgestattet ist, hat er gespart: Sein Fahrzeug ist nur für ihn als Alleinfahrer versichert. Einen Fahrer einzustellen geht also auch nicht wirklich.

Die Hürde
Die Voraussetzungen für ein Absehen vom Fahrverbot sind zwischenzeitlich absurd geworden; selbst vermögenslosen Rollstuhlfahrern wird zugemutet, sonstwie zum Arzt zu kommen. Das Fahrverbot durchgesetzt. Basta.

Die Verteidigung
Der Richter am kleinen Amtsgericht im großen Lande Brandenburg ließ sich von einigen Krokodilstränen des Verteidigers (sic!) erweichen. Die Fahrt lag über 15 Monate zurück. Die Grenze zum Fahrverbot war nur um 1 km/h überschritten. Gemessen wurde auf einer schnurgeraden Ortsausgangsstraße in Sichtweite des Ortsendeschildes.

Das Ergebnis
Der Richter verdreifachte das Bußgeld, sah von der Verhängung des Fahrverbotes ab und die Staatsanwaltschaft legte kein Rechtsmittel ein. Nicht umsonst macht das Verteidigen in einer Kleinstadt manchmal mehr Spaß als im Moloch Moabit.

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Mittwochs-OWi: Verjährung ohne Zustellung

728187_web_R_K_B_by_E. Kopp_pixelio.deManchmal kann auch eine vermeintlich aussichtslose Verteidigung Erfolg haben. Wie ein Betroffener vom Ungeschick eines Postboten profitierte, davon handelt in dieser Woche die Mittwochs-OWi:

Der Vorwurf
Irgend etwas „Hochwertiges“, für das es seinerzeit 3 Flens und ein Fahrverbot geben sollte.

Das Problem
In dem Verkehrszentralregister standen bereits gefährliche 11 Punkte, so daß die damalige Grenze von 18 Punkte viel zu nahe kam. Zumal dann diese 14 Punkte für weitere zwei Jahre im Register gestanden hätten, während die 11 Punkte binnen weniger Monate tilgungsreif werden sollten.

Die Verteidigung
Der Verteidiger prüft den Inhalt der Ermittlungsakte. Das Beweisfoto war zwar mäßig, aber wohl noch verwertbar und der Fahrer knapp gut zu erkennen. Die Messung wies keine offensichtlichen Fehler auf.

In der Gerichtsverhandlung lehnte der Richter die Beweisanträge zur Fahreridentität und zur technischen Verwertbarkeit der Messung ab.

Der Joker
Dann folgte der Antrag auf Einstellung wegen Eintritt der Verfolgungsverjährung. Hintergrund für diesen Antrag waren vier Versuche, dem Mandanten den Bußgeldbescheid zuzustellen. Eine Zustellung an den Verteidiger kam nicht in Betracht, weil der keine schriftliche Vollmacht zur Akte gereicht hatte. Das hatte die Bußgeldbehörde gesehen.

Die Trickkiste
Da vor der Zustellung eines Bußgeldbescheides eine sehr kurze Verjährungsfrist von drei Monaten läuft, griff die Bußgeldbehörde in die Trickkiste: Sie ordnete dreimal reflexartig das Ruhen des Verfahrens an und begründete dies damit, daß der Betroffene nicht auffindbar sei. Deswegen müsse zunächst sein Aufenthalt ermittelt werden. Eine solche Anordnung unterbricht grundsätzlich die kurze Verjährung, mit der Folge, daß sie wieder von vorn zu laufen beginnt.

Der Briefträger
Die Adresse des Mandanten war allerdings von Anfang an korrekt. Der Postbote war wohl einfach ortsunkundig oder konnte das Schild an der Klingel und/oder am Briefkasten nicht finden. Erst im vierten Anlauf ist er fündig geworden und konnte den Bußgeldbescheid zustellen.

Das Argument
Der Vortrag des Verteidigers „Das Ungeschick des Briefträgers als Erfüllungsgehilfen der Bußgeldbehörde kann dem Betroffenen nicht zugerechnet werden!“ ging durch wie ein heißes Messer durch Butter. Die dreifache Wiederholung der Anordnung des Ruhens des Verfahrens, nur weil der Briefträger Tomaten auf den Augen hatte, ist rechtsmißbräuchlich. Daher wurde die Verjährung auch nicht dreimal unterbrochen.

Das Ergebnis
Man hat sich in Frieden getrennt, das Verfahren wurde nach § 47 II OWiG eingestellt. Zwei Monate später war der Mandant punktefrei.

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