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Philosophisches
Jetzt wird’s ernst. Schützt die Hirschkühe!
Die Gleichstellungsbeauftragte der Berliner Verkehrsverwaltung, Almut Hopf-Gantenbrink, will die StVO gendergerecht umformulieren, berichtete der Tagesspiegel am 02.04.2019.
Danach sollen aus Anliegern – analog zu den Studenten – Anliegende werden. Auch die Zeichen 258 und 259 der StVO werden angepasst: „Verbot für Reitende“ soll es künftig heißen und „Verbot für Zufußgehende“.
Aber nicht nur an den Text der StVO soll Hand angelegt werden. Auch die Bildersprache bedürfe dringend einer Anpassung an sexismusfreie Verhältnisse.
Als Beispiel nannte Frau Almut Hopf-Gantenbrink das Zeichen 142 der StVO, auf dem bisher ein männlicher Hirsch abgebildet ist. Die Gleichstellungsbeauftragte forderte vor dem Hintergrund der besonderen Schutzbedürftigkeit der Hirschkühe dazu auf, den Hirsch auf dem Wildwechsel-Warnschild ohne Geweih darzustellen. Es könne ja nicht sein, dass man nur männliche Hirsche nicht überfahren dürfe.
Wir werden alle sterben! ;-)
Behördendeutsche Juristenprosa
Die (Schrift-)Sprache mancher Juristen ist eigenartig. Und auch in gewissem Umfang verräterisch.
Ein klassisches Beispiel aus dem Schreiben eines südwestdeutschen Amtsgerichts:
Diese Passivformulierungen wirken nicht nur gestelzt, sondern – im hiesigen Kontext – auch feige.
Ich hatte mich beschwert:
In der Strafsache gegen
Gottfried Gluffke
– 18 Cs 31 Js 49902/17-nehme ich Bezug auf anliegendes Schreiben vom 24.05.2018, das ich am 01.09.2018 erneut und mit der Bitte um Beantwortung an das Gericht übermittelt hatte.
Eine Reaktion habe ich bis heute leider nicht erhalten. Ich bin nicht der Ansicht, daß es schicklich ist, die Anfrage eines Verteidigers schlicht zu ignorieren, und würde mich über eine Antwort bis zum 27.10.2018 freuen.
Ich bedanke mich vorab und verbleibe
mit freundlichen Grüßen aus Kreuzberg
Da ist also etwas schief gelaufen (kann ja mal passieren) und ich wollte durch meine etwas angestaubte Formulierung für Aufmerksamkeit sorgen. Das ist mir ja nun gelungen, schließlich habe ich darauf eine Reaktion erhalten.
„Es wird mitgeteilt …“ und „Weiter wird mitgeteilt …“ und „… noch nicht entschieden wurde“.
Was spricht dagegen, sich einer Sprache zu bedienen, die sich nicht anhört, als wäre sie aus einer längst vergangenen Zeit gekommen, in der ein Bürger (oder ein Verteidiger) ehrfurchtsvoll nach oben in Richtung der Obrigkeit zu blicken hat?
Zum Beispiel so:
… der Termin … fand wegen Ihrer Anträge nicht statt, die ich bisher noch nicht bearbeitet habe, aber umgehend bearbeiten werde. Ich bitte um Ihr Verständnis.
Das wäre ehrlich, höflich und eine Begegnung auf Augenhöhe. Ich habe Respekt vor den Leuten, die beim Gericht arbeiten, und ich erwarte ebensolches von ihnen mir gegenüber. Das Versteckspiel hinter den Passivformulierungen drückt das nicht aus, sondern steht für Überheblichkeit, die jedenfalls in heutigen Zeiten keine Rechtfertigung mehr findet.
Oder ist dieses „Behördendeutsch“ lediglich ein Ausdruck für fehlendes Selbstbewußtsein, das die Verwender damit kaschieren wollen?
Vielleicht bin ich ein wenig zu sprachsensibel, aber Sprache ist nun einmal das Werkzeug der Juristen. Damit sollte man sorgsam umgehen. Meint Ihr nicht?
Juristische Argumentationstechnik
Es geht um den Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Die Verteidigung hat die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt und reklamiert einen Meßfehler.
Das gefällt der Richterin an einem kleinen, feinen Amtsgericht im Lande Brandenburg nicht.
Sie teilt informell mit:
Das Gericht beabsichtigt daher nicht, zu Werten eines Fahrzeughecks, dessen Front bereits gemessen werden darf und nicht schneller sein kann, als das Heck, welches noch 5 m aus dem 50m-Raum hinausragt, ein Gutachten einzuholen.
Der Richterin ist zuzugestehen, daß sie zumindest die Grundlagen der Fahrphysik verstanden hat. Aufbaukurse für Fortgeschrittene dann in der Beweisaufnahme der Hauptverhandlung.
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Bild: © Aleix Llovet Vidal – Own work, CC BY-SA 3.0 / via wikimedia
Was noch fehlt: Neue Vorschriften im StGB
Wenn man nicht alles selber macht … dachte sich der Strafverteidiger Matthias Klein aus Karlsruhe. Und entwickelte zwei unverzichtbare Vorschriften, die im Strafgesetzbuch noch fehlen:
§ 113a StGB-E “Widerstand gegen Verteidigungspersonen”
Wer einem Anwalt, der zur Verteidigung der Unschuldsvermutung seines Mandanten berufen ist, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
- der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
- die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.
§ 346 StGB-E „Hinterlistige Vernehmungsmethoden“
(1) Wer als Amtsträger einen Beschuldigten nicht, nicht vollständig oder nicht verständlich über sein Schweigerecht oder Anwaltskonsultationsrecht belehrt und/oder die Kontaktaufnahme des Beschuldigten zu einem Verteidiger hinterlistig, insbesondere durch Vorspiegelungen falscher Tatsachen erschwert, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.
(2)
Der Versuch ist strafbar.
- Edit: Siehe § 23 I 1. HS StGB. crh
(3) Aussagen, die unter Verletzung dieses Verbots zustande gekommen sind, dürfen auch dann nicht verwertet werden, wenn der Beschuldigte der Verwertung zustimmt.
Wenn man sich so umhört bei Richtern, Staatsanwälten und Polizeibeamten müßte man eigentlich davon ausgehen, daß es dieser Strafandrohungen eigentlich gar nicht bedarf.
Nicht wenige Strafverteidiger hingegen vertreten die Ansicht, daß solche Vorschriften gepaart mit der Pflicht, Vernehmungen und Belehrungen audio-visuell aufzuzeichnen und zu dokumentieren, richtig Schwung in manche Verfahren bringen würden.
Frage an die Cloud:
Sonst noch irgendwelche Ideen und Vorschläge, die wir unserem künftigen Bundesjustizminister unterbreiten könnten? Man wird ja noch mal träumen dürfen. Rechtsanwalt Matthias Klein meint: „Visionen sind Strategien des Handelns, das unterscheidet sie von Utopien.“ Also los!
Übrigens:
Die Strafverteidiger unserer Kanzlei (und ich denke, die der Kanzlei www.klein.legal ebenfalls) verteidigen auch Polizeibeamte, Staatsanwälte und Richter, sowohl in Strafsachen wie auch in Disziplinarverfahren. 8-)
Erst die Straftat und dann der Verdacht?
Manche Ermittlern möchte man nochmal zur Intensivbetreuung durch einen Nachhilfe-Lehrer in die Grundschule schicken.
Der Mann, der den unten zitierten Bericht geschrieben hat, bekommt monatlich am Ersten im Voraus frei Konto sein Gehalt dafür, daß er auf unseren Rechtsstaat aufpaßt.
Und was macht er? Sowas hier:
Ich habe vor vielen Jahren mühsam gelernt: Erst entsteht irgendwie ein Verdacht, dann sucht der Ermittler Beweise und ganz am Ende entscheidet der Richter, ob sich der Verdacht bestätigt hat und der Tatbestand einer Strafnorm erfüllt ist.
Aber dieser ZAM (ich habe gegoogelt: Zollamtmann. Exkurs: Was bedeutet die Abk.: „ZAM’in“. Süß, nicht?) kennt das anders: Er – und nicht der Richter – nagelt den Tatbestand erstmal fest, sucht sich dann ein paar Beweise zusammen und begründet schließlich irgendwie einen Verdacht.
Wenn er die Beweise gefunden hat. Und die wird er finden! Denn er weiß ja bereits auf Blatt 2(!) der Akte, daß die Voraussetzungen des § 266a StGB vorliegen. Und dann muß es ja die Beweise geben. Sonst wäre ja der Tatbestand nicht erfüllt.
Nebenbei:
Lesen Sie sich den § 266a StGB mal durch! Und bezeichnen Sie dann die Tatbestands-Voraussetzungen. Aber passen Sie auf, daß Ihnen nicht schwindelig wird, wenn Sie sich die Bezugsnormen aus dem Sozialversicherungsrecht zur Gemüte führen. Ich sach nur: „Sozialrechtsakzessorietät“.
Sowas macht unser ZAM aber mit links.
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Bild: © Petra Morales / pixelio.de
Das Rechtsgefühl zur Schweigepflicht eines Arztes
Es ist gar nicht so selten, daß sich Juristen und juristische Laien nicht verstehen.
Oder deren Ansichten stehen sich genau entgegengesetzt gegenüber. Wie in diesem Fall.
Am Ende meines Beitrags vom Freitag über die Anforderungen an ein ärztliches Entschuldigungsschreiben hatte ich eine Frage und zwei Antworten zur Verfügung gestellt:
Das (mich) wenig überraschende Ergebnis:
86% von immerhin 541 Stimmern (Stand 11.02.17, 11 Uhr) liegen „daneben“!
Das ist um so erstaunlicher, als daß der Ermittlungsrichter bereits im allerersten Kommentar unter diesem Blogbeitrag das „richtige“ Ergebnis verraten hatte.
Ich zitiere mal (für die Juristen unter den Lesern) neben dem angesprochenen Beschluss des OLG Hammm vom 3. 6. 2008 – 5 Ss OWi 320/08 – aus KK-OWiG/Senge OWiG § 74 Rn. 23 – 37:
In der Vorlage eines ärztlichen Attestes liegt konkludent die Erklärung des Betroffenen, dass er den ausstellenden Arzt von der Schweigepflicht entbinde (OlG Braunschweig NStZ-RR 2010, 352; OLG Bamberg OLGSt StPO § 329 Nr. 31; OLG Karlsruhe Justiz 1994, 185).
Man darf also getrost davon ausgehen, daß die ganz überwiegend herrschende Ansicht der Schwarzkittel in der Praxis von einer Schweigepflichtentbindungserklärung ausgeht, wenn der Angeklagte bzw. Betroffene ein unzureichendes ärztliches Attest vorlegt.
Das Rechtsgefühl steht also im krassen Widerspruch zur Rechtspraxis.
Welche allgemeine Schlußfolgerung bietet sich nun an, wenn das beileibe kein Einzelfall ist?
- Sollten sich juristische Laien von Bewertungen juristischer Sachverhalte enthalten?
- Oder sollten sie Juristen dem Volk auf’s Maul schauen?
- Vielleicht von beidem ein bisschen?
Eines, meine ich, aber ist sicher:
Es ist für den justizfernen Bürger immer ratsam, sich mit eigenen Beurteilungen zurückzuhalten, wenn es möglich ist, kompetenten Rat einzuholen. Manchmal reicht es dafür schon, einen Blogbeitrag (und die dazugehörigen Kommentare) zu lesen.
Obiter dictum:
Was führt eigentlich zu dieser bürgerfernen Rechtsprechung? Ein ganz einfacher Grundsatz: Wo kämen wir denn hin, wenn …
… die Vorlage eines Gefälligkeitszweizeilers dann doch ausreichen würde, um sich zu drücken.
Quelle: Ein Ermittlungsrichter.
So sind’se, die Richter: In dubio sind der Angeklagte und sein Arzt immer die Bösewichte. ;-)
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Bild: © Anja-Maria Kind / pixelio.de
Berliner Strafverteidiger bleiben Berliner Strafverteidiger
Am vergangenen Freitag fand die Jahresmitgliederversammlung der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. statt.
Der von mir sehr geschätzte Kollege und Ehrenmitglied der Vereinigung Gerhard Jungfer hatte zuvor einen Antrag eingereicht, über den die Mitglieder abstimmen sollten:
Der Antrag, den Namen in „Vereinigung Berliner Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e.V.“ zu ändern fand – nach engagierter Diskussion – nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit.
Beeindruckend …
… war der Vortrag der namhaften türkischen Kollegin Fethiye Cetin. Sie berichtete über die aktuelle – katastrophale! – Situation der Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger in der Türkei nach Einführung des Ausnahmezustandes. Im Anschluß an diesen Bericht muß man sich ernsthaft die Frage stellen, ob es gerechtfertigt ist, daß sich ausgewachsene Strafverteidiger beiderlei Geschlechts eine geschlagene Stunde lang mit vermeintlicher Diskriminierung durch Sprache auseinandersetzen müssen? Während in der Türkei massenhaft engagierte Strafverteidiger im Knast sitzen, nur weil sie ihren Job gemacht haben.
Was gab es sonst noch?
Justizsenator Dirk Behrendt stellte in einem Grußwort allerlei (wirklich) fortschrittliche Pläne der Koalition vor, teilte aber auch mit, daß das zur Umsetzung der Pläne notwendige Personal nicht zur Verfügung gestellt wird.
Alle müssen raus. Oder?
Ich denke mal laut:
Von denjenigen, die für ein paar Jahre in den Knast mußten, kommen die wenigsten als bessere Menschen wieder raus.
Je länger jemand im Knast sitzen muß, desto größer ist die Aussicht darauf, daß er nach seiner Entlassung weitere Straftaten begeht.
Über 90 % aller Gefängnis-Insassen …
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Bild: © birgitH / pixelio.de
Diskriminierende Kartoffeln
Nicht nur im Postillon findet man Sachen, die Freude machen. Sondern auch beim Deutschen Bundestag.
Aber anders als die News auf der – seit 1845 ehrlichen – Nachrichten-Plattform ist das hier ernst gemeint. Ehrlich. Oder?
Von Wahrheit keine Ahnung
Ich reiße es mal aus dem Zusammenhang der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung (BVerfG, Beschluss vom 10. März 2016, 1 BvR 2844/13):
Im Strafverfahren konnte nicht geklärt werden, ob die Angaben der Beschwerdeführerin oder die des Klägers der Wahrheit entsprechen.
Wer sich mal mit der „Wahrheit im Strafverfahren“ etwas mehr als der Boulevard auseinander gesetzt hat, weiß, daß eine Strafkammer keine Wahrheitsfindungskommission ist. Das Strafgericht hat zu klären, ob dem Angeklagten eine Straftat nachgewiesen werden kann. Und – im Falle des Nachweises – wie er zu bestrafen ist.
Das hat mit Wahrheit nur am Rande zu tun.