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Philosophisches
Zu spät?
Ab heute steht ein 94-jähriger Mann vor einer Schwurgerichtskammer des Landgerichts Detmold. Er war erst Sturmmann, kurze Zeit später SS-Unterscharführer. Und er war eingesetzt als Wachmann im Konzentrationslager Auschwitz. Ihm wird Beihilfe zum Mord in 170.000 Fällen zur Last gelegt. Die Tatzeit liegt ein Dreivierteljahrhundert in der Vergangenheit.
Muß das sein?
Nach so langer Zeit einen Greis noch mit so einem Verfahren zu überziehen? Dessen Verhandlungsfähigkeit zweifelhaft ist bzw. war. Ein Arzt hat ihm attestiert, daß der den Belastungen zwei Stunden am Tag gewachsen sei.
Und wie sieht es denn nach einer Verurteilung aus? Dann stellt sich die Frage nach der Haftfähigkeit. Darf man ein Verfahren führen, bei dem (nahezu) sicher ist, daß eine Strafe gar nicht mehr verbüßt werden kann?
Die Würde des Menschen, Art. 1 Grundgesetz. Dieses Recht gilt für auch Mordgesellen. Was einen Rechtsstaat ausmacht, zeigt sich deutlich am Umgang mit Straftätern.
Also:
Darf ein solches Verfahren noch geführt werden? Es fällt mir schwer, die Frage hier abschließend zu beantworten.
Denn:
„Weder im Strafgesetzbuch noch in der Strafprozessordnung gebe es eine Altersgrenze.“ Ok, das ist jetzt die knackige Antwort eines Staatsanwalts, der vorträgt, daß seine Arbeit keine politische sei. Er verfolge Mörder, keine Nazis. Und: Mord verjährt nicht, sagt er zutreffend. Das ist das rein formelle Gleis.
Und:
„Wir sind es den Angehörigen der Opfer und den Opfern schuldig, das zu verfolgen.“ Gerade dieses moralische Argument trifft es.
Aber:
Ist das nicht ein bisschen spät? Zu spät?
In den Jahren 1945 bis 1950 durften die deutschen Staatsanwälte und deutschen Richter die Nazi-Verbrechen nicht verfolgen und ahnden. Das wollten die Alliierten lieber selber machen. Nach 1950 durften die deutschen Juristen, aber sie wollten nicht.
Bis weit in die siebziger Jahre saßen Kriegsrichter wie Erich Schwinge als Professoren an den juristischen Fakultäten und bildeten den Nachwuchs aus. Oder schrieben als Gesetzeskommentatoren des Militärstrafrechts der 1930er Jahre ihre Gutachten in Strafverfahren gegen Kriegsverbrecher.
In den Uni-Bibliotheken standen die Bücher von Ernst Forsthoff (dem Zauber Hitlers erlegen), Theodor Maunz (Die Worte des Führers bilden die Rechtsgrundlage der Polizei), Karl Larenz (Rechtsgenosse ist nur, wer Volksgenosse ist; Volksgenosse ist, wer deutschen Blutes ist.) und vielen anderen (ehemaligen?) Nazijuristen.
Sie alle, die Juristen wie die anderen Straftäter, hatten (zunächst) nichts zu befürchten. Denn damals verjährte Mord nach 20 Jahren – spätestens 1965 sollte also der Verjährungshammer fallen. Erst später wurde die Verjährungsfrist auf 30 Jahre an- und schließlich ganz aufgehoben.
Und selbst, nachdem die kapitalen Straftaten, die im zwölfjährigen Reich begangen wurden, nicht mehr verjähren konnten, kamen die wie oben beschrieben ausgebildeten Strafverfolger nicht in die Gänge. Engagierte Staatsanwälte wie Fritz Bauer wurden gemobbt, weil sie sich dem Trend entgegen stellten. Bauer lebte in der Justiz „wie im Exil.“ und wenn er sein Dienstzimmer verließ, betrat er „feindliches Ausland.“
Das war der Zustand der bundesdeutschen Justiz in den Jahrzehnten nach diesen unsäglichen Verbrechen.
Deswegen:
Nein, es ist nicht zu spät, diese Verfahren jetzt noch zu führen. Die würdelose Behandlung der Greise durch die heutige Justiz ist die eine Seite. Aber das ist eben auch eine Folge der Prozeßverschleppung und -verhinderung durch ehemalige Nazijuristen.
Und nochwas:
Auch mit dem Schwurgerichtsverfahren in Detmold wird ein Signal gesetzt: Irgendwann kriegen wir Euch alle. Auch wenn es dauert und sich die Justiz jetzt nur noch mit den kläglichen Überresten der damaligen Zeit auseinandersetzen kann.
Mir tut nur der alte Mann da Leid. Trotz allem.
Die Lebenserfahrung von Richtern und Geflügelzüchtern
Was bedeutet es, wenn ein Richter seine Entscheidung mehrfach mit der leeren Worthülse der „allgemeinen Lebenserfahrung“ begründet?
Der Kollege Jan H. Gerth aus Oerlinghausen berichtet in einem Blogbeitrag über das Urteil des AG Köln vom 01.12.2014, Az. 125 C 466/14. Der Richter setzt sich darin mit einer Frage zum Urheberrecht und den daraus korrespondieren Ansprüchen auseinander.
Ich habe vor einigen Jahren eine ähnliche Untat begangen wie der in dem Urteil beschriebene Junggänseverkäufer; und daraus gelernt. Mich interessierte nun die Entscheidung, weil ich das Ergebnis der juristischen Prüfung mit dem Ergebnis der außergerichtlichen Einigung in meinem Fall vergleichen wollte.
Nach der Lektüre der Entscheidung stelle ich mir die Frage nach deren Werthaltigkeit. An zwei Stellen der „Begründung“ (ist es eine solche?) fällt der Begriff „allgemeine Lebenserfahrung“ auf. Ein vergleichbarer Ausdruck ist die „kriminalistische Erfahrung„, der mir als Strafverteidiger häufiger begegnet.
Was steckt dahinter?
Der Duden definiert den Begriff als: „Erfahrung durch das Leben und für das Leben.“ Wessen Erfahrung und wessen Leben? Die bzw. das des Richters, der den Begriff bemüht, um seine Entscheidung scheinbar zu begründen? Ist diese (seine eigene?) Erfahrung objektivierbar und auf einen anderen, konkreten Fall übertragbar?
Ich will nicht in’s Philosophische abdriften.
Mir geht es darum aufzuzeigen, daß dieser stolze Richter (sich) ein Urteil gebildet hat und ihm nun die Argumente fehlen, um diese Entscheidung zu begründen. Kraft seiner (Amts-)Autorität behauptet er schlicht, daß „es“ so sein muß, wie er „es“ sich vorstellt. Warum das so sein muß und nicht anders … diese Erklärung bleibt der – insoweit hilflose – Richter seinen Lesern schuldig. Das ist klassische iura de ventre, wie der Altgrieche sagt.
Vergleichbares
veranstalten Strafermittler, die mit ihrer „kriminalistischen Erfahrung“ argumentieren fabulieren, und entgegenstehende Vorträge als „bloße Schutzbehauptung“ zu disqualifizieren versuchen.
Liebe Leser:
Immer wenn Sie auf solche hohlen Allgemeinplätze stoßen, sollten Sie vermuten, daß dem Autor knackige, belastbare Argumente fehlen und er wertlose, maximal heiße, oft nur lauwarme Luft produziert. Also: Ab in die Tonne mit dem Urteil aus Köln, das leider nicht mehr angreifbar sein dürfte. Vielleicht konnte sich der Richter (wie alt ist der eigentlich?) genau deswegen so um eine ernst zu nehmende Begründung herum mogeln.
Update:
Daß der Fall genau so liegt, wie es mir mein insoweit laienhafter Bauch signalisiert hat, und diese Entscheidung tatsächlich auch aus anderen Gründen schlichter Mist ist, beschreibt der Kollege Dr. Martin Bahr aus Hamburg mit gerade noch hanseatischer Zurückhaltung:
Die Entscheidung des AG Köln steht nicht im Einklang mit der instanzgerichtlichen Rechtsprechung des OLG Köln und kann daher nur als vollkommen abwegig beurteilt werden. […] Hier scheint man in Köln im Dezember besonders intensiv Karneval gefeiert zu haben. Anders lassen sich diese Ausführungen kaum erklären.
__
Bild: © Gerd Pfaff / pixelio.de
Herr Fischer und die Todesstrafe
Literaturhinweis, insbesondere für die Jurastudenten, die kürzlich zur Frage der Todesstrafe ihre erbärmliche Meinung in die Formulare der Meinungsforscher eintrugen:
Allzu lange ist es nicht her, seit in Europa die Todesstrafe verschwand. Die Diskussion darüber hält bis heute an. Über das Leben und den Tod, die Schuld und die Zeit.
VRiBGH Fischer auf Zeit-Online
HipHop Kafka – Der gerappte Process
Als ich vor gefühlten 100 Jahren Kafkas Roman „Der Process“ lesen mußte, hätte mir der Autor (und mein Deutschlehrer) nicht im Dunkeln begegnen dürfen. Es war eine fürchterliche Quälerei, diesen Text zu lesen – und zu verstehen.
Ich habe den Roman dann viel später, nach meinem Jura-Examen, noch einmal durchgearbeitet (!) und entdecke heute, bei meiner Tätigkeit als Strafverteidiger, immer wieder aktuelle Parallelen zu dem Verfahren, mit dem man Josef K. überzogen hatte.
Diesen Text habe ich in verschiedenen Varianten immer mal wieder von meinen Mandanten gehört:
Ich wache auf und werd von Wächtern ohne Grund verhaftet
Sie selbst wissen nicht, warum, ich kann es nicht verkraften
Sag, wer sind die Leute und wer hat sie geschickt,
denn ohne dass ich was getan hätte, ham sie mich erwischt.
Damals, in den siebziger Jahren, in der Unterprima, war ich gezwungen worden, eine schriftliche – ungereimte – Inhaltsangabe abzuliefern, die mich und den Herrn Oberstudienrat nicht wirklich überzeugt hat.
Ich glaube das hier, was Tobias Stoll aus der gleichen Aufgabe gemacht hat, die man mir seinerzeit gestellt hatte, hätte mir auch damals schon wesentlich besser gefallen:
Applaus, Applaus!
—
Gefunden auf SPON
Bild: Verlagseinband 1925 via Wikipedia
Danke an HU für den Hinweis.
Kommentare deaktiviert für HipHop Kafka – Der gerappte Process
Sensibel wie ein Güterzug
Aus einer Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an die Bundesregierung:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, eine korrekte Kennzeichnung sowohl landwirtschaftlicher wie industrieller Güter aus israelischen Siedlungen so sicherzustellen, dass für die Konsumenten erkennbar wird, ob das Produkt aus einer israelischen Siedlung oder von einem palästinensischen Produzenten in der Westbank stammt?
Angenommen, der Wunsch der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ginge in Erfüllung, und israelische Produkte würden künftig gekennzeichnet, wie sollte die Markierung denn ausgestaltet werden? Vielleicht mal ein gelber Stern?
Klare Ansage
Die knackig kurze eMail eines Kunden unseres Mandanten:
Guten Tag Herr Gluffke,
ich habe beschlossen, Ihre Rechnung nicht zu bezahlen. Den Grund: Ich habe kein Bock!!!
Gruß
W. Brause
Na, das sind ja mal klare Worte.
Verwaltungsgericht: Frauen können nicht einparken
In einer Grundsatzentscheidung hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 20. September 2007 – Az. 11 A 884.06 – festgestellt, daß Frauen nicht einparken können.
Kein Lkw-Fahrer oder vernünftiger Pkw-Fahrer würde hier bei der konkreten Situation (einer schmalen Straße mit Straßenbahnverkehr) auf die Idee kommen, einen Lkw dort abzustellen oder den Pkw über die Markierung hinaus zu parken, weil allzu offensichtlich ist, was dann in der Folge geschehen würde. Dass der Klägerin ein derartiges Vorstellungsvermögen offensichtlich fehlte, führt keineswegs dazu, einen Verkehrsverstoß zu verneinen oder gar die eindeutige Verantwortlichkeit anderen zuzuschieben.
Ich fasse zusammen: Lkw-Fahrer und vernünftige Pkw-Fahrer – jeweils männlich – parken dort nicht. Die Klägerin – weiblich – kann sich das nicht vorstellen.
Wie die Fotos eindrucksvoll belegen, hat die Klägerin bei ihrem Parkvorgang leichtfertig Raum von mehr als 25 cm zum Bordstein verschwendet, weswegen es überhaupt zu einer Behinderungssituation gekommen ist. Hätte die Klägerin auch nur einen Bruchteil der Zeit, den sie für dieses Klageverfahren aufwandte, in einen vernünftigen Parkvorgang investiert, wäre es nicht zu der Umsetzung gekommen.
Statt vernünftig, also wie ein Mann, zu parken, erhebt die Frau unvernünftig eine Klage. Das geht ja nun gar nicht. Meint die 11 Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin, zur Zeit besetzt mit 3 Männern. Die wissen, wie mann einparkt.
Entscheidung gefunden über Jurabilis, die mit einem anderen, aber auch sehr netten Schwerpunkt über diese wegweisende Entscheidung der richterlichen Verwalter berichten.
Der Herr Wulff – nicht strafbar
Der Zentralrat der Juden hatte den Herrn Wulff mit dem Leo-Baeck-Preis ausgezeichnet. Mit dieser Auszeichnung war die Zahlung eines Preisgeldes in Höhe von 10.000 Euro verbunden. Seinerzeit war der Herr Wulff noch Bundespräsident.
Irgendwie soll diese Prämie dann auf das Privatkonto gelangt sein (Huch!). Das blieb den Finanzermittlern der Staatsanwaltschaft dann doch nicht verborgen.
Die Strafverfolger fanden aber keine Aufzeichnungen über diese Zahlung in die Privatschatulle des Herrn Wulff. Das soll er aber nun nachliefern können. Sie …
… schickten am 13. Juni einen Brief mit der Bitte um „Vervollständigung von Aktenbeständen“ zum Leo-Baeck-Preis an Wulff.
… kann man auf Spiegel Online nachlesen. Das ist dann so ein Brief, der in der Regel bei einem normalen Steuerpflichtigen zum Läuten sämtlicher Alarmglocken und zur hektischen Betriebsamkeit führt. Aber der Herr Wulff ist ja ein außergewöhnlicher Steuerpflichtiger.
Und dennoch:
Es werde geprüft, „ob aufgrund der Verwendung des Preisgeldes ein strafprozessualer Anfangsverdacht besteht“, erklärte ein Sprecher. Zwar gibt es keine rechtlich verpflichtende Regelung für das Staatsoberhaupt; gleichwohl gehört es zum guten Ton für Bundesminister und Bundespräsidenten, Preisgelder gleich zu stiften.
Aber der Herr Wulff kann weiterhin gelassen bleiben. Strafbarkeit setzt stets ein subjektiv vorwerfbares Verhalten voraus. Der Betroffene muß also wissen, daß etwas verboten ist. Das jedenfalls gilt für Normen des Strafrechts.
Nichts anderes kann aber daher auch für „den guten Ton“ gelten. Wer nicht weiß, wie gutes Benehmen aussieht, kann sich eigentlich auch nicht daneben benehmen.
Da hat der Herr Wulff aber schon wieder einmal richtig Glück gehabt. Er muß sich noch nicht einmal schämen …
Schall und Rauch
Ich habe gestern eine sehr nette Fachpsychologin für Rechtspsychologie kennen gelernt. Frau Dr. Evelin Werner hat sich auf die Analyse von Zeugenaussagen spezialisiert und erstellt im Auftrag von Gerichten (aussagepsychologische) Glaubhaftigkeitsgutachten.
Ihre Praxis liegt „Am Gespensterwald“. 8-)