Philosophisches

Wunderbare Regeln

Es ist nicht verwunderlich und wohl eine notwendige Erscheinung, daß es auch in diesem Bereich keine Regelungslücken geben darf:

Damit kein Scharlatan mehr behaupten kann, er habe eine Erscheinung der Jungfrau Maria gesehen, hat der Vatikan klare Regeln formuliert, was denn als Wunder definiert werden kann und was nicht.

lautet heute eine Agenturmeldung in der Berliner Morgenpost.

Ich finde es wunderbar, daß wir anhand der Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmasslicher Erscheinungen und Offenbarungen seit dem 25. Februar 1978 genau feststellen können, wann ein verstorbener Heiliger oder die Jungfrau Maria nun in echt erschienen sind und wann es nur ein Fake ist.

Wir leben in einer wundersamen Welt.

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Denkpause in einer perfekten Welt

O que conta é a capacidade de poder improvisat com os meios ao alcance (*).

Danke an Ralfinho, Romeiras, für Bild und Text.


(*)= Was zählt, ist die Fähigkeit, mit verfügbaren Mitteln zu improvisieren.

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Nazis im Kindergarten?

Der ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben gilt als Unterstützer der Terror-Zelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ und sitzt in U-Haft. Seine Ehefrau Jacqueline hat in Jena momentan ganz andere Sorgen: Der Erzieherin wurde fristlos gekündigt.

berichtet Julia Jüttner auf SPON.

Die Kündigung der Kindergärtnerin wirft Fragen auf, die nicht aus der Hüfte heraus zu beantworten sind.

Frau Wohlleben soll Mitglied der NPD gewesen sein. Ihrem Ehemann wirft man Straftaten vor, die einen Zusammenhang mit Aktivitäten von Nazis haben sollen. Reicht das für einen Rausschmiß?

Andererseits wird der Kindergarten von einem „unabhängigen Träger mit einem humanistischen Menschenbild“ betrieben, dem Eltern ihre Kinder anvertrauen. Muß der Träger – ehemalige? – Nazis beschäftigen?

Ein Dilemma: Macht man’s richtig, schon ist’s falsch.

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Hintergründige Ethik

Wir haben es in Berlin mal wieder mit dem prallen Leben zu tun. Da wird ein Notar zum Justizsenator gemacht und ein paar Tage später ist er wieder Notar. Nicht weiter schlimm, kann man denken. Dann sucht man sich eben mal schnell einen neuen.

Über die genauen Hintergründe für dieses Rein-Raus-Spiel werden wir Justizsentatorenunterworfene nichts erfahren. Als Notar unterliegt der Exsenator der Schweigepflicht, seine Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Vorwürfe sind daher eingeschränkt. Was es da mit diesem beurkundeten Schrott auf sich hat, werden nur die Insider wissen.

Ein Detail aus einem anderen Hintergrund erscheint mir aber erwähnenswert. Der Herr Senator ist nicht zurückgetreten, wie die Medien derzeit berichten. Nein. Er hat den Regierenden Bürgermeister um seine Entlassung gebeten.

Haarspalterei? Nein.

Vor dem Hintergrund, daß es nur im Falle der Entlassung – nicht aber beim Rücktritt – ein Übergangsgeld für die nächsten sechs Monate gibt, scheint der Exsenator eine richtige Entscheidung getroffen zu haben. Im doppelten Sinne richtig.

Vielleicht sollten wir aber alle einmal gemeinsam überlegen, ob das, was legal ist, auch ethisch vertretbar erscheint.

 

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Dreisprung zum faktischen Präjudiz

Urteile sind Einzelfallentscheidungen. In drei schlichten Schritten kann solch ein einsames Verdictum jedoch ganz flott zur h.M. (herrschenden Meinung) avancieren und damit die Vorlage für zahllose weitere „Einzelfallentscheidungen“ werden:

Erstens, ein Gericht entscheidet im Einzelfall.

Zweitens, der Kommentator hält den Fall für beispielgebend und wird, insbesondere in einem „Praktikerkommentar“ kaum ernsthaft begründen, wie er zu dieser Bewertung kommt.

Drittens, die forensischen Praktiker schließen sich der unbegründeten Bewertung an, weil die leichte Greifbarkeit des Kommentars als faktisches Präjudiz wirkt.

Quelle: Martin Rath, „Holzschnitzer“ und Journalist, in der LTO

Martin Rath erinnert in dem (sehr empfehlenswerten) Artikel, aus dem ich das Zitat entführt habe, an den 60. Todestag von Otto Palandt. Der von Rath beschriebene Dreisprung war eine Ursache für die Perversion des Rechts durch die Nazis, an der nicht nur Palandt unterstützend mitgewirkt hat.

Man mag sich fragen, warum ein führender Kommentar bis heute den Namen eines NS-Juristen trägt, für den Frauen, Juden und Demokraten in der deutschen Richterschaft nichts zu suchen hatten.

Vielleicht weil Theodor Maunz, Ernst Forsthoff und andere Juristen, die durch ihre Arbeiten als „geistige Quartiermacher“ dem NS-Regime juristische Legitimität verschafft haben, auch heute immer noch auf dem Schreibtisch eines jeden Jurastudenten stehen?

Sensible Praktiker denken daran, wenn sie mal wieder einen Kurzkommentar der Hand halten.

 

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Döner, Mörder und die Kronzeugenregelung

Schwurgerichtsverfahren sind scheinbar eine einfache Sache, wenn es um das Strafmaß geht. Jedenfalls dann, wenn der Vorwurf „Mord“ lautet. § 211 Absatz 1 StGB schreibt vor:

Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

Punkt.

Nehmen wir nun mal an, es sei nicht nur ein einsamer Fall, sondern zehn Fälle des Mordes. Vielleicht noch den einen oder anderen Banküberfall und/oder Sprengstoffanschlag zusätzlich. Was kommt heraus? Maximal lebenslange Freiheitsstrafe. Mehr geht nicht, jedenfalls in diesem unserem Lande.

Aber geht weniger?

Also für das Gesamtpaket – sagen wir mal – nur zehn Jahre statt lebenslang?

„Nu klar!“, würde der Sachse sagen.

Zehn Jahre für zehn Morde (§ 211 StGB), ein paar Fälle des Raubs (§§ 249, 250, 251 StGB) und ein paar Explosionen (§ 308 StGB); das Ganze verpackt in eine terroristische Vereinigung (§ 129a StGB)?

Geht! Nicht ganz problemlos, aber das Gesetz ermöglicht es. Und zwar so:

Über lange Jahre gelingt es den Strafverfolgungsbehörden – also Landeskriminalämter, Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz mit ihren bezahlten Spitzeln – nicht, das oben beschriebene Paket zu erkennen und die darin enthaltenen Taten aufzuklären. Und das, obwohl ansonsten die Aufklärungsrate bei Tötungsdelikten bei nahe 100 Prozent liegt.

Durch einen dummen Kommissar Zufall wird nun zumindest im Groben ein Zusammenhang entdeckt. Und es gibt jemanden – nennen wir sie mal „Felix“ -, die an den Taten beteiligt war und die man erst einmal vorläufig in eine Einzel-Zelle einsperrt. Ein Paar der anderen Beteiligten hat es bereits hinter sich, weitere laufen noch frei in ihrer Terror-Zelle herum.

Wenn Felix sich nun bereit erklärt, den (vermeintlichen) Profis zu zeigen, was sie im Laufe der Jahre alles verpaßt haben. Wenn Felix der versumpften Truppe hilft, das zu tun, wofür sie bezahlt wurden, nämlich Straftaten aufzuklären. Wenn Felix also „Aufklärungshilfe“ leistet. Ja, dann gibt es Rabatt auf die lebenslange Freiheitsstrafe, bis runter auf zehn Jahre.

Das sagt jedenfalls § 46b Absatz 1 StGB:

Wenn der Täter einer Straftat, die […] mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung [dort sind u.a. auch Mord und Totschlag genannt. crh] aufgedeckt werden konnte, […] kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt.

Im Ergebnis bedeutet das: Ein rechtsradikaler Terrorist, der einer unfähigen Ermittlungstruppe unter die Arme greift, nachdem er zehn Menschen unter die Erde gebracht hat, bekommt zehn Jahre Freiheitsstrafe. Und wenn er sich im Knast gut mit den Wachteln versteht, kann er sich nach Halb- oder Zweidrittelstrafe in fünf bis sieben Jahren wieder einen Döner kaufen gehen.

An diesem Fall wird deutlich, welchen Irrsinn der Gesetzgeber – gegen die Stimmen der meisten Praktiker, den Deutschen Richterbund und die Strafverteidiger-Vereinigungen eingeschlossen – da mit der Kronzeugenregelung des § 46b StGB fabriziert hat.

 
In diesem Zusammenhang:

Einen unbedingt lesenswerten Artikel hat Christian Bommarius am 26.11.2011 in der Berliner Zeitung geschrieben. „Mit Mördern dealen?“ fragt der Journalist.

Herr Bommarius schließt seinen Kommentar optimistisch:

Harald Range, der neue Generalbundesanwalt, scheint das [den Irrsinn. crh] erkannt zu haben. Er beteuert, mit Beate Zschäpe keinen Deal machen zu wollen. Die Begründung seines Zögerns kann sich hören lassen: „Bei zehn Morden tue ich mich furchtbar schwer, mit jemandem ernsthaft in Verhandlungen zu treten.“ Es sollte allerdings nicht erst einer Mordserie bedürfen, um die Verantwortlichen darüber grübeln zu lassen, ob ein Deal mit Schwerstverbrechern eventuell des Staates unwürdig ist.

Der Journalist verkennt dabei allerdings, dass nach dieser Vorschrift gar nicht darauf ankommt, ob ein GBA Harald Range dealen will oder nicht.

Wenn Felix aussagt und ihre Komplizen verrät, wird am Ende, ganz am Ende, ein Richter entscheiden, ob sie für ihre Taten zehn Jahre oder „LL“ bekommt.

Dafür braucht es keinen Deal mit der Staatsanwaltschaft. Sondern „nur“ ein Urteil, in dem das Gesetz – der § 46b StGB – angewandt werden MUSS!

Der Fall Zschäpe macht nur unmissverständlich klar, dass Rechtstaatlichkeit und Gerechtigkeit bei der Kronzeugenregelung auf der Strecke bleiben.

Diesem letzten Satz von Herrn Bommarius möchte ich mich uneingeschränkt anschließen.

 

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Gleis 17

 

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Henkelförmige Ohren

Merkmale, denen ein Verbrecher eindeutig zu erkennen ist:

Die fliehende Stirn, der große Unterkiefer, eine Asymmetrie des Gesichts, eine übergroße Spannweite der Arme, große Füße und Hände. Verbrecher hätten kleine, aber sehr bewegliche und blutunterlaufene Augen, zusammengewachsene Brauen und eine Adlernase. „Im allgemeinen, sind bei Verbrechern von Geburt die Ohren henkelförmig, das Haupthaar voll, der Bart spärlich, die Stirnhöhlen gewölbt, die Kinnlade enorm, die Backenknochen breit – kurz ein mongolischer bisweilen negerähnlicher Typus ist vorhanden.“

Soweit Herr Professor Cesare Lombroso (1835 – 1909) vor 100 Jahren.

Zitiert nach Kai Schlieter, Knastreport: Das Leben der Weggesperrten.

Komisch, meine Mandanten sehen in Regel völlig anders aus. Aber vielleicht habe ich als Strafverteidiger auch nur einen ganz anderen Blickwinkel.

 

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Der Commodore 64 und die Talionsformel

Der Student Majid Movahedi hatte sich in Ameneh Bahrami verliebt. Sie aber nicht in ihn. Im November 2004 griff er sie mit Schwefelsäure an. Der Anschlag hatte Gesicht und Körper der Iranerin verstümmelt und sie das Augenlicht gekostet, weil sie seine Gefühle zurückgewiesen hatte.

Das Ganze hatte ein juristisches Nachspiel, in dem sich Strafrichter den Fall anschauten. Für so etwas gibt Spielregeln, also Gesetz und Recht, an die auch im Iran die Richter gebunden sind. Allerdings gibt es in jenem iranischen Gottestaat andere Gesetze, es gilt anderes Recht, wie in unseren Breiten.

Laut islamischen Gesetzen gibt es das „Auge-um-Auge“-Prinzip, das dem Opfer erlaubt, dem Täter das gleiche Leiden zuzufügen.

schreibt die Süddeutsche

Dieses Prinzip – zutreffend als Talionsformel bezeichnet – war einmal ein Fortschritt in der Geschichte des Rechts:

Nach überwiegender rabbinischer und historisch-kritischer Auffassung verlangte die sogenannte Talionsformel (von lateinisch talio: Vergeltung) einen angemessenen Schadensersatz in allen Fällen von Körperverletzung vom Täter, um die im Alten Orient verbreitete Blutrache einzudämmen und durch eine Verhältnismäßigkeit von Vergehen und Strafe abzulösen.

kann man in Wikipedia nachlesen.

Vor der Einführung des Rechtssatzes:

„… so sollst du geben Leben für Leben, Auge für Auge, Zahn für Zahn, Hand für Hand, Fuß für Fuß, Brandmal für Brandmal, Wunde für Wunde, Strieme für Strieme.“

ging es also noch einen Zacken härter zu. Das war aber mit dem Ende des Mittelalters und dem Beginn der Neuzeit erledigt. Die Menschheit entwickelte sich weiter.

Jedenfalls in vielen Teilen der Welt. Leider nicht überall. Und es gibt Länder bzw. Kulturen, die eine umgekehrte Entwicklung beschreiben, nachdem sie einmal ein gewisses humanes Niveau erreicht hatten:

Möglich wird diese grausame Körperstrafe durch die vom Islam aus dem altarabischen Stammesrecht übernommene Praxis der Blutrache, Qissas genannt, was wörtlich Vergeltung oder Züchtigung heißt. 1982 wurde sie ins iranische Strafrecht übernommen. Danach darf eine vorsätzliche Körperverletzung oder ein Mord gerächt werden durch eine gleichartige Verwundung beziehungsweise durch die Tötung des Täters.

hält Martin Gehlen in „Der Westen“ fest.

Im September 1982 kommt der erste Commodore 64 auf den Markt. Und das Mullah Regime in Teheran schafft die wenigen Menschenrechte ab, die sich bis dahin auch in Persien entwickelt hatten.

Das war jedoch nicht der Endpunkt der rückwärts gerichteten Entwicklung dieser Kultur: 2007 wird die öffentliche Steinigung wieder eingeführt.

Der heutige Samstag ist der Tag, an dem die Geschädigte die Augen des Täters mit Säure verätzen darf. Ganz legal, nach Recht und Gesetz.

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Verkehrshinweis

Prognose für 2025:

Mehr Radfahrer als heute, weniger Fahrten mit dem Auto und häufigeres Nutzen von Bahn und Bus.

Quelle: Tagesspiegel

Noch mehr von diesen anarchistischen Radfahrern in Kreuzberg?? Das hält unsere Demokratie nicht aus!

Danke an HU für den Hinweis!

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