Polizei

Verdachtsinverwahrnahme beim Kirchentagsbesuch

In seinen Lichtenrader Notizen berichtet Rechtsanwalt und Notar Rolf Jürgen Franke über die 16. Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG), das Berliner Polizeigesetz:

Auffällig ist die vorgesehene Verdachtsinverwahrnahme von Bürgern auf Grund richterlicher Anordnung für einen Zeitraum bis zu 4 Tagen gemäß §§ 30 Absatz 1 Nr. 2, 33 Absatz 1 Nr. 3 ASOG auf Grund richterlicher Anordnung.

Anders als die Regeln der Strafprozeßordnung (StPO), die – repressiv – angewandt werden, nachdem möglicherweise eine Straftat begangen wurde, findet das ASOG Anwendung, um – präventiv – Straftaten zu verhindern, bevor sie begangen werden. Deswegen heißt es in der Begründung:

Die Neuregelung ist unerlässlich, um die bevorstehende Begehung von Straftaten, insbesondere im Umfeld von länger andauernden Großlagen (wie beim 1. Mai oder Staatsbesuchen), Versammlungen, (sportlichen) Großveranstaltungen (wie der Kirchentag oder bei Fußballspielen) oder äußerst gewaltbereiten Gruppierungen (z.B. im Rockermilieu) zu verhindern.

Also, liebe Kirchentagsbesucher; immer präventiv eine Zahnbürste mit sich führen, man weiß ja nie … und vier Tage sind dann unter den gegebenen Umständen eine lange Zeit.

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Schriftliche Zeugenvernehmung in Bußgeldsachen

In einer Bußgeldsache wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung bekam der Halter des Fahrzeugs einen Fragebogen, mit dem er als Zeuge schriftlich vernommen werden soll.

Ziel dieses Fragebogen ist es, den Halter zu einer Aussage zu bewegen und der Bußgeldbehörde die Arbeit zu erleichtern. Bei der Verwirklichung des Ziels bleiben die Rechte des Zeugen auf der Strecke.

Hier erst einmal der Fragebogen zur gefälligen Ansicht (klick aufs Bild liefert die vollständige Datei als PDF); die schlimmen Stellen habe ich in der PDF-Datei markiert:

Potsdamer Belehrung 01

Die Überschrift ist der Aufhänger: Es geht hier um die Aussage eines Zeugen gegenüber der Polizeibehörde.

Daraus ergibt ganz zuerst die folgende Rechtslage:
Niemand ist verpflichtet, sich gegenüber der Polizei zu äußern. Nicht nur, wenn man möglicherweise sich selbst oder nahe Verwandte belastet, muß man nichts zur Sache sagen. Sondern gegenüber der Polizei ist jede Aussage freiwillig.

Deswegen sind diese Hinweise falsch; sie täuschen den Bürger über seine Rechte und seine Pflichten:

Potsdamer Belehrung 02

Zur Rücksendung des Fragebogens ist der Zeuge nicht verpflichtet. Egal ob er ihn ausfüllt oder nicht.

Zutreffend ist, daß bei ausbleibender Rückmeldung eine Vorladung des Zeugen durch die Verwaltungsbehörde kommen könnte. Aber auch dieser Vorladung muß der Zeuge nicht folgen.

Nur wenn ein Richter vorlädt, muß der Zeuge antanzen. Eine richterliche Ladung im Ermittlungsverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung habe ich in den knapp zwei Jahrzehnten meiner Tätigkeit als Strafverteidiger noch nicht erlebt. Man verbrennt nicht die Arbeit eines Richters wegen der Ermittlung eines 6-km/h-zu-schnell-Fahrers.

Richtig ist auch, das die Zeugnisverweigerung ohne gesetzliche Gründe ein Ordnungsgeld nach sich ziehen kann. Die Weigerung des Zeugen, vor der Polizei- oder Verwaltungsbehörde auszusagen, aber nicht.

Auch die vermeintlich empfindlich üble Fahrtenbuchandrohung ist lauwarme Luft. Nur mal eben so geht auch eine Fahrtenbuchauflage nicht. Dazu gehört wesentlich mehr als nur die Wahrnehmung eines Zeugnisverweigerungsrechts.

Weiter:
Die Weigerung, Angaben zur Person zu machen, wenn diese Angaben bereits (wie in den meisten Fällen) zutreffend auf dem Zettel stehen, den man ausfüllen soll, zieht mit Sicherheit kein Bußgeld nach sich.

Und zuletzt:

Potsdamer Belehrung 03

Wer keine Angaben zur Sache machen möchte, muß weder mitteilen, daß er gefahren ist, noch den Verstoß zugeben oder den Verstoß nicht zugeben. Er muß einfach NICHTS machen. Und begründen muß er das schon mal gar nicht.

Ich frage mich stets, warum solche Falschbelehrungen immer wieder verteilt werden. In den Behörden sitzen doch Juristen, die sich irgendwann einmal mit der StPO und dem OWiG beschäftigt haben. Die wissen doch ganz genau, zu was der Zeuge verpflichtet ist und zu was nicht.

Warum versuchen diese Behörden den Bürger über den Löffel zu balbieren? Diejenigen, die sich solchen Tricksereien einfallen lassen, müssen sich nicht wundern, wenn der Bürger zunehmend das Vertrauen in das rechtsstaatliche Handeln der Staatsgewaltigen verliert.

Meine knackige Empfehlung daher:
In solche Schreiben gehören maximal zwei Löcher gemacht und dann ab damit in einen ganz dunklen Ordner. Oder mit der Nummer des Rechtsschutzversicherungs-Vertrags zum Fachanwalt für Straf- und Verkehrsrecht. 8-)

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Moabit-Trojaner

Ich bin mir nicht sicher, was ich davon halten soll, daß mich der Donnervogel vor einer eMail warnt, die uns ein freundlicher Polizeibeamter geschickt hat:

Phishing

Aber wenn ich mir das nette Bildchen am Ende anschaue, kann die eMail doch gar nicht gefährlich sein.

Obwohl, wenn man sich einmal etwas näher mit der Online-Durchsuchung und deren umstrittenen Zulässigkeit beschäftigt, könnte man durchaus auf den Gedanken kommen, daß es nicht nur einen Bundes- und einen Bayern-Trojaner gibt, sondern auch ein falsches Pferd aus Moabit. Hmmm …

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Fallstricke beim Cannabisanbau

Verräterisches DachDie Cannabispflänzchen der Homegrower und Hanfgärtner mögen es gern hell und kuschelig. Das führt – je nach Umfang der Plantage – zu erhöhtem Energiebedarf. Im Alltag sind daher die Stromversorger zu guten Kumpels der Drogenfahnder geworden: Bezieht der Eigenbauer mehr als die verbrauchertypische Menge an Kilowatts, führt das nicht selten zu einem morgendlichen Besuch von ein paar Prohibitionisten, die einen Durchsuchungsbeschluß überreichen, gern auch mal durch die verschlossene Tür.

Die Holländer haben nun einen neuen Verbündeten im Kampf gegen das gefährliche grüne Rauschgift gefunden: Das schneelose Dach. Darauf weisen die Twitterer der Politie Haarlem (@POL_Haarlem) freundlich hin.

Ich kann mir gut vorstellen, daß nun ein Run auf die Baumärkte und dort auf die Dachdämmstoffe losgeht.

Worauf man nicht alles achten muß, wenn man sich zum Gärtner macht. Nicht umsonst ist das ja auch ein qualifizierter Ausbildungsberuf.

Übrigens:
Die Herstellung von synthetischen Drogen ist eine echte Alternative, wenn man das Entdeckungsrisiko minimieren möchte. Daß da noch keiner drauf gekommen ist …

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Danke an den Kollegen Rechtsanwalt Thorsten Hein aus Pfungstadt für den Hinweis auf den Holland-Tweet.

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Multilinguale Belehrung

Aus einer Ermittlungsakte.

Blatt 04

ED und Sprache

Da gibt es nicht dran auszusetzen. 16 Seiten später in derselben Akte:

Blatt 20

Belehrt

Was das hier soll, ist nicht so ohne weiteres verständlich. Aber Hauptsache, er wurde belehrt. Irgendwie wird er das schon verstanden haben.

Ach, fast hätte ich es vergessen: Der Mann spricht portugiesisch und eine auf dem Portugiesischen basierende Kreolsprache. Und sonst nichts.

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Verhältnismäßig rechtslastig

SachsenpolizeiIm Tal der Ahnungslosen tut sich was. Pascal Breucker, Redakteur bei der taz, hat mal ein paar Aktionen der Dresdner Polizei zusammen gestellt, die den Eindruck entstehen lassen könnten, daß sich da eine Vereinigung entwickelt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen.

Die Liste von Merkwürdigkeiten bei der Dresdner Polizei ist lang. Hier ein paar Beispiele aus den vergangenen Jahren – bis in die jüngste Zeit.

So könnte man vielleicht die „paar Beispiele“ überschreiben, die Breucker ermittelt hat:

  • März 2006: Geiselnahme und Erpressung
  • Oktober 2007: Verletzung des Dienstgeheimnisses
  • Februar 2011: Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes
  • August 2011: Verfolgung Unschuldiger
  • Juni 2014: Verstoß gegen §§ 21 ff VersammlungsG
  • Dezember 2014: Strafvereitelung im Amt
  • Januar 2015: Strafvereitelung im Amt

Das ist natürlich alles völlig übertrieben und unscharf. Aber auch abwegig? Egal, denn sogar auch für die Dresdner Polizeibeamten gilt Art. 6 EMRK.

Apropos Unschuldsvermutung: Ob die auch für Nicht-Sachsen und für Menschen mit dunkler Hautfarbe gilt, die sich im Polizeibezirk Dresden aufhalten, ist in Sachsen bislang noch ungeklärt.

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Bild: Sachsen Polizeigeschichte

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Man spart, wo man kann

Sehr viele Ermittlungsverfahren, in denen es um Betäubungsmittel geht, beginnen mit einem Telefonat, an dem drei Personen beteiligt sind: Der Anrufer und der Angerufene, die sich unterhalten und ein Ermittler, der sich diese Unterhaltung anhört.

Das ist in der Szene natürlich auch bekannt. Deswegen nutzt man in der Regel Telefonkarten, die keine Rückschlüsse auf den Telefonisten zulassen. Man besorgt sich also Prepaid-Karten, bei deren Erwerb man sich nicht registrieren lassen muß. Die gibt’s im Ausland, bei eBay oder beim freundlichen Gebrauchthandydealer auf der Sonnenallee. Oder beim Discounter, der die Personalien nicht so genau überprüft.

Die Ermittler sind aber durchaus imstande, auch solche Telefone zu überwachen. Für den richterlichen Beschluß nach § 100a StPO sind nämlich die Personalien des Besitzers nicht zwingend erforderlich (§ 100b II Nr. 1 StPO), die Rufnummer reicht aus. Das führt im Einzelfall zu lustigen Ergebnissen.

Im Rahmen einer Ermittlung gegen ein paar „Landwirte“ bekommen die Protagonisten mit, daß ein Handy abgehört wird. Das führt zur sofortigen Entsorgung des Telefons und der SIM-Karte. Aber nicht in die Gelbe Tonne der Berliner Stadtreinigung (BSR). Sondern – das Ding funktioniert ja noch, kann man doch nicht einfach wegschmeißen – hier:

Tausch- und Geschenkmarkt

So oder so, mit der Entsorgung haben unsere Anbauern dann eine Sorge weniger. Und die Abhörer hören erstmal nichts mehr.

Nun gibt es andere Menschen, die sich ihr schmales Einkommen mit einem Zubrot aufbessern möchten, aber nicht über das notwendige Startkapitel verfügen. Es hat sich in dieser – sagen wir mal – Hobby-Szene herumgesprochen, daß es kostengünstige gebrauchte SIM-Karten und Telefone quasi an jeder Ecke in Neukölln und Kreuzberg gibt.

Und wie es der Teufel will, erwirbt unser Hobbydealer das oben beschriebene entsorgte Handy samt Karte (extrem günstiges Schnäppchen!) und verabredet sich mit seinen Stammkunden.

Der vorübergehend still gelegte Abhörer wundert sich über die neuen Stimmen am Telefon und stellt fest, daß das, was da besprochen wird, mit seinem ursprünglichen Fall nichts zu tun hat. Plötzlich geht es nicht mehr um einen Kräutergarten (vulgo: Cannabisplantage), sondern um die Versorgung der Gäste einer Gaststätte mit Turnschuhen (vulgo: Kokain i.n.g.M. – § 29a I 2 BtMG).

Der Turnschuhlieferant hat da wohl am falschen Ende gespart. Oder er war zu ungeduldig. Wenn er das Schnäppchen erst einmal für drei Monate in die Schublade gelegt hätte, wäre die Frist des § 100b I Satz 4 StPO abgelaufen und eine weitere Überwachung nahezu ausgeschlossen.

Verflixte Technik aber auch. Es geht doch nichts über ein persönliches Gespräch …

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Das ursprüngliche Bild war von © Tim Reckmann via pixelio.de. Er verschickt aber auch Rechnungen für die Veröffentlichungen seiner Photos, deswegen habe das Bild vom Server genommen und entsprechend ersetzt.

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„Keine besonderen Vorkommnisse.“ In Dresden.

Der 20-jährige Khaled war am Dienstagmorgen – also ein paar Stunden nach dem Ende der Spaziergänge von diesen selbsternannten Rettern des Abendlands – irgendwie tot aufgefunden worden. Die Dresdner Polizei kam recht schnell zum Ergebnis, der schwarze Mann sei „nicht von hier“ und es gebe für eine Fremdeinwirkung keine Anhaltspunkte.

Nun stellt die Staatsanwaltschaft Dresden mit, daß die nicht erfolgte Fremdeinwirkung durch durch Messerstiche in Hals und Brust verursacht wurde. Und schickt SOFORT, d.h. 30 Stunden nach der Tat, die Spurensicherung an den Tatort.

Die Spurensicherung wird begleitet von Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU), der versicherte, er sei …

… natürlich sehr betroffen über den Tod des jungen Mannes.

Natürlich. Sehr betroffen. Und weiter forderte er:

Jetzt muss schnell und gründlich ermittelt werden. Ohne Vorverurteilung!

Schnell. Und ohne Vorverurteilung.

Dieter Kroll, 40 Jahre älter als Khaled und Dresdens Polizeichef, ist ganz sicher, daß die Ermittlungen de lege artis erfolgt sind und erfolgen werden:

Ich bin überzeugt, dass wir keinen Fehler gemacht haben.

Deswegen auch wurde den Journalisten, die Dienstag, Mittwoch und Donnerstag bei der Pressestelle der Polizei angerufen hatten, mitgeteilt: Nichts Neues in Dresden.

Dresden, Blaues WunderSo sieht das also aus in der Hauptstadt des Freistaates Sachsen, im Elbflorenz. Die Fische flußabwärts der Elbe dürften sich freuen, über die vielen Menschen, die auf den Brücken stehen und angesichts der aktuellen Lage in Dresden das Kotzen bekommen.

MdB Volker Beck (Grüne) hat Strafanzeige erstattet, wegen möglicher Strafvereitelung im Amt, berichtet der Spiegel. Mit den Ermittlungen wurden die Ermittler der Dresdner Polizei beauftragt. Ich nehme Wetten über den Ausgang dieser Ermittlungen entgegen.

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Bild: Wolfgang Wehl / pixelio.de

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Türkische Wiesn-Wache

Auszug aus einem Zeugenvernehmungsprotokoll der Münchner Wiesn-Wache:

türkischfarbiges Hemd

Rot? Mit Mond-Sternchen-Muster? Oder doch blau?

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Danke an den Gutachter für diese nette Stilblüte

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Codierter Ermittler

Eigentlich nicht der Rede Wert: Eine kleine Körperverletzung, die im Zusammenhang mit den Rechten aus Art. 21 GG stehen soll. Die Kleinigkeit sollte dann auch per Strafbefehl erledigt werden – so die Vorstellung der Staatsanwaltschaft und wohl auch des Richters am Amtgericht.

Der Mandant bekommt also den entsprechenden Strafbefehl, der auf der zweiten Seite diesen Hinweis enthielt:

codierter Beamter

Das fordert jetzt aber die Neugier des Mandanten und den Ehrgeiz des Strafverteidigers heraus. Zumindest wird die Vernehmung dieses verdeckten Ermittlers als Zeugen von gesteigertem Unterhaltungswert sein.

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