- Kanzlei Hoenig Info
- 1 & 1 Internet AG
- Allgemeines (Kanzlei)
- Arcor
- Behörden
- Berufsrecht der Rechtsanwälte
- Blick aus dem Fenster
- Blickpunkte
- Buchtip
- Cybercrime
- Der Baum vor dem Fenster
- Fahrerlaubnisrecht
- Gericht
- GEZ
- Hinweis!
- In eigener Sache
- Justiz
- Knast
- Kreuzberg
- Mandanten
- Medien
- Motorradrecht
- Nebenklage
- Neukölln
- Off Topic
- Ordnungswidrigkeiten
- Ordnungswidrigkeitenrecht
- Philosophisches
- Politisches
- Polizei
- Prozeßbericht (www.prozessbericht.de)
- Psychiatrie
- RA-Micro
- Ratgeber Strafrecht
- Rechtsanwälte
- Rechtsschutzversicherung
- Richter
- Rocker
- Staatsanwaltschaft
- Strafrecht
- Strafverteidiger
- Strafvollstreckung
- Telekom
- Troll-Award
- Unerwünschte Werbung
- Urlaub
- Verkehrs-Strafrecht
- Verkehrsunfall
- Verteidigung
- Vollmacht
- Vollstreckung
- Zeugen
- Zivilrecht
- Kanzlei-Wanne
- Motorradrecht
- Archiv
- Kommentar – Policy
Kafka – Der Process
Bayern: Arbeiten mit Profis
Ich möchte hier noch einmal dem Eindruck entgegen treten, ich hätte etwas gegen *die* Bayern.
Na gut, wenn es um das Strafmaß geht, besonders im Zusammenhang mit dem Fund 0,5 Gramm Cannabiskraut, halte ich an meinen berechtigten (jawoll!!) Vorurteilen fest.
Im strafverteidigenden Umgang mit den und bei der Organisation durch die Justizbehörden liegt Bayern jedoch ganz weit vorn.
Das mache ich aus aktuellem Anlaß noch einmal an einem Beispiel fest.
Stage 1: Frankfurt
Ich hatte mehrere Termine vor dem Landgericht Frankfurt am Main und hatte das Gericht um die Hereingabe eines Vorschusses auf meine Reisekosten (immerhin ein vierstelliger Betrag).
Das Gesetz ist insoweit eindeutig, den Frankfurtern ist das RVG aber augenscheinlich Wurscht.
Wie sich meine Vorschussbitte entwickelt und zu welchen Amputationen das in Frankfurt am Main geführt hat, kann man hier nachlesen. Die weitere hessische Entwicklung war dann noch Anlass für einen weiteren Bericht.
Am Ende jenes hessischen Vorschuss-Verfahrens stand ein gegen mich geführtes Ermittlungsverfahren wegen eines Ehrkränkungsdelikts, das von den professionellen (!) Ermittlern in Berlin auch gleich wieder eingestellt wurde.
Stage 2: München
Nun habe ich ein Verfahren vor dem Landgericht München. Auch hier habe ich um die Hereingabe eines Vorschusses auf die Reisekosten gebeten. Das war am vergangenen Montag. Und Zack: Vier Tage später – am Freitag – war der Vorschuss auf meinem Konto.
Man kann von *den* Bayern halten, was man will. Aber organisieren können sie …
__
Image by Werner Heiber from Pixabay
Vier Strafverteidiger und die ängstliche StA Berlin
Er ist nicht ganz von der Hand zu weisen: Der Verdacht, daß sich die Staatsanwaltschaft Berlin keine Laus in den Pelz setzen wollte. Mit einem Strafverfahren gegen einen der Vier Strafverteidiger.
Wie alles begann
Die 29. Große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main verhandelte den Kafka-Process, in dem ich den Angeklagten verteidigte.
Ich hatte das Landgericht um eine Vorschuß auf meine Reisekosten gebeten. Der Rechtspfleger verweigerte die Vorschußzahlung mit den Argumenten-Dreisprung:
- Das haben wir noch nie so gemacht!
- Wo kommen wir denn da hin?!
- Da könnte ja jeder kommen!
Daraufhin hatte ich meine Teilnahme an den kommenden Verhandlungstagen erst einmal abgesagt. Dem Vorsitzenden Richter Moritz R. gefiel das ja nun überhaupt nicht, weil das gesamte Verfahren zu platzen drohte. Darüber habe ich einen ausführlichen Testbericht zum Thema „Krawalljuristen“ geschrieben.
Jener Blogbeitrag enthielt eine Passage, die dem Präsidenten des Landgerichts übel aufstieß:
Und zwar so übel, daß er mir völlig unübel nachredete, ich hätte eine Straftat begangen:
Die aufmarschierte Oberstaatsanwältin subsumierte summarisch den Blogbeitrag und insbesondere den zitierten Absatz unter die Vorschriften § 186 StGB und § 187 StGB.
Wie jeder Beschuldigte, der seine sieben Sinne beieinander hat, habe ich mich sogleich um eine solide Verteidigung gekümmert. Und obwohl Strafverteidiger die mit großem Abstand schwierigsten Mandanten sind, haben meine Verteidiger Bernd Eickelberg, Kerstin Rueber-Unkelbach und Werner Siebers keine Sekunde gezögert, das Mandat anzunehmen.
Nächtelange haben wir dann gemeinsam eine Verteidigungsstrategie entwickelt. Ziel war es, sowohl die Frankfurter als auch die Berliner Strafjustiz gnadenlos in die Knie zu zwingen.
Nach den ultimativen Verteidigungsschriften an die Staatsanwaltschaft Berlin …
und
… haben wir uns auf einen Strafkammerprozeß im Saal 700 des Kriminalgerichts vorbereitet, bei dem wir die honorigen Zeugen der Anklage – VRiLG R., Rechtspfleger R. und den Präsidenten Dr. W. – nach allen Regeln der Verteidigerkunst auf heißen Kohlen grillen wollten.
Und was macht die schneidigste Behörde Berlins? Sie zieht den Schwanz und stellt das Verfahren ein. Mit der nach Ziff. 88 RiStBV angeforderten Begründung:
Liebe Kerstin Rueber-Unkelbach, lieber Bernd Eickelberg, lieber Werner Siebers. Habt ganz herzlichen Dank für diese erfolgreiche Verteidigung gegen eine übergriffig scheinende hessische Justiz, die austeilen kann, aber nicht einstecken!
Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Berlin, das Verfahren wegen § 193 StGB einzustellen, ist allerdings noch eine Diskussion wert. Wenn man das Geschehen mal ernsthaft auf’s Wesentliche runterbricht und sich die „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ genauer anschaut: Wessen Interessen habe ich eigentlich vertreten, als ich (erfolgreich) versucht habe, den mir zustehenden Reisekostenvorschuß durchsetzen?
Naja, die Einstellung nach § 170 II StPO ist ja beschwerdefähig, Herr Präsident.
Endgültige oder vorläufige Falschaussage?
Einen relativ bekannten Schlawiner hat es böse erwischt. Für allerlei Unfug, den er angestellt hat, wurde ihm die rote Karte gezeigt. Sechs Jahre und ein paar Monate soll er bei Wasser und Brot sein Dasein fristen.
Und wie es im Leben so ist, kommt es immer schlimmer als man denkt. Es gibt noch eine, ebenfalls etwas größere Sache, für die man ihm noch nicht die Ohren lang gezogen hat. Er soll – gemeinsam mit einigen anderen Schlingeln – ein paar Fallen gestellt haben, in die blauäugige Internetnutzer getappt sind, weil sie ihre blauen Augen geschlossen hielten.
Nun hatte er sich zwischenzeitlich eine ziemlich üble Krankheit eingefangen. Die Staatsanwaltschaft bekam Mitleid mit dem Kerl und stellte das gegen ihn geführte Verfahren vorübergehend ein; § 154f StPO ermöglicht sowas. Das Verfahren gegen die anderen Schlingel wurde jedoch weitergeführt.
Und zwar – aus Sicht der Staatsanwaltschaft – mit Erfolg. Denn: Der kranke Mann erwies sich als Glückbringender. Er stellte sich den Ermittlern und dem Gericht als Zeuge zur Verfügung und lies seine ehemaligen Partner und Mitarbeiter über die Klinge springen.
Besonders auf einen von ihnen hatte er es abgesehen. Auf meinen Mandanten, seinen ehemaliger Freund, mit dem er sich u.a. wegen Geld, mangelndem Support in der Untersuchungshaft und einer Frau … sagen wir: auseinandergelebt hat.
Die Aussagen des Glückbringenden führten zur Anklageerhebung u.a. gegen meinen Mandanten. Der Showdown fand dann vor der Wirtschaftsstrafkammer statt. Er erschien im Begleitung seines anwaltlichen Beistands zur Aussage vor Gericht.
Zwei Stunden lang hörte sich der Vorsitzende Richter die Geschichten dieses Zeugen an, der meinen Mandanten nach allen Regeln eines gewerbsmäßigen Betrügers in die Pfanne haute. Der Staatsanwaltschaft holte den Rest aus dem Belastungszeugen raus. Erst danach war die Verteidigung an der Reihe mit dem Fragerecht.
Die Antworten auf die Fragen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft waren meinem Mandanten und mir größtenteils aus dem Aktenstudium bekannt, zumindest vorhersehbar. Deswegen konnte ich mich auf die Befragung des Zeugen sehr gut vorbereiten. Wir hatten reichlich Material, um die Aussagen zu widerlegen, jedenfalls in ihrer Bedeutung zu relativieren.
Und wie schützt sich ein gut beratener Zeuge in so einer Situation vor dem bevorstehenden Grill, auf den die Verteidigung ihn nun legen wollte?
Zeugenbeistand und Zeuge tragen unisono vor, die Einstellung des Verfahrens nach § 154f StPO sei bekanntlich nur vorübergehend. Die Fortsetzung des Verfahrens sei daher nicht auszuschließen. Deswegen bestünde die Gefahr, daß er sich durch seine weiteren Aussagen ins eigene Knie schieße. Also habe er das Recht, die Aussage zu verweigern.
Zeuge samt Beistand berufen sich jetzt auf § 55 StPO und entziehen sich auf diesem Weg der peinlichen Befragung durch die Verteidigung.
Und was macht die Verteidigung in so einer Situation? Richtig: Aufstehen. Krönchen zurecht rücken. Akten lesen.
Irgendwo in den Tiefen der Verfahrensakten, nämlich auf Blatt 97 Band XVI der Akte, war folgendes Fundstück abgeheftet:
Der Verteidiger, dem 10 Monate zuvor die endgültige Einstellung (nach § 154 StPO) gegen Empfangsbekenntnis („EB“) übermittelt wurde, war derselbe, der jetzt als Zeugenbestand auf meine Nachfrage mitteilte, das Verfahren sei nur vorläufig (nach § 154f StPO) eingestellt worden.
Bemerkenswert ist, daß weder der Richter, noch der Staatsanwaltschaft auf diese objektiv unwahre Aussage des Zeugen und seines anwaltlichen Beistandes so reagiert haben, wie zu erwarten gewesen wäre. Statt dessen hielten beide an den angeblich „belastbaren“ Aussagen dieses „zuverlässigen“ Belastungszeugen fest.
Die Antworten dieses Betrügers und Verräters bildeten eine entscheidende Grundlage für die Verurteilung meines Mandanten.
__
Bild (vertikal gespiegelt): © Sabine Jaunegg / pixelio.de
Na bitte; geht doch!
Das Ergebnis meiner Bemühungen, vom Landgericht Frankfurt einen Vorschuß auf meine Reisekosten zu bekommen, möchte ich in diesem Blogbeitrag vorstellen.
Der Blick gestern Morgen in die Post und auf’s Konto ging in’s Leere. Keine Nachricht, keine Überweisung aus Frankfurt. Ok, dachte ich mir: „Ludi incipiant!“ wie der Altgrieche sagt.
Ich räume ein, mir das Flugticket bereits am Montagabend besorgt zu haben. Die Mandanteninteressen erlaubten es nicht, daß ich die Hauptverhandlung durch Abwesenheit zum Platzen bringe. Ein Ablehnungsgesuch, was auch noch in Betracht kam, war auch nicht das Richtige.
Es gab aber weitere Möglichkeiten, dem dringenden Begehr des Gerichts nach Krawall zu entsprechen. Und außerdem stehen ja noch 7 weitere Termine aus, bei denen die Anreise vorfinanziert werden muß. Deswegen habe ich mich vor der Mittagspause (für den Insider: vor der nächsten Mahlzeit) noch einmal an’s Diktier-Mikrofon gesetzt:
- Beschwerde zum Oberlandesgericht wegen faktischer Ablehnung durch Nichtbescheidung des Vorschuß-Antrags.
- Dienstaufsichtsbeschwerde an den Präsidenten des Landgerichts wegen der Nichtbearbeitung
- Strafanzeige gegen unbekannt mit der Bitte um Prüfung, ob hier nicht eine Straftat im Amt vorliegen könnte
- Abschriften dieser Schriftsätze zu Kenntnisnahme an das Justizministerium
- Und schließlich: Ein zusammenfassender Bericht im hier Blog.
Ob das Ganze nun am Ende nach Hornberg geführt hätte oder nicht … darauf kam’s nicht an. Es hätte jedenfalls für lustige Bewegung im Beamtenapparat gesorgt.
Kurz nachdem ich so richtig in Schwung gekommen war, trudelt hier um 12:18 Uhr ein Fax aus Frankfurt ein:
Die Zeit, die ich eigentlich für den Krawall eingeplant hatte, konnte ich nun für diesen Blogbeitrag nutzen. Und für eine entspannte Mittagspause.
Vielen Dank nach Frankfurt!
__
Bild: © Klaus Steves / pixelio.de
»Jajaja!« rief Meister Böck. »Bosheit ist sein Lebenszweck!«
Aus mutmaßlich gut unterrichteten Justizkreisen wird kolportiert, daß es unter Rechtsanwälten Krawallverteidiger geben soll. Also Strafverteidiger, denen es auf mehr als auf die systembedingten Konflikte ankommt.
Ich prüfe derzeit, ob es auch innerhalb dieser Justizkreise Krawallrechtspfleger und Krawallrichter gibt.
Das Testfeld
Diese Prüfung erfolgt in dem recht überschaubaren Umfeld meines Antrags auf Festsetzung und Auszahlung eines Vorschusses auf die Reisekosten. Ich bin dem Angeklagten zum Pflichtverteidiger bestellt. In den Monaten Januar und Februar wurde ich zu insgesamt acht Hauptverhandlungstermine vor die 29. Strafkammer des Landgericht Frankfurt am Main geladen. Voraussichtlich fallen pro An- und Abreise 450 Euro an.
Die Verwechselung
Herr Rechtspfleger Rössel vertrat nun die Ansicht, daß sein solcher Vorschuß „nicht festsetzbar“ sei. Da scheint er aber etwas verwechselt zu haben. Recht hätte er, wenn ich einen Vorschuß auf die Pflichtverteidiger-Vergütung beantragt hätte. Habe ich aber nicht.
Kein Kredit
Ich will lediglich die Kosten für Taxi, Bahn und Flugzeug vorgeschossen bekommen. Und warum will ich das? Weil ich es darf und nach § 47 RVG darauf einen Anspruch habe. Und weil ich nicht der Kreditgeber des Landes Hessen sein möchte.
Amputation
Naja, von Rechtspflegern bin ich es ja gewohnt, daß sie auf Krawall gebürstet sind, sobald sie sich von dem Geld der Justizkasse trennen müssen. Das geht eben bei manchen fast nur mit der Kettensäge.
Kandidat Nr. 2
Nun habe ich mir aber noch den Vorsitzenden Richter der 29. Kammer, Herrn Rögler, als Kandidaten für die Krawallprüfung herangeholt. Ich hatte ihm mitgeteilt, daß ich zum nächsten Termin am Mittwoch nicht anreisen werde, wenn mir der Reisekostenvorschuß nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt wird. Tja, und was schreibt mir Herr Rögler?
… wurden Ihnen unter dem 17.01.2017 1597,47 € angewiesen. Ich gehe daher davon aus, dass sich die Anträge auf Aussetzung der Termine erledigt haben. Eine Aufhebung der Termine ist nicht beabsichtigt.
Noch eine Verwechselung?
Ja, es ist richtig. Herr Rössel war so großzügig, mir knapp 1.600 Euro zu überweisen. Aber sowohl der Rechtspfleger als auch Herr VRiLG Rögler wissen (bzw. hätten wissen können und müssen), daß es sich bei diesem Betrag um die Reisekosten für November und Dezember handelte. Die ich bereits verauslagt hatte. Und nun im Nachhinein erstattet bekam.
Drohende Platzung
Herr Rögler sieht aber nun ein Problem auf sich zukommen. Wenn ich jetzt nicht zum Termin erscheine, platzt das Verfahren. Der letzte Termin war am 10. Januar. Wenn nicht bis zum 1. Februar weiterverhandelt wird, ist die Frist des § 229 Abs. 1 StPO überschritten und es greift § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO. Das mag der Vorsitzende nicht, weil es damit auch eng werden könnte mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen, das seinen Niederschlag in § 121 StPO gefunden hat.
Noch eine Drohung
Was macht der Vorsitzende Rögler also? Richtig! Er droht mir mit einem empfindlichen Übel:
Höchstvorsorglich wird auf § 145 Abs. 4 StPO hingewiesen.
Das reicht ja eigentlich schon fast, um die Ausgangsfrage zu beantworten. Ist der Krawall wirklich notwendig oder leicht vermeidbar?
Verständlich
Ich denke, es ist Konsens, daß der Vorsitzende Richter einer Wirtschaftstrafkammer kein Dummkopf ist. Er wird den Text des § 47 RVG lesen und verstehen können. Wenn nicht: Ihm stehen ja auch noch seine qualifizierten Beisitzerinnen zur Seite, die er mal eben fragen kann. Aber gehört da wirklich mehr als nur ein mittelmäßiges Abitur dazu, um die Worte …
Wenn dem Rechtsanwalt […] ein Anspruch gegen die Staatskasse zusteht, kann er für die […] voraussichtlich entstehenden Auslagen aus der Staatskasse einen angemessenen Vorschuss fordern.
… zu verstehen?
Glaubensfrage
Ein intellektuelles Problem scheint also nicht vorzuliegen. Aber was ist das denn dann, das die beiden Justiziellen umtreibt? Es könnte also wirklich der Krawall sein, den die Herren Rössel und Rögler da ohne Not vom Zaun brechen. Glauben die zwei wirklich ernsthaft, ich haue mit dem Kostenvorschuß ab und überlasse meinen Mandanten, den ich seit 2006 vertrete, den Klauen dieser kafkaesken Frankfurter Justiz?
Mal nebenbei eine Frage in die Runde:
Wenn ein Rechtspfleger und/oder ein Richter absichtlich (dolus directus 1. Grades) contra legem handeln – gibt es dafür nicht irgendwo im Strafgesetzbuch eine passende Vorschrift? Und für diese Androhung, mir die Kosten überhelfen zu wollen, wenn ich nicht ohne Vorschuß nach Frankfurt anreise – ist das nicht auch irgendwo im StGB geregelt? Ich kenn mich mit sowas nicht so gut aus …
Epilog
Ach, was muß man oft von bösen
Richtern hören oder lesen!
Wie zum Beispiel hier von diesen,
welche Max und Moritz hießen;
Könnte passen.
Aber eine Frage habbich noch:
Wird geladen ...
__
Bild: Gemeinfrei
Von Vorschußzahlungen und Amputationen
Um Rechtspfleger werden und über Kostenfestsetzungsanträge von Pflichtverteidigern entscheiden zu können, muß man nicht nur über eine fundierte Ausbildung verfügen, sondern auch über ganz besondere Eigenschaften.
Mit einem solch gut ausgebildeten Rechtspfleger habe ich es in einer auswärtigen Wirtschaftsstrafsache zu tun, in der ich als Pflichtverteidiger unterwegs bin.
Das Verfahren hat im Januar begonnen und das Gericht hat Termine bis hinein in den Frühsommer festgelegt. Weil die Reisekosten doch ziemlich zu Buche schlagen, habe ich einen Antrag auf Festsetzung eines Auslagenvorschusses beantragt:
Damit habe ich wohl für Irritation gesorgt. Der Rechtspfleger (gut ausgebildet, besondere Eigenschaften; s.o.) antwortet via Reflex:
Die Ansicht ist nicht frei von Irrtum. Das habe ich versucht, mit folgendem Text darzustellen:
Und damit sich nicht nur der Rechtspfleger (gut ausgebildet, besondere Eigenschaften; s.o.) mit der Amputation wichtiger Gliedmaßen (aka: Vorschußzahlungen an Strafverteidiger) beschäfigt, habe ich auch den Vorsitzenden bemüht; und zwar mit diesen Anträgen:
Mal schauen, was nun passiert.
__
Bild: © Hartmut910 / pixelio.de
Kafkas vorbefaßte Krähen und der verständige Angeklagte
Zu welchem Gemurkse das deutsche Strafprozeßrecht und deren Hüter fähig sind, zeigt ein Detail aus dem Kafka-Verfahren.
Gottfried Gluffke wurde verurteilt. Die fünf Richter – drei Berufsrichter und zwei Schöffen – befanden Gluffke einer Beihilfe schuldig. Er sei der Gehilfe mehrerer Haupttäter gewesen.
Einer dieser Haupttäter soll Wilhelm Brause heißen. Dazu schreiben die fünf Richter in ihrem Urteil, mit dem sie Gluffke der Beihilfe schuldig sprechen:
Die Feststellungen zur Verantwortlichkeit des Zeugen Mephisto und des gesondert verfolgten Brause für das Geschäftskonzept […], die Konzeption der Internetseite und die Installierung eines gestuften Mahn- und Inkassosystems zur Beitreibung der vorgeblichen Verbindlichkeit stehen zur Überzeugung der Kammer aufgrund der umfassenden und glaubhaften Angaben des Zeugen Mephisto fest.
Der Kundige erkennt bereits an diesem Zitat: Der – gesondert verfolgte – angebliche Haupttäter Brause war an dem Verfahren gegen den Gehilfen Gluffke gar nicht beteiligt. Das ist richtig. Das Gericht hatte das Verfahren gegen Brause abgetrennt, vorübergehend eingestellt und erstmal in Ruhe gegen Gluffke strafprozessiert.
In einem zweiten Durchgang soll nun gegen Brause verhandelt werden. Und zwar bei demselben Gericht. Über die Frage, ob Brause sich strafbar gemacht hat, wie die Staatsanwaltschaft es in ihrer Anklageschrift behauptet, sollen jetzt dieselben Berufsrichter und einer der beiden Schöffen entscheiden.
Nochmal in deutlicheren Worten:
Die vier Richter, die zuvor in dem Urteil gegen Gluffke die Verantwortlichkeit Brauses für das strafbare Verhalten (Konzept, Betrieb der Website, Inkassosystem …) festgestellt haben, werden in einem zweiten Verfahren entscheiden müssen, ob die Behauptung der Staatsanwaltschaft zutrifft, daß Brause das Geschäftskonzept […], die Konzeption der Internetseite und die Installierung eines gestuften Mahn- und Inkassosystems zur Beitreibung der vorgeblichen Verbindlichkeit zu verantworten hat.
Brause reibt sich verwundert die Augen.
Und er trägt vor: Diese vier Richter sind für sein Verfahren „verbrannt“; auf juristisch: Befangen. Er drückt sich sogar zurückhaltend aus: Er hat die Sorge, daß die Richter nicht mehr unvoreingenommen sein könnten. Und gießt diese Sorgen in ein Ablehnungsgesuch.
Darüber entscheiden andere Richter, allerdings solche, deren Dienstzimmer von den Dienstzimmern der abgelehnten Richtern genauso weit voneinander entfernt liegen, wie die Zellen im Knast Wien-Favoriten – Außenstelle Münchendorf.
Die Entscheidung der ZellenDienstzimmernachbarn liest sich so:
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ist die Besorgnis der Befangenheit betreffend die abgelehnten Richter nicht gegeben. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die abgehlehnten Richter im Verfahren gegen Gottfried Gluffke unsachliche oder nicht gebotene abwertende Äußerung in Bezug auf den Angeklagten Brause gemacht haben. Auch aus den im Ablehnungsgesuch zitierten Auszügen aus dem Urteil gegen Gluffke ergibt sich solches nicht.
Der Umstand, dass im Urteil gegen Gluffke […] auch Ausführungen zur Tatbeteiligung des Angeklagten Brause gemacht wurden, rechtfertigen ebenfalls nicht die Annahme, die abgelehnten Richter seien befangen.
Wie oben ausgeführt, ist die notwendige Vorbefassung des Gerichts ist für sich gesehen grundsätzlich kein geeigneter Befangenheitsgrund; dies gilt auch, wenn Verfahren gegen einzelne Angeklagte zur Verfahrensbeschleunigung abgetrennt werden und anschließend ein Schuldspruch wegen Beteiligung an später abzuurteilenden Taten erfolgt. Anders verhalt es sich lediglich beim Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen (vgl. BGH, NStZ 2011, 44). Dass Richter in einem Urteil gegen einen Mittäter [sic! crh.] zur Beurteilung seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit Feststellungen über das Verhalten eines Tatbeteiligten gemacht haben und später an dem Strafverfahren gegen ihn mitwirken, rechtfertigt auch nach Auffassung des EMRK gerade keine Zweifel an der Unparteilichkeit des Spruchkörpers (EGMR, Urteil vom 10.08.2006, NJW 2007,3553).
Vorliegend enthält das Urteil keine unsachlichen, abwertenden Äußerungen über den Angeklagten Brause. Die Ausführungen zu seiner Tatbeteiligung waren auch objektiv notwendig. Bei gemeinschaftlicher Tatbegehung bzw. miteinander verwobenen Tatbeiträge mehrerer Beteiligter können schlüssige Feststellungen anders nicht getroffen werden und eine nachvollziehbare Darstellung des Sachverhalts im Urteil ist nur unter Einbeziehung der Tatbeträge der anderen Tatbeteiligten möglich. Das Gebot der Sachlichkeit wurde hierbei nicht verletzt.
Daß es zu dieser eigenartigen Konstellation kommen mußte, hatte Brause vorhergesehen. Deswegen hat er auch den Beschluß, mit dem sein Verfahren abgetrennt wurde, mit einer Beschwerde angegriffen. Wie man sieht, haben die drei Berufsrichter die Beschwerde verworfen. Nebenbei: Mit einer vollständig inhaltlslosen Begründung.
Was haben die Berufsrichter sonst noch so gemacht?
- In einem Haftbefehl festgestellt, daß Brause der ihm zur Last gelegten Taten dringend verdächtig ist.
- In einem Eröffnungsbeschluß festgestellt, daß Brause wegen der ihm zur Last gelegten Taten wahrscheinlich verurteil wird.
- In einem Urteil festgestellt, daß Brause die Taten konzipiert hat, zu denen Gluffke Beihilfe geleistet haben soll.
Die paar Spielereien drumherum – Haftbefehl statt Pflichtverteidigerbestellung, Vereitelung der Rechte im Zwischenverfahren – die ebenfalls Gegenstand des Ablehnungsgesuchs von Brause waren, sollen hier nur kurz am Rande erwähnt werden.
Die Entscheidung über den Befangenheitsantrag überrascht trotz alledem nicht. Brause war vorgewarnt. Deswegen rechnete er auch mit diesem einfältigen Schlußsatz der Richter, die über sein Ablehnungsgesuch entschieden haben:
Ein verständiger Angeklagter hat daher keine Grund zu der Annahme hat, die abgelehnten Richter seien ihm gegenüber voreingenommen.
Der Prozeß gegen Brause wird sich zu einem unwürdigen Theaterstück entwickeln, protegiert von Krähen, die ihren Nestnachbarn keine Augen auskratzen wollen. Man könnte sich die ganze Aufführung eigentlich auch sparen; das hat man doch vor ein paar Jahrzehnten doch auch schon so gemacht.
Was meint der geneigte Leser dazu?
Wird geladen ...
__
Bild: © H.-P.Haack – Antiquariat Dr. Haack Leipzig / via Wikipedia
Überflüssiger Reporter
Der Prozess beginnt mit einem bunten Strauß überflüssiger Befangenheitsanträge.
So überschreibt ein Glossenjournalist und für seine etwas anderen, schrägen Geschichten bekannter Reporter, unter anderem Gerichtsreporter seinen Beitrag in einer ansonsten seriösen, altehrwürdigen Tageszeitung. Es geht um den ersten Hauptverhandlungstermin in einer Umfangstrafsache.
Tags zuvor gab es die Schnellschüsse der bekannten Nachrichten-Agenturen und – selbstredend – einer Zeitung, die immer als erste mit den Toten spricht. Diese unrecherchierten und auf schiere Reproduktion des Gehörten reduzierten Kurzbeiträge gaben das Prozeßgeschen einigermaßen korrekt wieder, der BILD-Reporter in dem für dieses Medium bekannten Sprachstil. Das ist OK so.
Der faule Redakteur hingegen kramte irgendwas aus seiner Erinnerung, und bastelte sich den Rest dazu. Obwohl er sicherlich hinten auf der Galerie gesessen haben wird, hat er zum einen nicht zugehört und zum anderen das Nichtgehörte auch nicht verstanden.
In rund 3.000 Zeichen zeigt er, welchen katastrophalen Spuren ein prekäres Dasein als Glossenschreiber hinterlassen kann. Solche Hohlfiguren empfinden selbstverständlich Langeweile, wenn sie Vorträgen zuhören müssen, die aus mehr als nur zwei Sätzen bestehen.
Trotzdem weiß er:
Der erste Verhandlungstag vor dem Landgericht brachte nichts – bis auf drei Befangenheitsanträge seines Verteidigers,
Er kennt die Akten nicht, die Hintergründe für die Ablehnungsgesuch auch nicht. Er versteht nichts von den Spielregeln, die im Strafprozeß gelten und ist damit auch nicht imstande, den Sinn dieser Verfahrenseröffnung zu erfassen. Ok, das ist nicht jedem gegeben. Aber nicht jeder outet sich damit als Dilettant.
Aber in der Einschätzung der Qualität des Verteidigers hat er Chancen, die er zu nutzen weiß:
einer offenkundigen Dauerredner-Koryphäe, die eigens aus Berlin eingeflogen kam.
Und richtig stellt der prekariatäre Pleistozäneur dar:
es kam nicht einmal zu einer Verlesung der Anklage.
Was soll der arme Staatsanwalt auch machen, wenn der Vorsitzende wegen der Ablehnungsgesuche ihn nicht zum Vortrag auffordern darf. Aber das muß man als Gerichtsreporter diesen Niveaus ja auch nicht wissen.
Seinem Wortschwall konnte man entnehmen, daß er auch sonst wenig begriffen hat von dem, was er in den gut 60 Minuten Verhandlungsdauer gehört hat.
Erwähnenswert ist noch, daß mein einigermaßen freundlicher Kommentar mit einem Hilfsangebot an den Berichterstatter, die intellektuelle Mangelernährung, unter der er zu leiden scheint, zu kompensieren, nicht veröffentlicht wurde … obwohl ich mich den Mühen einer Disqus-Anmeldung unterzogen hatte:
Liebe Gerichtsreporter oder die, die es werden wollen. Ich beiße nicht! Ihr könnt mich gern ansprechen, wenn Ihr Fragen habt oder Hintergrundinformationen braucht, um gute und unabhängige Artikel zu produzieren. Und nicht so einen Müll.
Admiror, o paries, te non cecidesse ruinis, qui tot scriptorum taedia sustineas.
In diesem Sinne: Frohes Fest!
Kein offensichtlicher Revisionsgrund
Der Haftbefehl hat meinen Mandanten nicht amüsiert. Deswegen habe ich ihn mit der Haftbeschwerde angegriffen. Und das gleich zweimal. Ja, das ist ungewöhnlich, hat aber seine Gründe.
Auch das Gericht war etwas irritiert. Das machte sich besonders in dem Beschluß bemerkbar, mit dem der zweiten Haftbeschwerde nicht abgeholfen wurde.
In einer eMail habe ich dem Richter einen anwaltlichen Hinweis erteilt:
Der Nichtabhilfebeschluß vom 09.12.2016 bezieht sich auf die ältere Haftbeschwerde (vom 04.07.2016); Gegenstand des Verfahrens ist jedoch meine Beschwerdeschrift vom 07.12.2016. Ich rege eine Korrektur an, nicht daß sich das noch zu einen absoluten Revisionsgrund auswächst.
Es dauerte keine 12 Stunden, da kam ein Fax der Strafkammer hier an:
Naja, ganz so offensichtlich war der Schreibfehler ja nicht, sonst hätte es der Vorsitzende ja beim Korrekturlesen gemerkt. Aber gut, daß er die keimenden Revisiongrund verhindert hat. Ordnung muß sein!
Die einen sagen so, die anderen sagen so.
Im Rahmen einer mündlichen Haftprüfung soll das Gericht darüber entscheiden, ob der Haftbefehl aufgehoben, außer Vollzug gesetzt oder vollstreckt wird. Ich hatte beantragt
Vorher hatte ich für meinen Mandanten Akteneinsicht beantragt, die er bis zum Haftprüfungstermin noch nicht erhalten hat. (Im übrigen fehlte ihm auch die Einsicht in die Anklagbeschrift.) Die mangelnden Kenntnisse der Akteninhalte und der Anklagevorwürfe waren ein Standbein von mehreren, auf denen die Anträge ruhten.
Theorie …
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sagt
in der so genannten Lamy-Entscheidung (EGMR-E 4, 262), Urteil vom 30. März 1989; StV 2001, 201; StV 1993, 283:
Auf Tatsachen, die dem Beschuldigten infolge einer Akteneinsichtsverweigerung unbekannt sind, dürfen keine Haftentscheidungen, vor allem auch keine Haftfortdauerentscheidungen gestützt werden dürfen.
… und Praxis
Die Strafkammer sagt:
und erläßt den Haftfortdauerbeschluß:
Noch einmal, liebe Kafka-Fans, meine Frage, die ich schon hier und hier gestellt hatte:
Was rät der Verteidiger dem Richter in so einer Situation?
__
Bild: © H.-P.Haack – Antiquariat Dr. Haack Leipzig / via Wikipedia