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Landshut
Überraschende Wende beim Pillendienst-Verfahren
In dem Parallel-Verfahren wurde durch den Tod des Schöffens alles wieder auf Null gestellt. Das hat den Terminsplan der Strafkammer explodieren lassen.
Die Staatsanwaltschaft (!) hatte zudem im Termin am vergangenen Donnerstag Beweisanträge gestellt, die (nach übereinstimmender Ansicht aller Prozeßbeteiligten) dazu geeignet waren, das Verfahren auf die Langstrecke zu schicken und den Terminsplan der Kammer mindestens für die nächsten 18 Monate auszubuchen.
Diese Prozeßsituation hat die Verteidigung des Hauptangeklagten zum Anlaß genommen, den Richtern ein Angebot zu machen, das sie nicht ablehnen können: Ein Geständnis im Sinne der Anklage.
Das erwartete Strafmaß könnte dann in einem Bereich liegen, zu dem man der Verteidigung des Hauptangeklagten mit sehr großem Respekt gratulieren muß.
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Bild: © Klicker / pixelio.de
Wieder dahoam
Es waren zwei stürmische und (teil)erfolgreiche Verhandlungstage vor einer Bayerischen Wirtschaftsstrafkammer. Gestern Abend sind die drei Strafverteidiger mit der Lufthansa aus München in Berlin gelandet. Unmittelbar nach dem Bodenkontakt wurden die Passagiere freundlich von der Crew begrüßt:
Willkommen auf dem Flughafen Tegel und zurück im Geltungsbereich der StPO. Bitte bleiben Sie noch so lange angeschnallt …
Nächste Woche geht die Fortbildung im bayerischen Strafprozeßrecht dann weiter.
Bayerische Planwirtschaft
Zu den Aufgaben eines Strafverteidigers gehört die Prüfung der ordnungsmäßen Besetzung des Gerichts. Hinsichtlich der Berufsrichter ist das relativ einfach. Es gibt die sogenannten Geschäftsverteilungspläne. Die meisten (größeren) Gerichte veröffentlichen mittlerweile diese Pläne regelmäßig im Internet, für das Berliner Landgericht findet man sie hier.
Aber auch in solch einfachen Dingen muß der Verteidiger aufpassen. Denn der Geschäftsverteilungsplan wird nach § 21e GVG vom Präsidium des Gerichts jedes Jahr im Voraus für die Dauer des Geschäftsjahrs erstellt. Was passiert also, wenn aus biologischen oder sachlichen Gründen ein Richter unterjährig auf Dauer nicht mehr zur Verfügung steht und die allgemeinen Vertretungsregeln nicht mehr greifen?
Dann setzt sich das Präsidium des Gerichts bei Kaffee und Kuchen zusammen und beschließt nach § 21e Abs. 3 GVG eine Änderung. Diese Präsidialbeschlüsse werden aber in der Regel nicht veröffentlicht, sondern auf der Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufgelegt (§ 21e Abs. 9 GVG).
An dieser Stelle wird es schwierig für auswärtige Verteidiger. Extra wegen der Einsichtnahme in diese Beschlüsse quer durch die Republik zu fahren, kann dem Mandanten teuer zu stehen kommen. Deswegen bitten wir höflich:
Mir ist bekannt, daß ich keinen Anspruch auf Übersendung der erbetenen Unterlagen habe, möchte aber darum bitten, von der ständigen Übung der meisten Landgerichte und Oberlandesgerichte, die Unterlagen an auswärtige Verteidiger zu übersenden, nicht abzuweichen. Insoweit bedanke ich mich schon vorab.
Diesen Teil eines Textbausteins habe ich auch an ein Bayerisches Landgericht gefaxt, von dem ich schon knackige Reaktionen auf meine teils unangenehmen Anträge gewohnt war. Es dauerte keine drei Tage, da klingelte eine eMail aus Bayern in meinem Postkasten.
Damit konnte und durfte ich nicht rechnen. Das nenne ich mal professionelles und erfreuliches Verhalten, für das ich mich nun auch hier artig bedanken möchte. Die Word-Dateien dann in ein verkehrsfähiges PDF-Format zu konvertieren und mit Dank nach Bayern zu schicken, hat mir keine Mühen gemacht.
Aber bei soviel Zuvorkommen werde ich nicht vergessen, daß nun auch noch die richtige Besetzung der Schöffenposten zu prüfen ist. Und das ist nun mal echt eine Aufgabe für Erwachsene, ganz besonders in einem Flächenstaat wie Bayern.
Akteneinsicht in sechs Teilen
Dieser Sechsteiler kam vergangene Woche aus Bayern nach Kreuzberg:
Es gibt ganz massive Gründe, die mich davon abhalten würden, in einer Organisation arbeiten zu müssen, die sich im Jahr 2014 immer noch Methoden bedienen muß, die mal aktuell waren, als der Strafverteidiger Professor Dr. Dr. Erich Frey seine Mandaten Paul Krantz und Fritz Haarmann (kann man hier nachlesen) verteidigt hat.
Sechs dieser Gründe sind da oben auf dem Bild zu sehen. Das ist die Reaktion auf mein ausführliches Akteneinsichtsgesuch (pdf), das vom Gericht scheinbar richtig ernst genommen wurde.
Weihnachtspäckchen nach Bayern
Bevor es nun durch die ruhige Kreuzberger Nacht nach Hause geht, noch schnell ein Gehörlosen-Päckchen nach Landshut:
Ich bin mir ziemlich sicher, daß das Auspacken erst im neuen Jahr stattfinden wird, aber egal: § 33a StPO dürfte ohnehin bei diesem Gericht schon den Stellenwert von Krawatten- und Socken-Geschenken haben.
Schauen wir mal, wie’s danach dann weiter geht.
Fortschritt in Bayern
Aus dem Vermerk eines bayerischen Staatsanwalts:
Der Vermerk stammt aus November 2013. So langsam entwickelt sich der Freistaat, jedenfalls in dieser schnuckeligen niederbayerischen Mittelstadt.
Ich werde noch mitteilen, was genau der Staatsanwalt mit „in Kürze“ gemeint hat.
Damit ging’s los
Blatt 1 der Ermittlungsakte:
Bei der Auswertung der vom Zollkriminalamt zur Verfügung gestellten Datensätze fiel dem Zollfahnungsamt auf, daß die Firma W.B. IM-EX-PORT SARL, Aix en Provence, Frankreich, im Zeitraum 13.10.2011 – 12.12.2011 Waren aus dem außereuropäischen Ausland mit einem Einfuhrumsatzsteuerwert von 2.625.516,71 € zum freien Verkehr abgefertigt hat, diese Firma aber über keine Internetseite verfügt.
Eine Anfrage bei den französischen Zollbehörden zu dieser Firma ergab, daß die Firma W.B. IM-EX-PORT SARL am 03.06.2010 unter der oben genannten Anschrift mit einem Kapital von 6.500,– € gegründet wurde und seit dem 21.05.2011 in Liquidation ist. Geschäftsführer war ein Wilhelmion Brausion, geb. Sept. 1956.
Das Zollfahndungsamt zuppelte ein wenig an diesem Faden, den es da gefunden hatte. Und marschierte los. Am vorläufigen Ende des Fadens finden die Zöllner keine knapp 9 Millionen Einfuhrumsatzsteuer, die sie dort vermutet hatten. Das führte dann zu der Überschrift „Gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel“ (§ 373 AO), zum Erlaß des einen oder anderen Haftbefehls und schließlich zu rund 60 Leitzordnern, vollgestopft mit beschriebenem und bedrucktem Papier.
Und das alles nur, weil ein „Abfertigungsverfahren 42 betrugsanfällig“ ist, eine Internetpräsentation nicht gefunden wurde und eine französische Fiskalvollmacht aus einer Zeit stammte, zu der die Vollmachtgeberin bereits liquidiert war.
So kann’s kommen, wenn man (nicht) aufpaßt.