Prozeßbericht (www.prozessbericht.de)

Parallelladung

Falls mich jemand in den nächsten Monaten sucht – ich bin verabredet mit dem Vorsitzenden und seiner Crew beim Landgericht Potsdam:

Ladung bis Mai

Daß derselbe Vorsitzende, mit dem ich diese Rendezvous habe, an den übrigen freien Wochentagen auch noch Verabredungen in derselben (sic!) Sache mit anderen Beteiligten hat … darüber berichte ich dann später noch, wenn es um die Auflösung des Quiz‘ vom 11. November geht.

Schalten Sie also ein, wenn es um die Bedeutung des Stichworts „Vorbefassung“ und das Unterkapitel „Parallelbefassung“ geht.

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Gänge, selten auch Allüren, in Potsdam

Auf RBB-Online war gestern zu lesen:

Seit dreieinhalb Jahren hält die Pillenbande Gericht und Staatsanwaltschaft in Potsdam auf Trab.

200px-Muybridge_horse_walking_animatedIch bin mir nicht sicher, ob das, was die Potsdamer Staatsanwaltschaft da aufs Geläuf gebracht hat, als Trab bezeichnet werden sollte. „Slow Gait“ wäre vielleicht ein wenig treffender.

Trab und Galopp ist das, was sich das Gericht nun antun muß, wenn es den Beschleunigungsgrundsatz in dieser Haftsache zum Leuchten bringen möchte. Dazu wird man in naher Zukunft aber noch einiges zum Inhalt des § 121 StPO aus der Stadt Brandenburg a.d.H. zu hören bekommen.

Es wäre wünschenswert, wenn sich der Vorsitzende Richter beim Landgericht Potsdam da nicht mal vergaloppiert.

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Bild: Wikipedia

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Auf der Geschäftstelle der StA Potsdam

Ich war am vergangenen Freitag kurz in Potsdam und habe die Gelegenheit genutzt, auf einen Sprung in der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft vorbei zu schauen, bei der die Ermittlungen in Cybercrime-Verfahren geführt werden.

StA Potsdam

Die freundlichen Mitarbeiterinnen waren gerade damit beschäftigt, die handschriftlichen Verfügungen des Staatsanwalts abzutippen, als ich heimlich dieses Photo schießen konnte.

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Bild: shorpy.com

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Quiz – Befangen oder nicht, das ist hier die Frage

Ein Blogbeitrag, der zum Nachdenken und zur Mitarbeit anregen soll.

Der uralte Klassiker

So oder so ähnlich ist es in jedem ernst zu nehmenden Antrag oder Beschluß zu lesen, in dem es um die Ablehnung eines Richters geht, den ein Verfahrensbeteiligter für befangen hält:

Ein Ablehnungsgesuch ist begründet, wenn der Angeklagte bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhaltes Grund zur Annahme hat, der abgelehnte Richter nimmt ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der abgelehnte Richter im Grunde tatsächlich befangen ist. Die Befangenheit ist ein Zustand eines Richters, der seine vollkommen gerechte, von jeder falschen Rücksicht freie Einstellung zur Sache, seine Neutralität und Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten beeinträchtigen kann (BVerfGE 21, 146 = NJW 1967, 1123). Daher ist die Ablehnung schon begründet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Es ist also nicht erforderlich, daß der Richter in der Tat parteilich oder befangen ist.

Es kommt entscheidend darauf an, ob der den Richter ablehnende Angeklagte bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit, d. h .an der objektiven und zu allen Verfahrensbeteiligten Distanz wahrenden Einstellung des abgelehnten Richters innerhalb des vorliegenden Verfahrens zu zweifeln (BVerfG E 32; 288 (290); BGHSt 24, 336 (338)).

Wenn also zur Debatte steht, ob ein Richter parteilich oder voreingenommen ist, muß der Angeklagte verständig würdigen. Das kann im Folgenden einmal von den verständigen Lesern versucht werden.

Der aktuelle Sachverhalt

Es gibt ein Ermittlungsverfahren wegen eines einzigen komplexen Sachverhalts. Es werden 15 Leute beschuldigt, die zusammen – das heißt als kriminelle Vereinigung, zumindest aber als Bande – Staftaten begangen zu haben. Die Staatsanwaltschaft teilt das Ganze auf und schreibt 3 Anklagen, in denen jeweils 5 Angeklagten vorgeworfen wird, (mehr oder weniger) dieselben Straftaten begangen zu haben.

Das erste Verfahren geht los und dauert noch an, als das zweite Verfahren startet. Die beiden Verfahren laufen eine zeitlang parallel. Im zweiten Verfahren kommt es nach ein paar Terminen bereits zur Urteilsverkündung gegen die Verurteilten Nr. 6 bis 10, während im ersten Verfahren die Angeklagten Nr. 1 bis 5 noch darum streiten, ob die Tatbestandsvoraussetzungen mehrerer Strafnormen überhaupt erfüllt sind.

In dem ersten Urteil gegen Nr. 6 bis 10 wird festgestellt, es handelt sich um eine Bande, deren Mitglieder allesamt gegen dieselbe Rechtsnorm verstoßen haben.

Die erste Frage

Was dürfen nun die Angeklagten Nr. 1 bis 5, die abstreiten, diese Rechtsnorm verletzt zu haben und es hat keine Bande gegeben, von diesem Richter erwarten.

Macht die Vorbefassung den Richter befangen?


     

 

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Die erste Variante

Bei der Urteilsverkündung in dem zweiten Verfahren begründet der Richter seine Entscheidung mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme aus dem ersten Verfahren. Er bringt die beiden Verfahren an dieser Stelle durcheinander und korrigiert seinen Irrtum erst, nachdem er darauf hingewiesen wurde.

Dürfen die Angeklagten Nr. 1 bis 5 davon ausgehen, daß dieser Fehler einmalig war? Das ist eigentlich klar: Das kann nicht mehr vorkommen, weil die Beweisaufnahme für die Angeklagten Nr. 6 bis 10 ja beendet ist. Aber: Wie sieht es aus für die Angeklagten 11 bis 15, deren (drittes) Verfahren sicherlich noch längere Zeit parallel zum ersten verhandelt wird.

Können die Angeklagten erwarten, daß der Richter die weiteren parallelen Beweisaufnahmen auseinander halten kann.


     

 

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Die zweite Variante

Bei der Urteilsbegründung stellt der Richter fest, daß die Verurteilten Nr. 5 bis 10 …

… eher kleine Nummern im internationalen Geflecht der Bande …

… seien und zu einem …

… kriminellen Haufen, der das schnelle Geld verdienen wollte, …

gehören.

SInd diese teilweise umgangssprachlichen Formulierungen geeignet, das Mistrauen in die Person des Richters zu begründen?


     

 

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Die große Gesamtschau

Nun kann man den Standpunkt vertreten, jeder einzelne Punkt reicht für sich genommen noch nicht aus, daß ein „verständiger“ Angeklagte sich ernsthafte Sorgen machen müßte, daß der Richter ihm gegenüber unvoreingenommen ist.

Begründen zwei oder drei der vorstehend genannten Gründe in ihrer Gesamtheit die Besorgnis der Befangenheit?


     

 

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Das zu erwartende Ergebnis

Mich interessieren nicht so sehr die Meinungen der Spezialisten, sondern eher die Einschätzung der Nicht-Strafrechtler und der juristischen Laien. Ich hoffe, insbesondere letzteren ist es gelungen, den elend langen Beitrag bis zum Ende durchzulesen. Ist ein bisschen trocken geworden das Ganze, ich weiß; aber es ist mir diesmal nicht anders gelungen. Pardon, kommt nicht wieder vor.

Wie die Richter all diese Fragen, die im Zusammenhang mit drei Ablehnungsgesuchen gestellt wurden, beantwortet haben, werde ich in den nächsten Tagen hier im Blog veröffentlichen.

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Der Nazivergleich des bewaffneten Staatsanwalts

448180_web_R_by_Wolfgang Colditz_pixelio.deIn dem derzeit laufenden Verfahren vor der Wirtschaftskammer des Landgerichts Potsdam verdichten sich die Zweifel an der Geeignetheit des Staatsanwalts zum Führen einer Anklage.

Beschützter Waffenträger mit Robe

Bemerkenswert ist bereits der Umstand, daß Staatsanwalt Alexander Roth wiederholt von Personenschützern ins Gericht begleitet wurde. Wohl weil er befürchtet, daß er von denjenigen, die er angeklagt hat, nicht nur mit Argumenten angegriffen wird. Zudem wird berichtet, daß der Vertreter der Anklage außerhalb des Gerichts bewaffnet herumläuft.

Hier stellt sich für mich die Frage, ob ein persönlich betroffener Ermittler noch zu einer objektiven Arbeit imstande ist. Wenn ich um mein Leben fürchten müßte, hätte für mich jedenfalls das Strafprozeßrecht eine eher untergeordnete Rolle.

Plädoyer mit Nazivergleich

Eben dieser beschützte und bewaffnete Staatsanwalt hat sich in seinem Plädoyer mit der Strategie der Verteidigung auseinander gesetzt.

Gegenstand des Verfahrens ist u.a. ein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz. Danach ist es verboten, rezeptpflichtige Medikamente ohne ärztliche Verordnung in den Verkehr zu bringen. Die Verteidiger hatten argumentiert, die Angeklagten hätten die Arzneimittel lediglich beworben, aber eben nicht verkauft.

Diesem Argument begegnete der Dienstwaffenträger in Robe mit einem Nazivergleich:

Mit jener Argumentation hätten sich auch jene herauszuwinden gesucht, welche unter dem Regime der Nationalsozialisten die Züge nur abfertigten, mit denen die Juden ins Konzentrationslager deportiert wurden.

Staatsanwalt Roth stellt – nicht nur nach Ansicht der dortigen Verteidigung – die Strafvorwürfe gegen die angeklagten Webmaster auf die Stufe mit den Verbrechen der Nationalsozialisten.

Erlaubter Nazivergleich

Staatsanwalt Roth wird aber nicht nur von Bodygards beschützt, sondern auch von Oberstaatsanwalt Kurz. Der trug vor, diese Ungeheuerlichkeit sei (nur?) eine böswillige Unterstellung. Er bestätige aber, daß Staatsanwalt Roth einen Vergleich zu denjenigen, welche die Züge angeschoben haben, bemüht habe. „Selbstverständlich“ habe dies aber in keinem Kontext zu den Taten der Angeklagten gestanden, sondern nur (!) Gemeinsamkeiten der Erklärungsmuster dargestellt.

Bestens bekannte Muster

Ein Staatsanwalt, der sich in einer subjektiv empfundenen und vermeintlichen Bedrohungslage auf dieses Niveau begibt, in aller Öffentlichkeit diesen widerwärtigen Vergleich anstellt, der die Deportation und Ermordung von 6 Millionen Juden in den KZs bemüht, um einen Strafantrag gegen ein paar internet-affine Webmaster in einem Cyercrime-Verfahren zu begründen, hat jeglichen Respekt verloren. Und ein Oberstaatsanwalt, der sowas und soeinen auch noch deckt, ist auch nicht viel besser; das Muster ist aber auch bekannt.

§ 11 FeV

Wenn in anderem Zusammenhang Eignungszweifel entstanden sind, wird meist recht flott zur Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (vulgo: „MPU“ oder „Idiotentest“) gegriffen. Aber das scheint wohl nur für das Führen von Kraftfahrzeugen zu gelten.

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Bild: Wolfgang Colditz / pixelio.de

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Ein ungeprüfter Gedanke zum Frühstücks-Caffè

Was passiert eigentlich, wenn der eine oder andere auswärtige Beteiligte zum heutigen (und morgigen) Hauptverhandlungstermin nicht erscheint?

Weil er nicht nach – sagen wir mal – Potsdam anreisen kann. Wegen dieses obersten Lokomotivführers. Und die Unterbrechungsfrist des § 229 StPO dadurch überschritten wird. Und dann das Verfahren – zum dritten Mal – von vorn beginnen muß.

Wer trägt dann eigentlich die Kosten des Verfahrens?

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Digitales aus Potsdam

Kafka_Der_Prozess_1925Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt seit 2011, packt das Ergebnis der Ermittlungen in Papierform zwischen Pappendeckel und dekoriert damit die Wände von Abstellkammern. Ich habe darüber schon ein paarmal berichtet. Dabei bin ich davon ausgegangen, die Ermittler können es nicht besser, als mit mittelalterlichen Methoden ein Cybercrime Verfahren zu führen.

Jedenfalls ist es der Behörde auf diesem Wege schonmal gelungen, eine Anklage zu schreiben und die rund 500 Seiten ans Gericht zu schicken. Vorn dort haben wir dann – auf Altpapier kopiert – die Zustellung der Anklage und Gelegenheit zur Stellungnahme im Zwischenverfahren erhaten. Das war Mitte/Ende Juni 2014.

Die Zustellung der Anklage löst einen Textbaustein hier aus, der unter anderem den Antrag auf Akteneinsicht enthält. Da es sich um ein etwas – sagen wir mal höflich – ungewöhnlich geführtes Ermittlungsverfahren gehandelt hat, war dieser Akteneinsichtsantrag ebenso ungewöhnlich, nämlich recht ausführlich.

Ich habe dann noch das eine oder andere Mal an die Akteneinsicht erinnert, und nun ist es dem Gericht endlich gelungen, auf dieses Akteneinsichtsgesuch zumindest einmal zu reagieren:

LG Potsdam und die Akteneinsicht

Es sind insgesamt 31 Aktenbände, verteilt auf 36 Dateien, die laut Dateinamen insgesamt 13.520 Blatt umfassen sollen. Inhaltlich sind es noch ein paar Seiten mehr, gnadenlos jedes Blatt Papier wurde von vorn und hinten eingescannt; nur etwas weniger als die Hälfte der Seiten bildet ausschließlich die beiden Löcher ab, die zum Abheften ins Papier gestanzt wurden. Alles in schwarz/weiß. Soweit man von weiß sprechen kann, wenn man graues Altpapier durch einen alten Scanner mit verfusselter Optik zieht.

Aber nur die wesentlichen Teile der Ermittlungsakte; die unwesentlichen Teile habe ich bisher noch nicht einsehen können, wobei ich bisher nicht sicher bin, ob die „unwesentlichen“ Teile – aus wessen Sicht auch immer – sich dann doch als wesentlich herausstellen soll. Darüber reden wir noch …

Wobei das Gericht ja auch nur an die „wesentlichen“ Verteidiger (u.a. an den hier) die CD geschickt hat; die „unwesentlichen“ Verteidiger warten noch auf ihre beantragte Akteneinsicht.

1925 wurde bereits einmal über einen Prozess berichtet, der gewisse Ähnlichkeiten mit dieser Potsdamer Wirtschaftstrafsache aufweist. Entweder hatte der gute alte Franz K. hellseherische Fähigkeiten, oder die Potsdamer Justiz ist auf dem Stand jener Zeit.

Aber ich erkenne an, daß sich das Gericht nach Kräften zumindest bemüht hat. Insoweit schönen Dank auch. Und ich bin heilfroh, daß ich nicht Vorsitzender einer Wirtschaftskammer bin, der sich von einer überforderten Staatsanwaltschaft mit chaotischen Papierbergen zuschütten lassen muß.

Aber mit ein bisschen Glück hat der Vorsitzende heute Anlaß zur Freude, wenn er dieses Verfahren los wird (besser: … das Verfahren ihn los wird); ich drücke ihm jedenfalls die Daumen.

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Genickbruch durch den kriminellen Haufen?

441780_web_R_K_by_sigrid rossmann_pixelio.deAm vergangenen Montag habe ich über einen Vorsitzenden Richter berichtet, der sein Urteil nicht nur mit ungewöhnlich deutlichen Worten begründet hat, sondern auch mit den Beweisaufnahmen zweier Verfahren ein wenig durcheinander gekommen ist.

Dieser Richter hatte den Plan „A“, nämlich den Start einer dritten Beweisaufnahme. Alles in der selben Sache, die (von der Staatsanwaltschaft?) auf drei Verfahren verteilt worden ist; siehe dazu den Montagsbericht, der mit den prognostischen Worten endete:

Es könnte sein, daß Plan „B“ eine gewisse Bedeutung bekommen könnte.

Am Donnerstag ging es erst einmal weiter mit der Beweisaufnahme in dem ersten Verfahren. Das heißt, es ging nicht weiter. Weil nämlich auch die dortigen Verteidiger die Zeitung (und das eine oder andere Weblog 8-) ) lesen oder sich auf anderen Kanälen für die Urteilsbegründung der zweiten, beendeten Beweisaufnahme interessiert haben.

Es kam, wie es kommen mußte: Gleich drei Ablehnungsgesuche lagen zu Beginn des Hauptverhandlungstermins auf dem Richtertisch. Im Wesentlichen hatten die drei Angeklagten den Eindruck, der Vorsitzende und ein Beisitzer seien voreingenommen, weil sie mit dem kriminellen Haufen vorbefaßt waren.

Wenn es läuft, dann läuft’s. Und es kommt erst einmal noch dicker.

Sobald ein oder mehrere Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, müssen andere Richter darüber entscheiden, ob dem Gesuch stattzugeben ist. Auf Antrag hat nun der Vorsitzende Richter die drei anderen Richter mitgeteilt (§ 24 III 2 StPO).

Nicht nur etwas ungeschickt war allerdings, eine Richterin zu bestimmen, die bereits Mitglied der Strafkammer war, die das Urteil in der zweiten Sache (das mit dem kriminellen Haufen und der Verwechslung der Beweisaufnahmen) erlassen hat. Über das Ablehnungsgesuch hinsichtlich dieser Richterin entscheiden dann im Laufe dieser Woche drei andere Richter.

Die Wahrscheinlichkeit der Notwendigkeit der Umsetzung des Plans „B“ (es lebe der Genitiv – yeah!) ist wohl nicht gesunken, sondern eher gestiegen: Am Ende der beiden Ablehnungsverfahren könnte unter dem dunklen Lichte des § 24 II StPO ein Genickbruch zu diagnostizieren sein.

Nebenbei – zur ergänzenden Information:
Der erste Prozeß ist bereits einmal geplatzt, weil eine Richterin krank wurde. Man hat also schon einmal bei Null anfangen müssen. Dann weiß man ja inzwischen, wie sich das anfühlt.

Und nein:
Das ist alles wahrlich kein Grund zum Frohlocken! Diejenigen, die seit 2011 in der Ungewißheit leben, was am Ende des Verfahrens aus ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Existenz wird, sind nur wenig begeistert – über die seltsamen Arbeitsmethoden der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren und die gewöhnungsbedürftige Verfahrensgestaltung durch diesen Strafkammervorsitzenden im Hauptverfahren.

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Bild: sigrid rossmann / pixelio.de

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Ein krimineller Haufen beim Landgericht

371559_web_R_K_B_by_Dieter Schütz_pixelio.deEine Gruppe von rund 30 Personen hatte sich zusammen gefunden, um eine wirtschaftlich recht lukrative Geschäftsidee umzusetzen. Die Ermittlungsbehörden wurden darauf aufmerksam und machten ihren Job. Der Gegenstand der Geschäfte verstieß nach Ansicht der Ermittler gegen eine ganze Batterie von Vorschriften.

Die Sache entwickelte sich und im Laufe dreier Jahre füllte sich ein kompletter Raum in der Größe eines mittelständischen Wohn-Eß-Zimmers mit Ermittlungsakten.

Irgendwann war es dann aber soweit, die Staatsanwaltschaft schloß die Ermittlungen ab (§ 169a StPO). Und nun beginnt die eigentliche Geschichte.

Etwa die Hälfte der Beschuldigten wurden im Schnelldurchgang (teils per Strafbefehl nach §§ 407 StPO) „abgearbeitet“. Es verblieben dann noch 17 Leute, gegen die Anklage erhoben wurde. Aber nicht eine, sondern drei:

  • Gegen 8 Personen begann der erste Prozeß im Frühjahr und ist noch nicht beendet.
  • Es folgte ein zweites Verfahren gegen weitere 4 Personen, von denen 3 kürzlich verurteilt wurden. Ein Angeklagter ist krank geworden.
  • Ein drittes Verfahren gegen die 5 letzten Gruppenmitglieder wird nach Plan „A“ Anfang Dezember beginnen.

Diese Aufteilung war vermutlich dem erheblichen Umfang der Sache mit einer knappen Viertelmillion Blatt Akten geschuldet. Vielleicht auch, weil die Staatsanwälte mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln überfordert waren.

Daraus entwickelten sich jetzt ein paar Probleme, die man unter dem Stichwort „Vorbefaßtheit“ in der Rechtsprechung und in der juristischen Literatur zum Thema Befangenheit findet und z.B. im Zusammenhang mit §§ 22 Nr. 4, 23, 148a Abs. 2 Satz 1 StPO diskutiert. Denn alle drei Verfahren werden vor derselben Wirtschaftsstrafkammer unter Vorsitz desselben Richters geführt.

Aber nun zur Überschrift dieses Beitrags.

In der mündlichen Begründung des Urteils des 2. Verfahrens bezog sich der Richter den Angaben von Prozeßbeteiligten zufolge teilweise auf Ergebnisse der Beweisaufnahme im 1. Verfahren und begründete damit die Entscheidung der Kammer im 2. Verfahren. Ja klar, bei dem Umfang kann man ja schonmal was durcheinander bringen, nicht wahr?

In Medien-Berichten (Lisa Steger auf rbb-Online und Marion Kaufmann in der MAZ) über den Ausgang dieses 2. Verfahrens wird der der Richter mit dem knackigen Satz „Es war ein krimineller Haufen, der Geld verdienen wollte.“ zitiert, mit dem er den Charakter zumindest der soeben Verurteilten umschrieb.

Da muß man jetzt mal schauen, wie der Richter das gemeint hat. Beziehungsweise wen er sonst noch damit gemeint haben könnte.

Übrigens:
Den Begriff „Haufen“, mit dem eine Ansammlung von Menschen beschrieben wurde, fand der Gesetzgeber bereits Anfang 1998 unappetitlich (6. StrRG v. 26.1.1998, BGBl. I 164). Seit dem 1. April 1998 spricht das Gesetz daher politisch korrekt von „Gruppe“. Es gibt weitere Begriffe für dieses Phänomen: Gruppierung, Bande, Vereinigung, die alle nicht so ekelig klingen, wie diese – in Hinblick auf die noch nicht verurteilten Angeklagten zweideutige – Urteilsbegründung des Vorsitzenden Richters einer Wirtschaftsstrafkammer.

Es könnte sein, daß Plan „B“ eine gewisse Bedeutung bekommen könnte.
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Bild: Dieter Schütz / pixelio.de

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Pillen für den Staatsanwalt

Am heutigen Freitag wird das erste Urteil im schlanken zweiten Prozeß vor dem Landgericht Potsdam erwartet, damit dann knapp vor dem Nikolaustag der dritte Prozeß mit seinen bisher rund viertelhundert geplanten Hauptverhandlungsterminen starten kann, nachdem die 500 Seiten potente Anklage nächste Woche zugelassen und bevor der erste Prozeß beendet sein wird.

Übrigens: Falsch ist, was die dpa gestern vermeldet hat

Unklar ist auch noch, wann sich der mutmaßliche Bandenchef wegen des Millionenbetrugs verantworten muss.

Richtig wäre es, wenn die Agentur-Journalisten geschrieben hätten, daß es ihnen unklar ist.

Aber vielleicht liegen die dpa-Agenten ja doch nicht ganz so verkehrt, wenn man berücksichtigt, daß die von der Verteidigung bereits im September beim Gericht beantragte Akteneinsicht noch nicht gewährt wurde. Erst bekommt es die Staatsanwaltschaft nicht so richtig auf die Reihe, dem Gericht (von den Verteidigern rede ich hier diesmal nicht) die Akten in geordneter Form zur Verfügung zu stellen.

StA-Potsdam und die Akteneinsicht

Daß nun auch das Landgericht seine liebe Mühe damit hat, ist nachzuvollziehen.

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