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Rechtsanwälte
Verratsanwalt
Die entscheidende Grundlage des Verhältnisses zwischen dem Strafverteidiger und seinem Mandanten ist das Vertrauen. Dies wiederum gründet auf die Verschwiegenheit des Anwalts.
Nicht ohne Grund gibt es gleich an mehreren Stellen der Rechtsordnung Vorschriften, die die Schweigepflicht des Rechtsanwalts regeln, ja fordern:
Zum einen ist es das Berufsrecht mit § 43a Abs. 2 BRAO und § 2 BORA; flankiert wird diese Verschwiegenheitspflich zum anderen durch’s Strafrecht in § 203 Abs. 1 Ziff. 3 StGB.
Kann sich der Mandant nicht (mehr) darauf verlassen, dass das, was er seinem Verteidiger erzählt, nicht weiter verbreitet wird, ist es vorbei mit dem Vertrauen in den eigenen Anwalt, aber auch in das System der Strafverteidigung und des rechtsstaatlichen Verfahrens.
Soweit die allgemeine Vorrede. Dann noch ein paar konkretere Worte.
Verteidigung von „Nazis“
Einen Beschuldigten wie Stephan B., der in Halle 35 Minuten lang mit seiner mörderischen Aktion für Angst und Schrecken gesorgt hat, kann ich aus persönlichen Gründen nicht verteidigen. Zum einen liegt mein Schwerpunkt im Wirtschaftsstrafrecht, ich gehöre nicht vor die Schwurgerichtskammer, die über Delikte am Menschen urteilt. Zum anderen sind mir die mutmaßlich hinter dieser Tat stehenden Motive so dermaßen zuwider, dass ich mich daran gehindert sehe, mit Vollgas zu verteidigen. Und dann geht es einfach nicht.
Ich habe Hochachtung vor Verteidigern, denen es gelingt, ihre Gefühle insoweit im Griff zu haben, und losgelöst von ihrer eigenen politischen Einstellung auch bei solchen Tatvorwürfen eine qualifizierte Verteidigung abliefern zu können.
Medienöffentlichkeit
Strafverteidiger haben in aller Regel keine Berührungsängste, was den Kontakt zu den Medienschaffenden angeht. Das Verhältnis zwischen Strafverteidigern und Journalisten ist in der Regel eine Symbiose; von einer Zusammenarbeit profitieren grundsätzlich beide Seiten. Ich rede daher gern mit der Presse, das Weblog ist eine weitere Form der Öffentlichkeitsarbeit, die hilfreich ist, meinen Namen in der Welt zu verbreiten. Und Journalisten wissen den O-Ton oder das Hintergrundgespräch zu schätzen.
Und jetzt kommt das „Aber“
Aber niemals, never ever, würde ich Mandatsinterna an die Medien weitergeben, auch nicht unter Dreien, um meinen Namen in der Zeitung lesen oder mich im Fernsehen reden hören zu können.
Das, was die Medien (z.B. die Badischen Neuesten Nachrichten oder der Spiegel) über den Karlsruher Kollegen Hans-Dieter Weber berichten, der Stephan B. zum Pflichtverteidiger bestellt wurde, halte ich nicht nur für einen Verrat der Interessen seines eigenen Mandanten, sondern stellt einen Angriff auf die Strafverteidiger per se da. Selbstverständlich lieben Journalisten solche anwaltlichen Plaudertaschen.
Selbst wenn Stephan B. seinen Verteidiger Weber von seiner Verschwiegenheitsverpflichtung gegenüber den Medien freigestellt hätte – was ich nicht glaube, darf er diese Informationen, die er den Journalisten in die Federn und Mikrofone geschwätzt hat, nicht liefern. Das gebietet ihm der Auftrag, den ihm die Rechtsordnung und die Grundsätze des fairen Verfahrens (sic!) gegeben haben: Nämlich ausschließlich seinem Mandanten zur Seite zu stehen und ihn nicht an’s Messer zu liefern. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe gehört auch, nicht alles zu tun, was möglicherweise erlaubt sein könnte.
Ein solches Mandat zu übernehmen und Stephan B. engagiert zu verteidigen, ist, wird und bleibt ein außerordentlicher Kraftakt; dass Hans-Dieter Weber diese Aufgabe übernommen, davor habe ich großen Respekt.
Verachtung habe ich aber für das profilierungssüchtig erscheinende Herumgequatsche in der Öffentlichkeit. Das ist unter keinem Gesichtspunkt akzeptabel, sondern ein extrem schädlicher Verstoß zuminderst gegen Berufsrecht, vielleicht auch darüber hinaus eine Grenzüberschreitung.
Ich drücke dem Kollegen Weber gleichwohl die Daumen, dass es ihm doch noch gelingt, eine saubere Verteidigung seines Mandanten abzuliefern. Und dass er auf dem sehr schwierigen Weg, den er (und sein Team) jetzt vor sich hat, die Nerven behält.
Gefährliche Schweigepflichtentbindungserklärung
Es ist nicht nur ein umständliches Wort, sondern für manche Anwälte auch ein unverstandenes: Die Schweigepflichtentbindungserklärung.
Ich habe vor einiger Zeit einen Rechtsanwalt verteidigt, der ein großes Unternehmen in der Krise begleitet und beraten hatte. Auf der Grundlage einiger unternehmerische Fehler, die auf beratungsresistente Entscheidungen zurückzuführen waren, und wegen zusätzlichen Pechs ging die ganze Geschichte gehörig schief.
Das rief im weiteren Verlauf die Wirtschaftsabteilung der Staatsanwaltschaft auf den Plan, die erst einmal einen Rundumschlag machte. Ermittelt wurde nicht nur gegen die Unternehmer, sondern auch gegen den beratenden Rechtsanwalt, meinen Mandanten.
Die Verteidigung gegen den Vorwurf der Beihilfe zu allerlei Vermögensdelikten und Insolvenzstraftaten war anstrengend, aber am Ende erfolgreich. Meinem Mandanten war keinerlei Vorwurf zu machen, das Verfahren gegen ihn wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Gegen die Unternehmer wurde jedoch Anklage vor der Wirtschaftsstrafkammer erhoben; für die Angeklagten geht’s nun also um die Wurst.
Nach einer bereits zweistelligen Zahl an Hauptverhandlungsterminen stellt der Anwalt (ich will den Begriff „Verteidiger“ in diesem Zusammenhang vermeiden) des einen Angeklagten einen Beweisantrag: Der ehemalige Berater, also mein Mandant, soll zu einem Detail aussagen und den Angeklagten entlasten. Solche brandgefährlichen Verteidigungsversuche veranstalten nur solche Anwälte, die nicht wissen was sie tun.
Es ist ein Standardproblem in allen Steuer- und Wirtschaftstrafverfahren: Der Berater (Steuerberater oder Rechtsanwalt) des vormals Beratenen (jetzigen Angeklagten) hat enormes Insiderwissen über das gescheiterte Unternehmen. Es funktioniert aber nicht ohne Weiteres, sich die Rosinen aus diesen Kenntnissen herauszupicken, und den üblen Rest unter der Decke zu halten.
Wenn ein gut informierter Steuerberater oder Rechtsanwalt durch den Mandanten einmal von seiner Schweigepflicht (siehe § 43a Abs. 2 BRAO, § 2 BORA, § 53 Abs. 1 Ziffer 3 StPO) entbunden ist, werden die Staatsanwaltschaft und das Gericht ganz sicher nicht darauf verzichten, auch außerhalb des von der Verteidigung beantragten Beweisthemas Fragen zu stellen. Und die Antworten, die der ehemalige Berater dann als Zeuge geben muss, könnten werden in der Regel katastrophale Folgen haben.
Ein solcher Beweisantrag, in dem dann auch gleich noch die Schweigepflichtentbindungserklärung abgegeben wird, stellt den Gau für jeden Angeklagten dar.
Der Anwalt, von dem ich hier berichte, ist ein hervorragender und erfolgreicher Wirtschaftsrechtler; aber vom (Wirtschafts-)Strafrecht hätte er besser mal die Finger gelassen.
Der Anwalt und ein toter Grundrechtchenträger
Wenn man nicht aufpasst, kann man schonmal an ziemlich üble Gesellen geraten auf der Suche nach einem Verteidiger.
Ich möchte heute am Pfingstmontag mal über jemanden berichten, der sich berühmt, Anwalt für Strafrecht in Berlin zu sein. Vielleicht deswegen ist er auch Mitglied der Facebookgruppe „Fachanwälte für Strafrecht / Strafverteidiger“. Weitere Qualifikation für seine berufliche Tätigkeit als Anwalt belegt er – neben ein paar anderen – mit diesem Attest:
In der vergangenen Woche berichtete ein Kollege über die Abschiebung eines südamerikanischen Mannes, der als Kind gemeinsam mit seiner Mutter nach Deutschland einreiste. Der Kollege reklamiert – wie ich meine zu Recht – die Reisekosten der drei Bundespolizeibeamten, die für die Abschiebung eingesetzt waren. 20.000 Euro hat der Ausflug gekostet.
Jener Anwalt, über den ich hier schreibe, einer, der behauptet, als Strafverteidiger unterwegs zu sein, reagierte auf den Bericht des Kollegen:
Wenn er drei Begleiter braucht, muss er ja ziemlichen Ärger gemacht haben. Verstehe aber auch nicht, warum man ihn nicht mit Vollfixierung verschickt hat.
Nun, so eine – auf nichts gestützte – Vermutung kann man äußern; aber sie zeigt schon, in welche Richtung dieser Anwalt denkt. Er wird aber noch deutlicher.
Ein anderer Strafverteidiger erklärte ihm, warum eine Vollfixierung nicht in Betracht kommt, mit den Worten:
Weil dann so etwas passieren kann.
In Bezug genommen wurde der Fall des Aamir Ageeb, sudanesischer Flüchtling, der durch Maßnahmen von BGS-Beamten gestorben ist.
Die Reaktion des hier beschriebenen Anwalts war die folgende:
Da hängt eben ein organisatorischer Aufwand dran, dass auch jedes Grundrechtchen gewahrt bleibt, da wollen wir wegen diesen schlappen 20.000 Eurit mal keine Krokodilstränchen vergießen.
Ok, Art. 2 Abs. 2 GG, der das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit garantieren will, als „Grundrechtrechten“ zu disqualifizieren … auch das kann man machen. Aber das ist schon eine Hausnummer, die mir hilft, die Geisteshaltung dieses Menschen einzuschätzen.
Das anwaltliche Statement danach bzw. darüberhinaus ist noch einen Zacken deutlicher:
So ein Flüchtling ist ja nur ein Grundrechtchenträger, den kann man ja mal eben totschlagen, wenn er sich der Staatsgewalt widersetzt, meint dieser Herr augenscheinlich.
Leute gibt’s … und Anwälte auch. Und manche finde ich einfach ziemlich übel.
Nicht alles falsch
Ich erinnere mich an einen TV-Auftritt von Johann Schwenn, Strafverteidiger aus Hamburg. Seinerzeit ging es um die Verteidigung von Jörg Kachelmann. Schwenn wurde – wenn man den Gerüchten glauben mag – von der „Die Zeit“ protegiert; er löste Rechtsanwalt Reinhard Birkenstock während laufender Hauptverhandlung ab, der Kachelmann bereits im Ermittlungs- und Haftverfahren verteidigt hatte.
In diesem Fernsehgespräch beurteilte Schwenn die Verteidigerleistung von Reinhard Birkenstock (ungefähr) mit den Worten:
Es war nicht alles falsch, was Birkenstock gemacht hat.
Ich empfand ein solches öffentliches Statement von jemanden, der während eines laufenden Verfahrens einen Kollegen aus dem Mandat gedrängt abgelöst hat, für völlig unangemessen, für hochgradig unkollegial. Um es mit den Worten meiner Mutter auszudrücken: Sowas macht man nicht!
Ich erinnere mich heute an diesen Auftritt von Schwenn, als ich in der LTO vom Streit um die Wedel-Recherche las.
In diesem Rechtsstreit vor dem Landgericht Hamburg geht es um die Erstattung von Anwaltskosten, die mittelbar dadurch entstanden sein sollen, dass sich drei Rechtsanwälte über eine Frage der Verjährung einer Sexualstraftat getäuscht haben sollen. Unter anderem der zweifellos rennomierte Strafverteidiger Johann Schwenn muss wohl irgendwas übersehen haben.
Pia Lorenz und Dr. Markus Sehl schreiben in der lto über den Anwaltsfehler:
Diese Frage der Verjährung wurde tatsächlich geprüft und von allen Beteiligten falsch eingeschätzt. Sowohl der Medienrechtler Schertz als auch Zeit-Anwalt Joerg Nabert sowie der vom Verlag Zeit extra für die heikle Verdachtsberichterstattung hinzugezogene Strafrechtler Johann Schwenn kamen zu dem Ergebnis, dass es keine Strafverfolgung gegen Dieter Wedel mehr geben werde, weil die in Betracht kommenden Straftaten verjährt seien.
Da hat er wohl daneben gelegen als Verteidiger für heikle Angelegenheiten.
Jedenfalls war die Auskunft falsch. Die behauptete Tat … wäre erst 2019 verjährt. Das beruht auf einer Gesetzesänderung von 2015 (§§ 78, 78b StGB), die man gewiss nicht übersehen durfte, wenn man als Rechtsanwalt mit dieser Frage befasst war.
schrieb Thomas Fischer über die mangelhafte Subsumtion durch den Strafrechtler.
Es sind aber nicht nur folgenreiche Fehler, die der Herr Kollege Schwenn macht. Er ist tatsächlich ein anerkannt hervorragender Verteidiger.
Aber manchmal auch ein frecher Flegel, wie meine Mutter ihn beschreiben würde.
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Schäbiger Vergleichsvorschlag
Wie bereits von erfahrenen Kommentatoren lässig angekündigt, lassen die schäbigen Rechtsanwälte nicht locker. Aber sie lassen nach.
Nach dem vorsorglichen Hinweis auf möglicherweise entstehende Kosten und der Androhung vermeintlich empfindlicher Übel …
Sollten Sie die Frist fruchtlos verstreichen lassen, werden wir unserer Mandantschaft empfehlen, das Verfahren gegen Sie umgehend fortzusetzen.
… verschickt die Hamburger Anwaltsbatterie erneut automatisierte, aber dennoch freundliche Grüße:
Irgendwelche namenlosen Wesen aus dieser KSP Kanzlei Dr. Seegers, Dr. Frankenheim Rechtsanwaltsgesellschaft mbH behaupten, sie hätten Rücksprache „mit unserer Mandantschaft“ gehalten. Diese Mandantschaft (es soll sich dabei mutmaßlich um die „dpa Picture-Alliance GmbH“ handeln) erkläre sich diese …
… nunmehr(*) […] im Interesse einer nunmehr(*) zügigen und außergerichtlichen Erledigung damit einverstanden, …
… sich mit mir zu vergleichen. Statt der ursprünglichen Bereicherung in Höhe von 371,02 Euro soll der Vermögensvorteil für ksp Rechtsanwält bzw. deren mutmaßliche Mandantschaft nur noch 223,00 Euro betragen. Aber nur dann, wenn die Systemarbeiter bis zum 27.05.2019 (also binnen 14 Tagen) meinen guten Namen auf deren schlechten Kontoauszügen lesen können.
Und dann folgt wieder dieser zivilprozessuale Standardsermon, von dem doch ohnehin niemand mehr davon ausgehen kann, dass er ernstzunehmen wäre:
Offenbar ist die Mandantschaft beratungsresistent – denn schließlich hat die Kanzlei ja schon einmal „die Fortsetzung des Verfahrens“ empfohlen.
Ich bin gespannt, um welches Verfahren es sich handeln könnte, wenn ich jetzt mal statt eines Blogbeitrages freundliche Post an die Staatsanwaltschaft (§ 253 StGB), an die Rechtsanwaltskammer (§§ 43, 43a BRAO) und die Gewerbesteuerstelle des Hamburger Finanzamts (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) schicke.
Liebe Kommentatoren, bleiben Sie am Apparat, um nicht zu verpassen, wenn es weitergeht in dieser schäbigen Geschichte …
—
(*) Ein schönes Wort: „nunmehr“. Wird gern und oft von Zivilunken genutzt. Servicehinweis an ksp.: Bitte den Textbaustein nochmal überarbeiten.
Strafrechtsrelevantes Anwalts-Inkasso
Das massenhafte Beitreiben von Forderungen stellt auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten eine gefahrgeneigte Anwaltstätigkeit dar.
Der 4. Senat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 14.03.2019 (4 StR 426/18) ausgeführt, dass die bei reiner Inkassotätigkeit rechtsgrundlos geltend gemachten Rechtsanwaltskosten einen Betrugsschaden darstellen können.
Wenn zusammen mit der Mahnung gleich auch noch die 1,3-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses des RVG geltend gemacht wird (wie es weit verbreiteter Usus ist), darf diesem anwaltlichen Mahnschreiben auch die schlüssige Erklärung entnommen werden, der Rechtsanwalt ist nicht allein mit der schlichten Mahnung beauftragt worden, sondern hat auch den Auftrag einer weiter gehenden rechtlichen Prüfung oder Beratung erhalten.
Fehlt es allerdings genau an diesem zweiten Auftrag, ist die Geschäftsgebühr nach Auffassung des BGH nicht entstanden. Macht der Inkasso-Anwalt sie gleichwohl geltend, liege eine Täuschungshandlung vor, die über einen Irrtum zum Schaden führt.
Vor dem Hintergrund, dass Masseninkasso regelmäßig eine dauerhafte Erwerbsquelle darstellt, sind auch die Voraussetzungen für den gewerbsmäßigen Betrug (§ 263 Abs. 3 StGB) gegeben. Und wenn man dann noch durch die Brille des Steuerrechtlers schaut, erblickt man schnell das Ende der freiberuflichen Tätigkeit und den Beginn des gewerbesteuerpflichtigen Kaufmannsladens mit der Soll-Versteuerung der Umsätze. Und dann wird es ernst.
Mal eben ein paar Mahnungen raushauen, um sich damit quasi automatisch das Konto zu füllen, kann durchaus zu heftigen Konsequenzen führen, wenn man nicht aufpasst.
Schäbige Vorsorglichlichkeit
Ich hatte in der vergangenen Woche über meine Erfahrung mit der Hamburger Rechtsanwaltskanzlei KSP Kanzlei Dr. Seegers, Dr. Frankenheim Rechtsanwaltsgesellschaft mbH berichtet.
Mithilfe speziell für mich zusammengebastelter Textbausteine fordert mich ein namen- und gesichtsloses Etwas (Mensch oder Maschine, man weiß es nicht), elektronisch versandt und daher keine Unterschrift tragend zur Zahlung eines zivilrechtlich-penibel genau „berechneten“ Betrages auf, weil ich – schändlich, wie Strafverteidiger nun mal sind – ein Bildchen veröffentlicht haben soll, für das irgendjemand irgendwelche Rechte besitzen will, die ich angeblich nicht habe.
Ich habe – strafrechlich über den Daumen gepeilt – 25 Euro überwiesen und mit höflichen Worten mitgeteilt, dass die Messe damit gesungen ist. Die Rechnung der Forderungseintreiberkanzlei sieht nun so aus:
Das oben beschriebene Etwas reagiert jetzt doch nochmal – vorsorglich – und klärt mich – der ja auch nicht alles wissen kann – darüber auf, was passieren wird, wenn ich nicht das tue, was das Lego-System-Schreiben von mir forderte:
Vorsorglich weisen wir Sie darauf hin, dass Sie aufgrund Ihres Zahlungsverzuges verpflichtet sind, den unserer Mandantschaft hierdurch bereits entstandenen und ggf. zukünftig noch entstehenden Schaden (u. a. Verzugszinsen, Mahnkosten sowie die Kosten unserer Inanspruchnahme) zu ersetzen.
Was sind das für arme Menschen, die in diesem hanseatischen Laden ihren Dienst tun, ohne dafür mit Ihrem Namen gerade zu stehen. Aber vielleicht kommt das ja noch. Denn:
Sollten Sie die Frist fruchtlos verstreichen lassen, werden wir unserer Mandantschaft empfehlen, das Verfahren gegen Sie umgehend fortzusetzen.
Was heißt eigentlich fruchtlos? Und von was für einem umgehend fortzusetzenden Verfahren ist da die Rede? Soll ich den fachliche kompetenten, diplomatisches geschickten und mit ausgewiesener Branchenkompetenz ausgestatteten Anwälte nochmal ein, zwei Euro überweisen? Und: Sehen die Kollegen in dieser Fabrik Kanzlei wirklich so aus, wie das Bild oben links glauben zu machen versucht?
Urheberrecht und schäbige Rechtsanwälte
Nun hat es mich auch einmal erwischt. Ich soll eine Urheberrechtsverletzung begangen haben, behauptet …
Also irgend ein namenloser Insasse der KSP Kanzlei Dr. Seegers Dr. Frankenheim Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Hamburg, der die Eier nicht hat, seinen Namen unter seine Textbausteine zu schreiben.
Einer davon ist mangels Schöpfungshöhe auch ohne weiteres zitierfähig:
Gegenstand unserer Beauftragung ist die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches, der unserer Mandantschaft aufgrund einer Urheberrechtsverletzung zusteht. Sie verwenden auf Ihrer Website kanzlei-hoenig.de unter der weiter unten aufgeführten URL ein Lichtbild, an dem unsere Mandantschaft das ausschließliche Nutzungsrecht i. S. d. Urheberrechtsgesetzes hat. Eine Zustimmung zur Nutzung hat Ihnen unsere Mandantschaft nicht erteilt.
Diesen für Zivilisten typische Sprachgebrauch würde niemand vermissen, wenn es ihn nicht gäbe.
Es ist nicht diese Rechnung, die mich ärgert, oder die mich in den Ruin treiben könnte.
Dafür gibt es Portokassen. Es ist die dahinter stehende Dreistigkeit, mit der manche Elemente dieser Gesellschaft den Ruf der Anwaltschaft abschießen.
Es mag sein, dass ich ein Bild zur Schmückung eines Blogbeitrags genutzt habe, für das ein Wer-auch-immer die Rechte hat. Wenn es denn so ist, und ich die Urheberrechte eines lebendigen Fotografen aus Fleisch und Blut verletzt haben sollte, bedauere ich das. Hier sollen die Rechte bei einem leblosen Gebilde in Form einer juristischen Person liegen.
Doch nun mal Butter bei die Fische. Es geht um einen Bildausschnitt, der das Backpatch einer rot-weißen Motorrad-Fahrgemeinschaft wiedergibt. So ähnlich (oder ziemlich genau) wie diese hier, die die Google Bildersuche auswirft. Die gibt es mit und ohne „Rechte“, die von mir genutzte Version soll angeblich geschützt sein.
Das von mir genutzte Bild hatte eine Größe von width=“250″ height=“163″, also die übliche Briefmarke, die man in meinen Blogbeiträgen gewöhnlich oben links findet.
Noch eine weitere Kostprobe der aus dem Lego-System entwichenen lauwarmen Luft, mit der die bedauernswerte Auftraggeberin ihren schwerwiegenden Schaden geltend zu machen versucht? Bitte sehr:
Für die unberechtigte Nutzung schulden Sie unserer Mandantschaft Schadensersatz. Die Rechtsgrundlage hierfür ist § 97 Abs. 2 UrhG. Auf Basis einer Lizenzanalogie kann dasjenige verlangt werden, was zwischen Ihnen und unserer Mandantschaft bei Kenntnis aller Umstände für eine rechtmäßige Nutzung als Lizenzgebühr vereinbart worden wäre.
Welcher mit einem Klammerbeutel gepuderte Blogger würde 190 Euro für ein solches Bildchen „vereinbaren“? Das glauben die Hamburger Urheberrechtler sicherlich selbst nicht.
Die mir zur Last gelegte Tat ist zumindest nicht mehr strafbar. Sie ist verjährt, denn die Veröffentlichung erfolgte im Januar 2013, also vor gut sechs Jahren. Diese antiken Blogbeiträge liest kein Mensch mehr. Nur noch irgendwelche Maschinen, die sich durch sogenannte Dokumentationskosten amortisieren.
Man könnte also über meine potentielle Rechtsverletzung schlicht hinweg sehen. Oder statt gewaltige Textbausteine, die verdammt nah dran sind am Berufsrechtsverstoß und an einer Erpressung, zu verschicken, eine kleine kollegiale Bitte an mich, den Verwender, richten, das Bild wieder aus dem Netz zu nehmen.
Nun gut; ich habe 25 Euro für eine vermeintlich rechtswidrige Nutzung überwiesen, und zwar – so habe ich es bei den Zivilisten abgeschrieben – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.
Jetzt warte ich ab, was passiert. Wer hier öfter mitliest, wird wissen, was passieren wird, wenn das passieren sollte, was der Feigling angedroht hat. Stoff für weitere unterhaltsame Blogbeiträge mit dem Blick über den strafrechtlichen Tellerrand hinaus ist immer gern willkommen.
Ich bin mir sicher, dass ein Strafverteidiger sich einem Kollegen gegenüber nicht in so einer schäbigen Weise geriert. Das scheint eine Eigenart dieser Urheberechtsfabriken zu sein.
Wenn Zivilisten verteidigen
In einer mittleren Wirtschaftsstrafsache hat mich die bereits Angeklagte mit ihrer Verteidigung beauftragt. Und zwar aus der Untersuchungshaft heraus.
Hintergrund war das „Unternehmen in der Krise“ – auf dem Deckel standen die Klassiker: Nichtabführen von Sozialabgaben, Umsatz- und Lohnsteuerhinterziehung sowie Insolvenzverschleppung. Eigentlich nichts wirklich Bösartiges, für das man bei einer verständigen Verteidigung in den Knast müßte. Die bisher nicht bestrafte Mandantin saß aber eben genau dort.
Die Staatsanwaltschaft hatte das Ermittlungsverfahren aufgrund einer Strafanzeige eingeleitet, ein wenig ermittelt und dann vorübergehnd nach § 205 StPO eingestellt. Der Mandantin konnte nämlich irgendwann keine Post mehr zugestellt werden, Anfragen bei den Meldebehörden führten zu keinem Ergebnis und weitere in der Akte vermerkte Recherchen der Staatsanwaltschaft blieben erfolglos.
Eigentlich mehr aus Neugier beauftragte die Mandantin ihren langjährigen Familienanwalt mit der Akteneinsicht. Der Kollege, auf seinem Gebiet sicher ein Spezialist, meldete sich bei der Staatsanwaltschaft:
In der Strafsache
gegen Frollein F.
Aktenzeichen 999 Js 666/16
bestelle ich mich unter Vorlage anliegender anwaltlich beglaubigter Kopie einer
Vollmachtsurkunde vom 29.99.2017 für die derzeit in Taschkent befindliche F.
Uuuund zack:
Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlaß eines Haftbefehls wegen Flucht, § 112 II 1 StPO, dem der überforderte Ermittlungsrichter unbesehen stattgab, weil er den Staatsanwalt als stets zuverlässig arbeitend und persönlich kennt. Quasi parallel dazu erfolgte die Zustellung der Anklage an den insoweit zustellungsbevollmächtigten Rechtsanwalt.
Was – um Himmels Willen – bringt einen Anwalt dazu, ohne Kenntnis der Akte (der er die Brisanz der Nichterreichbarkeit seiner Mandantin problemlos hätte entnehmen können) ihren Aufenthalt im nicht-europäischen Ausland zu verraten (sic!).
Die Mandantin war nicht auf der Flucht, sondern aus geschäfltichen Gründen in Usbekistan, um sich wieder auf wirtschaftlich stabile Füße zu stellen. Was ihr auch gelungen wäre, wenn sie nicht bei ihrer Einreise nach Deutschland verhaftet worden wäre.
Warum hat er nicht schlicht geschrieben:
… zeige ich an, daß mich Frollein F. mit ihrer Verteidigung beauftragt hat und beantrage Akteneinsicht …
Fertig. Mehr muß nicht sein.
Nun aber eine Haftsache, die keine Haftsache hätte werden müssen, wie sich bei der mündlichen Haftprüfung dann auch herausstellte.
Augen auf bei der Verteidigerauswahl!
Huch, die Schöffen!
Eigentlich sollte die Hauptverhandlung an einem Tag erledigt werden. Aber wie es immer so ist mit der Planung von Strafverfahren – oft braucht man einen Plan B.
In dem Verfahren war noch (mindestens) ein voller Hauptverhandlungstermin erforderlich, zu dem noch Zeugen gehört werden sollen. Die Terminsplanung gestaltete sich schwierig: Zwei Verteidiger, ein Nebenklägervertreter und der Urlaub des Richters verhinderten eine zeitnahe Terminierung.
Der Gesetzgeber (§ 229 StPO) unterstellt den Richtern, spätestens nach drei Wochen alles vergessen zu haben; deswegen dürfen zwischen zwei Terminen maximal 21 Tage liegen. Um diese Zeit überbrücken zu können, haben findige Richter den Brückentermin erfunden. Es wird dann ein – auch so genannter – Schiebetermin angesetzt, bei dem eine kurze Beweisaufnahme durchgeführt wird, und der nach fünf bis zehn Minuten wieder zuende ist.
Ein solcher Termin fand kürzlich beim Amtsgericht statt, zu dem weder der Nebenkläger, noch die beiden Angeklagten erschienen waren. Die Schwarzkittel konnten also ein wenig ungezwungener miteinander plaudern; es hörte niemand zu und nur die Auszüge des Bundeszentralregisters (BZR) sollten verlesen werden. Es herrschte eine Stimmung wie auf einer Klassenfahrt.
Nach dem Aufruf der Sache, stellte das Protokoll die (Nicht-)Anwesenheit der Beteiligten fest und der Richter verlas die BZR. Das war’s dann schon, man verabschiedete sich fröhlich, die Staats- und Rechtsanwälte räumten ihre Sachen zusammen und der Richter zog sich ins Beratungszimmer zurück.
Als plötzlich ein lautstarkes HAAAAAAAALT-STOOOPP!! des Richters ertönte: In dem Beratungszimmer saßen nämlich die beiden Schöffen, die bis dahin niemand(!) vermißt hatte.
Peinlich berührt mußte dann der Termin noch einmal wiederholt werden. Wir hatten Glück, daß es nur der Brückentermin mit seinen fünf Minuten war und nicht eine ganztägige Zeugenvernehmung.
Man sage nicht, Strafsachen beim Amtsgericht hätten keinen Unterhaltungswert. ;-)