Rechtsanwälte

Retourkutschenfragen

Der Kollege, ein hervorragender Gesellschaftsrechtler, hatte Ärger mit einer seiner Mandantinnen. Es ging – wie meistens – um’s Geld und der Streit darum wurde vor Gericht ausgetragen. Am Ende unterlag die Mandantin des Kollegen, die dann die Pferde sattelte, um eine Retourkutsche zu fahren. Sie schrieb eine Strafanzeige.

Bei der Lektüre der Mitteilung, daß gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines Urkundsdelikts geführt werde, leuchteten bei dem Kollegen ein paar rote Lampen auf. Urkundenfälschung, Untreue und Betrug – das sind für einen Rechtsanwalt massiv existenzbedrohende Vorwürfe.

Der Beschuldigte machte an dieser Stelle das einzig Richtige: Er beauftragte sofort einen Strafverteidiger.

Und dann begann erst einmal die Routine: Verteidigungsanzeige an die Polizei, Absage des Vernehmungstermins bei der Polizei und Akteneinsichtsgesuch.

Bereits nach der Einsicht in die recht überschaubare Akte war klar, an der Sache ist nichts dran. Die Verteidigungsschrift an die Staatsanwaltschaft bestand aus einem Standardtextbaustein:

Der Akteninhalt bestätigt den Tatvorwurf nicht, das Verfahren ist nach § 170 II StPO einzustellen. Ich bitte um Übersendung der Einstellungsnachricht

Drei Wochen später kam die erwartete Mitteilung, daß das Verfahren eingestellt wurde.

So, und wer jetzt meint, ich hätte die Akte einfach so schließen können, der kennt die Zivilrechtler unter den Juristen nicht. Der Kollege wollte nun seinerseits einen Vierspänner auf den Weg in Richtung seiner Mandantin schicken.

Die Anzeigende und alle Personen, die derartige Erfindungen als Anzeige gegenüber der Polizei äußern, halte ich für gesellschafts- und sozialschädigend – schlicht für bösartig. So etwas kann man doch nicht auf sich beruhen lassen.

Der Kollege erwog, mich nun damit zu beauftragen, eine Gegenanzeige wegen falscher Verdächtigung zu erstatten. Ich habe ihm die folgende Geschichte erzählt:

Der Staatsanwaltschaft war der gesamte Sachverhalt bekannt. Es ist davon auszugehen, daß die Anzeige auch unter dem Blickwinkel einer falschen Verdächtigung betrachtet wurde. Dennoch hat die Staatsanwaltschaft nichts weiter unternommen. Aus dieser Sicht und auf dieser Informationsbasis hat eine weitere Strafverfolgung wohl keine Aussicht auf „Erfolg“.

Wenn Sie mögen, können Sie weiteren Aufwand in die Geschichte investieren und die Staatsanwaltschaft zur Fortsetzung der Ermittlungen veranlassen. Das wird sie machen, wenn Sie ausreichend Material und Argumente liefern. Dann werden Sie noch einmal als Zeuge von der Polizei vernommen (persönlich oder schriftlich). Sollte die Staatsanwaltschaft dann Anklage erheben, wird das Gericht sie als Zeugen laden.

Sie erscheinen dann zum Hauptverhandlungstermin im Kriminalgericht und warten auf dem zugigen Gerichtsflur auf Ihre Vernehmung. Dann wird Ihnen mitgeteilt, daß Ihre Vernehmung heute ausfällt und Sie zu einem Folgetermin geladen werden, in dem Ihnen mitgeteilt wird, daß Ihre Aussage nicht mehr benötigt wird.

Die Angeklagte wird ohne Ihre Aussage verurteilt, sie geht ins Rechtsmittel und Sie erhalten dann vom Landgericht erneut eine Zeugenladung. Diesmal werden vernommen und von einem aggressiven Verteidiger auf Ihrem Zeugenstuhl gegrillt, weil Sie der Hauptbelastungszeuge sind und er mit einer Freispruchverteidigung beauftragt ist.

Wenn Sie auf die Zeugenentschädigung setzen, die Ihnen Ihren Aufwand ausgleichen soll, besorgen Sie sich bitte vorher eine Familienpackung Papiertaschentücher – für die bitteren Tränen, die Sie weinen werden, wenn Sie realisieren, welchen Wert die Jusitz Ihrem Aufwand beimißt.

Der Kollege hakte noch einmal nach und bat mich um meinen Rat:

Ernsthafte Frage und deswegen eine halbwegs ernsthafte Antwort: Ärgern Sie sich noch ein(!)mal, trinken Sie ein Glas Wein darauf und schicken Sie dann die ganze Geschichte auf den Weg alles Irdischen. Mehr ist die Sache nicht Wert.

Ich habe dann die Akte geschlossen und aus dem einen Glas Wein wurde eine ganze Flasche, die wir zusammen bei einem kleinen, feinen Italiener in Neukölln verkasematuckelt haben.

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Bild (CC0): Gellinger / via Pixabay

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Unkollegiales Nebenzimmer

Auf Facebook gibt es eine Gruppe, die sich das „kollegiale Nebenzimmer“ nennt. In’s Leben gerufen hat diese Plattform der Herr Kollege Andreas Schwartmann aus Köln, der auch die Bedingungen für die Teilnahme an der Gruppe stellt.

Das Schwarmwissen der rund 1.700 Grupppenmitglieder ist enorm. Dort finden der Kollege Schwartmann und die anderen Kollegen das Know How, um es als kompetente Partner ihrer Mandanten zur Verfügung stellen zu können:

Ob im Mietrecht, Verkehrsrecht, Familienrecht, Internetrecht oder aber in Fällen, in denen Sie strafrechtlich mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind und auf der Suche nach einer effizienten und fachlich einwandfreien Strafverteidigung sind.

Mit großem Erfolg:

Schaut man sich die knapp 1.000 Bewertungen an, die der Kollege Schwartmann erhalten hat, bestätigt sich der Eindruck, es handelt sich bei ihm um einen Spitzenjuristen.

Nun gibt es allerdings ziemlich üble Gerüchte um den Kollegen. Er soll nämlich das Nebenzimmer insbesondere für solche Fragen nutzen, die zuvor Ratsuchende auf solchen Plattformen wie „123recht.net“ oder „yourXpert.de“ gestellt haben und die er mit eigenen Kenntnissen nicht beantworten konnte. Solchen Gerüchten darf man aber keinen Glauben schenken.

Die Themen, die in dem kollegialen Nebenzimmer diskutiert werden sind mannigfaltig. Über eine Anfrage an die versammelten Mitglieder der Gruppe hatte ich vor einiger Zeit einmal auf Twitter berichtet:

Damit habe ich vermutlich eine Grenze überschritten, denn wie sonst ist die harsche Reaktion des Herrn Kollegen Schwartmann zu verstehen:

Daß Andreas Schwartmann mich nicht mehr als Kollegen anerkennen möchte, trifft mich hart. Aber richtig gemein finde ich, daß ich jetzt nicht teilhaben darf an dem kollegialen Austausch.

Ich bin nicht der einzige; auch andere Strafverteidiger haben vom Kollegen Schwartmann die rote Karte gezeigt bekommen und sind von der Teilnahme an dem kollegialen Nebenzimmer ausgeschlossen worden, weil sie – wie berichtet wird – dem Kollegen Schwartmann nicht den nötigen Respekt entgegen gebracht haben.

Apropos rote Karte:
Vor einiger Zeit habe ich schon einmal den Kollegen Schwartmann in einem Blogbeitrag erwähnt. Auch damals ging es um Fußball. Aber davon verstehe ich ja nichts …

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Keine Selbstverteidigung durch Verteidiger

Der Kollege hat das einzig Richtige gemacht, als ihm die Polizei mitteilte, daß gegen ihn ermittelt werde. Ohne zu zögern hat er einen Strafverteidiger mit seiner Verteidigung beauftragt.

Das Sprichwort – Wer sich selbst verteidigt, hat einen Narren zum Mandanten – war ihm bekannt.

Eine weitere sinnvolle Entscheidung hat er dadurch getroffen, keinen Verteidiger zu wählen, der im selben (übersichtlichen) Sprengel unterwegs ist.

Solche Verteidigungen sind oftmals sehr konfliktbeladen, da ist es dann von Vorteil, wenn der (auswärtige) Verteidiger keine Rücksicht auf mit ihm vernetzte Richter und Staatsanwälte nehmen muß. Und so ein Fremder bringt oftmals richtig frischen Wind ins Geschehen …

Und so bin ich einmal mehr als Verteidiger eines Verteidigers unterwegs.

Das war der Staatsanwaltschaft wohl lästig, denn sie erhebt kurzerhand und ohne rechtliches Gehör zu gewähren, die Anklage zum Schöffengericht. Ein ziemlich dickes Ding, was da dem Kollegen auf die Füße zu fallen droht.

Aus unterschiedlichen Gründen habe ich jetzt erst einmal meine Bestellung zum Pflichtverteidiger meines Mandanten beantragt:

Wenn der Richter weiß, was ein Verteidiger, der sich selbst zu verteidigen versucht, anzurichten imstande ist, wäre er kein Narr, wenn er dem Antrag dankend stattgeben würde.

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Bild: © Heinz Ober / pixelio.de

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Heinrich, Rudi und Gretchen vor 50 Jahren

Mit dem Kollegen Heinrich Schmitz verbindet mich nicht nur die Freude am Schreiben in diesem Internetz und der gemeinsame Beruf. Sondern auch eine Vergangenheit, die wir zwar nicht gemeinsam, aber dennoch in der selben Atmosphäre verbracht haben.

Über diese Zeit, in der er wie ich mit Gammlern, Langhaarigen und Kommunisten zu tun hatten, schreibt Rechtsanwalt Schmitz bei den Kolumnisten. Der Beitrag handelt von 1968, Rudi Dutschke und von dem neu erschienenen Buch der Witwe Gretchen Dutschke-Klotz:


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Sowohl die Kolumne (am besten zuerst) als auch das Buch (im Anschluß daran) sind uneingeschränkt lesenswert.

Heinrich Schmitz schließt seine Rezension des Buches nach einer kurzen Einleitung mit einem Apell von Gretchen Dutschke:

Ja selbstverständlich ist dieses Buch auch ein ganz starkes Statement gegen all die neuen Reaktionäre, Identitäre, Pegidisten und fehlgeleitete Patrioten, die die Zeiger der Zeit zurückdrehen wollen. Und deshalb sollten es nicht nur wir Alten mit melancholischen Gefühlen an die zu schnell verwehte Jugendzeit genießen, es sollten auch die jungen Menschen lesen. Die für die all die Freiheiten, die damals mühsam erkämpft wurden, heute so selbstverständlich sind, dass sie sie gar nicht zu schätzen wissen und deren Gefährdung gar nicht erkennen. Da die von sich aus offenbar gar nicht auf die Idee kämen, sich dieses Buch zuzulegen und es womöglich gar noch zu lesen, wäre es doch eine nette Idee, wenn wir Alten es ihnen einfach schenken würden, schon damit sie verstehen, dass es nun bald alleine ihre Welt und ihre Zukunft ist, die heute auf dem Spiel steht. Denn auch da hat Gretchen Dutschke recht:

„Jetzt sind die Jungen dran!“

Also, haut rein!

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Die BRAK und die beA-Karte

Ich hatte am 26.06.2018 in einem Blogbeitrag über die Kosten für frustrierte (frustierende?) „Leistungen der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer“ gemeckert.

Offenbar war ich nicht der Einzige; es gibt weitere, insbesondere zivilrechtlich besser als ich ausgestattete Kollegen, die sich bei der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) beschwert haben. Das hat zu einer Reaktion der BRAK via Newsletter vom 28.06.2018 geführt:

Gebühren für beA-Karten – ohne beA?

Anfang dieser Woche gingen bei den meisten Kolleginnen und Kollegen Rechnungen der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer (BNotK) für von ihr erbrachte Leistungen – nämlich: die Ausstellung und Auslieferung einer beA-Karte (bzw. beA-Karte Signatur) – ein. Das wirft bei vielen Fragen auf, steht doch das beA bekanntermaßen derzeit nicht zur Verfügung.

Für die beA-Karten ist ausschließlich die BNotK zuständig. Der Anspruch der BNotK auf Zahlung des Entgelts für bestellte beA-Karten entsteht mit Ausstellung der Karte. Die Abrechnung erfolgt jährlich. Die vorübergehende Abschaltung des beA-Systems hat auf den Zahlungsanspruch der BNotK keine Auswirkungen. Sollten Sie Fragen zu Ihrer Rechnung haben, wenden Sie sich bitte direkt an die BNotK (per E-Mail unter bea@bnotk.de oder unter https://bea.bnotk.de).

Die BRAK ist mit Atos wegen möglicher Schadensersatzansprüche, die der Ausfall des beA-Systems verursacht hat, im Gespräch. Sie sind noch nicht abschließend geprüft und verhandelt. Bei Realisierung werden sie, wie bereits in der Vergangenheit praktiziert, eine künftige Reduktion des beA-Anteils am Kammerbeitrag bewirken (näher dazu Nitschke, BRAK-Magazin 2/2018, 10).

Vergebliche Aufwendungen von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten für beA-Karten sind eine von mehreren mit Atos zu verhandelnden Positionen. Die BRAK ist bemüht, für sie eine möglichst pragmatische Lösung zu erreichen. Die BRAK empfiehlt Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, sich die Verjährungsfrist zu notieren, bittet aber darum, derzeit wegen etwaiger Schadensersatzansprüche noch nicht auf die BRAK oder Atos zuzugehen.

Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich der Bitte Folge leisten möchte.

Für den Mist, den die Verantwortlichen bei der BRAK verursacht haben, sollten sie eigentlich auch geradestehen und nicht versuchen, über die lange Bank den Das-erledigt-sich-irgendwann-von-selbst-Punkt zu erreichen.

Andererseits könnte die massenhafte Geltendmachung von Schadensersatz-Forderungen durch die Kollegen gegenüber der BRAK bei der wünschenswerten Lösung der Probleme auch hinderlich sein.

Erkennbar sind die ehrlichen Bemühungen der BRAK-Vorderen um Schadensbegrenzung durchaus – aus Sicht eines Strafverteidigers handelt es sich dabei um ein strafmaßreduzierendes Nachtatverhalten, das Berücksichtigung finden muß.

Für die Beantwortung meiner Frage kann ich ja auf ein bewährtes Hilfsmittel zurückgreifen. :-)

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beA und der Optimismus der BRAK

Weltbewegende Ereignisse heute: Die deutsche Fußballmannschaft spielt gegen Südkorea. Und die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) will auf einer Präsidentenkonferenz über den neuen Anschalttermin für das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) entscheiden.

Der Kollege Andé Feske, seinerseits Mitglied des Vorstands (Abteilung VI) der Rechtsanwaltskammer Berlin, lobt in seinem Blogbeitrag vom 22.06.2018 die beabsichtigte Nichtwiederinbetriebnahme der Adressierbarkeit von beA-Postfächern für „Jedermann“.

Für den „Rest“ findet Rechtsanwalt Feske allerdings deutliche Worte:

Der Optimismus der BRAK übersteigt die Akzeptenz der Nutzer bei weitem.

Der überwiegende Teil der Anwälte wäre dankbar für ein funktionierendes und – vor Allem – sicheres beA. Die Art und Weise, wie die BRAK und ihre Auftragnehmer diesen Wunsch nach einer zeitgemäßen Kommunikationsmöglichkeit umgesetzt haben, und mit welch lausigen Ergebnis, entspricht nicht nur nicht dem Stand der Technik, sondern auch nicht den Wünschen seriös und gewisshaft arbeitender Rechtsanwälte.

Auch als Berufsoptimist habe ich so meine Zweifel, daß die BRAK das noch irgendwann einmal auf die Reihe bekommt.

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Die BRAK und die Datenverwaltung

Die Bundesrechtsanwaltskammer (das ist die Organisation, die u.a. verantwortlich ist für die Einrichtung des besondere elektronische Anwaltspostfach (beA)) schickt mir eine eMail:

Ich habe vor einigen Monaten diesen „beA-Newletter“ bestellt. Und zwar im Wege des Double-Opt-In-Verfahrens.

Wenn die Kammer nun von mir erneut eine Bestätigung dafür abfordert, daß ich regelmäßig Post von ihr bekommen möchte, frage ich mich, was denn mit dem „Nachweis meiner Einwilligung in den Empfang des Newsletters“ geschehen ist, den ich im Rahmen meiner Double-Opt-In-Bestellung abgeliefert hatte.

Es ist sicher nur eine Kleinigkeit, die für sich genommen noch nicht einmal einen Blogbeitrag rechtfertigen würde. Aber vor dem Hintergrund der Flickschustereien wenig lustigen Geschichten um das beA, die von den Herrschaften bei der BRAK geschrieben wurden, entnehme ich dieser eMail den Hinweis auf wenig zuverlässige Arbeit in den Organisationsstrukturen unserer Selbstverwaltungsinstitution (pdf), die über die Einhaltung der beruflichen Rechte und Pflichten wacht. Das läßt mich nachdenklich werden.

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Nazi-Ursel und ihre Ladung zum Haftantritt

Die mit Recht und rechtskräftig zu einer Haftstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung verurteilte Rechtsextreme Ursula Haverbeck ist ihrer Ladung zum Haftantritt nicht gefolgt. Neben der Taten, wegen der sie verurteilt wurde, ist das die nächste Dusseligkeit.

Wenn das Gericht rechtskräftig eine Freiheitsstrafe festgesetzt hat und d. Verurteilte noch auf freiem Fuß ist, verschickt die Vollstreckungsstelle der Staatsanwaltschaft eine Ladung zum Haftantritt.

Hier in Berlin werden diese so genannten „Selbststeller“ regelmäßig in eine Haftanstalt des offenen Vollzugs geladen. Das sind Gefängnisse, die für Gefangene konzipiert sind, von denen man ausgeht, daß man sie bald „lockern“ kann.

Die Verwaltung schaut sich die Neuankömmlinge ein paar Wochen an, dann gibt es in verschiedenen Lockerungsstufen den ersten Ausgang bis später den offenen Vollzug, das heißt, der Gefangene kann tagsüber die Haftanstalt (zum Arbeiten) verlassen und kommt erst zum Abendbrot wieder rein. Wenn alles glatt geht, erfolgt dann auch die vorzeitige Entlassung nach der Hälfte (eher selten) oder nach Zweidritteln (schon häufiger) der Haftzeit.

Wenn der Verurteilte dieser Ladung allerdings nicht „freiwillig“ folgt, wird er geholt. Dann nämlich wird ein Vollstreckungshaftbefehl wegen „Flucht“ erlassen, der regelmäßig geradewegs nach Ergreifen des Flüchtlings zur Einlieferung in den geschlossenen Vollzug führt und Lockerungen in weite Ferne rückt.

Also hat die 89-jährige Nazi-Ursel sich selbst einen Nachschlag abgeholt, als sie sich geweigert hat, der freundlichen Einladung der Strafvollstrecker zu folgen. Sie wurde heute in ihrem Zuhause gepflückt und eingetütet.

Ob ihr Verteidiger Wolfram Nahrath, ein deutscher Neonazi-Kader und Rechtsanwalt, es versemmelt hat, sie entsprechend zu beraten, oder ob die Greisin altersstarrsinng war, ist mir nicht bekannt.

Ich bin mir aber ziemlich sicher, daß das mit der Resozialisierung in diesem Fall auch nichts werden kann. Das klappt schon mit jüngeren Strafgefangenen nicht.

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Bild: © Marco Barnebeck(Telemarco) / pixelio.de

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RAK Berlin – Kein Vertrauen in Atos und die BRAK

In einem Rundschreiben wendet sich heute der Präsident der Berliner Rechtsanwaltskammer (RAK Berlin), Dr. Marcus Mollnau, an die Kollegen.

Wenn man Herrn Rechtsanwalt Dr. Mollnau kennt und weiß, wie höflich, distinguiert und diplomatisch er sich üblicherweise sonst ausdrückt, spürt den heiligen Zorn, den er – provoziert von den Funktionären der BRAK – nun in sich trägt, spätestens in diesen Worten:

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) empfiehlt allen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die für die bisherige beA-Nutzung erforderliche Client Security zu deinstallieren bzw. zu deaktivieren. Diese Empfehlung ist in einer Pressemitteilung enthalten, die die BRAK über den Verlauf des beAthon in den Abendstunden des 26.01.2018 veröffentlicht hat.

Es heißt dazu in dieser Pressemitteilung: „Die Deaktivierung der beA Client Security kann auf zwei Wegen geschehen: Entweder durch Deinstallation oder durch Schließen der Client Security auf dem Rechner und das anschließende Entfernen der Client Security aus dem Autostart des Rechners.

Der Rechtsanwaltskammer Berlin liegen über diese Presseerklärung hinaus leider keine weiteren Informationen oder Mitteilungen der BRAK vor. In der Presseerklärung der BRAK wird jedoch davon gesprochen, dass die bisher installierte Client Security „eine Lücke für einen externen Angriff darstellen“ kann. Deshalb empfiehlt die RAK Berlin dringend, die Deinstallation durchzuführen.

Nachdem die von der BRAK für die Einrichtung und den Betrieb des beA beauftragte Dienstleisterin, die Atos GmbH, ihre Teilnahme an dem beAthon der BRAK kurzfristig abgesagt hatte, veröffentlichte Atos erstmals eine eigene Erklärung (pdf). Darin heißt es, dass mit einer der BRAK zur Verfügung gestellten neuen Version der beA-Client-Anwendung die „potentielle Sicherheitslücke in der beA Browser-Anwendung geschlossen“ sei. „Sicherheit und Integrität sind wiederhergestellt und das System ist in der aktuell vorliegenden Ausbaustufe voll einsatzfähig“, so Atos weiter. Die Teilnehmer des beAthon haben diese von der Atos GmbH angebotene Lösung diskutiert.

Die RAK Berlin vertraut nicht allein auf Erklärungen der Atos GmbH oder der BRAK. Der Vorstand der RAK Berlin hat deshalb einstimmig beschlossen, dass eine Wiederinbetriebnahme des beA erst erfolgen darf, wenn durch externe Sachverständige nach vollständigen Prüfungen (White-Box-Tests) die Sicherheit des gesamten Systems und die absolute Vertraulichkeit der über das System zu versendenden Nachrichten gewährleistet und nachgewiesen sind. Diese Forderung wird die RAK Berlin in die Entscheidungsprozesse der Hauptversammlung der BRAK einbringen.

Ich pflichte dem weit hörbaren Schlag des Präsidenten der RAK Berlin mit der Faust auf dem Tisch bei. Es erscheint mir als eine Unverschämtheit der BRAK, unsere Kammer allein über Pressemitteilungen zu informieren; die Altvorderen der BRAK dürfen sich nicht wundern, wenn damit jedes Vertrauen in deren Zuverlässigkeit bis zum St. Nimmerleinstag perdu sein wird.

Und solange nicht hundertprozentig feststeht, daß unsere Schreiben nicht vor dem Zugriff Dritter geschützt sind, und die Software auch funktioniert, kommt mir das nicht nur vollkommen unhandliche, d.h. bislang praxisuntaugliche Zeug von Atos nicht ins Haus. Basta!

Fettdruck von mir. crh
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Bild: Screen Shot von der Website der BRAK

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Atos: Createur de malheur

Atos hatte sich nach langer Zeit des öffentlichen Schweigens entschlossen, etwas zu dem beA-Chaos zu sagen.

Gestern Vormittag trudelte hier die „Stellungnahme zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA)“ ein, per eMail an unsere Kanzlei-Adresse. Ich bin davon aus gegangen, nur einer der 165.000 Anwälte zu sein, die auf der unterdrückten Recipient List stand.

Da habe ich mich aber getäuscht, wie der Kollege André Feske seinem Kommentar zu der Atos-Stellungnahme heute Morgen schrieb:

Chapeau!
Dass der Createur de malheur an CRH persönlich schreibt, das ist echter Kundendienst!

Der lumpige Rest des Anwaltsvolks muss sich mit Sekundärberichterstattung – den Pressemitteilungen der BRAK – zufrieden geben, oder GOLEM lesen.
Auch ich möchte in Zukunft direkt informiert werden.

Darum ein Herzenswunsch:
Lieber Carsten, verrätst Du den 164.999 davon noch ungeküssten Berufskollegen bitte, wie man selbst auf den Verteiler von ATOS kommt, um in Zukunft brühwarm, direkt und persönlich über die neusten Errungenschaften dieses Elktroschrotthändlers informiert zu werden?

Lieber André, ich weiß es nicht. Vielleicht sind ja ein paar meiner Mandanten, die ich irgendwann mal mit mäßigem Erfolg in einem Cyber-Crime-Verfahren verteidigt habe, unter Bewährungsauflagen (z.B. um bei Atos zu programmieren) vorzeitig aus der Haft entlassen worden, und haben sich bei mir revanchieren wollen? Es könnten also Leute sein, die sich schon beim Begehen von Straftaten dusselig angestellt haben und dabei erwischt wurden.

Für die Nichtwissenden: Rechtsanwalt André Feske ist nicht irgendein dahergelaufener Berliner Anwalt so wie ich, sondern er gehört zum Vorstand der Berliner Rechtsanwaltskammer und versorgte (bisher jedenfalls) die Kollegen und deren Kanzleien mit dem notwendigen know how, das für die Installation und Benutzung des beA notwendig war.

Tja, wo der Wurm einmal drin is, isser drin.

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Bild: Screen Shot von der Seite Atos Deutschland

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