Rechtsanwälte

Rindsviecher, Zeppeline und das beA

Der Kollege Joachim Breu aus der Hansestadt Hamburg kommentierte meinen Beitrag zum Elektronikschrott des beA mit einer Geschichte aus seiner reichhaltigen Erfahrung:

Ich hatte mal mit einem Unternehmer zu tun, der Arabern Zeppeline verkaufen wollte, weil man mit denen Kühe über weite Strecken so schonend transportieren könne, dass ihre Milch nicht sauer wird. Sie hatten sich das Projekt vorstellen lassen, ihm sogar Hotel- und Reisekosten ersetzt, sich am Ende aber nicht dafür entschieden. LKW und Flugzeuge, die es bereits gab, reichte ihnen für die Milchversorgung. Das war schlau. Anders die deutsche Anwaltschaft. Die bestellt sozusagen Zeppeline. Mit meinem Geld.

Ich möchte ergänzen: Die BRAK hat nicht nur normale Zeppeline bestellt und bezahlt, sondern auch solche, die die Rindsviecher nicht transportieren können, weil sie – die Zeppeline – nicht flugfähig sind.

Da fragte sich zu Recht schon vor über 40 Jahren:

__
Bild Zeppelin: Sam Shere / Via Wikimedia
Bild Wo soll … : Gerhard Seyfried

15 Kommentare

Professionelle Rechtswegerschöpfung im Wald

Im Zusammenhang mit der Beschwerde von Deniz Yücel hatte ich in einem Blogbeitrag vor übertriebenem Optimismus gewarnt. Und auf die Fallstricke hingewiesen, die das sogenannte Subsidiariätsprinzip (Art. 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG) über den Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht spannt.

Ein schönes Beispiel …
… dafür, daß selbst anerkannte Profis über diese Vorschrift stolpern können, zeigt der Beschluß der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgericht (BVerfG), vom 24. Mai 2017 – 2 BvQ 26/17.

Beschluß
Das Amtsgericht München hatte einen Durchsuchungsbeschluß erlassen, der die Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei anordnete. Die Ermittler haben dann anläßlich der Durchsuchung Unterlagen und Daten sichergestellt.

(Kein) Rechtsmittel
Gegen diese Sicherstellung hatte sich die Kanzlei (und parallel auch die Mandantschaft der Kanzlei – Az: 2 BvQ 27/17) zunächst beim Amtsgericht München gewehrt (analog § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO), ohne Erfolg. Die Beschwerde der Kanzlei gegen die Entscheidung des Amtsgerichts hatte das Landgericht noch nicht entschieden, für die Mandantschaft wurde diese Beschwerde gar nicht erst erhoben.

Das Ziel …
… nämlich die Verhinderung der Sichtung der sichergestellten bzw. beschlagnahmten Unterlagen und Daten durch die Staatsanwaltschaft, hat die Kanzlei dann mit einem Eilantrag auf eine einstweiligen Anordnung beim Bundesverfassungsgericht nach § 32 Abs. 1 BVerfGG zu erreichen versucht.

Hat nicht funktioniert, …
… weil die Möglichkeiten des fachgerichtlichen Eilrechtsschutzes nicht ausgeschöpft wurden. Zu früh geschossen also.

Auf die Beschwerde nach § 304 StPO hätte das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts aufheben können. Eine Beschwerde-Entscheidung gab es noch nicht (s.o.). Zudem – und da genau liegt der subsidiäre Hund begraben – hätte das Landgericht (aka: Beschwerdegericht) nach § 307 Abs. 2 StPO von Amts wegen oder auf Antrag die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung des Amtsgericht bis zur Entscheidung über die Beschwerde aussetzen können.

Einen solchen (Aussetzungs-)Antrag hat weder die Kanzlei noch deren Mandantschaft gestellt. Aus-die-Maus.

Keine Laien
Wenn man sich jetzt mal anschaut, durch wen sich die Kanzlei und deren Mandantschaft hat vertreten lassen, sieht man, daß es sich keineswegs um Debütanten oder strafprozessuale Amateure handelt. Die Verteidiger sind ernst zu nehmende Schwergewichte.

und

Nicht lustig
Es ist natürlich leicht, sich über so einen vermeintlichen Anfängerfehler lustig zu machen. Die beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zeigen aber einmal mehr, daß Verfassungsbeschwerden keine Kindergeburtstage sind.

Nota bene:
Selbst wenn die Verfassungsgeschwerden zulässig gewesen wären, hätte das nicht zwingend auch deren Begründetheit zur Folge gehabt. Nicht ohne Grund liegen die Erfolgsquoten insoweit bei unter 5% (in Worten: fünf Prozent). Der verfassungsrechtliche Wald versteckt sich nicht selten hinter den Bäumen.

Was hat das nun mit Deniz Yücel zu schaffen?

Und da schließt sich nun der Kreis zur Menschenrechtsbeschwerde von Deniz Yücel. Wenn schon das Bundesverfassungsgericht sich schwertut mit der Annahme von Beschwerden, wird das beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ganz bestimmt nicht einfacher sein.

Ich drücke Deniz Yücel und den anderen in der Türkei inhaftierten Journalisten dennoch sämtliche Daumen!

PS:
Eine Zusammenfassung der beiden Beschlüsse des BVerfG mit einem anderen Schwerpunkt hat Marc Chmielewski in der juve geschrieben. 

3 Kommentare

Mißtrauische Zivilrechtler

Ein wesentlicher Grund dafür, daß ich mich als Strafverteidiger in meinem Job sehr gut aufgehoben fühle, ist der Umgang mit anderen Strafverteidigern. Böse Zungen sprechen davon, Strafverteidiger seien die Schmuddelkinder unter den Rechtsanwälten. Ein solcher Status schweißt aber zusammen.

Anders habe ich das in vielen Fällen meiner dunklen Vergangenheit in den 90er Jahren erlebt, als ich noch öfters mal als Zivilist unterwegs war. Viel zu häufig gehen sich die Kollegen da gegenseitig an die Gurgel. Auf welchem perfidem Niveau sich das abspielt, zeigt dieser Ausschnitt aus dem Protokoll einer Sitzung vor dem Zivilgericht (das ich aus einer Strafakte gefischt habe):

Für einen Strafverteidiger wäre das – jedenfalls grundsätzlich – undenkbar, den Kollegen zum schriftlichen Nachweis seiner Bevollmächtigung aufzufordern – selbst dann nicht, wenn er gegenläufige Interessen vertritt.

Sicher, auch unter den Strafrechtlern gibt es so’ne und solche. Aber die Regel ist das nicht, daß man dem gesprochenen Wort eines Strafverteidigers mißtraut. Schließlich wollen wir uns ja nach Möglichkeit von unseren Mandanten unterscheiden.

24 Kommentare

Keine Rückgewinnungshilfe für faule Zivilrechtler

Immer wieder gern greift der Zivilrechtler, wenn er nicht mehr weiter weiß, zur Strafrechtskeule.

Der Mandant des Zivilisten fühlt sich von dem Gegner ungerecht behandelt, steht aber vor dem Problem, sich gegen diese Behandlung – jedenfalls nach seinen eigenen Vorstellungen – nicht effektiv genug zur Wehr setzen zu können.

Dann holt der vermeintliche Zivilrechtsspezialist einen Karren aus der anwaltlichen Scheune und versucht, einen Staatsanwalt zum Ziehen desselben zu veranlassen.

Daß sowas grundsätzlich …

  1. keine gute Idee
  2. in der Regel nicht von Erfolg gekrönt

… ist, zeigt sich dann im Laufe, spätestens am Ende der (beiden) Verfahren.

Was der 3. Zivilrechtssenat des Bundesgerichtshofs von solchen Ansinnen hält, kann der Zivilrechtsberater in dem Beschluß vom 24.11.2016 (III ZR 209/15) – veröffentlicht beim Kollegen Detlef Buhoff – nachlesen:

Dabei ist […] zu berücksichtigen, dass das Strafverfahren nicht der Durchsetzung zivilrechtlicher Forderungen dient […] und durch die Möglichkeit eines dinglichen Arrestes zugunsten des Verletzten diesem nicht eigene Arbeit und Mühen abgenommen werden sollen.

In dem Beschluß ging es um eine Amtshaftungsklage. Der Zivilrechtler hat den Strafverfolgungsbehörden eine Pflichtverletzung vorgeworfen, da sie …

… in einem Strafverfahren nach der Verhaftung des Beschuldigten zunächst von Maßnahmen der Rückgewinnungshilfe nach §§ 111b ff StPO abgesehen hat. Darin hatte der Kläger – ein Geschädigter – eine Amtspflichtverletzung im Sinne von § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 34 Satz 1 GG gesehen.

Mit dieser Klage provozierte der Kläger die Feststellung, daß er es versäumt habe, selbst (rechtzeitig) zur Anspruchssicherung aktiv geworden zu sein, und das, obwohl er anwaltlich vertreten war. Übersetzt heißt das: Statt von der Staatsanwaltschaft zu fordern, ihm die gebratenen Tauben frei Maul Haus zu liefern, hätte er – der Rechtsanwalt – einfach mal die Mittel nutzen sollen, die ihm als Zivilrechtler zur Verfügung standen. Hat er aber nicht, deswegen kann er jetzt auch nicht meckern.

Die quinta essentia muß also lauten:

Wer sich geschädigt fühlt, muß sich um den Schadensersatz selbst bemühen. Die Staatsanwaltschaft ist eine Strafverfolgungsbehörde und grundsätzlich kein Schadensregulierungshelfer. Die seltene Ausnahme liegt in der Rückgewinnungshilfe nach §§ 111b ff StPO, die im Einzelfall, wenn der Karren richtig im Dreck sitzt, mal hilfreich sein kann.

__
Dank an RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D. für seinen Blogbeitrag zu dieser Entscheidung.

Bild: © Simmen / pixelio.de

9 Kommentare

Ein Murengang nach der berufsrechtlichen Einstellung

Nachdem ein paar Hobby-Strafrechtler ziemlich dilettantinsch versucht haben, einer Rechtsanwältin mit einer Strafanzeige in die Suppe zu spucken, konnte ich mit dem Hinweis auf die seit langem abgelaufene Antragsfrist §§ 205, 77b StGB) für den Geheimnisverrat nach § 203 StGB die Einstellung des Strafverfahrens erreichen.

Die Geschichte darüber hatte ich unter dem an die Zivilisten gerichteten Hinweis auf den notwendigen Blick ins Gesetz im Januar geschrieben.

Wenn ein Staatsanwalt aber schonmal einen Rechtsanwalt am Wickel hat, läßt er ihn nicht so einfach laufen. Die Einstellung des Strafverfahrens gegen die Anwältin war die Initiale zur Einleitung eines berufsrechtlichen Verfahrens. Die dafür zuständige Staatsanwaltschaft erhob den Vorwurf, die berufsrechtliche Verschwiegenheitsverpflichtung verletzt zu haben.

Dafür braucht’s keinen Antrag. Insoweit konnte ich mich nun nicht mehr auf reines formelles Recht zurückziehen, sondern mußte inhaltlich argumentieren, warum die strafanzeigenden Zivilisten auch materiellrechtlich daneben lagen. Meiner Ansicht schloß sich „der General“ an:

Obwohl ich der Mandantin mit allem mir zur Verfügung stehenden Optimismus dieses Ergebnis vorhergesagt hatte, fiel ihr eine mittelmäßige Mure vom Herzen. Es war eben ihr erstes Straf- und Berufsrechtsverfahren in eigener Sache. Bei den nächsten wird sie sich nicht mehr so aufregen. Da spreche ich aus Erfahrung. ;-)

2 Kommentare

Öffentlichkeitsarbeit: So bitte nicht!

In den Anfängen meiner Tätigkeit als Strafverteidiger habe ich die Medienvertreter grundsätzlich vom Hof gejagt. Erst nachdem ich die eine oder andere gute Erfahrung mit Journalisten machen konnte, habe ich mich nach und nach umorientiert. Nicht ohne ein- oder zweimal in ein offenes Messer der Journaille gelaufen zu sein – glücklicherweise ohne damit meinen Mandanten geschadet haben.

Gelernt habe ich dabei, daß es nicht ganz so trivial ist, im Rahmen einer Strafverteidigung mit der Presse, dem Radio oder dem Fernsehen zu reden. Dabei denke ich nicht in erster Linie an die vorteilhafte Darstellung meiner Person (ja, auch Anwälte sind manchmal eitel).

Im Focus ;-) Mittelpunkt steht allein das Mandanteninteresse: Nützt es meinem Auftraggeber, wenn ich mit den Medien spreche? Wenn nicht, dann darf man allenfalls reden, ohne etwas zu sagen.

Zu diesem Problemkreis werden hilfreiche Bücher und/oder Fortbildungsveranstaltungen für Strafverteidiger (pdf) angeboten, deren Lektüre bzw. Besuch sehr sinnvoll ist.

Denn bei aller Kontakt- und Auskunftsfreude sollte das wichtigste Gut einer Mandanten-Anwalt-Beziehung nicht vergessen werden: Das Vertrauensverhältnis, das entscheidend auf der Vertraulichkeit und der Verschwiegenheit beruht. Nicht ohne Grund wird der Bruch des Berufsgeheimnisses berufsrechtlich (§ 43a BRAO, § 113 BRAO) und strafrechtlich (§ 203 StGB) geahndet. Unbedachtes Geschwätz kann also im Ernstfall durchaus die Lizenz kosten.

Sofern der Verteidiger weiß, wie es funktioniert, kann die Kontaktaufnahme mit – seriösen – Journalisten sehr hilfreich sein. Wer die Risiken kennt, kann die Chancen nutzen, die diese Wechselbeziehung bietet.

Wenn ich aber sowas hier in der Zeitung lese, stellen sich mir die Nackenhaare auf:

Litigation-PR ist ja eine feine Sache. Aber diese Zitate sind eher katastrophal – zuvörderst für den Beschuldigten und nicht zuletzt auch für den Rechtsanwalt, den ich nicht als „Strafverteidiger“ bezeichnet wissen möchte. So geht das nicht!

__
Bild: © LaLuca / pixelio.de

6 Kommentare

Endgültige oder vorläufige Falschaussage?

Einen relativ bekannten Schlawiner hat es böse erwischt. Für allerlei Unfug, den er angestellt hat, wurde ihm die rote Karte gezeigt. Sechs Jahre und ein paar Monate soll er bei Wasser und Brot sein Dasein fristen.

Und wie es im Leben so ist, kommt es immer schlimmer als man denkt. Es gibt noch eine, ebenfalls etwas größere Sache, für die man ihm noch nicht die Ohren lang gezogen hat. Er soll – gemeinsam mit einigen anderen Schlingeln – ein paar Fallen gestellt haben, in die blauäugige Internetnutzer getappt sind, weil sie ihre blauen Augen geschlossen hielten.

Nun hatte er sich zwischenzeitlich eine ziemlich üble Krankheit eingefangen. Die Staatsanwaltschaft bekam Mitleid mit dem Kerl und stellte das gegen ihn geführte Verfahren vorübergehend ein; § 154f StPO ermöglicht sowas. Das Verfahren gegen die anderen Schlingel wurde jedoch weitergeführt.

Und zwar – aus Sicht der Staatsanwaltschaft – mit Erfolg. Denn: Der kranke Mann erwies sich als Glückbringender. Er stellte sich den Ermittlern und dem Gericht als Zeuge zur Verfügung und lies seine ehemaligen Partner und Mitarbeiter über die Klinge springen.

Besonders auf einen von ihnen hatte er es abgesehen. Auf meinen Mandanten, seinen ehemaliger Freund, mit dem er sich u.a. wegen Geld, mangelndem Support in der Untersuchungshaft und einer Frau … sagen wir: auseinandergelebt hat.

Die Aussagen des Glückbringenden führten zur Anklageerhebung u.a. gegen meinen Mandanten. Der Showdown fand dann vor der Wirtschaftsstrafkammer statt. Er erschien im Begleitung seines anwaltlichen Beistands zur Aussage vor Gericht.

Zwei Stunden lang hörte sich der Vorsitzende Richter die Geschichten dieses Zeugen an, der meinen Mandanten nach allen Regeln eines gewerbsmäßigen Betrügers in die Pfanne haute. Der Staatsanwaltschaft holte den Rest aus dem Belastungszeugen raus. Erst danach war die Verteidigung an der Reihe mit dem Fragerecht.

Die Antworten auf die Fragen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft waren meinem Mandanten und mir größtenteils aus dem Aktenstudium bekannt, zumindest vorhersehbar. Deswegen konnte ich mich auf die Befragung des Zeugen sehr gut vorbereiten. Wir hatten reichlich Material, um die Aussagen zu widerlegen, jedenfalls in ihrer Bedeutung zu relativieren.

Und wie schützt sich ein gut beratener Zeuge in so einer Situation vor dem bevorstehenden Grill, auf den die Verteidigung ihn nun legen wollte?

Zeugenbeistand und Zeuge tragen unisono vor, die Einstellung des Verfahrens nach § 154f StPO sei bekanntlich nur vorübergehend. Die Fortsetzung des Verfahrens sei daher nicht auszuschließen. Deswegen bestünde die Gefahr, daß er sich durch seine weiteren Aussagen ins eigene Knie schieße. Also habe er das Recht, die Aussage zu verweigern.

Zeuge samt Beistand berufen sich jetzt auf § 55 StPO und entziehen sich auf diesem Weg der peinlichen Befragung durch die Verteidigung.

Und was macht die Verteidigung in so einer Situation? Richtig: Aufstehen. Krönchen zurecht rücken. Akten lesen.

Irgendwo in den Tiefen der Verfahrensakten, nämlich auf Blatt 97 Band XVI der Akte, war folgendes Fundstück abgeheftet:

Der Verteidiger, dem 10 Monate zuvor die endgültige Einstellung (nach § 154 StPO) gegen Empfangsbekenntnis („EB“) übermittelt wurde, war derselbe, der jetzt als Zeugenbestand auf meine Nachfrage mitteilte, das Verfahren sei nur vorläufig (nach § 154f StPO) eingestellt worden.

Bemerkenswert ist, daß weder der Richter, noch der Staatsanwaltschaft auf diese objektiv unwahre Aussage des Zeugen und seines anwaltlichen Beistandes so reagiert haben, wie zu erwarten gewesen wäre. Statt dessen hielten beide an den angeblich „belastbaren“ Aussagen dieses „zuverlässigen“ Belastungszeugen fest.

Die Antworten dieses Betrügers und Verräters bildeten eine entscheidende Grundlage für die Verurteilung meines Mandanten.

__
Bild (vertikal gespiegelt): © Sabine Jaunegg / pixelio.de

21 Kommentare

In die Verjährung geförderte Wirtschaftsstrafsache

Gegen meine Mandantin und weitere Beschuldigte wurde seit 2011 ein Ermittlungsverfahren geführt. Es ging um mehrere Immobilienfinanzierungen. Die Tatvorwürfe waren die üblichen Verdächtigen: Betrug (§ 263 StGB) und Urkundenfälschung (§ 267 StGB).

Nun wurde das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Ich erhielt den lapidaren Wurde-eingestellt-Einzeiler der Staatsanwaltschaft, der bei uns einen Textbausteinreflex auslöst:

Ich nehme Bezug auf die Einstellungsnachricht vom [DATUM] und beantrage unter Hinweis auf Ziffer 88 RiStBV, der Verteidigung ausführlich und im gebotenen Umfange die Gründe der Einstellung mitzuteilen.

Recht schnell reagierte die Staatsanwaltschaft mit diesem Schreiben:

Angefügt war der an den Anwalt der Geschädigten gerichtete Einstellungsbescheid. Diese hatten im Januar 2011 in ihrer Strafanzeige einen sechsstelligen Schaden reklamiert. Das Schreiben der Staatsanwaltschaft begann mit diesem lustigen Intro:

Dann folgt auf gut zwei Seiten eine lieblos von einem Oberstaatsanwalt zusammengeschusterte Begründung, warum …

… sich im hiesigen Verfahren ein strafbares Verhalten der Beschuldigten nicht belegen …

… läßt.

Und am Ende können die Geschädigten den Satz lesen, der mir das Blut zum Kochen gebracht hätte, wenn ich an deren Stelle gewesen wäre.

Für nicht erforderlich gehalten hat der Herr Oberstaatsanwalt eine wenigstens gemurmelte Entschuldigung. Aber sowas sieht die RiStBV ja auch nicht vor. Sondern nur die lapidare Rechtsmittelbelehrung.

Ich glaube, es wäre nicht gut gewesen für mein Vorstrafenregister, wenn ich die Beschwerde gegen die Einstellung hätte schreiben müssen. Zumindest sollten die Kollegen, die die Geschädigten vertreten, mal die Voraussetzungen für die Amtshaftungsansprüche prüfen. Aber vielleicht haben die ja auch allen Grund, den Mantel des Schweigens darüber zu legen. Denn als Vertreter seines Mandanten sollte man nicht übersehen, daß bei der Staatsanwaltschaft auch nur Menschen Beamte arbeiten, die man nicht selten mal anstupsen muß, damit sie funktionieren.

Nur nebenbei: Das Verfahren gegen meine Mandantin wäre auch ohne Eintritt der Verfolgungsverjährung eingestellt worden. Aber wenn schon die Verteidigung durch aktives Nichtstun zum Erfolg führt, muß man nicht teure Verteidigungsschriften verfassen und zur Akte reichen.

7 Kommentare

Warum macht er das?

Am Wochenende hat es in Köln einen Vorfall vor einer Schwulenbar gegeben, über den selbstverständlich der Boulevard berichtete. Die Polizei Köln lieferte dann in der Pressemitteilung POL-K: 170129-3-K die folgende Fakten:

Am frühen Samstagmorgen hat ein junger Mann (21) in der Kölner Innenstadt einen Türsteher (34) mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Der 34-Jährige hatte zuvor dem Kölner und seinen zwei Begleitern (17, 21) den Zugang zu einer Bar verweigert. Der 21-Jährige flüchtete zunächst vom Tatort, stellte sich jedoch am Sonntagmorgen auf einer Polizeiwache.

Gegen 4.30 Uhr war es vor der Lokalität auf der Schaafenstraße zu der Auseinandersetzung gekommen. Nach derzeitigem Ermittlungsstand griff der Abgewiesene den Bar-Angestellten von vorne an. In dem entstandenen Gerangel zog er ein Messer und stach seinem Gegenüber zweimal in den Rücken. Anschließend flüchtete er in Richtung Habsburgerring.

Ein Rettungswagen brachte den schwer aber nicht lebensgefährlich Verletzten in ein Krankenhaus. Ein Streifenteam fand auf dem Fluchtweg die mutmaßliche Tatwaffe und stellte sie sicher.

Eine Polizeibeamtin vernahm den aus dem Irak stammenden Angreifer noch am Sonntagmorgen. Er muss sich in einem Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung für seine Tat verantworten.

Beide Berichte stammen vom 29.01.2017, jeweils kurz nach 12 Uhr.

Aber auch Herr Prof. Dr. Ralf Höcker äußerte sich zu dem Vorfall. Auf seinem Facebook-Profil. Und zwar bereits am 28.01.2017 um 05:02 Uhr.

Ich bin zu einer Zeit auf diesen Beitrag des Medienrechtlers aufmerksam geworden, zu der ich meine, daß Höcker von einem Mordversuch durch einen Nafri geschrieben hat. Wenig später fand ich dann die Formulierung:

Ein Täter mit nach Zeugenangaben nordafrikanischem Aussehen …

Das Update des Beitrags hat mich interessiert und weil ich mehr sicher war, ob Herr Höcker tatsächlich in seiner ersten Version des Beitrags von einem Nafri geschrieben hat, habe ich nachgefragt:

Das kann Herr Höcker so machen, er kennt sich ja mit dem Äußerungsrecht aus und weiß um die Grenzen zum strafbaren Rassismus.

Im weiteren Verlauf berichtet er dann, daß es gar kein Nafri, sondern ein Kurde war. Am Ende dann ist es ein Iraker. Jedenfalls ein Fremder, der nicht aus Köln kommt. Ob das das Entscheidende für Herrn Höcker war und die Nationalität nur Nebensache?

Werfen wir aber mal einen Blick auf die strafrechtlichen Kompetenzen des Herrn Höcker. In einem weiteren Facebook-Post doziert er Strafrecht am konkreten Fall:

Herr Höcker subsumiert unter die Begriffe Totschlag, Mord, außergewöhnlicher Intensität, bedingter Vorsatz, Tatmotiv Rache als niedriger Beweggrund, Heimtücke; später gibt der professorale Medienrechtler noch Strafmaßprognosen für eine gefährliche Körperverletzung ab und diskutiert über den Rücktritt vom Versuch.

Alles Rechtsprobleme, an denen sich die Strafrechtler nicht selten die Zähne ausbeißen. Herr Höcker schüttelt das aus seinem Anzugsärmel, der in unmittelbarer Verbindung zum Tatgeschehen stehen muß; er scheint bereits über sämtliche Details zu verfügen, die die Ermittlungsbehörden im Laufe der nächsten Wochen noch feststellen und in die Akten schreiben werden.

Erst nachdem die von mir sehr geschätzte Hamburger Strafverteidigerin Doris Dierbach mahnend in die Runde fragt

Beteiligen sich jetzt hier ernsthaft Rechtsanwälte, womöglich Strafverteidiger ohne eigene Kenntnisse des Sachverhalts geschweige denn Aktenkenntisse an Mumassungen und Schreien nach „richtiger“ Strafverfolgung?

… bremst der von mir nicht geschätzte Höcker seinen Parforceritt durch’s Strafrecht und scheint (späte) Einsicht(?) zu formulieren:

Ich habe keine Aktenkenntnis, deshalb muss ich vorsichtig sein.

Aber um nun mal auf die Überschrift dieses Blogbeitrages zu kommen.
Was treibt den deutschen Mann aus Köln um? Eine Antwort auf diese Frage könnte ein Blick in die Kommentare seiner Facebook-Freunde geben, bei denen er augenscheinlich nach Komplimenten fischt:

Ich ziehe mal meinen eigenen Schluß daraus:
Höcker gräbt sein strafrechtliches Wissen, das er vor ein paar Jahren im Grundstudium erworben hat, aus, um Stimmung zu machen. Er nutzt seine Position als bekannter Medienrechtler, um ein Gedankengut zu verbreiten, das vielleicht in so lauschigen Örtchen wie Clausnitz, Heidenau, Freital und Bautzen auf Gegenliebe stoßen könnte. Höcker wird gefeiert von Gesellen, die Menschenmüll platt machen wollen, wenn man sie denn ließe.

Alternativen?
Statt einer solchen Stimmung entschieden entgegen zu treten (und z.B. solche widerwärtigen Kommentare zu löschen), könnte ich fast den Eindruck gewinnen, er hat Freude daran. Ich hoffe ernsthaft, daß Höcker über ein Mindestmaß an Selbstreflektion verfügt, um zu erkennen, welches Öl er da in ein gefährliches Feuer kippt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er die Lynchjustiz tatsächlich will, die er mit solchen Veröffentlichungen befördert.

Was mich sonst noch interessiert
Liebe Kolleginnen und Kollegen Dr. Carsten Brennecke, Dr. Frauke Schmid-Petersen, Dr. Sven Dierkes, Dr. Ruben Engel, Dr. Marcel Leeser, Dr. Johannes Gräbig, Dr. Christian Conrad, Dr. Anja Wilkat, Dr. Lucas Brost und Dr. Julian Rodenbeck. Wie positioniert Ihr Euch zu dem Verhalten Eures Frontman’s?

Update:
Herr Höcker legt noch einmal nach, nachdem ein Gericht gegen den Beschuldigten keine Untersuchungshaft angeordnet hat. Der Medienanwalt kennt sich vermutlich besser aus im Strafrecht als ein Strafrichter. Höcker findet es „unerträglich, dass der Täter[sic! crh] wieder frei durch unsere Stadt läuft„. Deswegen verteilt er großzügig Ratschläge an potentielle Nebenklagevertreter.

Unerträglich, das Wort fällt mir in einem anderen Zusammenhang ein.

28 Kommentare

BRAK fordert faires Verfahren für verhaftete türkische Rechtsanwälte

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat die nachfolgend zitierte Presseerklärung veröffentlicht:

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat heute einen offenen Brief an den türkischen Justizminister Bekir Bozda? gerichtet. Nach aktuellen Angaben aus der türkischen Anwaltschaft (Arrested Lawyers Initiative) sollen sich noch immer ca. 270 Rechtsanwälte in Haft befinden, nachdem ihnen, wie auch zahlreichen Richtern und Staatsanwälten, die Zugehörigkeit zu terroristischen Vereinigungen vorgeworfen wurde. Unter den inhaftierten Rechtsanwälten sollen sich auch mehrere Präsidenten und ehemalige Präsidenten der regionalen Anwaltskammern befinden. Landesweit sollen aufgrund desselben Vorwurfs 29 Anwaltsvereine verboten und ihr Vermögen beschlagnahmt worden sein. Die türkische Anwaltschaft sieht sich durch diese Maßnahmen an der Ausübung ihres Anwaltsberufs gehindert und die Interessen ihrer Mandantschaft nachhaltig bedroht.

BRAK- Präsident Ekkehart Schäfer äußert e sich angesichts der hohen Zahl der Verhafteten besorgt über die Entwicklung in der Türkei: „Es ist irritierend, dass in einem so kurzen Zeitfenster zielgerichtet Zwangsmaßnahmen gegen eine so hohe Zahl von Anwälten ergriffen wurden. Solche Maßnahmen beeinträchtigen die anwaltliche Berufsfreiheit und wirken sich damit auch auf die Rechte der Mandanten aus.“ Die BRAK mahnte daher eine sorgfältige Überprüfung der Vorwürfe an und forderte den türkischen Justizminister auf, die Ermittlungen so durchführen zu lassen, dass sie rechtsstaatlichen Prinzipien entsprechen.

Was uns auf der diesjährigen Mitgliederversammlung der Vereinigung Berliner Strafverteidiger von der türkischen Kollegin Fethiye Cetin berichtete wurde, war erschreckend. Massenentlassungen in der Justiz, gravierende Einschränkunge von Kolleginnen und Kollegen in ihrer Berufsausübung und die Installation eines Bollwerks gegen Klagen zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte stellen meiner Ansicht nach die de-facto-Abschaffung (aka: Gleichschaltung) einer unabhängigen Justiz dar.

Was uns hier bleibt?
Hilfreich ist auf jeden Fall die Veröffentlichung der aktuellen Zustände in der Türkei. Deswegen meine Bitte um weitere Verbreitung der Pressemitteilung und ggf. auch des Offenen Briefs (pdf).

1 Kommentar