Richter

Der Unsinn dieses Richters

Ich hatte Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben, weil mein Kostenfestsetzungsantrag nicht bearbeitet wurde. Es ging um den Vorschuß, den ich als Pflichtverteidiger liquidieren durfte. Und weil der entsprechende Beschluß nicht kam, habe ich angekündigt, daß ich auch nicht kommen werde; zum Hauptverhandlungstermin. Naja, daß das heiße Luft war, mußte dem Kundigen klar sein. Aber es ist einem Verteidiger auch nicht verboten, unzulässige Anträge zu stellen und ein Gebläse anzuwerfen.

Es kam nach meiner Beschwerde – wie zu erwarten war – Bewegung in die Sache: Der Antrag wurde sauber bearbeitet und der Vorschuß ging anschließend zügig hier ein. Dann kam sogleich auch die Frage von der Aufsicht, ob sich damit meine Dienstaufsichtsbeschwerde erledigt hätte. Hat sie nicht, habe ich mitgeteilt:

Aufrechterhaltung der Beschwerde

Meine Begründung für die Nichterledigung scheint bei dem Richter aber gar nicht so gut angekommen zu sein:

Der Unsinn dieses Verteidigers

Ich fürchte, der arme Mann wird zu einem späteren – ihm ziemlich unpassenden – Zeitpunkt zu einem weiteren „Unsinn des Verteidigers“ Stellung nehmen müssen. Und ich bin mir ganz sicher, daß sich der Richter über den ganzen Unsinn, den er in diesem Verfahren bisher schon verzapft hat, ernsthaft ärgert. Aber so richtig!

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Alles Lüge? (Teil 2)

726208_web_R_by_Dr. Stephan Barth_pixelio.de Es geht um Lügen im Strafprozeß. Nur Angeklagte düfen grundsätzlich straflos schwindeln. Allen anderen Beteiligten, insbesondere Zeugen und Richtern, ist das verboten. In einem ersten (Theorie-) Teil habe ich über Rechtsmittel geschrieben – Berufung und Revision versus Sperrberufung und Sprungrevision. Die Lektüre des Teil 1 ist notwendig, um nun den konkreten, praktischen Teil nachvollziehen zu können.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts habe ich „Rechtsmittel“ eingelegt. Der Richter war neugierig und wollte wissen, was für ein Rechtsmittel es denn werden sollte:

AMG-01

Das Urteil lag mir vor und war – wie erwartet – meiner Ansicht nach grottenschlecht begründet; die Tür zur erfolgreichen Revision stand sperrangelweit offen. Für die Begründung der Revision fehlte mir allerdings noch die Akteneinsicht, insbesondere die Einsicht in das Sitzungsprotokoll. Deswegen habe ich die Frage des Richters noch nicht beantwortet.

Zuvor – nach Ablauflauf der 7-tägigen Rechtsmittelfrist – hatte mir der Richter bereits mitgeteilt:

AMG-02

Ich hatte also danach noch die freie Wahl – Berufung oder Revision. Dann kam die Gerichtsakte. Auf Blatt 136/136a fand ich das Fax des Richters wieder. Auf den zwei Seiten davor finde ich dieses Schreiben der Staatsanwaltschaft:

AMG 03

Ich halte fest:

Am 30.04.2015 informiert mich der Richter darüber, daß „bisher hier bisher kein Rechtsmittel eingegangen ist“. Exakt einen Monatzehn Tage zuvor, am 20.04.2015, und eine Seite in der Akte vorher hat die Staatsanwaltschaft „das Rechtsmittel der Berufung“ eingelegt.

Kann ja mal passieren, daß ein Richter etwas übersieht. Trotzdem, ich habe mal vorsichtig angefragt:

AMG 04

Ich bin gespannt auf das Material aus Moabit für den dritten Teil dieser Geschichte.

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Bild: © Dr. Stephan Barth / pixelio.de

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Alles Lüge? (Teil 1)

726208_web_R_by_Dr. Stephan Barth_pixelio.de Vergangenes Wochenende habe ich über einen Verdacht berichtet, der sich gegen Polizeibeamte richtet: Sie sollen als Zeugen vor Gericht gelogen haben, berichtete Katrin Bischoff in der Berliner Zeitung. Ich frage mich nun, was ich von der folgenden Geschichte halten soll.

Es ist ein wenig schwierig, das Geschehen in der gebotenen Kürze für einen Blogbeitrag nachvollziehbar darzustellen. Deswegen heute nur die Vorgeschichte, morgen dann das eigentliche Thema.

Teil 1 – die Vorgeschichte.

Gegen ein Urteil des Amtsgerichts habe ich farblos und unbestimmt „Rechtsmittel“ eingelegt. Ganz bewußt habe ich offen gelassen, ob es sich dabei um eine (Sprung-)Revision (§ 335 StPO) oder um eine Berufung (§ 312 StPO) handelt. Dem Urteil war eine sehr streitige Hauptverhandlung vorausgegangen und ich war (bin) der Ansicht, der Richter habe grobe Fehler gemacht. Was angesichts der Rechtsmaterie nicht so schwierig ist – es ging um einen Verstoß gegen das Arzeneimittelgesetz (AMG). Für die Jurastudenten und Tour-de-France-Teilnehmer unter den Lesern: § 95 Abs. 1 Nr. 2b AMG iVm. § 6a Abs. 2a Satz 1 AMG.

Die Entscheidung, welches Rechtsmittel es am Ende werden soll, habe ich für den Zeitpunkt nach der Urteilszustellung vorgesehen. Ich wollte schauen, ob der Richter seine Fehler auch fein säuberlich in den Urteilstext schreibt, damit sie revisibel sind. Das war zu erwarten und ist auch genau so eingetroffen.

Für einen (sagen wir es offen: faulen) Richter ist das farblose Rechtsmittel suboptimal: Wenn sein Urteil wegen (blöder) Rechtsfehler oder schlampiger Urteilsbegründung, die allein er zu vertreten hat, vom Revisionsgericht aufgehoben wird, ist das selbstredend keine Auszeichnung. Anders ist es bei einer Berufung – da werden etwaige Fehler nicht so offenkundig thematisiert, weil oft die gesamte Beweisaufnahme wiederholt wird.

Will ein Richter also eine Blamage möglichst verhindern, muß er sich ernsthaft Mühe bei der Abfassung der Urteilsgründe geben. Das macht Arbeit, kostet Zeit und ist frustrierend, wenn dann am Ende dann doch nur eine Strafmaßberufung herauskommt.

Wie immer im richtigen Leben gibt es auch hier ein Gegenmittel, das insbesondere der Typus von Richtern im Auge hat, mit dem ich es hier zu tun hatte. Wenn nämlich die Staatsanwaltschaft eine Berufung gegen das Urteil einlegt, ist der Verteidigung der Weg in die Revision versperrt. Deswegen werden solche Rechtsmittel untechnisch als Sperrberufung bezeichnet.

So kann ein freundlicher Anruf des Richters beim befreundeten Staatsanwalt nach Urteilsverkündung eine Menge unerfreulicher Arbeit ersparen. Ob das in „meinem“ Fall so war, dafür habe ich keine Anhaltspunkte. Die Inhalte von Telefonaten zwischen Freunden werden in aller Regel nicht in der Akte dokumentiert.

Soweit erst einmal die Vorschichte – was danach geschah, bleibt dem zweiten Teil dieses Berichts vorbehalten.

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Bild: © Dr. Stephan Barth / pixelio.de

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Kurzer Prozeß im Amtsgericht Tiergarten

Es ist gut, wenn die Menschen Vertrauen haben in eine funktionierende Strafjustiz. Und wie die Strafjustiz in der Praxis funktioniert, wird an dieser Terminsrolle* deutlich.

Eilverfahren

In dem Termin um 9:00 Uhr haben Rechtsanwalt Tobias Glienke und ich verteidigt. Auch in dem Termin um 10:30 Uhr hatte der Angeklagte einen Verteidiger.

In den nachfolgenden Terminen – sieben Stück in einer Stunde – wurde ohne Verteidiger verhandelt. Aber mit einer erfahrenen Richterin und einem Staatsanwalt, der in unserem Verfahren Augenmaß zeigte.

Sieben Mal in dieser Vormittagsstunde sitzt also jeweils ein Angeklagter allein vor zwei professionellen Juristen und hofft, daß die beiden wissen, was sie tun – in einem kurzen Prozeß.

Es gibt Richter und Staatsanwälte, da ist das Vertrauen gerechtfertigt. Und es gibt andere. Es gibt Beschuldigte und Angeklagte, die glauben uneingeschränkt an „die Gerechtigkeit„; allen anderen empfehle ich den Gang zum Strafverteidiger.

Denn: Welchen Richter ein Angeklagter bekommt, hängt im Wesentlichen von Glück und Zufall ab (jedenfalls bei Erwachsenen).

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*: Als „Terminsrolle“ wird der Aushang am Eingang zum Gerichtssaal bezeichnet.

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Ernstgemeinter Humor beim Landgericht

In einer recht angestaubten Strafsache, die nach ewig langen Ermittlungen und Anklageerhebung endlich beim Landgericht Frankfurt am Main angekommen war, hatte ich Akteneinsicht beantragt. Und zwar Einsicht in *alle* Akten, die dem Gericht von der Staatsanwaltschaft mit der Anklageschrift übermittelt wurden.

Denn mit der Übersendung der Anklageschrift wird der Vereidigung Gelegenheit gegeben, zu dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Eröffung der Spiele des Hauptverfahrens Stellung zu nehmen und gegebenenfalls Anträge zu stellen. Damit ich prüfen kann, ob eine Verteidigung im diesem so genannten Zwischenverfahren sinnvoll ist, muß ich erst einmal in die Akten schauen. Deswegen mein Akteneinsichtsgesuch.

Darauf reagierte der Vorsitzende Richter in einer – sagen wir mal – etwas ungewöhnlichen Art:

… wird in Beantwortung Ihres Schriftsatzes vom 12.05.2015 mitgeteilt, dass eine Übersendung der Akten nicht möglich ist. So sind die Akten hier zur Vorbereitung der Eröffnungsentscheidung und zur Durchführung der Zustellung an Ihren Mandanten nicht entbehrlich. Es wird Ihnen jedoch hiermit ausdrücklich gestattet, auf der Geschäftsstelle in alle Haupt- und Beiakten Einsicht nehmen zu können.

Abgesehen von der Entfernung zwischen meinem Schreibtisch und der Geschäftsstelle des Landgerichts Frankfurt am Main gibt es da ein weiteres Problem. Das ist nämlich der Umfang der Ermittlungsakten (500 Bände – fünfhundert. Bände – nicht Blätter).

Ich habe daher den Richter gefragt:

LGFFM - ernsterZeitpunkt

Eigentlich eine eher rhetorische gemeinte Frage, aber der Vorsitzende – das sei lobend hervorgehoben – nimmt jedes Wort eines Verteidigers ernst. Und antwortet entsprechend:

LGFFM-Ernstgemeint

Der Mann hat Humor. Ich freue mich auf die gute Unterhaltung in den nächsten Monaten …

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Richter mit Trillerpfeifen in Brandenburg

93750_web_R_K_B_by_Claudia Hautumm_pixelio.deEs reicht!

So ist auf der Seite des Deutschen Richterbundes – Landesverband Brandenburg – zu lesen. Und deswegen rufen Richter und Staatsanwälte auf, ihre Rechte aus Art. 8 GG wahrzunehmen und am heutigen Donnerstag in Potsdam zu demonstrieren:

 

Der Deutsche Richterbund – Landesverband Brandenburg – ruft […] alle Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte dazu auf, am Donnerstag, 28. Mai 2015 zu der 1. Landesweiten Demonstration der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte für den Erhalt des Rechtsstaats nach Potsdam zu kommen und dort gemeinsam als Justiz den Vertretern der beiden anderen Staatsgewalten deutlich zu machen, dass auch Recht seinen Preis hat.

Die Organe der Rechtspflege werden gebeten …

in angemessener Demonstrationskleidung

… auf der Demo zu erscheinen. Die Formulierung zeigt, das wird keine Kreuzberger Revolutionäre 28.-Mai-Demo in Potsdam werden. Aber immerhin:

Für Trillerpfeifen […] sorgt der Richterbund.

Aber jetzt ernsthaft:
Die Streichlisten der Landeshaushälter werden nicht zur Optimierung der jetzt schon auch aus Verteidigersicht katastrophalen Verhältnisse der Brandenburger (Straf-)Justiz führen. Deswegen möchte ich mich von hier aus der Forderung der Richter anschließen:

Die respektlose Behandlung der Dritten Staatsgewalt nach Gutsherrenart muss ein Ende haben.

Wobei für einen Strafverteidiger nicht die Arbeitsbelastung der Richter und Staatsanwälte im Vordergrund steht, sondern die Rechte der Beschuldigten und Angeklagten, die einer überlasteten Justiz stets recht hilflos ausgeliefert sind.

Weitere Informationen über das aktuelle Anliegen der Richter und Staatsanwälte und weitere Hinweise gibt es hier.

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Bild: © Claudia Hautumm / pixelio.de

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Justizmoloch, Vernunft und Erfahrung

molochUm in einer Massenjuristenhaltung arbeiten zu können, braucht man ganz besondere Eigenschaften: Dickes Fell, stoische Ruhe und weitestgehende Freiheit von emotionalen Schwankungen. Anders ist das doch in einem Justizmolloch – wie zum Beispiel Moabit – nicht auszuhalten.

 
Ein Fall aus dem prallen Leben der Strafjustiz:
Es gibt ein recht großes Verfahren vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Köln. Ein paar Jahre läuft das dort schon; Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung toben sich derzeit im Zwischenverfahren aus. Das Oberlandesgericht Köln soll Ruhe in den Karton bringen, das wird aber noch etwas dauern.

Wegen anderer Taten, die sich aber in demselben Lebenssachverhalt (wie in der Kölner Sache) zugetragen haben, gibt es ein weiteres Verfahren, und zwar in Berlin. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat hier Anklage zum Schöffengericht erhoben. Der Richter, ein ganz vernünftiger und erfahrener Mann, packt sich an den Kopf: Warum müssen wegen ein und derselben Sache zwei Gerichte bemüht werden? Er will die Berliner Anklage nach Köln abgeben.

Die Kölner aber sind satt; sie wollen nicht noch einen Nachschlag und verweigern die Annahme.

Über diese Zuständigkeitsfragen muß nun ein drittes Gericht entscheiden. Aus mir nicht bekannten (mir aber gleichgültigen) Gründen ist dieses Gericht der Bundesgerichtshof (BGH), dem der Streit per Vorlagebeschluß des AG Tiergarten auf den Tisch gelegt wird.

Vorlagebeschluß

Wie es sich gehört, muß nun – audiatur et altera pars – auch die Gegenseite gehört werden. Diese wird vom Generalbundesanwalt vertreten.

GBA

… bekommt nun im September 2014 …

Aktenbände

… zur Stellungnahme übersandt.

Stoisch, wie auch Generalbundesanwälte nun mal sind und sein müssen (s.o.), werden die Akten eingehend studiert, um dann im April 2015 die gewünschte Stellunggabe an den BGH zu übermitteln. Nicht ohne den für Staatsanwälte typischen Reflexantrag, alles abzulehnen, was nicht aus dem eigenen Hause stammt:

StellungnahmeGBA

Soweit der normale Gang.

Exkurs:
Nicht unerwähnt bleiben sollte an dieser Stelle, daß mir – als Verteidiger – anschließend der Vorlagebeschluß des AG und die Stellungnahme des GBA (ohne die Akten!) zur meinerseitigen Stellungnahme – audiatur et advocatus (s.o.) – zu übermitteln.

BGH an RA

Die Unterstreichung stammt nicht von mir! Die Ri’nBGH kennt Verteidiger eben: Wenn ein GBA ein halbes Jahr für eine Stellungnahme braucht, schafft das ein Verteidiger locker in zwei Wochen.

Aber was ich eigentlich sagen wollte.
In der vergangenen Woche erhielt ich von dem vernünftigen und erfahrenen Mann (s.o.) einen Anruf. Der Richter wäre mir sehr verbunden, wenn ich ihm die Stellungnahme des GBA übermitteln könnte.

BGH und GBA halten es offenbar für entbehrlich, den Initiator dieses Verfahrens über dessen Fortgang zu unterrichten. Das ist ja auch nur ein kleiner Richter am Amtsgericht, was hat der denn schon zu melden. Aus einem solchen Verhalten spricht dieselbe Arroganz, die mir als Verteidiger mit dieser Zweiwochenfrist entgegen gebracht wird.

Mir als freies Organ der Rechtspflege stehen ein ganzer Strauß von Möglichkeiten zur Verfügung, auf diese Gedankenlosigkeit zu reagieren. Ich muß nicht frustiert anmerken: „So ist das nunmal bei uns!“

Mich wundert, warum vernünftige, erfahrene Männer sich das bieten lassen und nicht laut schimpfend den Moloch verlassen. Vernunft und Erfahrung sind offenbar nicht die entscheidenden Qualitätskriterien für die Ausübung des Richterberufs.

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Prinzipienrichter

Es geht um eine kleine Strafsache. Irgendwas mit Drogen. Der Beschuldigte ist zur Zeit aber nicht … sagen wir mal … zustellfähig. Und weil ich nun mal keine schriftliche Vollmacht zur Akte gereicht habe – und das obwohl mich der Richter dringend dazu aufforderte -, kann man mir als Verteidiger auch nichts zustellen, was eigentlich an den Beschuldigten gerichtet ist. Das hatte der Richter nach einigem Hin und Her dann auch akzeptiert.

Der zweite Versuch des Richters, beim Einwohnermeldeamt eine aktuelle Anschrift zu bekommen, um das Verfahren voran zu bringen, scheiterte: Unbekannt verzogen, hieß es dort.

Danach kam dann der richterliche Anruf in unserer Kanzlei.

Richter
Könnten Sie mir bitte mal eben die aktuelle Anschrift Ihres Mandanten D. mitteilen?

Assistentin des Strafverteidigers
Nein!

Richter
Warum nicht? Wissen Sie nicht, wo er sich aufhält.

Assistentin des Strafverteidigers
Mein Chef hat mir gesagt, solche Fragen soll ich mit dem Hinweis auf das Mandatsgeheimnis und § 203 StGB nicht beantworten.

Richter
Ihr Chef ist ein weiser Mann.

Und der Richter ist ein zielstrebiger, der nicht locker läßt. Er startet den vierten Versuch:

Informatorische Befragung

Ich habe dem Vater meines Mandanten § 52 StPO vorgelesen, als er mich angerufen hat. Der Richter hatte wohl völlig vergessen, dem Vater auch zu schreiben, daß er die Frage nicht beantworten muß.

Wie nicht anders zu erwarten, gibt der Richter nicht auf:

HB beantragen

Er schickt also die Akten an die Staatsanwaltschaft und regt den Erlaß eines Haftbefehls an. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Glücklicherweise gibt es in Moabit aber auch Staatsanwälte mit Augenmaß:

HB nicht verhältnismäßig

Worum ging es? Was hat diesen offenbar völlig unterbeschäftigten Richter zu diesem Aktionismus getrieben. Die Akte ist zwischenzeitlich auf knapp 150 Blatt angewachsen.

Zur Last gelegt

Tja, wen dieser Richter einmal am Wickel hat, den läßt er nicht mehr los. Es geht schließlich um’s Prinzip.

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Vergleichende Staatsanwälte und respektable Richter

4710_web_R_by_Jens Goetzke_pixelio.deDas Potsdamer Pillendienst-Verfahren war in vielerlei Hinsicht etwas ganz Besonderes. Einen Punkt möchte ich hier mal herausgreifen und damit auch ein Versprechen einlösen, das ich dem Vorsitzenden Richter und der Beisitzenden Richterin gegeben habe.

Daß eine Staatsanwaltschaft keinerlei Sympathien für Angeklagte hegt, wundert niemanden. Auch wenn man dieser Behörde schier grenzenlose Objektivität unterstellt, sind die Dezernenten spätestens beim Schlußvortrag – meist aber bereits mit Anlage der Akte – felsenfest davon überzeugt, es auf der anderen Seite des Saales mit strafwürdigen Menschen zu tun zu haben. Das kann man hinnehmen. Für das notwendige Gegengewicht hat das Strafprozeßrecht den Strafverteidiger installiert.

Nicht akzeptabel – jedenfalls nicht für mich – und brandgefährlich ist es aber, wenn ein Staatsanwalt Angeklagte in einer Wirtschaftsstrafsache mit Massenmördern in einen Sack steckt. Was sich Herr Staatsanwalt Alexander Roth und sein Aufpasser, Herr Oberstaatsanwalt Kurz, mit dem Nazivergleich – sanktionslos! – herausgenommen haben, empfinde ich als eine niveaulose Ungeheuerlichkeit. Die Einzelheiten dazu hatte ich hier in einem Blogbeitrag beschrieben. Hier noch einmal knackig zusammen gefaßt:

Herr Alexander Roth soll sinngemäß vorgetragen haben, so wurde mir von Beoabachtern aus dem Parallel-Prozeß berichtet, daß sich die Abfertiger der Züge, in denen bis 1945 über 5 Millionen europäische Juden zum Vergasen in die östlichen Vernichtungslager transportiert wurden, mit denselben Argumentationsmustern aus ihrer Verantwortung hätten stehlen wollen, wie nun die angeklagten Webmaster in dem Pillendienst-Verfahren.

Dieser Staatsanwalt war in „unserem“ Verfahren glücklicherweise nicht der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft. Und das war auch gut so, nicht nur für das Klima im Saal 6 des Landgerichts Potsdam.

Aber die dortige Staatsanwaltschaft hat auch noch andere Vertreter. Damit meine ich jetzt nicht den Supporter des Nazivergleichers. Sondern Herrn Staatsanwalt Dr. Nolte. Auch er bemühte – wiederum im Plädoyer – einen Vergleich, um die – aus seiner Sicht – besondere Verwerflichkeit des Tuns meines Mandanten und der anderen Angeklagten zu illustrieren. Und griff damit an einer anderen Stelle ins Klo.

Ich habe die Ausführungen des Herrn Staatsanwalt Dr. Nolte in meinem Schlußvortrag gewürdigt. Aus meinem Manuskript:

Herr Staatsanwalt Dr. Nolte stellte in seinem Vortrag einen Kontext her zu

  • Aids-Präparaten, die von bewaffneten Räubern in Südafrika geraubt werden, um sie gewinnbringend auf dem europäischen Markt zu verkaufen.
  • Krebsmitteln mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum, die statt zur Entsorgung gebracht wieder an Patienten verabreicht werden

Der Staatsanwalt grenzt den Pillendienst zu diesen Machenschaften zwar ab und anerkennt, daß es hier nicht um lebenserhaltende Medizin geht und die Live-Style-Produkte [gemeint waren die Potenz- und Schlankheitsmittel] nicht in den legalen Wirtschaftskreislauf eingeführt wurden.

Dennoch bezeichnen Sie, Herr Dr. Nolte, meinen Mandanten als Teil dieser „Arzneimittel- und Medikamenten-Mafia“

Ich zitiere aus Wikipedia:

„Mafia war ursprünglich die Bezeichnung für einen streng hierarchischen Geheimbund, der seine Macht durch Erpressung, Gewalt und politische Einflussnahme zu festigen und auszubauen versucht und seine Wurzeln in Sizilien hatte.“

Mein Mandant (und auch die anderen Mitglieder des Pillendiensts) haben zu keiner Zeit Gewalt ausgeübt, niemanden erpresst, keinen Einfluß auf die Politik genommen.

Der Pillendienst hat mit der neapolitanischen Camorra oder mit der kalabrischen ’Ndrangheta nichts gemein.

Keiner der drei Köpfe der Gruppierung ist mit einem Don Vito Corleone vergleichbar.

Und mein Mandant heißt auch nicht Michaele.

Wikipedia zum status quo: „Heute ist „Mafia” ein internationales Synonym für organisierte Kriminalität. „Mafia” wird gleichgesetzt mit gewalttätigen und verschworenen Geheimgesellschaften und kriminellen Klans, die sich in der Prostitution, dem Menschenhandel, dem Drogenhandel betätigen und die ihre Einkünfte aus Erpressung, insbesondere der Schutzgelderpressung, dem illegalen Glücksspiel und Subventionserschleichung bzw. Subventionsbetrug bestreitet.“

Mit Verlaub: Der Vergleich des Pillendiensts mit der Mafia ist nicht akzeptabel!

Aber zur Ehrenrettung: Für Sie, Herr Dr. Nolte, spricht aber, daß Sie sich nicht soweit aus dem Fenster gelehnt haben wie Ihr Kollege Alexander Roth, der es sich nicht verkneifen konnte in seinem Schlußvortrag in einem der anderen Pillendienst-Verfahren sogar einen unsäglichen Nazivergleich anzustellen. (der im Übrigen von OStA Kurz für völlig in Ordnung gehalten wurde!)

Ich kann es nachvollziehen, wenn Sie sich freuen und auch ein wenig stolz darauf sind, diesen großen Tatkomplex durchermittelt und zur Anklage gebracht zu haben. Hängen Sie sich dafür so viele Jagdtrophäen wie sie möchten in Ihren Dienstzimmern an die Wände.

Aber verschonen Sie uns und die Öffentlichkeit mit dieser Art von unsäglichen Gleichsetzungen und Vergleichen.

Natürlich habe ich die Verbindung zu der „umgangssprachlich verständlichen“ Qualifizierung von Mitgliedern des Pillendiensts als „krimineller Haufen“ durch den Voritzenden Richter hergestellt, sie aber im Verhältnis zu jenen Nazi- und Mafiavergleichen durch die beiden Staatsanwälte als fast schon sympathisch, zumindest aber ziemlich niedlich bezeichnet.

Ich vertrete die Ansicht, daß solchen Menschen, wie diesen drei Staatsanwälten Roth, Nolte und Kurz, keinerlei Respekt gebührt. Auf diesem Niveau eine Anklage zu führen und Menschen gegenüber zu treten, die einen Fehler gemacht haben, den sie – wie mein Mandant – bereuen und dafür die Verantwortung zu übernehmen bereit sind, ist widerlich. Sie sollten sich schämen, Strafverfolger!

Es war nicht zu erwarten, daß der Vorsitzende Richter bei der Begründung des Urteils der Strafkammer genauso kräftig ins Horn blasen würde wie ich es hier in dem Blogbeitrag und in meinem Plädoyer getan habe. Aber immerhin machte der Vorsitzende – sicherlich gut beraten von seiner Beisitzerin und seinem Berichterstatter – ganz deutlich, daß zwischen den verwerflichen Taten der Verurteilten und einer Mafia Welten liegen. Noch nicht einmal „mafiöse Strukturen“ attestierte das Gericht der Pillenbande. Es sei Ihnen „nur“ um’s Geld gegangen, nicht um Erpressung, nicht um Mord und Totschlag und auch nicht um den Versuch politischer Einflußnahme. Nix Camorra, keine ’Ndrangheta.

Für diese deutlichen Worte in die Richtung der Staatsanwaltschaft möchte ich mich bei den Richtern bedanken, die in einer angemessenen (sic!) Form über das Verhalten meines Mandanten geurteilt haben. Auch wenn ich mit dem Ergebnis nicht ganz zufrieden sein kann, die Begründung des Urteils jedenfalls in diesem Punkt verdient Respekt.

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Bild: © Jens Goetzke / pixelio.de

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Die Informationslage des Amtsgerichts Fürth

Um sinnvolle Entscheidungen treffen zu können, braucht ein Gericht eine gesicherte Informationsbasis. Dem Amtsgericht Fürth kennt sich dort aus, wo es beheimatet ist; und das was in Bayern paßt, muß auch in Berlin so hinhauen. Mir san mia.

Bei erwachsenen Angeklagten entscheidet in der Regel (mit einigen Ausnahmen) das Gericht, in dessen Sprengel der Tatort liegt. Strafsachen gegen einen Heranwachsenden werden dort verhandelt, wo er seinen Wohnsitz hat, § 42 JGG.

Das war in dem vorliegenden Fall ein Problem, mit dem die Bayern in Fürth schlecht zurecht kamen. Unser Mandant war nämlich so frei, einfach von Bayern wieder nach Berlin zurück zu kommen. Für den Richter in Fürth ist sowas eigentlich nicht vorstellbar, deswegen kam ihm auch nicht in den Sinn, sich nach gut zwei Jahren, in denen das Verfahren vor sich hindümpelte, mal nach dem aktuellen Wohnsitz zu erkundigen.

Über die Frage der Zuständigkeit hat sich dann eine Auseinandersetzung zwischen Verteidigung und Gericht entwickelt, die zu einem – erwartungsgemäß nicht „erfolgreichen“ – Ablehnungsgesuch führte.

Die Argumentation der Bayern ist selbstbewußt. Das reicht aus, Sachkenntnis ist dann entbehrlich:

AG Fürth

Richtig ist, daß es in Berlin mehrere Amtgerichte gibt, unter anderem auch ein Amtsgericht Spandau. Für Strafsachen sind die Spandauer aber nicht zuständig, auch dann nicht, wenn der Angeklagte direkt im Gericht wohnen würde.

Gut, das ist einem Berliner Strafverteidiger bekannt. Aber die Zuständigkeit des Amtsgerichts Tiergarten für alle Strafsachen, die in Berlin verhandelt werden, ist kein Geheimwissen. Ein Blick ins Internet – hier oder hier – erleichtert die Rechtsfindung, auch einem bayerischen Amtsrichter. (Für Fortgeschrittene gibt es die Verordnung zur Umsetzung der Neustrukturierung der Amtsgerichte vom 25. Januar 2010 GVBl. Seite 25.)

Bayern sama, Bayern bleima, uns kennt die ganze Welt …

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