Wirtschaftsstrafrecht

Gefährliche Schweigepflichtentbindungserklärung

Es ist nicht nur ein umständliches Wort, sondern für manche Anwälte auch ein unverstandenes: Die Schweigepflichtentbindungserklärung.

Ich habe vor einiger Zeit einen Rechtsanwalt verteidigt, der ein großes Unternehmen in der Krise begleitet und beraten hatte. Auf der Grundlage einiger unternehmerische Fehler, die auf beratungsresistente Entscheidungen zurückzuführen waren, und wegen zusätzlichen Pechs ging die ganze Geschichte gehörig schief.

Das rief im weiteren Verlauf die Wirtschaftsabteilung der Staatsanwaltschaft auf den Plan, die erst einmal einen Rundumschlag machte. Ermittelt wurde nicht nur gegen die Unternehmer, sondern auch gegen den beratenden Rechtsanwalt, meinen Mandanten.

Die Verteidigung gegen den Vorwurf der Beihilfe zu allerlei Vermögensdelikten und Insolvenzstraftaten war anstrengend, aber am Ende erfolgreich. Meinem Mandanten war keinerlei Vorwurf zu machen, das Verfahren gegen ihn wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Gegen die Unternehmer wurde jedoch Anklage vor der Wirtschaftsstrafkammer erhoben; für die Angeklagten geht’s nun also um die Wurst.

Nach einer bereits zweistelligen Zahl an Hauptverhandlungsterminen stellt der Anwalt (ich will den Begriff „Verteidiger“ in diesem Zusammenhang vermeiden) des einen Angeklagten einen Beweisantrag: Der ehemalige Berater, also mein Mandant, soll zu einem Detail aussagen und den Angeklagten entlasten. Solche brandgefährlichen Verteidigungsversuche veranstalten nur solche Anwälte, die nicht wissen was sie tun.

Es ist ein Standardproblem in allen Steuer- und Wirtschaftstrafverfahren: Der Berater (Steuerberater oder Rechtsanwalt) des vormals Beratenen (jetzigen Angeklagten) hat enormes Insiderwissen über das gescheiterte Unternehmen. Es funktioniert aber nicht ohne Weiteres, sich die Rosinen aus diesen Kenntnissen herauszupicken, und den üblen Rest unter der Decke zu halten.

Wenn ein gut informierter Steuerberater oder Rechtsanwalt durch den Mandanten einmal von seiner Schweigepflicht (siehe § 43a Abs. 2 BRAO, § 2 BORA, § 53 Abs. 1 Ziffer 3 StPO) entbunden ist, werden die Staatsanwaltschaft und das Gericht ganz sicher nicht darauf verzichten, auch außerhalb des von der Verteidigung beantragten Beweisthemas Fragen zu stellen. Und die Antworten, die der ehemalige Berater dann als Zeuge geben muss, könnten werden in der Regel katastrophale Folgen haben.

Ein solcher Beweisantrag, in dem dann auch gleich noch die Schweigepflichtentbindungserklärung abgegeben wird, stellt den Gau für jeden Angeklagten dar.

Der Anwalt, von dem ich hier berichte, ist ein hervorragender und erfolgreicher Wirtschaftsrechtler; aber vom (Wirtschafts-)Strafrecht hätte er besser mal die Finger gelassen.

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Gefährliche Teileinstellung

Es ist nicht ungewöhnlich, dass umfangreiche Wirtschaftsstrafsachen nicht mit einem Urteil enden; ein Freispruch ist noch seltener. In vielen Fällen bietet sich die Einstellung nach § 153a StPO an, nämlich die Einstellung gegen Zahlung einer Auflage.

Entscheidend bei einem solchen Verfahrensende ist, dass sich alle Beteiligten einig sind. Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung müssen der Einstellung und der Höhe der Auflagenzahlung zustimmen. Stellt sich einer der drei Gruppen quer, muss weiter verhandelt werden.

Heute ist in den Medien vom Ende des Prozesses gegen Dirk Jens Nonnenmacher und andere Ex-Vorstände der HSH Nordbank zu lesen. Bevor es noch einmal richtig losgehen sollte, haben sich die Beteiligten auf eine Einstellung gegen eine 7-stellige Auflagenzahlung geeinigt, teilte Gerichtssprecher Kai Wantzen am Donnerstag mit. Es geht um die Zahlung von bummeligen 4,85 Millionen Euro

Vielleicht ist diese Höhe der Grund dafür, dass einer der sechs ursprünglich angeklagten Ex-Vorstandsmitglieder der Einstellung nicht zustimmte. Es können aber auch andere Gründe sein, die den Angeklagten zum Kampf um den Freispruch veranlasst haben.

Dieser Weg wird kein leichter sein. Es wird sogar schwieriger werden als beim ersten Durchgang. Denn wenn die Verfahren gegen die fünf anderen nach Erfüllen der Zahlungsauflagen endgültig eingestellt wurden, stehen sie dem Gericht grundsätzlich als Zeugen zur Verfügung, die aussagen müssen. Nur wenn man sehr gute Gründe findet, könnte doch noch einmal ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 55 StPO vorliegen. Das ist aber wirklich nur in Ausnahmefällen durchsetzbar.

Das bedeutet nun für die weitere Beweisaufnahme der ab Mitte August geplanten neuen Hauptverhandlung, dass der letzte Angeklagte möglicherweise mit dem Insiderwissen der ehemaligen Mitangeklagten rechnen muss. Ich gehe aber davon aus, dass ihn seine Verteidiger darüber aufgeklärt haben.

Übrigens: Beim § 153a StPO gilt die (ungeschriebene) alles-oder-nichts-Regel. Verweigert der Angeklagte seine Zustimmung zur Verfahrenseinstellung, folgt ein Urteil. Ein nochmaliges Einstellungsangebot wird er regelmäßig nicht bekommen. Aber auch hier gibt es – wenngleich sehr seltene – Ausnahmen. Es ist ein gefährlicher Sprung in ein Verfahren mit einem ungewissen Ausgang.

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Beratender Verräter

In Insolvenzstrafverfahren spielen häufig auch Steuerberater eine wesentliche Rolle. Sie haben die in Schieflage geratenen Unternehmen regelmäßig über mehrere Jahre vertreten und beraten, verfügen also über werthaltige Informationen. Darauf greifen Ermittlungsbehörden und Insolvenzverhalter aufgrund ihrer berufsbedingten Neugier gern zurück.

Spannend wird es dabei, wenn bei der Befragung der Steuerberater neue Straftaten zutage treten. Hier habe ich zum Beispiel eine entdeckt, die sich in einer dunklen Ecke der Beiakten einem Vermerk versteckt hat:

Steuerberater sollten eigentlich wissen, dass auch sie einer Schweigepflicht unterliegen. Die allermeisten, die ich kennen gelernt habe, halten sich auch daran. Im Zweifel schauen sie auch einmal ins Gesetz und finden dort den § 203 Absatz 1 Ziffer 3 StGB. Spätestens dann halten sie sich mit Auskünften zurück.

Dieser Steuerberater, der über die Jahre hohe fünfstellige Honorare liquidiert und sicher auch überwiegend brauchbare Ergebnisse abgeliefert hat, könnte irgendwann ein Problem mit seiner Lizenz bekommen.

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Keine Selbstbedienung bei der Pflichtverteidigung

Die Staatsanwaltschaft hatte den Erlass eines Strafbefehls beantragt. Es ging um die Klassiker aus dem Insolvenzstrafrecht: Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO), Bankrott (§ 283 StGB) und Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b StGB).

Eigentlich keine große Sache, wenngleich der Umfang der Ermittlungsakten kein geringer war. Am Ende sollte eine Geldstrafe mit 180 Tagessätzen dabei herauskommen, stellten sich die Wirtschaftsabteilungen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts vor.

Das besondere Problem hier:
Der Beschuldigte bringt aus einer anderen Sache eine offene Bewährung mit. Es droht also dort der Widerruf der Strafaussetzung der Bewährung. Das allein reichte in diesem Fall schon, um einen Fall der notwendigen Verteidigung anzunehmen. Ich vertrete zudem die Ansicht, dass Insolvenzstrafsachen per se Fälle sind, in denen dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt werden muss; aber das ist hier nicht das Thema.

Die Staatsanwältin fügte ihrem Antrag auf Erlass eines Strafbefehls also einen weiteren Antrag bei:

Der Richter schrieb daraufhin dem Beschuldigten und gab ihm Gelegenheit, zu diesem Antrag der Staatsanwaltschaft Stellung zu nehmen:

So muss das! Der Beschuldigte reagierte auch binnen der 2-Wochen-Frist:

Keine Woche später erging der folgende …

Nota bene:
Dem Beschuldigten gewährt man das rechtliche Gehör und die Möglichkeit, einen (Wunsch-)Verteidiger seines Vertrauens zu benennen. Dem Verteidiger stülpt das Gericht dann die Pflichtverteidigung eines ihm bis dato unbekannten Beschuldigten ungefragt über.

Ob ich überhaupt Lust auf die Verteidigung habe, oder Zeit, freie Kapazitäten oder sonstwas … scheint die Justiz nicht zu interessieren.

Ist das nur Gedankenlosigkeit? Oder die Vermutung, ich werde mich schon freuen, endlich mal wieder ein Mandat zu bekommen? Oder schlicht die Arroganz eines Richters, dem das Recht der Pflichtverteidigerbestellung zusteht?

Selbstverständlich übernehme ich auch in Wirtschaftsstrafsachen Fälle der notwendigen Verteidigung. Aber ich erwarte – zumindest vom Gericht, aber auch von dem Mandanten, dass ich vorher gefragt werde. Meine Kanzlei ist kein Selbstbedienungsladen, in dem sich Beschuldigte und Richter eine Verteidigung einfach aus dem Regal nehmen können.

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Pseudologie – ein Hinweis des Staatsanwalts

Es ist ein merkwürdiger Fall. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 263 StGB, also des Betruges, scheinen erfüllt zu sein – wenn man der Hypothese der Ermittler Glauben schenken mag und mal den zusammen getragenen Sachverhalt als zutreffend unterstellen möchte. Darüber wird noch zu reden sein, hier geht es um etwas anderes.

Täuschung, Irrtum, Vermögensverfügung, Vermögensschaden – alles da, was man für einen Betrug braucht. Vorsatz, OK, geschenkt. Das Problem liegt jedoch bei der Bereicherungsabsicht.

Eine größere zweistellige Anzahl von verschiedenen (!) Taten – also kein klassischer Fall des Cybercrime, bei dem eine Maschine tausende Menschen um’s Ersparte bringt. Alles individuell und quasi handgemacht. Und immer wieder etwas anderes. Viele leere Versprechen, eine Riesen-Show mit reichlich heißer Luft. Und am Ende ein recht hoher Schaden insgesamt.

Es fehlt aber an dem Nutzen für den Beschuldigten. Nicht einen Cent (naja, fast keiner) für’s eigene Portemonnaie. Null Vorteil für ihn selbst. Das Ganze ist nur sehr schwer zu verstehen.

Der erfahrene Staatsanwalt hatte da eine Idee, die er mit zusammen mit der Akteneinsicht übermittelt hat und für die ich ihm gedankt habe:

Wir waren uns einig, ein klassischer Hochstapler oder Serienbetrüger kann das nicht sein. Ein Fall der Pseudologie wird erwogen. Wobei sich auch die Gelehrten uneins sind, ob das eine Krankheit ist und wenn ja, was für eine.

Nun, das werden jetzt ein paar Strafjuristen klären. Mithilfe eines Sachverständigen, der noch gesucht wird.

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Vorwärts und nicht vergessen

Dem Mandanten wird vorgeworfen, er habe als Geschäftsführer einer GmbH den Insolvenzantrag zu spät gestellt (§ 15 InsO), er sei ein Bankrotteur (§ 283 StGB) und seinen Buchführungspflichten nicht nachgekommen (§ 283b StGB).

Diese Vorwürfe finden sich in einer Ermittlungsakte aus dem Jahr 2019; sie beziehen sich auf das Jahr 2017. Das Insolvenzgericht hat nach dem Eigeninsolvenzantrag des Geschäftsführers ein Gutachten erstellen lassen, das zum Ergebnis kam: Die GmbH ist völlig platt.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird folgerichtig abgelehnt, nicht aber ohne die Staatsanwaltschaft per „Mizi-Mitteilung“ zu informieren.

Damit startet bei der Staatsanwaltschaft eine Routine, die zunächst einmal die Ermittlungsmaschinerie in Gang setzt:

Das auf „Wirtschaftskriminalität“ spezialisierte LKA 321 beginnt mit der Suche in den Krümeln. Relativ flott findet das LKA uralte Schätzchen:

Damit auch jeder gleich auf den ersten Seiten (Blatt 15) der umfangreichen, mehrbändigen Ermittlungsakte mitbekommt, mit wem man es hier zu tun hat. Reichlich Vermögensstraftaten, fast schon einschlägig, vermittelt dieser Vermerk dem Leser und setzt ihm eine entsprechende Brille auf.

Dass der ganz hinten in einer Tasche versteckte Auszug aus dem Bundeszentralregister blütenweiß (nagut: grün strukturiert) ist, interessiert anscheinend nur den aktenfressenden Verteidiger. Sämtliche Verfahren, die der Kriminale da aus der Mottenkiste dem Polizeilichen Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (POLIKS) hervorgekramt hat, sind eingestellt worden.

So wird Stimmung gemacht für die Jagd, weil man ansonsten nichts von Bedeutung in der Hand hat.

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Bewährungsfähig: Drei Jahre Freiheitsstrafe

Die Bewährungsaussetzung einer Freiheitsstrafe von über zwei Jahren? Trotz der Grenze des § 56 Abs. 2 StGB?

Ja, es kann funktionieren, wenn der Strafverteidiger weiß, welche Anträge wann und mit welcher Begründung er beim Gericht stellen sollte.

Diesen Text finden Sie nun auf der neuen Website von Rechtsanwalt Carsten R. Hoenig.


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Freiheitsstrafe von 3 Jahren zur Bewährung?

Vielfaches Verteidigungsziel – besonders in Wirtschaftsstrafsachen und wenn sich eine Verurteilung nicht zu verhindern ist – ist die Vermeidung einer Freiheitsstrafe. Wenn dieses Ziel nicht erreichbar ist – z.B. weil das Gesetz eine Mindestfreiheitsstrafe vorschreibt – geht es um die Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB.

Diesen Blogbeitrag finden Sie nun auf der neuen Website von Rechtsanwalt Carsten R. Hoenig.

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Eine eher seltene Verweisung nach oben

Regelmäßig ist es Sache der Staatsanwaltschaft, sich auszusuchen, welches Gericht über die Anklage verhandeln und später urteilen soll.

Je nach Vorstellung des Staatsanwalts, was am Ende hinten rauskommen soll, beantragt die Staatsanwaltschaft in Wirtschaftsstrafsachen die Eröffnung beim Amtsgericht (Strafrichter oder Schöffengericht) oder beim Landgericht (allgemeine oder Wirtschaftsstrafkammer).

Erwartet der Strafverfolger eine Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, wird er die Sache zum Strafrichter schicken. Sind es nach Wunsch und Vorstellung des Ankläger aber bis zu vier Jahre, klagt er zum Schöffengericht an. Alles, was in der Vorstellungswelt eines Staatsanwalts darüber hinaus gehen soll, schickt dieser zum Landgericht.

In den überwiegenden Fällen erfüllt das angerufene Gericht den Wunsch der Staatsanwaltschaft. Nur selten meint das Land- oder Schöffengericht, dass der Anklageverfasser übertreibt; dann eröffnet es beim Gericht eine Etage tiefer, § 209 Abs. 1 StPO.

Noch seltener passiert so etwas hier:

Der Staatsanwaltschaft reicht eigentlich die Strafkompetenz des Strafrichters von zwei Jahren. Hier meint der Strafrichter aber, das reiche nicht und schlägt gem. § 209 Abs. 2 StPO dem Schöffengericht vor, die Sache zu übernehmen, weil es ja auch bis zu vier Jahre werden könnten.

Das ist für den Angeschuldigten eine eher weniger erfreuliche Perspektive. Aber selbst dann, wenn das Schöffengericht das Verfahren „übernimmt“, sind noch nicht alle Messen gesungen; die Hoffnung auf eine Freiheitsstrafe unterhalb der „Bewährungsgrenze“ von zwei Jahren stirbt erst ganz zuletzt.

Ganz unberechtigt ist die Hoffnung in solchen Fällen nämlich nicht: Die Aus- bzw. Überlastung der Schöffengerichte eröffnet der Verteidigung durchaus weite Verhandlungsspielräume.

Richtig kritisch würde es erst, wenn es noch eine Etage höher – zur Strafkammer beim Landgericht – gehen sollte. Aber das – also eine Verweisung des Strafrichters in Wirtschaftsstrafsachen nach ganz oben – ist mir in über zwei Jahrzehnten noch nicht „passiert“.

Mein Mandant und ich warten aber erst einmal ab, was das Schöffengericht zu dem Vorlagebeschluss des Strafrichters zu sagen hat. Dann sehen wir weiter.

Nebenbei:
Die Verteidigung wird über die Ansicht des Strafrichters und seinen Beschluss lediglich informiert – mitreden (im Sinne des rechtlichen Gehörs nach § 33 StPO) darf sie bei der Entscheidung über die Zuständigkeit nicht.

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Bild: ©S. Hofschlaeger / pixelio.de

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Mitgefangen, mitgehangen! Auch bei der Revision

Ein besonderes Leckerli für jemanden, der am Rechtsstaat zweifeln möchte, bietet die sogenannte Revisionserstreckung, die in § 357 StPO geregelt ist.

Eine überschaubare Konstellation aus dem Wirtschafts- und Steuerstrafrecht:

Wilhelm Brause und Bulli Bullmann werden einer mittäterschaftlich begangenen Steuerhinterziehung, Insolvenzverschleppung usw. angeklagt und Mitte 2016 von der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts verurteilt.

Brause bekommt eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten, die ohne Auflagen zur Bewährung ausgesetzt wird; die Bewährungszeit setzt das Gericht auf zwei Jahre fest. Hintergrund für die Strafmilde war sein Geständnis. Er verzichtet auf sein Rechtsmittel und zählt die Tage in Hinblick auf § 56g Abs. 1 StGB und § 6 Abs. 2 GmbHG.

Bullmann hingegen stellt sich auf die Hinterbeine und wird zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten verurteilt. Er wehrt sich gegen das Urteil mit der Revision und zwar mit Erfolg: Der Bundesgerichtshof hebt sein Urteil Anfang 2019 (für die mitlesenden Juristen: wegen eines Sachmangels, der Bullmann und Brause betrifft.) auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurück.

So, nun bitte nochmal den § 357 StPO lesen, und dabei aufpassen, dass der Kopf vom Schütteln nicht vom Hals abgetrennt wird.

Diese Vorschrift aus dem Revisionsrecht hat zur Folge, dass das 2016er Urteil gegen Brause de facto null und nichtig ist, obwohl er es gewünscht hat, damit zufrieden war und – jetzt kommt’s – eigentlich schon längst hätte vergessen werden können: Denn ohne den Revisionserfolg von Bullmann wäre jetzt auch die Bewährungszeit abgelaufen und die Strafe erlassen worden.

Nun wird erneut gegen Bullmann und Brause verhandelt werden müssen. Am Ende steht voraussichtlich dann eine erneute Verurteilung des Brause, ein erneuter Beginn der Bewährungszeit, ein erneuter Beginn des Laufs der Tilgungsfristen im Bundeszentralregister und – was hier ernsthaft wehtut – ein erneuter Beginn der Frist des § 6 Abs. 2 GmbHG. Allerdings auch nur dann, wenn die erneute Entscheidung des Landgerichts nicht erneut vom Bundesgerichtshof aufgehoben wird und dann das Verfahren gegen Brause erneuterneut beginnnt …

So kann’s kommen.

Die Möglichkeit, das Verfahren gegen Brause abzutrennen und nach § 153 StPO oder § 153a StPO einzustellen, kann man als Verteidiger zwar anregen; einen Anspruch darauf, dass das Gericht und die Staatsanwaltschaft Brause endlich laufen lassen, hat er allerdings nicht.

Immerhin: Es kann für Brause im zweiten Durchgang nicht schlimmer werden.

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