Strafverteidiger

Mitmachquiz: Wie lautet die richtige Antwort?

Gar nicht so selten bittet die Staatsanwaltschaft (gern auch das Gericht) den Verteidiger, bei der Strafverfolgung behilflich zu sein. Nun ist wieder einmal eine solche Anfrage eingetrudelt.

Zur Info: Der Staatsanwalt will die Anklage mit dem Eröffnungsantrag an’s Gericht schicken und mitteilen, unter welcher Anschrift die Anklageschrift dem Mandanten zugestellt werden kann.

Nur mit einer erfolgreichen Zustellung kann das Verfahren weiter geführt werden. Ohne die Zustellung dümpelt das Verfahren der Verjährung entgegen.

Soll der Verteidiger die Anschrift mitteilen, wenn er sie kennt?


     

 

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Gibt es eine dritte oder weitere Varianten, die hier geboten sein könnten?

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Revisionsfristsache: Der Kampf um die Akteneinsicht

Strafverteidiger haben eigentlich wenig Probleme mit Fristen. Eine ganz wichtige ist aber die Frist zur Begründung der Revision.

Erst fang‘ sie janz langsam an, …

Nachdem der Angeklagte die Verkündung des Urteils aufrecht stehend über sich ergehen lassen mußte, beginnt eine Frist von einer Woche, § 341 Abs. 1 StPO. Diese sieben Tage (plus den Rest des Tages der Urteilsverkündung) kann er und sein Verteidiger dazu nutzen, sich Gedanken zu machen. Am letzten Tag der Frist um 23:59 Uhr spätestens muß er sich entschieden haben. Mehr muß er nicht tun.

Entscheidet er sich dafür, das Urteil nicht zu akzeptieren, reicht ein Fax an das Gericht:

… lege ich gegen das am 30. Februar 1897 verkündete Urteil Revision ein.

Fertig.

Irgendwann (meist innerhalb der Fristen des § 275 StPO) findet er einen gelben Umschlag in seinem Briefkasten: Das wird das vollständig abgefaßte schriftliche Urteil sein.

… aber dann, aber dann.

Das ist der Startschuß für eine weitere Frist, die Revisionsbegründungsfrist, § 345 StPO. Der Angeklagte (bzw. sein Verteidiger) hat nun einen Monat (plus den Rest des Zustellungstages) Zeit, um die Revision zu begründen. Achtung, liebe Zivilrechtler: Die Frist ist NICHT verlängerbar!

Diese Zeit ist nicht dafür vorgesehen, sich lediglich ein paar Gedanken zu machen, sondern der Verteidiger muß arbeiten. Nämlich die Revision mit Anträgen versehen und diese dann begründen. Das ist keine triviale Tätigkeit, sondern verlangt Erfahrung und Professionalität. Sonst wird das nix.

Unverzichtbare Basis für diese Arbeit an der Begründung ist die Gerichtsakte, besonders die Protokolle der Hauptverhandlungstermine. Ohne diese förmlichen Mitschriften geht gar nichts.

Also muß die Akte herbei.

Und zwar flott. Denn die Frist (s.o.) läuft bereits. Wenn der Akteneinsichtsantrag des Verteidigers dann irgendwo auf einer Fensterbank der Geschäftsstelle des Landgerichts liegt, gibt’s Probleme.

Dieselben gibt es auch, wenndas Personal auf der Geschäftsstelle krank, schwanger, im Urlaub, überlastet oder sonstwas ist, und die Akte in den Katakomben verstaubt. Die Revisionsbegründungsfristuhr tickt und tickt und tickt …

Rechtsgrundlage

An dieser Stelle hilft mal wieder ein Blick ins Gesetz in eine wichtige Verwaltungsvorschrift, die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV)

Ganz tief vergraben, im Allgemeinen Teil, IV. Abschnitt, Ziffer 3, Buchstabe C, stößt man auf die Nummer 160 RiStBV:

Akteneinsicht durch den Verteidiger
Während die Frist zur Revisionsbegründung läuft, sind die Akten zur Einsichtnahme durch den Verteidiger bereitzuhalten.

Der Verteidiger hat also einen Anspruch darauf, ab dem Tag der Urteilszustellung Einsicht in die Akten zu nehmen. Diesen Anspruch muß er mit allem Nachdruck durchsetzen, schriftlich, telefonisch, persönlich oder sonstwie.

Beschleuniger

Damit nicht erst wertvolle Zeit verstreicht, ergänzen wir bereits den kurzen Text (s.o.), mit dem wir Revision einlegen, mit dem Akteneinsichtsantrag:

Ich beantrage unter Hinweis auf Ziffer 9000 Abs. III der Anlage 1 zum GKG sowie auf die Grundsätze des fairen Verfahrens um kurzfristige Zusendung einer Protokollabschrift noch vor Zustellung des Urteils.

Sodann beantrage ich Akteneinsicht und und erbitte die Mitteilung, sobald das Urteil mit Gründen ausgefertigt wurde, wann und wo ich die Akten abholen (lassen) kann.

Manchmal (wirklich selten, meist bei Gerichten *außerhalb* Berlins) funktioniert das. In Berlin hilft ein solcher frühzeitig gestellter Antrag nur insoweit, als das man substantiiert rumnörgeln kann, wenn das Gericht mal wieder die eigenen Verwaltungsvorschriften mißachtet.

Strafverteidigung ist Kampf

So sagt man. Kampf auch um die rechtzeitige (!) Überlassung der für eine Revionsbegründung unverzichtbaren Sitzungsprotokolle … und zwar noch vor Ablauf der Begründungsfrist.

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Bild: © Jürgen Nießen / pixelio.de

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Enttäuschendes Plädoyer

Es ist ein alt bekanntes Problem von Dienstleistern im Allgemeinen, von Strafverteidigern im Besonderen: Die Mandanten sind unzufrieden, obwohl die Leistung hervorragend war.

Dazu der folgende Fall:

Die Staatsanwaltschaft klagte eine Erpressung im besonders schweren Fall an. Die beiden Angeschuldigten hätten einen (ehemaligen) Vertragspartner zur Zahlung eines fünfstelligen Betrags bewegen wollen; dabei soll auch eine Schußwaffe eine Rolle gespielt haben. Dafür schlägt der Gesetzgeber eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren vor.

Die Anklage ging zunächst bei der Großen Strafkammer ein, weil nur dort Freiheitsstrafen von mehr als vier Jahren verhängt werden können. Das paßte zu der Strafmaßvorstellung der Staatsanwaltschaft.

Die Verteidigung im Zwischenverfahren …

… führte dazu, daß die Sache zum Schöffengericht „runter“ eröffnet wurde. Die Strafkammer meinte nämlich, die Strafkompetenz des Schöffengerichts reiche aus, da hier wahrscheinlich nur ein minderschwerer Fall des (einfachen) schweren Falls der Erpressung vorliegen dürfte, und zwar in Gestalt eines Versuchs. (Für die mitlesenden Jura-Junkies in Zahlen ausgedrückt: §§ 255, 249, 250 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB und nicht Abs. 2, und das Ganze dann als Versuch nochmals gemildert über §§ 22, 23, 49 StGB. Wenn Sie wissen, was ich meine. :-) ).

Mehr als vier Jahre sollten es also nach Ansicht der Verteidigung und der Strafkammer auf keinen Fall werden. Soweit also schon einmal ein erster Erfolg.

In der zweitägigen Beweisaufnahme …

… konnte die Verteidigung das Schöffengericht davon überzeugen, daß eine Waffe überhaupt keine Rolle gespielt hat. Und daß die Zahlungsforderung an sich gar nicht so unberechtigt gewesen war.

Am Ende kam dann eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen heraus, wegen einer versuchten Nötigung – statt 5 Jahre plus X, die es nach anfänglicher Ansicht der Anklagebehörde hätten werden sollen. Und trotzdem war der Mandant enttäuscht.

Was war passiert?

Der Mitangeklagte wurde von einem sehr erfahrenen Kollegen verteidigt, der ein so grandioses Plädoyer gehalten hat, daß sogar mein Mandant selbst von seiner Unschuld überzeugt war. Der Antrag auf Freispruch mußte einfach durchgehen, da führte nach der auf der Anklage- und Verteidigerbank vertretenen Ansicht kein Weg dran vorbei!

Und dann am Ende doch kein Freispruch, sondern die Verurteilung.

Ich bin mir aber sicher, daß die Welt nach ein paar Tagen und mit ein bisschen Sinn für die Realität wieder anders aussehen und der Mandant dieses Ergebnis als Erfolg feiern wird.

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Bild (CC0): geralt / via Pixabay

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Gemütlichkeit statt Nötigung

Es gibt klassische Anfragen, die auf allen Kanälen alle Nase lang in den Kanzleien der Strafverteidiger eintreffen. Hier mal eine Geschichte, die über ein Portal eingetroffen ist, das gern von Menschen genutzt wird, die kostenlosen Rechtsrat suchen:

Die Grund-Konstellation im Straßenverkehr ist bekannt. Wilhelm Brause fährt nicht so, wie ein Bulli Bullmann das gerne hätte. Bullmann weist Brause auf seine Ansicht hin. Anschließend diskutiert man darüber.

Je nach Bildung und Temperament der beteiligten Brauses und Bullmanns entwickelt sich die Begegnung anders. In vielen Fällen wird anschließend die Staatsgewalt in die Diskussion integriert. Am Ende soll es dann ein Strafverteidiger richten.

Mir stellen sich in solchen Konstellationen Fragen. Wie zum Beispiel so eine:

Warum hält dieser zur Rede stellen meinen zu müssende Oberlehrer nicht einfach die Klappe und fährt weiter, statt anschließend und klugscheißend seine Rechthaberei mit einer Strafanzeige zu garnieren und hilflose Polizeibeamte für die Reparatur seiner mißlungenen Erziehung heranzuziehen? Und obendrauf dann noch kostenlosen Rechtsrat bei einem Strafverteidiger zu schnorren.

„Was kann ich tun?“ fragt das arme strafverfolgte Opfer. Ich hätte da mal einen – kostenlosen! – Vorschlag:

Nebenbei:
Die Anfragen über solche Rechtsberatungsportale haben oft hohen Unterhaltungswert und dienen super als Anregung für launige Blogbeiträge. Fürs ernsthafte Arbeiten sind sie indes eher nicht geeignet.

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Strafverteidigung, Beratungshilfe, Prozeßkostenhilfe

Der Beitrag von gestern zum Thema Zeithonorar motivierte die die Blog-Leserin Kristina, in einem Kommentar zu einer uns häufig gestellten Frage:

Vorneweg die knackige Antwort: Nein! Dieser Umkehrschluß ist falsch. Aus mehrerlei Gründen.

1. Beratungshilfe und Strafrecht

Die Beratungshilfe (BerH) ist im – na, wo? Richtig! – Beratungshilfegesetz (BerHG) geregelt. Nach § 1 BerHG gibt es finanzielle Unterstützung bei der Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, und zwar in allen rechtlichen Angelegenheiten. Also grundsätzlich auch im Strafrecht. Allerdings mit einer Einschränkung (§ 2 Abs. 2 S. 3 BerHG):

In Angelegenheiten des Strafrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts wird nur Beratung gewährt.

Es gibt also keine strafrechtliche Vertretung (oder gar Verteidigung), sondern nur warme Worte. Mehr kann es tatsächlich nicht geben, weil zu einer fundierten Beratung im Strafrecht die Akteneinsicht gehört – ohne Ermittlungsakte kann ein Verteidiger keinen konkreten Rat erteilen, weil er nicht weiß, was die Ermittlungsbehörde weiß. Eine Beratung bezogen auf ein konkretes Problem nur auf der Basis von Informationen des Ratsuchenden zu liefern, funktioniert nicht.

Die Besorgung der Akteneinsicht durch den Rechtsanwalt wäre allerdings dann schon keine reine Beratung mehr; deswegen werden die Kosten dafür auch nicht von der Beratungshilfe übernommen (OLG Bamberg, Beschl. v. 08.02.2016 – 4 W 120/15).

Um die Frage von Kristina zu beantworten: Wir leisten dennoch Beratungshilfe und zwar hier und dort. Und das ganz ohne die Selbstbeteiliung des Ratsuchenden in Höhe von 15 Euro (§ 44 RVG iVm Ziffer 2500 VV) zu verlangen und ohne, daß sich der Ratsuchende sich mühsam den Beratungshilfeschein beim Amtsgericht (§ 4 BerHG) abholen muß.

2. Prozeßkostenhilfe und Strafrecht?

Die Prozesskostenhilfe (PKH) – früher als „Armenrecht“ bezeichnet – ist in § 114 ZPO geregelt, der bedürftigen Klägern oder Beklagten eine finanzielle Unterstützung gewährt. Dadurch soll gewährleistet werden, daß auch arme Menschen Verfahren vor den Zivil-, Verwaltungs-, Arbeits-, Finanz- und Sozialgerichten, dem Bundespatentgericht sowie dem Bundesverfassungsgericht führen können. Die PKH ist also eine Art Sozialhilfe im Bereich der (meist Zivil-)Rechtspflege.

Für das Strafrecht gibt es bis auf wenige Ausnahmen (Nebenklage, Adhäsion …) keine Prozeßkostenhilfe. Jedenfalls bisher noch nicht.

3. Notwendige Verteidigung / Pflichtverteidigung

Die sozialstaatlich gewährte PKH wird nicht selten mit der notwendigen Bestellung eines Pflichtverteidigers verwechselt (so auch von der Fragestellerin Kristina). Eine Verteidigung ist nicht nur schon allein deswegen notwendig, weil der Beschuldigte kein Geld für den Verteidiger hat. Notwenig kann hingegen eine Verteidigung auch dann sein, wenn der Beschuldigte Dagobert Duck heißt und im Geld schwimmt.

Notwendig ist eine Verteidigung regelmäßig dann, wenn der Beschuldigte mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr rechnen muß. Dies wäre zum Beispiel bei einem Ladendiebstahl oder einer leichten Körperverletzung regelmäßig nicht der Fall, wohl aber bei einem Raub. Geregelt ist das alles in § 140 Strafprozeßordnung (StPO). Dort sind weitere Fälle der notwendigen Verteidigung beschrieben.

Wer sich das Zitat in einem vertiefenden Zusammenhang anschauen möchte, kann sich – kostenlos – hier beraten lassen.

4. Übernahme von Pflichtverteidigungen

Ich unterstelle einmal, die Frage von Kristina lautet eigentlich:

Übernimmt die Kanzlei Hoenig auch Pflichtverteidigungen?

Auch dafür habe ich eine knackige Antwort: Na klar doch!

Es gehört zum Selbstverständnis eines Strafverteidigers auch den Menschen zur Seite zu stehen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens aufgewachsen sind.

TL;DR

  • Beratungshilfe im Strafrecht ist sinnlos.
  • Prozeßkostenhilfe im Strafrecht gibt’s nicht.
  • Pflichtverteidigung ist keine Sozialhilfe. Sondern notwendig.
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Huch, die Schöffen!

Eigentlich sollte die Hauptverhandlung an einem Tag erledigt werden. Aber wie es immer so ist mit der Planung von Strafverfahren – oft braucht man einen Plan B.

In dem Verfahren war noch (mindestens) ein voller Hauptverhandlungstermin erforderlich, zu dem noch Zeugen gehört werden sollen. Die Terminsplanung gestaltete sich schwierig: Zwei Verteidiger, ein Nebenklägervertreter und der Urlaub des Richters verhinderten eine zeitnahe Terminierung.

Der Gesetzgeber (§ 229 StPO) unterstellt den Richtern, spätestens nach drei Wochen alles vergessen zu haben; deswegen dürfen zwischen zwei Terminen maximal 21 Tage liegen. Um diese Zeit überbrücken zu können, haben findige Richter den Brückentermin erfunden. Es wird dann ein – auch so genannter – Schiebetermin angesetzt, bei dem eine kurze Beweisaufnahme durchgeführt wird, und der nach fünf bis zehn Minuten wieder zuende ist.

Ein solcher Termin fand kürzlich beim Amtsgericht statt, zu dem weder der Nebenkläger, noch die beiden Angeklagten erschienen waren. Die Schwarzkittel konnten also ein wenig ungezwungener miteinander plaudern; es hörte niemand zu und nur die Auszüge des Bundeszentralregisters (BZR) sollten verlesen werden. Es herrschte eine Stimmung wie auf einer Klassenfahrt.

Nach dem Aufruf der Sache, stellte das Protokoll die (Nicht-)Anwesenheit der Beteiligten fest und der Richter verlas die BZR. Das war’s dann schon, man verabschiedete sich fröhlich, die Staats- und Rechtsanwälte räumten ihre Sachen zusammen und der Richter zog sich ins Beratungszimmer zurück.

Als plötzlich ein lautstarkes HAAAAAAAALT-STOOOPP!! des Richters ertönte: In dem Beratungszimmer saßen nämlich die beiden Schöffen, die bis dahin niemand(!) vermißt hatte.

Peinlich berührt mußte dann der Termin noch einmal wiederholt werden. Wir hatten Glück, daß es nur der Brückentermin mit seinen fünf Minuten war und nicht eine ganztägige Zeugenvernehmung.

Man sage nicht, Strafsachen beim Amtsgericht hätten keinen Unterhaltungswert. ;-)

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Kleine Wochenendlektüre: Cum-Ex-Geschäfte

Wer sich mit dem Dividendenstripping in Form der Cum-Ex-Tradings beschäftigen muß, sollte sich etwas Zeit für die Lektüre nehmen:

Der Bericht des Untersuchungsausschusses hat inklusive der Anlagen einen Umfang von 830 Seiten. Wer die durch hat, kann sagen, er weiß, wie eine Umgehung der Kapitalertragssteuer nicht mehr funktioniert.

Für Staatsanwälte, Richter und Strafverteidiger eine Fundgrube für jeweils zielorientierte Argumentationen …

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Bericht gefunden in einem Tweet von Christopher Lauer. Dank an ihn für den Hinweis

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Super Service der Geschäftsstelle

Trauerfälle kommen in aller Regel spontan und verhindern dann auch oft ein überlegtes Handeln.

Statt den Verteidiger zu benachrichtigen, hat die Ehefrau des Mandanten beim Gericht angerufen, um dort mitzuteilen, daß ihr Mann nicht zum Gerichtstermin erscheinen wird.

Die aufmerksame Mitarbeiterin der gerichtlichen Geschäftsstelle übernimmt nun den eigentlichn Job des Mandanten und schickt ein Fax an den Verteidiger:

Nun kann sich der Verteidiger in Ruhe Gedanken machen, wie er auf das zu erwartende Ausbleiben seines Mandanten reagiert: Ein Antrag auf Aufhebung des Termins, auf Entbindung des Mandanten von seiner Pflicht, vor Gericht zu erscheinen, oder was auch immer …

Ohne dieses Fax wäre der Spielraum der Verteidigung deutlich enger gewesen. Deswegen auf diesem Weg ein ganz herzliches Danke! an die Justizangestellte.

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Freiwilliger Unsinn und ein Wunder

In einer nicht geringwertigen Wirtschaftsstrafsache wollte die Polizei eine erkennungsdienstliche Behandlung durchführen. Der Mandant erhielt eine entsprechende Ladung.

Für’s Fachpublikum:
Es ging um die erste Alternative des § 81 b StPO.

Für’s gemeine Volk:
Man hatte Fingerabdrücke auf einer Urkunde gefunden, die die Polizei mit den Fingern des Mandanten vergleichen wollte.

Gegen so eine ED-Anordnung kann man sich nicht gut wehren, deswegen habe ich dem Mandanten geraten, kein Theater zu machen und die Prozedur über sich ergehen zu lassen.

Es stellte sich heraus: Entweder hat sich der Mandant neue Finger zugelegt, oder die Urkunden nicht angefaßt. Soweit, sogut.

Jetzt bekomme ich die Akteneinsicht. Irgendwo in den Tiefen des dritten Bandes, ganz unten links, finde ich zufällig diese handschriftliche Notiz des Ermittlungsbeamten:

Obwohl ich dem Mandanten in epischer Breite erklärt hatte, daß er erstens EISERN schweigen und zweitens sich nicht zu der Abgabe einer DNA-Probe überreden lassen sollte, hat er sich nur an den ersten Rat gehalten (Was nicht sonderlich schwer war, weil der Polizeibeamte keine Ahnung hatte, worum es ging, und er nur die Fingerspitzen konservieren w-/sollte).

Nun wird die Desoxyribonukleinsäure des Mandanten bis zum Ende aller Tage in den Katakomben der Polizeidatenbanken vor sich hinschlummern, bis irgendwann einmal ein Zigarettenstummel neben einem toten Tankwart untersucht wird … oder sowas Ähnliches. Wenn nicht irgend ein Wunder geschieht …

Manchmal kann eine Bezahlung der Beratung durch einen Strafverteidiger wirklich rausgeschmissenes Geld sein.

Update, Wunder in Band 6 der Akte:

Das Kriminaltechnische Institut schreibt 2 Monate nach dem „freiwilligen“ Besuch meines Mandanten auf der Wache an den Ermittlungsführer bei der Polizei:

Glück gehabt. Nochmal macht der Mandant das nicht freiwillig. Seine Investition hat sich am Ende dann doch rentiert.

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Retourkutschenfragen

Der Kollege, ein hervorragender Gesellschaftsrechtler, hatte Ärger mit einer seiner Mandantinnen. Es ging – wie meistens – um’s Geld und der Streit darum wurde vor Gericht ausgetragen. Am Ende unterlag die Mandantin des Kollegen, die dann die Pferde sattelte, um eine Retourkutsche zu fahren. Sie schrieb eine Strafanzeige.

Bei der Lektüre der Mitteilung, daß gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines Urkundsdelikts geführt werde, leuchteten bei dem Kollegen ein paar rote Lampen auf. Urkundenfälschung, Untreue und Betrug – das sind für einen Rechtsanwalt massiv existenzbedrohende Vorwürfe.

Der Beschuldigte machte an dieser Stelle das einzig Richtige: Er beauftragte sofort einen Strafverteidiger.

Und dann begann erst einmal die Routine: Verteidigungsanzeige an die Polizei, Absage des Vernehmungstermins bei der Polizei und Akteneinsichtsgesuch.

Bereits nach der Einsicht in die recht überschaubare Akte war klar, an der Sache ist nichts dran. Die Verteidigungsschrift an die Staatsanwaltschaft bestand aus einem Standardtextbaustein:

Der Akteninhalt bestätigt den Tatvorwurf nicht, das Verfahren ist nach § 170 II StPO einzustellen. Ich bitte um Übersendung der Einstellungsnachricht

Drei Wochen später kam die erwartete Mitteilung, daß das Verfahren eingestellt wurde.

So, und wer jetzt meint, ich hätte die Akte einfach so schließen können, der kennt die Zivilrechtler unter den Juristen nicht. Der Kollege wollte nun seinerseits einen Vierspänner auf den Weg in Richtung seiner Mandantin schicken.

Die Anzeigende und alle Personen, die derartige Erfindungen als Anzeige gegenüber der Polizei äußern, halte ich für gesellschafts- und sozialschädigend – schlicht für bösartig. So etwas kann man doch nicht auf sich beruhen lassen.

Der Kollege erwog, mich nun damit zu beauftragen, eine Gegenanzeige wegen falscher Verdächtigung zu erstatten. Ich habe ihm die folgende Geschichte erzählt:

Der Staatsanwaltschaft war der gesamte Sachverhalt bekannt. Es ist davon auszugehen, daß die Anzeige auch unter dem Blickwinkel einer falschen Verdächtigung betrachtet wurde. Dennoch hat die Staatsanwaltschaft nichts weiter unternommen. Aus dieser Sicht und auf dieser Informationsbasis hat eine weitere Strafverfolgung wohl keine Aussicht auf „Erfolg“.

Wenn Sie mögen, können Sie weiteren Aufwand in die Geschichte investieren und die Staatsanwaltschaft zur Fortsetzung der Ermittlungen veranlassen. Das wird sie machen, wenn Sie ausreichend Material und Argumente liefern. Dann werden Sie noch einmal als Zeuge von der Polizei vernommen (persönlich oder schriftlich). Sollte die Staatsanwaltschaft dann Anklage erheben, wird das Gericht sie als Zeugen laden.

Sie erscheinen dann zum Hauptverhandlungstermin im Kriminalgericht und warten auf dem zugigen Gerichtsflur auf Ihre Vernehmung. Dann wird Ihnen mitgeteilt, daß Ihre Vernehmung heute ausfällt und Sie zu einem Folgetermin geladen werden, in dem Ihnen mitgeteilt wird, daß Ihre Aussage nicht mehr benötigt wird.

Die Angeklagte wird ohne Ihre Aussage verurteilt, sie geht ins Rechtsmittel und Sie erhalten dann vom Landgericht erneut eine Zeugenladung. Diesmal werden vernommen und von einem aggressiven Verteidiger auf Ihrem Zeugenstuhl gegrillt, weil Sie der Hauptbelastungszeuge sind und er mit einer Freispruchverteidigung beauftragt ist.

Wenn Sie auf die Zeugenentschädigung setzen, die Ihnen Ihren Aufwand ausgleichen soll, besorgen Sie sich bitte vorher eine Familienpackung Papiertaschentücher – für die bitteren Tränen, die Sie weinen werden, wenn Sie realisieren, welchen Wert die Jusitz Ihrem Aufwand beimißt.

Der Kollege hakte noch einmal nach und bat mich um meinen Rat:

Ernsthafte Frage und deswegen eine halbwegs ernsthafte Antwort: Ärgern Sie sich noch ein(!)mal, trinken Sie ein Glas Wein darauf und schicken Sie dann die ganze Geschichte auf den Weg alles Irdischen. Mehr ist die Sache nicht Wert.

Ich habe dann die Akte geschlossen und aus dem einen Glas Wein wurde eine ganze Flasche, die wir zusammen bei einem kleinen, feinen Italiener in Neukölln verkasematuckelt haben.

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Bild (CC0): Gellinger / via Pixabay

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