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Verkehrs-Strafrecht
Greenpeace und das Suchbild mit Wanne
Eine tolle Aktion von Greenpeace, mit der für den schnellen Kohleausstieg geworben wird. 30 Hektoliter gelbe Farbe – selbstredend mit Umweltengel – auf den Kreisverkehr gekippt, gibt von oben gesehen das Bild einer Sonne:
Unsere Kanzlei-Wanne umkreist die GreenPeace-Sonne als Trabant, auch wenn sie nur schwer auf dem Bild zu erkennen ist.
So effektiv diese Straßenmalerei ist: Nicht jeder ist damit einverstanden. Die Ermittlungsbehörden haben schon den Anfangsverdacht (mindestens) einer Straftat:
Unsere Kolleg. ermitteln wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.
^tsm— Polizei Berlin (@polizeiberlin) 26. Juni 2018
Es ist der § 315b StGB, der hier einschlägig sein könnte – in concreto: Die Beeinträchtigung der Sicherheit des Kreisverkehrs durch die (auch nur vorübergehende) Beschädigung oder Beseitigung der Fahrbahnmarkierungen. Nicht ohne strafrechtliches Risiko das Ganze.
Welches Gewicht in diesem Zusammenhang die Grundrechte, insbesondere aus Art. 5 GG, und die Wasserlöslichkeit der Farbe haben, wird die Diskussion im Zusammenhang mit der „Rechtswidrigkeit“ der Aktion zeigen. Es gibt weitere Verteidigungsmöglichkeiten …
Die Grenzen zwischen zivilem Ungehorsam und Verstoß gegen Strafrecht stehen nicht fest. Grenzen sind im Übrigen dafür geschaffen, an sie heranzutreten. ;-)
Update und Such-Hinweis:
Wer die Wanne auf dem GreenPeaceBild noch nicht gefunden hat – hier noch ein Hinweis :
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Bild Sonne ©: Screenshot Greenpeace Twitter
Bild Aktionskunst ©: Hannibal Hanschke via Spiegel
Zeuge einer Unfallflucht vom Gartenfest
Sonne satt, Sonntagnachmittag und blühende Gärten in den offenen Höfen von Rixdorf. Es gab Erstaunliches zu entdecken. Hinter grobschlächtigen, verwitterten Scheunentoren versteckten sich stylisch eingerichtete, großzügige Wohnungen und viel buntes Kraut.
Entsprechend groß war der Andrang an Besuchern und eng der begrenzt vorhandene Parkraum. Ein SUV mit zwei Kindersitzen auf der Rückbank hatte Mühe, aus dem Gewusel herauszukommen. Irgendwie schien der Car-Sharing-Mini bei dem Ausparkmanöver zu stören. Es kam zum unfreundlichen Kontakt zwischen dem Zweieinhalbtonner und dem Kleinwagen, der sich ob des nachhaltigen Eindrucks nahe der C-Säule heftig schüttelte.
Die SUV-Pilotin ließ lässig die Seitenscheibe herab, schaute kurz in Richtung des Ergebnisses ihrer Fahrversuche und schaffte es dann, ohne erneut irgendwo anzudozzeln, das böhmische Dorf zu verlassen.
Soweit, so gut. Aber jetzt stellt sich die Frage, was der Zeuge dieser Straftat – Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, § 142 StGB – zu tun hat.
Wird geladen ...
Ich gebe zu bedenken, daß es mit der Anzeige bei der Polizei nicht getan sein könnte. Wenn sich die verratene ermittelte SUV-Fahrerin auf die Hinterbeine stellt, wird es ziemlich sicher zu (mindestens) einer Gerichtsverhandlung kommen, zu der der Zeuge (mindestens) eine unhöflich formulierte Einladung erhalten wird. Nachdem er bereits im Ermittlungsverfahren keinen Kaffee auf der Polizeidienststelle angeboten bekommen hat.
Noch ein Hilfsgedanke:
Wie wäre zu entscheiden, wenn es kein Car-Sharing-Fahrzeug, sondern ein liebevoll gepflegter historischer Zweisitzer gewesen wäre? Oder die umgekehrte Konstellation: Der Öko-Fuzzi mit dem To-Go-Smart gegen die im Halteverbot parkende Mercedes-Benz GL-Klasse?
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Bild: © M. Großmann / pixelio.de
Einstellung statt Freispruch
Ein charakterisches Beispiel aus der alltäglichen Praxis der Strafjustiz.
Irgendwas passiert. Nichts Genaues weiß man nicht. Belastbare Beweise für den Hergang fehlen. Keine Zeugen, keine Aufzeichnung, kein Sonstwas.
Wie in diesem Fall
Eine Rollstuhlfahrerin reklamiert das Verhalten eines Busfahrers. Die Staatsanwaltschaft gießt ihre Strafanzeige in eine Anklage wegen Körperverletzung, Unfallflucht und unterlassener Hilfeleistung.
Über die Beweisaufnahme schreibt der Tagesspiegel:
Vor Gericht standen Aussage gegen Aussage.
Eben weil Beweise – mit Ausnahme der Zeugenaussage der geschädigten Rollifahrerin – dem Bestreiten des Busfahrers nicht gegenüberstanden.
Also: In dubio pro reo? Im Zweifel für den Angeklagten?
Die Antwort gibt der Tagesspiegel:
Nach einer Beratung verkündete die Richterin, alle Prozessbeteiligten hätten sich auf eine Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Auflage geeinigt. 1700 Euro soll L. zahlen, davon 500 Euro an die Rollstuhlfahrerin. 1200 Euro gehen an einen gemeinnützigen Verein.
Warum kein Freispruch, wenn der Tatnachweis nicht zu führen ist?
Liegt es daran, daß alle Rollifahrer gut sind und alle Berliner Busfahrer ruppig? Oder liegt es an dem zweiten Satz eines Urteilstenors:
- Der Anklagte wird aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen freigesprochen.
- Die Kosten des Verfahren und die notwenigen Auslagen des Angeklagte trägt die Landeskasse.
Als Verteidiger kann ich einerseits verstehen, daß der Busfahrer sich auf einen solchen Handel einläßt. So ein – öffentliches – Verfahren ist kein Ponyhof. Und das Risiko, dennoch – vielleicht sogar erst in der Berufungsinstanz – verurteilt zu werden, was verbunden sein würde mit erheblichen Folgen in seinem Beruf und für seine Fahrerlaubnis, ist ganz real vorhanden.
Aber andererseits: Es gibt keine Beweise für die Schuld. Also was denn dann außer Freispruch?
Unser Kollege Thomas Kümmerle hat gestern in einer anderen Sache einen Freispruch für seinen Mandanten erkämpft, nachdem er ihm dazu geraten hat, sich nicht auf einen Kuhhandel am 1. Hauptverhandlungstermin einzulassen. Einstellung gegen Zahlung einer Auflage, weil die Beweislage zu dünn war. In seinem Fall hatte dann sogar die Staatsanwaltschaft am 3. Hauptverhandlungstermin den Freispruch beantragt.
Was ich sonst noch zu sagen hätte zu dem Verhalten der Justiz, wenn sich der Anklagevorwurf nicht bestätigt, kann man hier nachlesen.
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Bild (Ausschnitt): © Henning Hraban Ramm / pixelio.de
Der Kreuzberger Kampfradler
Noch ein Thema, das sich für einen Blogbeitrag am Sonntag eignet: Fahrrad-Aktivisten.
Von ihrer Anlage her sind das zunächst erst einmal ganz normale Fahrradfahrer. Es gibt aber einige, die das unmotorisierete Zweirad nicht nur als Mittel zur Fortbewegung sehen, sondern eine Lebenseinstellung damit verbinden. Das führt dann schon einmal dazu, daß alles was das Radfahren einschränkt, zum Angriff auf das eigene Leben stilisiert wird. Und dementsprechend verteidigt werden muß. So entsteht eine Art Fundamentalismus.
Kreuzberg ist ein Territorium, in dem viele von diesen Aktivisten pedalieren. Sie haben erreicht, daß endlich eine Hauptverbindungsroute zwischen unserer Kanzlei und dem Kriminalgericht fahrradfreundlich gestaltet wird. Seit ein paar Tagen gibt es auf der Skalizer- und Gitschiner Straße einen weißen Strich auf der Fahrbahn, der einen – benutzungspflichtigen – Radweg vom Autoverkehr trennen soll. Eine grundsätzlich feine Sache, muß ich doch jetzt nicht mehr Umwege in Kauf nehmen, wenn ich mit Rad zur Arbeit fahre und dem Autolärm nicht auf die Ohren haben will.
Radwege schaffen Freiräume, aber nicht nur für Radfahrer, sondern auch für Autofahrer, die irgendwo parken müssen, wenn sie nicht mehr Autofahren wollen. Dann kriegen die aktivierten Biker erhöhten Puls, aber so richtig. Und der äußert sich dann in organisierter Form, über die man dann die Welt via Twitter informiert.
Endloses Warten auf die Polizei und kein Vorbeikommen. #gitschinerstraße #nichtdafürdich @Poliauwei @polizeiberlin #radfahrersindunwichtig @SenUVKBerlin #radlandjetzt @ADFC_Berlin pic.twitter.com/sKZSg39eYq
— Volksentscheid Rad (@radentscheid) 16. Dezember 2017
Was mir sofort aufgefallen ist: Der Supersportler auf der Tacx-Rolle fährt durch die automobile Rush Hour ohne Helm! Selbstverständlich habe ich das sofort reklamiert.
Zieh Dir erstmal einen Helm auf, wenn Du mit dem Rad unterwegs bist. Was sollen den die Kinder denken?! #SchlechtesVorbild
— Kanzlei Hoenig (@KanzleiHoenig) 16. Dezember 2017
Das geht ja nun gar nicht, vor den großen Augen der kleinen Kinder ein schlechtes Vorbild abzugeben! Aber auch diese nur gut gemeinte Warnung empfindet der gemeine Fahradfundamentalist als lebensbedrohlich (s.o.) und fordert mich unter Beifall seinesgleichen zur sofortigen Rechtfertigung meiner desaströs-diskriminierenden Rechtsansicht auf:
Liebe Kanzlei Hoenig, als Anwalt sollten sie sich mit der StVO auskennen. Zeigen sie uns doch bitte den Passus mit der Helmpflicht.
— Volksentscheid Rad (@radentscheid) 16. Dezember 2017
Ok, es ist manchmal anstrengend, mit dem Rad zu fahren. Und ich möchte mir nicht ins eigene Gesicht schauen, wenn ich mein MTB den Fimberpaß hochtrete.
Aber muß man hier im Berliner Flachland genauso verbissen sein?
Immer schon locker bleiben, Kampfradler. Aus einem verkniffenen Hintern kommt selten ein fröhlicher Furz!
Update:
Volksentscheid Rad @radentscheid hat mich blockiert, der humorlose Geselle.
In eigener Sache: eMail-Kurs repariert
Die Sicherung des Kanzleinetzwerks ist eine komplizierte Angelegenheit. Damit nicht jeder hier reingucken kann, betreiben wir einen recht hohen Aufwand. Bisher auch mit Erfolg. Und nicht zuletzt Dank hervorragender Unterstützung von Chef-Operator & Lebensretter Jan Kalf von Advoservice.
Da die Entwicklung der Technik auch nicht an uns vorbeigeht, werden wir regelmäßig mit frischer Hard- und Software versorgt. Das führt aber im Einzelfall aber auch schon mal zu Problemen.
So reklamierte eine Abonnentin unseres kostenlosen eMail-Kurses, daß plötzlich die Lektionen ausblieben. Ein Blick in den seit Jahren bei uns zuverlässig arbeitenden FollowUpMailer brachte keine Erkenntnis. Die Konfiguration des eMail-Servers war nicht nur unverändert, sondern auch korrekt. Trotzdem gingen die Testmails nicht raus.
Erst ein Blick in die Konfiguration der Portfilter unserer IT-Security-Soft brachte es ans Licht. Ein Mausklick und alles war wieder gut.
Wir können nun gern weitere Kurs-Anmeldungen entgegen nehmen. Kostet nix, bringt aber viel, wenn man mal (ausnahmsweise!) in einer Bußgeldsache auf einen Verteidiger verzichten will. Ist wesentlich einfacher als so ein Kanzleinetzwerk sicher zu machen.
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Bild: © C. Nöhren / pixelio.de
Alpi ist gestartet
Die Staatsanwaltschaft hat Alpi wegen Mordes angeklagt. Seit dem 12.12.2016 wird nun vor dem Landgericht Bremen über diesen Anklagevorwurf verhandelt.
Alpi soll im Juni 2016 einen betagten Fußgänger angefahren haben. Darüber hatte ich bereits berichtet.
Der Mann sei trotz Rotlicht der Fußgängerampel über die Straße gegangen. Den Unfall hat Alpi mit einer Helmkamera aufgezeichnet. Er soll wieder mal einen Film für seine Youtube-Plattform gedreht haben. Der Fußgänger starb an der Unfallstelle, Alpi wurde ebenfalls schwer verletzt.
Die Staatsanwaltschaft unterstellt Alpi einen bedingten Tötungsvorsatz. Das bedeutet, er soll den Tod des Fußgängers „billigend in Kauf genommen“ haben. Die Indizien für diese Unterstellung leitet die Staatsanwaltschaft von der hohen Geschwindigkeit des Motorradfahrers ab. Auch die auf Youtube gut von Alpi selbst dokumentierten angeblichen wiederholten „groben“ Verkehrsverstöße und Beinaheunfälle seien ein deutlicher Hinweis darauf, daß Alpi …
… es billigend in Kauf [genommen hat], dass andere schwer verletzt werden oder gar sterben.
Sämtliche Youtube-Videos wurden dazu von den Ermittlern ausgewertet, nachdem sie sich wie 80.000 Abonnenten des YouTube-Kanals die Aufzeichnungen angeschaut und angehört haben. Daß Alpi mit diesen Filmchen nicht nur Fans unterhalten wollte, sondern auch über Werbeeinnahmen Einküfte erzielte, unterstützt die Argumentation der Strafverfolgungsbehörde.
Die Verteidigung wird zitiert mit dem Vortrag, Alip sei „nicht das Monster, als das er dargestellt wird“. Der 24-Jährige soll nach Darstellung eines Verteidigers …
… ein junger Mann [sein], der große Freude am Motorradfahren gehabt und dies möglicherweise übertrieben habe.
Das ist ein für mein Gefühl etwas zu entspanntes Argument, das bei der Frage „Tötungsvorsatz: Ja oder Nein?“ eher nicht weiterhilft. Die Verteidiger werden sich nach dem Eröffnungsfeuerwerk sicher stärker engagieren. Denn es steht einiges auf dem Spiel:
- Wenn (bedingter) Tötungsvorsatz, dann Mord, dann lebenslang.
- Wenn nicht, dann maximal 5 Jahre.
Entscheidend wird es also um ein Rechtsproblem gehen, mit dem sich Jurastudenten um Grundstudium herumschlagen müssen:
Die Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von der bewußten Fahrlässigkeit.
Weil das eben keine Rechenaufgabe ist, die zwingend nur zu einem richtigen Ergebnis führen kann, rechne ich ganz sicher damit: Dieses Problem aus dem allgemeinen Teil des Strafrechts wird mittelfristig den Bundesgerichtshof beschäftigen. Denn Alpi und seine Verteidigung werden genausowenig eine erstinstanzliche lebenslange Freiheitsstrafe akzeptieren wie die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung „nur“ wegen fahrlässiger Tötung oder gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Zumal bei letzterer Variante wegen des Mitverschuldens (Rotlichtverstoß!) des Geschädigten kaum die Maxmialstrafe ausgeurteilt werden dürfte.
Bleibt zu hoffen, daß bei der Strafkammer professionelle Richter sitzen, die sich von der kochenden Volksseele nicht beeindrucken lassen.
Schwimmfähiger Winkeladvokat
Es gibt Mandanten, die man nicht zufrieden stellen kann. Das endet dann mitunter im Streit. In dem geht es zuvörderst „um’s Prinzip“. Und dann auch noch um’s Geld.
Manchmal auch um relativ viel Geld.
So sieht die Rechnung eines Mandanten aus, die er dem Verteidiger nach Beendigung des Mandats geschickt hat:
Die Portokasse des Verteidigers reichte nicht aus, deswegen hat der Mandant seinen Verteidiger verklagt.
Aus dem zweiseitigen Schriftsatz des nun nicht mehr anwaltlich vertretenen Mandanten, mit dem er seine Klage begründet:
… gaukelte der Wahrheit zuwider vor, dass er fähig sei, in einem Strafverfahren … tätig zu werden.
… die wiederholte anwaltliche Falschberatung
… groteske Vertretung in zwei Terminen vor dem Amtsgericht
… anwaltlich … falsch beraten
… nicht im Ansatz mit der Materie vertraut gemacht
… erbarmungswürdig grob pflichtverletzend einen erheblichen Schaden verursacht hat
… groben Pflichtverletzungen
… mit seiner notleidenden anwaltlichen Falschberatung
… selbsternannter „Winkeladvokat“, der nicht über die nötige Expertise verfügt – die er aber vorgaukelt zu besitzen
… mehrfachen und wiederholten Pflichtverletzungen
Ein wenig zum Hintergrund.
Das Vorstrafenregister des Mandanten hatte den Umfang einer mittelstädtischen Bibliothek, überwiegend Delikte aus dem 22. Abschnitt des StGB, aber auch ein paar Mal aus dem StVG: Fahren ohne seine 1995er Fahrerlaubnis, die man ihm 1998 entzogen hat. Wegen übervollen Punktekontos.
Der aktuelle Tatvorwurf lautete:
Übersetzt:
Erst brutales Ausbremsen, dann „zu kleiner Penis“ und das alles ohne Fahrerlaubnis.
Fahrerlaubnisrecht am Hochreck
Wer sich mit dem Fahrerlaubnisrecht auskennt und um die Probleme „Deutscher mit Wohnsitz im Ausland, entzogene Fahrerlaubnis, Sperrfrist, ausländische Fahrerlaubnis, Umschreibung eines ausländischen Führerscheins in einen anderen ausländischen Führerschein und dann Umschreibung in einen deutschen Führerschein“ weiß, kann sich die Schwimmstunde im gerichtlichen Verfahren vorstellen.
Zwischenerfolg
Der unsinkbare Verteidiger hat schließlich mit heftigen Schwimmbewegungen eine große Welle gemacht und eine Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung eines kleinen dreistelligen Betrags erreicht. Der Mandant hatte zugestimmt, aber die Auflagenzahlung nicht geleistet.
This is the end
Dann kam die Ladung zur Fortsetzung des gerichtlichen Verfahrens. Der Verteidiger erhielt die Mandatskündigung und der Mandant ist in dem neuen Termin komplett abgesoffen. Er wurde zu einer gut vierstelligen Geldstrafe sowie einer nicht unbedeutenden Sperre für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis verurteilt.
Die Fortsetzung
Ich fürchte, zu den bisherigen Kosten des Strafverfahrens kommen jetzt noch die Kosten für die gescheiterte Klage …
Ergänzung
Ach so, hatte ich erwähnt, daß der Mandant die Honorarrechnung für die Verteidigung noch nicht vollständig bezahlt hat? Nein? Hat er nicht! Macht er aber später bestimmt noch. Wenn auch sicherlich nicht freiwillig. ;-)
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Bild: © Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de
Der ideale Mandant
Der Mandant hat ein Problem mit seiner Fahrerlaubnis. Es ist durchaus etwas kompliziert, weil das gute Stück Beziehungen zu drei verschiedenen Staaten hat, einer davon außereuropäisch.
Wir haben uns seit vergangenem Jahr alle Mühe gegeben, in die recht verzwickte Sach- und Rechtslage Grund zu bekommen. Und waren eigentlich schon auf dem besten Wege, eine höchst akzeptable Lösung für alle Beteiligten zu finden: Für das Gericht, die Staatsanwaltschaft, die Fahrerlaubnisbehörde, den Verteidiger und für den Mandanten.
Letzterer mußte da aber noch eine spontane Idee gehabt haben. Darüber informierte uns die Richterin:
Tja, nun kann der Verteidiger die Füße erstmal hochlegen und der Dinge harren, die da kommen werden. Ich ahne Fürchterliches …
Der Zufallsfund und die Fahrerlaubnis
Nichts ist mehr sicher, wenn die Polizei erst einmal in der Wohnung steht und einen Durchsuchungsbeschluß auf den Tisch legt. Auch nicht die Fahrerlaubnis.
Gegen den Mandanten wurde wegen einer kleineren Wirtschaftsstrafsache ermittelt. Eines frühen Morgens standen vier Beamte mit einem Beschluß des Amtsgerichts auf der Matte der elterlichen Wohnung. Das, wonach man gesucht hatte, hat man nicht gefunden. Nur ein Plastiktütchen mit ein paar getrockneten Pflanzenteilen, im alten Jugendzimmerschrank. Das war dann das Erfolgserlebnis für die Durchsuchungsbeamten, das ihnen den Tag gerettet hatte.
Ich konnte den Mandanten aber beruhigen. Das Wirtschaftsstrafverfahren wurde eingestellt und nun wird noch wegen dieses vergammelten Rauchkrauts ermittelt. Im Zusammenhang mit dem Strafverfahren wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz wird es viel Rauch um nichts geben; das wird auch in Brandenburg nicht zur nachhaltigen Beeinträchtigung des Mandanten führen.
Aber das hier führt zu erheblichen Kopfschmerzen (die Hervorhebungen sind von mir. crh):
Diese Mitteilung ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwischen dem Mandanten und der Fahrerlaubnisbehörde.
Und sie führt zu einer Vertretung durch den Fachanwalt für Verkehrsrecht Tobias Glienke in dem sich nun anschließenden Verfahren, mit dem die Entziehung der Fahrerlaubnis eingeleitet wurde.
Wenn es dem Mandanten nicht gelingt, die erweckten Zweifel der Behörde an seiner Geeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen zu zerstreuen, darf er sich nach den Preisen für die Monatskarte der Deutschen Bahn erkundigen. Die finanziellen Aufwendungen für die Zerstreuung hat er von uns erfahren: Sie liegen im vierstelligen Bereich.
Also, Vorsicht: Der Besitz auch von geringen Mengen Cannabis kann ernsthaft teuer werden. Selbst dann, wenn das uralte Marihuana im längst geräumten Kinderzimmer gefunden wird.
Strafbarer Sprung vor die Münchener S-Bahn
Kann ein Suizidversuch eigentlich strafbar sein? Wenn man dem Urteil des Amtsgericht München vom 27.06.2014 – 122 C 4607/14 – folgen möchte, dann kann sowas durchaus eine Geld- oder Freiheitsstrafe nach sich ziehen.
Folgender Fall lag der Entscheidung zugrunde:
Eine 23-jährige Frau warf sich vor die S-Bahn. Dadurch kam es zu einem Unfall, den die Frau überlebte. Die Triebwagenführerin erlitt aufgrund dieses Erlebnisses einen erheblichen psychischen Schock und leidet seitdem an einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Das reichte der Zivilrichterin für einen Schadensersatzanspruch der Lokführerin gegen die Lebensmüde. Dazu heißt es in der Pressemitteilung 20/15 vom 24. April 2015:
Das Gericht stellt fest, dass die Beklagte durch ihren Suizidversuch bei der Klägerin eine Körperverletzung verursacht hat. Die psychische Fehlverarbeitung des Unfalls durch die Zugführerin sei eine ganz typische Reaktion auf Unfälle dieser Art und durch das Ereignis ausgelöst. Für die Beklagte sei vorhersehbar und erkennbar gewesen, dass sie bei dem Sprung vor den einfahrenden Zug bei dem Zugführer einen psychischen Schaden verursacht.
Diese Feststellung begründet obendrein zumindest einen Anfangsverdacht, der für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ausreichen sollte; denn eine zivilrechtliche Körperverletzung hat sehr große Ähnlichkeit mit einer strafrechtlichen.
Mich würde es nicht überraschen, wenn irgendein bayerischer Staatsanwalt nun auf die Idee käme (gekommen ist?), und tatsächlich auf einen roten Akten-Deckel den Namen der Überlebenden schreibt. § 229 StGB – die fahrlässige Körperverletzung – wäre sicherlich eine Option für die Strafverfolgung; aber warum eigentlich dann nicht gleich auch – billigend in Kauf nehmen – den Vorsatz unterstellen, § 223 StGB? Und hinterlistig ist so ein Sprung vor eine S-Bahn bestimmt auch, § 224 I Nr. 3 StGB. Für die Verkehrsstrafrechtler ist auch noch etwas dabei: §§ 315, 315a StGB. Da ist sicher noch einiges zu machen …
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Bild: „S Bahn Muenchen“ von Usien