Verteidigung

Geschenkte Lorbeeren

530809_web_R_by_Marcel Erler_pixelio.deDer größte Erfolg stellt sich für einen Strafverteidiger immer dann ein, wenn es ihm gelungen ist, zugunsten seines Mandanten für ein faires und in den Grenzen des Rechts geführtes Verfahren gesorgt zu haben. Und zwar unabhängig vom Ergebnis. Eigentlich und theoretisch.

Uneigentlich und in der Praxis sieht es aber anders aus: Der vom Richter nach einer streitigen Beweisaufnahme verkündete Freispruch krönt die davor liegende Arbeit richtig. Sich stehend den Freispruch des eigenen Mandanten anzuhören, ist – losgelöst von aller Theorie – durchaus ein erhabenes Gefühl. Das Ergebnis ist also doch entscheidend.

Einen solchen Moment habe ich von einem Kollegen geschenkt bekommen, als ich auf meinen Termin beim Strafrichter am Amtsgericht wartete.

Der Kollege hatte um 13 Uhr einen Termin vor der Strafkammer des Landgerichts. Er wurde aber noch als Verteidiger in einer Sache vor dem Strafrichter gebraucht, auf den ich wartete. Die Sache am Amtsgericht hätte bereits um 12:30 Uhr beendet sein sollen, hat sich aber in die Länge gezogen. Erst um kurz vor 13 Uhr begann die Staatsanwältin mit ihrem Schlußvortrag. Sie beantragte 9 Monate für den Angeklagten.

In seinem – recht kurzen – Plädoyer entlarvte der Kollege die Argumente der Staatsanwältin als nicht stichhaltig und beantragte, seinen Mandanten freizusprechen. Der Mandant schloß sich seinem noch stehenden Verteidiger an und dann, anstatt sich wieder an seinen Tisch zu setzen, bat der Verteidiger mich quer durch den Saal, ihn bei der Urteilsverkündung zu vertreten. Es gab noch eine ganz kurze Abstimmung zwischen seinem Mandanten, dem Richter und mir … dann sah man ihn in wehender Robe den Saal verlassen.

Ich hatte gerade noch Zeit in der Beratungspause, mich dem mir anvertrauten, aber doch sehr aufgeregten Mandanten etwas ausführlicher vorzustellen und ihm noch die letzte Tips zum Verhalten bei der Urteilsverkündung zu geben. Dann kam der Richter schon aus dem Beratungszimmer und verkündete:

Im Namens des Volkes ergeht folgendes Urteil:
1. Der Angeklagte wird freigesprochen.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.
3. Bitte nehmen Sie Platz.

Ich glaube nicht, daß der Mandant auch nur ein Wort von den Urteilsgründen gehört hat, so erleichtert war er. Nicht vergessen hatte er aber, sich anschließend für die hervorragende Verteidigung herzlich und mit einem kleinen Tränchen im Auge zu bedanken.

Schade, daß der Kollege diesen Moment nicht genießen konnte. Ich aber auch nicht so richtig, denn es waren ja nicht meine Lorbeeren. Schön war’s aber trotzdem. Und den Dank leite ich gern weiter.

Bildquellenangabe: Marcel Erler / pixelio.de

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Vorlesung

Urkunden werden durch ihre Verlesung als Beweismittel in das Strafverfahren eingeführt. Auch Ergebnisse von DNA-Analysen. Zum Beispiel so etwas hier:

DNA-Analyse

Das sind dann die Momente, in der sich die Verteidigung recht entspannt zurücklehnen und Blogbeiträge schreiben kann. ;-)

Die Richter wechseln sich dann beim Vorlesen der gar nicht so wenigen Analysen ab; kein beneidenswerter Job, denn es kommt auf jedes Detail an. Auch und gerade hier auf die unscheinbaren Klammern. Gewissenhafte Richter wissen das und lesen jedes Komma, jeden Punkt und jede Klammer mit vor. Auch aus Rücksichtnahme auf die Entspannung der Strafverteidiger, die sonst blitzartig wieder aufrecht im Stuhl sitzen.

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Distanzgemindert

Seit 2008 ist Herr S. mein Mandant. Er sitzt seit dieser Zeit in der Psychiatrie, im Maßregelvollzug. In den letzten anderhalb bis zwei Jahren hatte er sich gut entwickelt. Er wurde sukzessive „gelockert“ und es stand der Wechsel in ein betreutes Wohnen außerhalb der Klinik unmittelbar bevor.

Diese Mitteilung der Klink an mich deutet darauf hin, daß es mit weiteren Lockerungen eher düster aussieht, jedenfalls in absehbarer Zeit.

Sicherungsmaßnahme

Der Mann ist 26 Jahre alt. Er war 21 als er verhaftet und eingeliefert wurde. Bis dahin hatte er eine klassische Heimkarriere hinter sich. Seine Mutter hatte (unter anderem) ein Alkoholproblem, auch während der Schwangerschaft. Sie ist schon seit über zwei Jahrzehnten Patientin einer anderen Psychiatrie im Südwesten der Republik.

Herr S. hatte im Grunde nie eine reelle Chance auf ein freies und selbstbestimmtes Leben.

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Die Mühle der Staatsanwaltschaft

Der Satz mit der Bearbeitungsgeschwindigkeit der Mühlen bei der Staatsanwaltschaft ist bekannt. Hier findet er sich wieder, eine frisch fertig gestellte Anklageschrift mit dem Aktenzeichen aus einem vergangenen Jahrzehnt:

Die Mühle der Staatsanwaltschaft

Aber der Umfang von 80 Seiten ist ja nicht auch mal eben an einem Freitagnachmittag zusammen geschrieben.

Und lesen tut sich das Unding auch nicht von alleine. Aber der Strafverteidiger hat – Dank des Regenwetters am Samstagnachmittag – dazu deutlich weniger als vier Jahre gebraucht.

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Streunende Telefonüberwachung

Die beste Quelle zur Generierung von neuen Mandaten für Strafverteidiger ist die Telefon-/Telekommunikationsüberwachung (TÜ oder TKÜ). Kluge Straftäter (dazu gehört Frau Merkel nicht!) wissen das und vermeiden Telefongespräche. Oder sie führen sie von Anschlüssen aus, die den Überwachern nicht bekannt sind.

Das Problem dieser Konstellation für den Telefon-Junkie ist jedoch seine Erreichbarkeit. Irgendwie muß er seinen Gesprächspartnern ja die neue Nummer mitteilen; sonst ruft ihn ja kein Mensch an. Und genau das ist die Sollbruchstelle, über die die Ermittler an die neue Nummer kommen. Sie überwachen auch die Telefone der bisherigen Gesprächspartner und warten ab, bis die neue Nummer mitgeteilt wird. Klappe zu, Affe tot.

Das war dem Mandanten aber irgendwie bekannt. Und er hatte eine Idee. Die Ermittlern kannten aber auch gleich die Gegenmaßnahmen. Aus einem Ermittlungsbericht:

Auf Grund der bei der laufenden TKÜ gewonnenen Erkenntnisse bezüglich des Beschuldigten Wilhelm Brause wurde bekannt, dass dieser eine türkische Mobilfunknummer nutzt, um mit weiteren Tatbeteiligten zu kommunizieren. Die folgend genannte Rufnummer ist aktuell vom Beschuldigten in der Türkei genutzt worden, um mit seinen Geschäftspartnern in Deutschland zu kommunizieren. Dazu legte er eine Rufumleitung auf die türkische Mobilfunknummer vom überwachten Anschluss. Es ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte diese türkische Mobilfunknummer auch in Deutschland nutzt.

Das war der erste Schritt. Es stellt sich für den TÜ-Abwehr-Laien nun die Frage, wie kommt man nun an die Überwachung des türkischen Anschlusses, ohne daß man vorher monatelang die diplomatischen Kanäle bemühen muß? Ganz einfach, sagt der Profi, man stellt einen

Antrag:

Aufgrund des bekannten Gesamtsachverhaltes beantrage ich, einen Beschuss gern. § 100 a StPO für die
Mobilfunknummer 0090 ******* 007
Inhaber: nicht bekannt
für den Zeitraum von 3 Monaten

Nutzer: Wilhelm Brause

Provider: Roaming
Alle deutschen Netzbetreiber

  • Telekom Deutschland GmbH
  • Telefonica 02 GmbH & Co. OHG
  • Vodafone D2 GmbH
  • E-Plus Mobilfunk GmbH

Der Umweg über das nicht-europäische Ausland war schon kein dummer Gedanken. In diesem Fall nur waren die Ermittler aber noch ein kleines Stückchen weniger dumm. Deswegen habe ich hier ein neues Mandat bekommen. 8-)

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Eine hausgemachte Übersetzung mit Bordmitteln

Ein Telefonat unter vielen; vier dicke Akten-Ordner mit verschrifteten – also abgehörten und aufgeschriebenen – Telefonaten beschäftigen zur Zeit die Staatsanwaltschaft und die Verteidiger. Gesprächspartner waren jeweils Türken, allerdings aus unterschiedlichen Regionen.

Die einen haben ihr Türkisch in Deutschland gelernt, die anderen – zum Beispiel – in Armenien, einem Land unmittelbar östlich der Türkei. Entsprechend sind die Dialekte eingefärbt und die Sprachkompetenzen unterschiedlich. Aber wenn der Gesprächsgegenstand den Gesprächspartnern bekannt ist, versteht man sich sehr gut untereinander.

Bei den Ermittlungsbehörden arbeiten mittlerweile auch Beamte und Angestellte, deren Eltern und Großeltern muttersprachliche Türken sind bzw. waren. Aus Kostengründen übernehmen diese Mitarbeiter die Arbeit der Übersetzung solcher Telefonate.

Nun liegen hier solche hausgemachten und mit Bordmitteln zusammen geschraubte Verschriftungen vor. Hier eine Kostprobe:

Übersetzer

Man merkt recht schnell, daß hier der Inhalt so wiedergegeben wurde, wie der behördliche Migrant es verstanden haben will. Wenn es dann aber auf den exakten Inhalt der Gespräche (und nicht so sehr auf den Wortlaut) ankommt, ist sehr schnell die Grenze zur Verwertbarkeit erreicht. Die fehlenden Worte … waren die nun wichtig, oder kann man darüber hinweg sehen?

Zwei Sätze, die sich nur um ein einziges Wort unterscheiden, machen im Einzelfall schon einmal den Gegenwert für ein paar Jahre Freiheitsstrafe aus:

Ich arbeite nicht mehr mit ihm zusammen.

oder

Ich arbeite nicht mit ihm zusammen.

Während im ersten Satz auch mitgeteilt wird, daß zuvor eine Zusammenarbeit (Strafjuristen reden dann von Mittäterschaft) stattgefunden hat, ist genau dieses kollusive Zusammenwirken in der zweiten Übersetzung nicht belegt.

Das Beispiel macht deutlich, daß es dann wohl in der gerichtlichen Beweisaufnahme auf Folgendes hinauslaufen wird:

  1. Die Telefongespräche müssen im Original angehört werden.
  2. Dann werden sie von einem kompetenten Dolmetscher zuerst in der Originalsprache aufgeschrieben.
  3. Danach erst erfolgt die Übersetzung.
  4. Und wenn es diese beschriebene Mischung aus Deutsch-Türkisch-Armenisch ist, wird eine sachverständige Analyse des Inhalts wohl auch noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen.

Die Frage, die sich stellt: Hat man beim Einsatz der zweisprachigen Bordmittel im Ermittlungsverfahren nicht am falschen Ende gespart? Eine echte Alternative sehe ich allerdings auch nicht so richtig.

Allerdings sollten die Leser solcher hausgemachten Telefongesprächsinterpretationen stets jenes Moment berücksichtigen, das unter dem Kapitel „tendenziöse Ermittlungen“ zu fassen wäre. Denn welche Tendenzen in einem Steuerstrafverfahren ein Steuerfahnder hat, dürfte jedem Berufspendler bekannt sein, der schon einmal versucht hat, seine Fahrtkosten beim Lohnsteuerjahresausgleich geltend zu machen-

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Psychiater-Talk

Die taz berichtet über eine Talk Show, die unter anderem die Qualität von psychiatrischen Sachverständigengutachten in Gerichtsverfahren zum Gegenstand hatte.

Der Artikel zitiert die Psychiaterin Hanna Ziegert aus München:

„Ich weiß nicht, ob ich mich wirklich begutachten ließe“, sagt sie und führt dann aus, dass es zahlenmäßig nur wenige Gutachter in Deutschland gibt.

„Jeder Gutachter hat einen Ruf und nach diesem Ruf wird er von der Staatsanwaltschaft und den Richtern gewählt“, so Ziegert. „Je nach dem, welches Ergebnis ich erreichen will, wird der Gutachter danach ausgewählt.“ Auch seien viele Gutachter, die darüber hinaus keine Aufgaben hätten, finanziell von Aufträgen der Gerichte abhängig. „So ein Gutachter wird darauf achten, dass er nicht in Ungnade fällt“, so Ziegert.

Das sei jedem, der in der Branche arbeitet, bekannt.

Damit ist sicher nicht nur die Branche der Neurologen und Psychiater, sondern auch die der Strafjuristen gemeint.

Aus den von Dr. Zieger genannten (oft) zutreffenden Gründen wird ein erfahrener Strafverteidiger sich stets darum bemühen, auf die Auswahl des Sachverständigen Einfluß zu nehmen. Denn nicht in wenigen Fällen ist es so, daß die Gutachter de facto das Urteil schreiben und nicht das Gericht.

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Die Beißhemmung und Richter K.

KG 3 Ws (B) 246_13_geschwärztWer sich mit den Aktenzeichen der Berliner Strafjustiz auskennt, wird wissen, daß das Kammergericht in seinem Beschluß vom 12. August 2013 einmal mehr Richter K. aus der Abteilung 290 vor der Flinte hatte.

In einer Ordnungswidrigkeitensache hatte der Verteidiger die Verlegung des Gerichtstermins beantragt. Hintergrund war seine Verhinderung, die er anwaltlich versicherte. Richter K. setzte sich über diese Glaubhaftmachung hinweg und verwarf den Einspruch nach nach § 74 Abs. 2 OWiG, weil weder die Betroffene, noch der Verteidiger zu dem Termin erschienen waren.

Trocken betrachtet hat das Kammergericht zum wiederholten Male bestätigt, daß die anwaltliche Versicherung als Mittel zur Glaubhaftmachung grundsätzlich ausreicht. Nichts Neues, eigentlich kein Blogbeitrag wert.

Spannend an dem Beschluß (KG 3 Ws (8) 246/13 – 122 Ss 74/13 (12.08.2013)) sind aber zwei Textpassagen, die ziemlich deutlich die Qualität der Arbeit des Richters sowie sein persönliches Verhältnis zur richterlichen Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) widerspiegeln:

Der Tatrichter [Richter K.] hat den Antrag des Verteidigers der Betroffenen auf Verlegung des Hauptverhandlungstermins am 2. April 2013 aus sachfremden und nicht nachvollziehbaren Gründen abgelehnt und ihr dadurch den ersten Zugang zum Gericht genommen.

Ein Richter, dem die Rechtsmittelinstanz eine sachfremde und nicht nachvollziehbare Motivation für seine Entscheidungen bescheinigt, hat es schon weit gebracht.

Aber das Kammergericht setzt noch einen oben drauf:

Dies ist weder mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens noch der dem Tatrichter gegenüber der Betroffenen obliegenden Fürsorgepflicht vereinbar, willkürlich und verletzt diese in Ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

Der kammergerichtliche Willkürvorwurf, dem sich im Übrigen Richter K. nicht zum ersten Male ausgesetzt sieht, trägt ernsthaft gefährliche Züge.

Die Entscheidungen der Abteilung 290 des Amtsgerichts Tiergarten sind insoweit vorhersehbar. Ich frage mich nur, warum Richter K. nicht vorhersieht, welches gefährliches Ende solche Entscheidungen für ihn nehmen könnten.

Es ist ganz bestimmt nicht das Ansinnen der Verteidiger, die regelmäßig Bußgeld- und Verkehrsstrafsachen beim AG Tiergarten verteidigen, einem Richter die Pension wegzuschießen. Aber wenn ein Richter sich immer wieder in dieser Art schlicht daneben benimmt, dann setzt irgendwann einmal die Beißhemmung aus.

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Keine Auslandszustellung auf dem Ponyhof

Es gibt Zeugen, der nicht in unmittelbarer Nachbarschaft des Gerichts wohnen. Auch solche Zeugen müssen förmlich geladen werden, z.B. weil die Verteidigung einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat und ohne den Zeugen nicht auszukommen ist.

Die Zustellung einer Ladung kann aber nicht durch eine deutsche Behörde erfolgen, sondern wird in der Regel auf dem Wege der Amtshilfe erledigt. Das bedeutet, die deutsche Behörde bzw. das deutsche Gericht beantragt (sic!) bei der ausländischen Behörde die entsprechende Zustellung.

Wie das im Einzelnen funktioniert, ist in den meisten Fällen den Gerichten nicht bekannt; sie fragen daher beim Bundesamt für Justiz – Referat Auslieferung, vollstreckungs- und Rechtshilfe, Europäisches Justizielles Netz in Strafsachen – nach.

Nachfolgend ein Auszug aus einer Antwort des Bundesamtes, die über das Landesjustizministerium an das Amtsgericht übermittelt wurde:

Könnten Sie das AG unterrichten, dass die zustellungsdauer in Indien zwar nicht genau beziffert werden kann, aber mindestens mit mehreren Monaten (weit über 6) bis Jahren zu rechnen ist?

Der Rechtshilfeverkehr mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ist im Moment so gut wie zum Erliegen kommen. Alle übersandten Zustellungsersuchen aus dem Jahr 2011 wurden zwar zeitnah zurückgesandt, aber angeblich aufgrund ungenauer Adressangabe nicht erledigt.

Sollte das AG ein Ersuchen ins Auge fassen, so ist zu beachten, dass bei einem Ersuchen um Zustellung von Schriftstücken die volle Anschrift (Angabe des Wohnsitzes/des Wohnortes des Zustelladressaten sowie dessen Telefonnummer [der Arbeitstelle und MobiltelefonnummerJ angegeben werden muss, die Postfachnummer allein reicht nicht.

„Schnelle“ Erfolgsaussichten für eine Zustellung sind somit in beiden Ländern nicht gegeben.

Soweit der Standardtextbaustein. Es gibt weitere Erläuterungen der deutschen Botschaft in Abu Dhabi:

In den vereinigten Arabischen Emiraten gibt es kein postleitzahlensystem und nur eingeschränkt Straßennamen und Hausnummern. Für eine erfolgreiche zustellung ist daher eine möglichst genaue Beschreibung der Empfängeradresse, inkl. stadtteil, Gebäudenamen, stockwerk, Appartment Nr. und ggf. nahe gelegenem Orientierungspunkt (z.B. Bank. Supermarkt, Moschee etc.) erforderlich.

Zustellungen an P.O. Boxen (postfächer) sind nicht möglich. Eine Telefonnummer des Empfängers kann die Arbeit des Gerichtszustellers erleichtern.

Besser kann man es nicht beschreiben. Es wir zwar hier für die zukunft angedacht, ein postalisches system mit Adressen einzuführen, aber das ist noch nicht spruchreif, ob es überhaupt umsetzbar sein wird. Entsprechende Studien werden derzeit durchgeführt. Festzuhalten bleibt, dass man hier nur durch physische zusätzliche Beschreibung des zustellungsortes etwas erreichen kann.

Zustellungen im Ausland – insbesondere außerhalb Europas – sind etwas für Erwachsene. Mit allen Vor- und Nachteilen für alle Prozeßbeteiligte. Sie stellt an das Strafgericht erhebliche Anforderungen. Als Verteidiger muß man die Probleme sehen und im Einzelfall entscheiden, ob mit Beweisanträgen, die den Auslandszeugen zum „Gegenstand“ der Beweisaufnahme machen wollen, der Ponyhof verlassen werden soll … oder besser doch nicht.

In dem Fall, aus dem ich diese Zitate entnommen habe, konnte der Vortrag der Verteidigung nicht widerlegt werden. Hier führte der Antrag aus Sicht des Angeklagten zum Erfolg.

Nebenbei:
Die selben Anforderungen gelten auch für die Zustellung einer Ladung des Angeklagten. Aber das ist ein (höchst spannendes) Thema, auf das ich noch an anderer Stelle zu sprechen kommen werde.

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Bayerischer Elfmeter ohne Torwart

609820_web_R_K_by_Benjamin Wiens_pixelio.deDas Ermittlungsverfahren gegen Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung ist noch nicht abgeschlossen, die Anklage noch gar nicht erhoben, aber schon rauscht es in der Litigation PR, was hinten an Bestrafung rauskommt.

Für die zwei, drei Unwissenden unter den Lesern vorab eine kleine Notiz am Rande: Die Strafe wird durch ein gerichtliches Urteil festgesetzt, nicht durch die Staatsanwaltschaft und auch nicht durch Medienvertreter.

Letztere tönen aber schon herum: Zwei Jahre sollen es werden. Denn nur wenn es nicht mehr wird, kann Herrn Hoeneß noch in den Genuß kommen, daß das Gericht (nicht die Staatsanwaltschaft und nicht der Spiegel) prüft, ob die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Eine Bewährung kommt aber auch nur dann in Betracht, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Nachzulesen in § 56 Abs. 2 StGB. Aber das bekommt man ja dann auch noch hin.

Der Bundesgerichtshof hat 2012 allerdings ein paar Pflöcke gesetzt, die zwischen der Höhe der hinterzogenen Steuern und der verwirkten Freiheitsstrafe eine feste Verbindung herstellen sollen: Liegt die Hinterziehung noch im sechsstelligen Bereich, dürfen es demnach noch zwei Jahre sein. Ab einer Million Euro hinterzogener Steuern geht’s dann über die zwei Jahre hinaus. Sagt der 1. (Bayern-)Senat des BGH in seinem Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11.

Nun hat Herr Hoeneß Glück, daß die Zeit für ihn gearbeitet hat. Ein Teil der Straftaten – also die Nichtabführung von erwirtschaftetem Geld an die Gemeinschaft z.B. für den Ausbau von Kindergärten – wird nicht mehr verfolgt, weil sie in verjährter Zeit begangen sein sollen. Das führt den Medienberichten zufolge zu einem noch „strafbaren“ Betrag, der knapp unter der Bewährungsgrenze liegt.

Nun gut, aber es gibt eine weitere Möglichkeit für den Bayern-Präsidenten, um den Knast herum zukommen. Auch das wird bereits von den Journalisten kolportiert. Nämlich die Verhängung einer Geldstrafe neben der Freiheitsstrafe.

Ich vermute mal, daß es die Verteidiger des Herrn Hoeneß waren, die die Dunkelnorm des § 41 StGB ausgegraben haben. Die Vorschrift ermöglicht nämlich die Verhängung einer Geldstrafe neben Freiheitsstrafe, auch dann, wenn der einschlägige Straftatbestand eine Geldstrafe gar nicht (mehr) vorsieht. Oder vorsehen darf, weil der BGH (s.o.) das nicht will.

Die „Geldstrafe neben Freiheitsstrafe“ zielt auf solche Fälle, in denen der Täter über das Freiheitsstrafenübel hinaus am Vermögen getroffen werden soll, um eine nachhaltige spezialpräventive Wirkung herbeizuführen, erbringt also eine Flexibilisierung der Strafzumessung. Und bei dem Bayern mit seinen angeblich hinterzogenen Steuern von insgesamt rund 3,2 Millionen Euro („nur“ gut 2,3 Millionen seien verjährt) ist Flexibilität ernsthaft notwendig, wenn man ihm das Café Viereck ersparen möchte.

Flexibel denkenden Strafverteidigern ist der § 41 StGB allerdings gar nicht so unbekannt; jedenfalls dann nicht, wenn sie vor den Wirtschaftsstrafkammern der Landgerichte Erfahrungen gesammelt haben. Denn der wesentliche Anwendungsbereich dieser Norm ist die so genannte Wirtschaftskriminalität, und zwar in Konstellationen, in denen der Täter an sich eine nicht aussetzungsfähige Freiheitsstrafe verwirkt hat. Die zusätzliche Geldstrafe ermöglicht es dann nicht selten, die Freiheitsstrafe auf ein aussetzungsfähiges Maß „zu drücken“.

Und auch bei den in diesen Kreisen beliebten Verständigungen im Strafverfahren spielt § 41 StGB eine bedeutsame Rolle.

Wir erleben hier also am Rande die hohe Kunst der Strafverteidigung, die bei den Bayernfans in der Staatsanwaltschaft München II einen Elfmeter ohne Torewart schießen darf.

Aber, wie dargestellt, das allerletzte Wort, nach dem letzten Wort des dann anklagten Uli Hoeneß, hat das Gericht.

Bild: Benjamin Wiens / pixelio.de

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