Verteidigung

Der Zeugengrill: Högschd unangenehm.

Vielen Menschen gefällt es, andere Menschen „anzuzeigen“, damit sie mit einem Strafverfahren überzogen werden. In den Rechtsgebieten, in denen ich als Verteidiger unterwegs bin, sind es sehr oft zivilrechtliche Schadensersatzansprüche, die mithilfe der Strafverfolgungsbehörden durchgesetzt werden sollen.

Diese Anzeigeerstatter werden dann im weiteren Verlauf des von ihnen initiierten Ermittlungsverfahrens zu Zeugen, die mindestens einmal förmlich von der Polizei vernommen werden.

Das erfolgt meist in kahlen und ungemütlichen Amtsstuben, in denen der Vernehmungsbeamte die Aussage des vermeintlich Geschädigten mühsam in den Computer tippt. Den Kaffee, den man dort nicht angeboten bekommt, kann man ohnehin nicht trinken, wenn man noch über einen Rest Überlebenswillen verfügt.

Aber das geht ja noch alles. Denn an das Ermittlungsverfahren schließt sich dann (aus Sicht des Anzeigeerstatters: im günstigsten Fall) die Beweisaufnahme vor der Wirtschaftsstrafkammer oder der entsprechenden Abteilung beim Amtsgericht an. Auch dort gibt es keinen genießbaren Kaffee, sondern den Zeugenstand.

Beim Amtsgericht Pforzheim sieht der so aus:

Um den Zeugen herum sitzen mehrere schwarz berobte Juristen, von denen mindestens einer ziemlich grimmig aussieht: Das wird der Verteidiger sein.

Nachdem das Gericht und die Staatsanwaltschaft ihre Fragen losgeworden sind, darf dieser Verteidiger sich nun gemütlich auf seinem gepolsterten Stuhl zurücklehnen, und den quasi ungeschützt(!) mitten im Raum(!) stehenden(!) Zeugen ausführlich befragen. Um dann doch noch eine Frage zu stellen, bevor ihm einfällt, noch einmal die Aussagekonstanz zu prüfen und die ersten Fragen wiederholt, woraus sich dann Widersprüche ergeben, die hinterfragt werden müssen, ggf. auch von den anderen Beteiligten, die bequem an ihren Tischen auf Sesseln sitzen. Der Zeuge wird also erst gegrillt und dann in Scheiben geschnitten.

Ich würde es mir mehrfach überlegen, ob ich mich freiwillig einem solchem Martyrium aussetzen möchte …

Besten Dank an Rechtsanwalt Harald Stehr, Fachanwalt für Strafrecht, Göppingen für den Schnappschuss aus dem AG Pforzheim und das Attribut in der Überschrift.

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Bild „Grillgut“(CC0): moreharmony / via Pixabay

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Katastrophale Lügen der Angeklagten

In einer Strafsache, bei der mein Mandant mit einer Geldstrafe rechnen muss, geht es um die Höhe seines Einkommens und der Werthaltigkeit eines etwaigen vorhandenen Vermögens.

Mein Mandant bekommt nicht – wie zum Beispiel ein Richter – monatlich am Ersten im Voraus ein festes Gehalt (dessen Höhe man im Gesetz nachlesen kann). Sondern er verfügt über im Jahresverlauf stark schwankende Einnahmen.

Bei der Vorbereitung einer schriftlichen Stellungnahme möchte ich nun auch Angaben zur Person meines Mandanten und seinem Einkommen machen, um auf diesem Wege auch auf die Höhe des einzelnen Tagessatzes der Geldstrafe Einfluß zu nehmen.

Ich habe ein wenig recherchiert und bin auf einen Aufsatz von RiBGH Professor Dr. Peter König, (JA 2009, 809) gestoßen. Der professorale Bundesrichter, dem ich für die Anregung zu diesem Blogbeitrag danke, schreibt:

Der Angekl. hat das Recht zu schweigen. Er darf auch lügen. Davon wird in der Realität in breitem Umfang Gebrauch gemacht. Es entspricht einem geflügelten Wort, dass es um die soziale Lage Deutschlands katastrophal bestellt wäre, wenn seine Einwohner wirklich so arm wären, wie es nach den Einlassungen von Angeklagten vor den Strafgerichten den Anschein hat.

Was bleibt dem – im Zweifel überlasteten – Richter (in der Regel am Amtsgericht) also? Er müsste die Höhe des Einkommens ermitteln, und zwar wie jedes andere Detail auch, das er zur Grundlage seines Urteils machen möchte; die sogenannte Inquisitionsmaxime des § 244 Abs. 2 StPO gilt auch hier.

Aber der Richter darf insoweit auch den dicken Daumen bemühen, § 40 Abs. 3 StGB, vor allem dann, wenn er zugunsten des Angeklagten schätzt.

Entscheidend ist also, was der Angeklagte (Nota bene: nicht der Verteidiger!) dem Richter über seine finanzielle Situation berichtet. In den meisten Fällen geht ein Richter vom Guten auch im angeklagten Menschen aus und nimmt ihm die gelieferten Zahlen ungeprüft ab.

Das muss der Angeklagte wissen und genau das erzählt ihm sein Verteidiger. Denn der darf und wird nicht für seinen Mandanten schwindeln, auch wenn das immer mal wieder von bös- und ungläubigen Staatsanwälten und Richtern kolportiert wird.

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Bild (CC0): Schwerdhoefer / via Pixabay

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Frohe Botschaft für den Mandanten

Im November 2015 ist es der Verteidigung knapp gelungen, den Mandanten vor einem längeren Knastaufenthalt zu bewahren.

Das Gericht war davon überzeugt, dass der ehemalige Manager sogenannte „Scheinselbständige“ beschäftigt hatte; weil es um Beiträge in mittlerer sechsstelliger Höhe ging, die der Mandant angeblich nicht an die Sozialversicherungen abgeführt haben soll, hatte die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe oberhalb von zwei Jahren beantragt. Das Gericht ist jedoch den Argumenten der Verteidigung gefolgt und hat eine bewährungsfähige Freiheitsstrafe ausgeurteilt.

Die Bewährungszeit hat das Gericht auf drei Jahre festgesetzt. Das Urteil wurde rechtskräftig.

Weil nun die Gerichte grundsätzlich vergesslich sind, wenn irgendwas zugunsten des Gewaltunterworfenen zu entscheiden ist, habe ich nach störungsfreiem Ablauf der Bewährungszeit bereits Anfang November den Straferlass beantragt:

Daraufhin kam dann dieser freundliche Beschluss:

Über solche Erfreulichkeiten informiert ein Verteidiger natürlich gern seinen Mandanten:

Der Mandant hat sich entsprechend gefreut und sich für die „Frohe Botschaft“ herzlich bedankt.

Nebenbei:
Ich habe auch schon oft Mandate übernommen, die sich ausschließlich auf den Straferlass nach Ablauf der Bewährungszeit bezogen haben. Weil der ehemalige Verteidiger, der seinen Exmandanten im Hauptverfahren verteidigt hat, sich nach dessen Verurteilung nicht mehr um ihn und die Sache gekümmert hat.

Das ist nicht nur eine vertane Chance, sich beim Mandanten noch einmal positiv in Erinnerung zu rufen und beliebt zu machen. Sondern auch gefährlich. Denn stets dann, wenn der Mandant – wie die meisten – immer noch einer gefahrgeneigten Tätigkeit nachgeht, besteht das Risiko, dass die Strafaussetzung zur Bewährung auch nach Ablauf der Bewährungszeit noch widerrufen werden kann (z.B. nach § 56g Abs. 2 StGB).

Dann doch besser frohe Botschaften kurz vor den Festtagen verkünden …

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Bild: © Andrea Damm / pixelio.de

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Enttäuschendes Plädoyer

Es ist ein alt bekanntes Problem von Dienstleistern im Allgemeinen, von Strafverteidigern im Besonderen: Die Mandanten sind unzufrieden, obwohl die Leistung hervorragend war.

Dazu der folgende Fall:

Die Staatsanwaltschaft klagte eine Erpressung im besonders schweren Fall an. Die beiden Angeschuldigten hätten einen (ehemaligen) Vertragspartner zur Zahlung eines fünfstelligen Betrags bewegen wollen; dabei soll auch eine Schußwaffe eine Rolle gespielt haben. Dafür schlägt der Gesetzgeber eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren vor.

Die Anklage ging zunächst bei der Großen Strafkammer ein, weil nur dort Freiheitsstrafen von mehr als vier Jahren verhängt werden können. Das paßte zu der Strafmaßvorstellung der Staatsanwaltschaft.

Die Verteidigung im Zwischenverfahren …

… führte dazu, daß die Sache zum Schöffengericht „runter“ eröffnet wurde. Die Strafkammer meinte nämlich, die Strafkompetenz des Schöffengerichts reiche aus, da hier wahrscheinlich nur ein minderschwerer Fall des (einfachen) schweren Falls der Erpressung vorliegen dürfte, und zwar in Gestalt eines Versuchs. (Für die mitlesenden Jura-Junkies in Zahlen ausgedrückt: §§ 255, 249, 250 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB und nicht Abs. 2, und das Ganze dann als Versuch nochmals gemildert über §§ 22, 23, 49 StGB. Wenn Sie wissen, was ich meine. :-) ).

Mehr als vier Jahre sollten es also nach Ansicht der Verteidigung und der Strafkammer auf keinen Fall werden. Soweit also schon einmal ein erster Erfolg.

In der zweitägigen Beweisaufnahme …

… konnte die Verteidigung das Schöffengericht davon überzeugen, daß eine Waffe überhaupt keine Rolle gespielt hat. Und daß die Zahlungsforderung an sich gar nicht so unberechtigt gewesen war.

Am Ende kam dann eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen heraus, wegen einer versuchten Nötigung – statt 5 Jahre plus X, die es nach anfänglicher Ansicht der Anklagebehörde hätten werden sollen. Und trotzdem war der Mandant enttäuscht.

Was war passiert?

Der Mitangeklagte wurde von einem sehr erfahrenen Kollegen verteidigt, der ein so grandioses Plädoyer gehalten hat, daß sogar mein Mandant selbst von seiner Unschuld überzeugt war. Der Antrag auf Freispruch mußte einfach durchgehen, da führte nach der auf der Anklage- und Verteidigerbank vertretenen Ansicht kein Weg dran vorbei!

Und dann am Ende doch kein Freispruch, sondern die Verurteilung.

Ich bin mir aber sicher, daß die Welt nach ein paar Tagen und mit ein bisschen Sinn für die Realität wieder anders aussehen und der Mandant dieses Ergebnis als Erfolg feiern wird.

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Verteidigung in Steuerstrafsachen

Die Verteidigung in Steuerstrafsachen hat im Vergleich zu „normalen“ Strafsachen einige Besonderheiten.

Schwierig sind immer wieder die Verhandlungen mit den Ermittlungsführern bei den Straf- und Bußgeldstellen. Zumeist handelt es sich um den klassischen Beamten, der es gewohnt ist, Entscheidung nur streng nach Vorschrift und Dienstanweisungen zu treffen. Die Spielräume sind im Verhältnis zu denen von Staatsanwälten erheblich enger.

Da das Arbeiten in einem Finanzamt aber sehr stark reglementiert und strukturiert ist (sein muß?), sehen auch die (Ermittlungs-)Akten entsprechend aus. Und das wiederum erleichtert dem Verteidiger die Arbeit.

Solche wunderbaren Übersichten habe ich bisher fast nur in Steuerstrafsachen entdecken können:

Diese Akte ist nun ohnehin wegen ihres bescheidenen Umfangs recht übersichtlich. Aber solche Inhaltsverzeichnisse sind absolut hilfreich, wenn es sich um Verfahren handelt, die einen Aktenumfang haben, der sich auf mehrere Umzugskartons verteilt.

Nebenbei: Diese Ordnungsstrukturen finden sich auch in von den Steuerbehörden digitalisierten Akten wieder. Auch dort sehen die Akten mancher Staatsanwaltschaften aus wie Kraut und Rüben.

Es ist eben nicht alles schlecht, was vom Finanzamt kommt. :-)

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Wenn Zivilisten verteidigen

In einer mittleren Wirtschaftsstrafsache hat mich die bereits Angeklagte mit ihrer Verteidigung beauftragt. Und zwar aus der Untersuchungshaft heraus.

Hintergrund war das „Unternehmen in der Krise“ – auf dem Deckel standen die Klassiker: Nichtabführen von Sozialabgaben, Umsatz- und Lohnsteuerhinterziehung sowie Insolvenzverschleppung. Eigentlich nichts wirklich Bösartiges, für das man bei einer verständigen Verteidigung in den Knast müßte. Die bisher nicht bestrafte Mandantin saß aber eben genau dort.

Die Staatsanwaltschaft hatte das Ermittlungsverfahren aufgrund einer Strafanzeige eingeleitet, ein wenig ermittelt und dann vorübergehnd nach § 205 StPO eingestellt. Der Mandantin konnte nämlich irgendwann keine Post mehr zugestellt werden, Anfragen bei den Meldebehörden führten zu keinem Ergebnis und weitere in der Akte vermerkte Recherchen der Staatsanwaltschaft blieben erfolglos.

Eigentlich mehr aus Neugier beauftragte die Mandantin ihren langjährigen Familienanwalt mit der Akteneinsicht. Der Kollege, auf seinem Gebiet sicher ein Spezialist, meldete sich bei der Staatsanwaltschaft:

In der Strafsache
gegen Frollein F.
Aktenzeichen 999 Js 666/16
bestelle ich mich unter Vorlage anliegender anwaltlich beglaubigter Kopie einer
Vollmachtsurkunde vom 29.99.2017 für die derzeit in Taschkent befindliche F.

Uuuund zack:
Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlaß eines Haftbefehls wegen Flucht, § 112 II 1 StPO, dem der überforderte Ermittlungsrichter unbesehen stattgab, weil er den Staatsanwalt als stets zuverlässig arbeitend und persönlich kennt. Quasi parallel dazu erfolgte die Zustellung der Anklage an den insoweit zustellungsbevollmächtigten Rechtsanwalt.

Was – um Himmels Willen – bringt einen Anwalt dazu, ohne Kenntnis der Akte (der er die Brisanz der Nichterreichbarkeit seiner Mandantin problemlos hätte entnehmen können) ihren Aufenthalt im nicht-europäischen Ausland zu verraten (sic!).

Die Mandantin war nicht auf der Flucht, sondern aus geschäfltichen Gründen in Usbekistan, um sich wieder auf wirtschaftlich stabile Füße zu stellen. Was ihr auch gelungen wäre, wenn sie nicht bei ihrer Einreise nach Deutschland verhaftet worden wäre.

Warum hat er nicht schlicht geschrieben:

… zeige ich an, daß mich Frollein F. mit ihrer Verteidigung beauftragt hat und beantrage Akteneinsicht …

Fertig. Mehr muß nicht sein.

Nun aber eine Haftsache, die keine Haftsache hätte werden müssen, wie sich bei der mündlichen Haftprüfung dann auch herausstellte.

Augen auf bei der Verteidigerauswahl!

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Bild (CC0): Tumisu / via Pixabay

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Kein Rabatt für Verräter

Ein twitternder Kollege brachte eine – nicht nur bei Strafverteidigern – unbeliebte Rechtsnorm in Erinnerung:

Es geht um den § 31 BtMG, der einem Beschuldigten einen Strafnachlaß in Aussicht stellt, wenn er anderen Menschen belastet, also verrät.

Diese „Inaussichtstellung des Verräterrabatts“ bemühen sehr häufig bereits die ermittlenden Polizeibeamte, um damit einen Beschuldigte zur Offenbarung seines Wissens zu bewegen.

Diejenigen, an die sich dieses Angebot richtet, sollten wissen, was diese Norm anbietet.

Über den Nachlass entscheidet das Gericht. Nicht der Polizeibeamte und auch nicht der Staatsanwalt. Sondern erst ganz am Ende des Verfahrens ein Richter. Bis es dazu kommt, sind oft viele Monde vergangen, nicht selten Jahre. Was bis dahin passiert, steht in den Sternen.

Das Gericht kann eine Strafe mildern oder erlassen. Oder auch nicht. Von einem zwingenden Anspruch auf das Skonto steht da nichts. Es kommt also auch insoweit darauf an, mit welchem Bein der Richter, der über die Anwendung des § 31 BtMG entscheidet, morgens aus dem Bett aufgestanden ist.

Was passiert nach der Offenbarung des Wissens?

Der bis dato Beschuldigte, der erst einmal nur seine eigene Haut zu retten hat, wird nun obendrein auch noch zum Belastungszeugen in dem Verfahren gegen einen oder mehrere andere.

Der Offenbarer hat ab dem Zeitpunkt seiner Offenbarung zwei Jobs:

Er muß sich verteidigen und er muß bezeugen. Und das sind zwei gegenläufige Aufgaben.

  • Als Beschuldigter *darf* er aussagen, schweigen und grundsätzlich auch schwindeln.
  • Als Zeuge *muß* er aussagen, darf grundsätzlich nicht schweigen und wenn er schwindelt, wird er heftigst bestraft.

Noch ein Gedanke, den der potentielle 31er-Kandidat berücksichtigen sollte:

Derjenige, den er belastet, wird sich gegen die Vorwürfe verteidigen. Und das hat regelmäßig eine sogenannte Rückbelastung zur Folge. Was dabei am Ende herauskommt, ist ein Streit zweier Beschuldigter, über den sich die ermittelnden Dritten freuen.

Ein letztes Horror-Szenario, auf das ich meine Mandanten stets hinweise.

Der unbequemste Stuhl im Gerichtssaal, in dem Betäubungsmittelsachen verhandelt werden, ist der Zeugenstuhl. Auf dem sitzt der Verräter und muß die quälenden Fragen des Verteidiger des Verratenen beantworten. Das ist eine Situation, die mit einem Ponyhof aber überhaupt keine Ähnlichkeit mehr hat.

Es gibt viele weitere Gründe, weshalb ich meinen Mandanten regelmäßig davon abrate, sich zum Wasserträger der Ermittlungsbehörden zu machen. Der am Anfang versprochene Bonus erweist sich in der Regel am Ende als ein Malus.

Finger weg also vom 31; grundätzlich aber meine.

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Strafverteidigung, Beratungshilfe, Prozeßkostenhilfe

Der Beitrag von gestern zum Thema Zeithonorar motivierte die die Blog-Leserin Kristina, in einem Kommentar zu einer uns häufig gestellten Frage:

Vorneweg die knackige Antwort: Nein! Dieser Umkehrschluß ist falsch. Aus mehrerlei Gründen.

1. Beratungshilfe und Strafrecht

Die Beratungshilfe (BerH) ist im – na, wo? Richtig! – Beratungshilfegesetz (BerHG) geregelt. Nach § 1 BerHG gibt es finanzielle Unterstützung bei der Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, und zwar in allen rechtlichen Angelegenheiten. Also grundsätzlich auch im Strafrecht. Allerdings mit einer Einschränkung (§ 2 Abs. 2 S. 3 BerHG):

In Angelegenheiten des Strafrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts wird nur Beratung gewährt.

Es gibt also keine strafrechtliche Vertretung (oder gar Verteidigung), sondern nur warme Worte. Mehr kann es tatsächlich nicht geben, weil zu einer fundierten Beratung im Strafrecht die Akteneinsicht gehört – ohne Ermittlungsakte kann ein Verteidiger keinen konkreten Rat erteilen, weil er nicht weiß, was die Ermittlungsbehörde weiß. Eine Beratung bezogen auf ein konkretes Problem nur auf der Basis von Informationen des Ratsuchenden zu liefern, funktioniert nicht.

Die Besorgung der Akteneinsicht durch den Rechtsanwalt wäre allerdings dann schon keine reine Beratung mehr; deswegen werden die Kosten dafür auch nicht von der Beratungshilfe übernommen (OLG Bamberg, Beschl. v. 08.02.2016 – 4 W 120/15).

Um die Frage von Kristina zu beantworten: Wir leisten dennoch Beratungshilfe und zwar hier und dort. Und das ganz ohne die Selbstbeteiliung des Ratsuchenden in Höhe von 15 Euro (§ 44 RVG iVm Ziffer 2500 VV) zu verlangen und ohne, daß sich der Ratsuchende sich mühsam den Beratungshilfeschein beim Amtsgericht (§ 4 BerHG) abholen muß.

2. Prozeßkostenhilfe und Strafrecht?

Die Prozesskostenhilfe (PKH) – früher als „Armenrecht“ bezeichnet – ist in § 114 ZPO geregelt, der bedürftigen Klägern oder Beklagten eine finanzielle Unterstützung gewährt. Dadurch soll gewährleistet werden, daß auch arme Menschen Verfahren vor den Zivil-, Verwaltungs-, Arbeits-, Finanz- und Sozialgerichten, dem Bundespatentgericht sowie dem Bundesverfassungsgericht führen können. Die PKH ist also eine Art Sozialhilfe im Bereich der (meist Zivil-)Rechtspflege.

Für das Strafrecht gibt es bis auf wenige Ausnahmen (Nebenklage, Adhäsion …) keine Prozeßkostenhilfe. Jedenfalls bisher noch nicht.

3. Notwendige Verteidigung / Pflichtverteidigung

Die sozialstaatlich gewährte PKH wird nicht selten mit der notwendigen Bestellung eines Pflichtverteidigers verwechselt (so auch von der Fragestellerin Kristina). Eine Verteidigung ist nicht nur schon allein deswegen notwendig, weil der Beschuldigte kein Geld für den Verteidiger hat. Notwenig kann hingegen eine Verteidigung auch dann sein, wenn der Beschuldigte Dagobert Duck heißt und im Geld schwimmt.

Notwendig ist eine Verteidigung regelmäßig dann, wenn der Beschuldigte mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr rechnen muß. Dies wäre zum Beispiel bei einem Ladendiebstahl oder einer leichten Körperverletzung regelmäßig nicht der Fall, wohl aber bei einem Raub. Geregelt ist das alles in § 140 Strafprozeßordnung (StPO). Dort sind weitere Fälle der notwendigen Verteidigung beschrieben.

Wer sich das Zitat in einem vertiefenden Zusammenhang anschauen möchte, kann sich – kostenlos – hier beraten lassen.

4. Übernahme von Pflichtverteidigungen

Ich unterstelle einmal, die Frage von Kristina lautet eigentlich:

Übernimmt die Kanzlei Hoenig auch Pflichtverteidigungen?

Auch dafür habe ich eine knackige Antwort: Na klar doch!

Es gehört zum Selbstverständnis eines Strafverteidigers auch den Menschen zur Seite zu stehen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens aufgewachsen sind.

TL;DR

  • Beratungshilfe im Strafrecht ist sinnlos.
  • Prozeßkostenhilfe im Strafrecht gibt’s nicht.
  • Pflichtverteidigung ist keine Sozialhilfe. Sondern notwendig.
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Mandanteninformation zum Zeithonorar

Die Verteidigung gegen Vorwürfe insbesondere auf dem Gebiet des Steuer- und Wirtschaftsstrafrechts ist in der Regel nicht kalkulierbar. Weder die Folgen des Vorwurfs, noch der Umfang der erforderlichen Verteidigertätigkeit sind zu dem Zeitpunkt absehbar, in dem ein Beschuldigter seinen Verteidiger um Hilfe bittet.

Das sind ein paar der Gründe, warum ich die Vereinbarung eines Zeithonorars für notwendig, aber auch für fair halte. Ich habe meine Gedanken aus eirnem gegebenen Anlaß in einer Mandanteninformation zusammen gefaßt, die ich hier veröffentlicht habe.

Vielleicht gibt es ja die eine oder andere Anmerkung dazu. You’re welcome …

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Bild (CC0): nile / via Pixabay

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Ein Haftbefehl und gute Laune

Der Mandant hatte Schwierigkeiten, den Kontakt zur Justiz aufzunehmen. Dabei wollte ihm das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein wenig helfen. Das war vorauszusehen, und dem Mandanten auch von seinem Verteidiger so mitgeteilt.

Sei’s drum. Nun habe ich Akteneinsicht erhalten und fand in der Akte diesen roten Zettel:

Eine (Farb-)Kopie dieses wenig freundlichen Beschlusses hat der Mandant dann per Post bekommen, begleitet von diesen güldenen Worten:

Anbei übersende ich Ihnen den gegen Sie erlassenen Haftbefehl.

Es gibt nicht viele Menschen, die ein solches Dokument von ihrem *Verteidiger* ausgehändigt bekommen und nicht *nach* der Festnahme von einem *Haftrichter*.

Das gelingt nicht jedem Verteidiger. Sie sollten ihn sehr pfleglich behandeln, damit er keine schlechte Laune bekommt.

Es geht nichts über zufriedene Mandanten, oder doch? Eine Ausnahme könnte ich mir vorstellen: Ein zufriedener Verteidiger.

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