Vollstreckung

Personalmangel und Menschenrechte in Köln

Eigentlich wollte ich den Mandanten noch am Freitag in der Untersuchungshaftanstalt Köln besuchen. Die dortige freundliche Mitarbeiterin teilte mir jedoch mit, daß Besuche in der JVA Köln am Freitag grundsätzlich nicht möglich seien. Dies wurde mir dann auch von einem Kölner Kollegen bestätigt: Freitags geht da gar nichts.

Meine Frage an einen Kölner Staatsanwalt blieb inhaltlich unbeantwortet:

Ich weiß nur, dass angeblich organisatorische Gründe (heißt wohl Personalmangel) verantwortlich sind.

Gibt es in Köln eigentlich keine engagierten Verteidiger, die der dortigen Verwaltung mal vor’s Schienbein treten können bzw. wollen?

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Todesstrafe auch in Hessen

Zu meinem Beitrag über die amerikanische Mörderbande paßt das hier ganz gut:

Artikel 21 der Landesverfassung Hessen lautet:

[Freiheitsstrafe; Todesstrafe]
(1) Ist jemand einer strafbaren Handlung für schuldig befunden worden, so können ihm auf Grund der Strafgesetze durch richterliches Urteil die Freiheit und die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen und beschränkt werden. Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden.
(2) Die Strafe richtet sich nach der Schwere der Tat.
(3) Alle Gefangenen sind menschlich zu behandeln.

Spannend ist hier zunächst einmal der Vergleich zwischen Absatz 1, Satz 2 und Absatz 3. Das muß mir mal ein Verfassungsrechtler erklären, wie das zusammen geht.

Das hessische Landesverfassungsrecht ist seit dem 1. Dezember 1946 in Kraft. Bislang hat es dort niemand für nötig gehalten, diese in eine Verfassung gegossene Widerlichkeit ersatzlos zu streichen.

Glücklicherweise haben sich aber ein paar kluge Köpfe am 8. Mai 1949 sinnvolle Gedanken gemacht und zwei äußerst knappe, aber bedeutsame Vorschriften geschaffen: Art. 102 GG und Art. 31 GG.

Trotzdem: Der Hessische Verfassungsgeber sollte in seinem Saustall vielleicht mal aufräumen! Es wäre endlich an der Zeit, zumal die Bayern vor elf Jahren vorgemacht haben, wie das geht.

(Danke an den Knilch für diese Erinnerung.)

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Entsetzliche Barbaren!

Ein Todeskandidat ist […] der Giftspritze vorläufig entgangen, weil die [Vollstrecker] keine Vene fanden. Zeitweise half der Delinquent bei der Suche.

Der Delinquent versuchte laut Medienberichten eine Stunde nach Beginn der Prozedur […] sogar, dem Team zu helfen, indem er den linken Arm auf und ab bewegte und die Muskeln anspannte. Schließlich ließ sich die Nadel auch einführen, dann kollabierte jedoch die Vene. Wie es in dem Bericht hieß, brach auf Brooms Stirn Schweiß aus, sein Oberkörper hob und senkte sich heftig, und die Füße zuckten.

Nein, das ist kein Bericht über einen Totschlags- oder Mordversuch durch eine kriminelle Vereinigung. Sondern der mißglückte Versuch der Vollstreckung der Todesstrafe in einem Land, daß sich berühmt, sich für die Menschenrechte einzusetzen.

Quelle: Tagesspiegel

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Aufgeweckter Vollstrecker

Aus der freundlichen Vollstreckungsankündigung eines westdeutschen Finanzamts:

Für Rückfragen stehe ich unter der oben genannten Telefonnummer in der Zeit von 7.30 – 8.30 Uhr zur Verfügung.

Aber sonst geht’s noch?! Als wenn der Mandant zu dieser Zeit schon imstande wäre, die Tastatur seines Telefons zu erkennen, geschweige denn zu bedienen.

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Japanische Mörder

In Japans Todeszellen sitzen jetzt noch 106 Verurteilte, 63 von ihnen kämpfen für eine Revision. Seit 1945 wurden weit über 650 Menschen am Galgen hingerichtet, 2008 waren es 15, dieses Jahr bisher sechs.

Quelle: Martin Fritz in der taz

Nur mal so zwischendurch zur Erinnerung an die Kultur eines asiatischen High-Tech-Landes.

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Demnächst: Untersuchungshaftvollzugsgesetz

Erstmals sollen in Berlin alle Belange rund um die Untersuchungshaft in einem eigenen Gesetz zusammengefasst werden. […]

Bislang ist die Untersuchungshaft lediglich in Einzelbestimmungen in der Strafprozessordnung, dem Strafvollzugsgesetz und dem Jugendgerichtsgesetz sowie in der Untersuchungshaftvollzugsordnung geregelt. Dieser Zustand ist, gemessen an den weitreichenden Auswirkungen der Untersuchungshaft für die Betroffenen, unbefriedigend.

Der Gesetzentwurf unterstreicht, dass die Untersuchungshaft keine Strafhaft ist, sondern allein der Sicherung des Strafverfahrens dient. Für die Untersuchungsgefangenen gilt die Unschuldsvermutung. Gerade der Beginn der Haftzeit ist für viele Inhaftierte erfahrungsgemäß besonders belastend. Diesem Umstand trägt der Gesetzentwurf Rechnung, indem die Anstalt darauf hinzuwirken hat, dass der Untersuchungsgefangene frühzeitig Kontakt zu einem Verteidiger aufnehmen kann. Darüber hinaus betont er die Bedeutung von Maßnahmen zur Vermeidung von Selbsttötungen.

Außerdem stärkt das Gesetz die Position des Untersuchungsgefangenen in weiteren Punkten:

Während der Ruhezeit sollen die Untersuchungsgefangenen einzeln in den Hafträumen untergebracht werden. Die Untersuchungsgefangenen sollen nach Möglichkeit eine Arbeit aufnehmen können. Ihr Arbeitslohn soll an den der Strafgefangenen angeglichen werden. Strafgefangene verdienen durchschnittlich 11,00 EUR pro Tag.

Weiter ist vorgesehen, die monatliche Besuchszeit bei erwachsenen auf zwei, und bei jungen Untersuchungsgefangenen auf vier Stunden zu erhöhen. Schließlich werden alle vollzuglichen Entscheidungen auf die Verantwortlichen vor Ort übertragen.

Quelle: Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Justiz

Das Berliner Untersuchungshaftvollzugsgesetz soll zum 1. Januar 2010 in Kraft treten.

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger hat dazu bereits am 23. April 2009 Stellung genommen.

Wegen der Unschuldsvermutung bedeutet U-Haft Freiheitsentzug für Unschuldige. Ob der Berliner Gesetzentwurf den sich daraus ergebenden Anforderungen gerecht wird, diskutieren am 22. Juni 2009, 18 Uhr, auf einer Veranstaltung der Rechtsanwaltskammer Berlin und der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.

Mit diesen Worten kündigt die Rechtsanwaltskammer Berlin eine Veranstaltung in ihren Räumen an.

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Kollateralschaden

Bei der Vorbereitung der kommenden Woche bin ich einmal wieder über den § 466 StPO gestolpert, der die Kostenverteilung im Strafverfahren regelt, wenn es mehrere Angeklagte gibt.

Das kann im Einzelfall bitterböse ins Auge gehen. Auf einfachem Wege ist manchmal eine Geld- oder Bewährungsstrafe im Verhältnis zu den Verfahrenskosten das weitaus geringere Übel.

Man denke zum Beispiel an die Kosten für eine Telefonüberwachung oder andere Observationen, die sich gegen einen Großhändler rund um die Uhr über einige Wochen oder gar Monate hingezogen haben. Und bei dem man dann ein paar Mal ein paar Gramm eingekauft hat.

Mein lieber Herr Gesangsverein! Wohl dem, der sowieso kein Geld hat. Oder einen gnädigen Richter, der sich mit freundlicher Unterstützung des Verteidigers auf eine annehmbare Kostengrundentscheidung einläßt.

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Verhaftungsauftrag

Die Schuldnerin wollte nicht zahlen. Die eidesstattliche Versicherung wollte sie aber auch nicht abgeben; dem Gerichtsvollzieher hat sie „die Tür vor der Nase zugeschlagen“ (O-Ton Pfändungsprotokoll). Erst als der Exekutor, diesmal gemeinsam mit 8 (!) Polizeibeamten, bei ihr auf der Matte stand, war die Zahlungsbereitschaft plötzlich vorhanden. Schwups, kam das Fax mit der Kopie des Einzahlungsbelegs, zusammen mit der dringenden Bitte, ihr die Terrier vom Hals zu halten.

Die Zahlung kam einen Tag später. Es fehlten noch knapp 20 Euro von ein paar Tausend. Kurze Mitteilung per eMail, das Fax mit dem weiteren Einzahlungsbeleg kam ein paar Minuten später. Freitagnachmittag habe ich dann mal auf’s Konto geguckt und Montag irgendwann werde ich dem Gerichtsvollzieher Bescheid sagen.

Schönes Wochenende! ;-)

Was Rechtsanwaltsfachangestellte für Gemeinheiten in ihrer Ausbildung gelernt haben, treibt mir immer wieder Tränen der Rührung in die Augen.

Die Schuldnerin hätte echt ernsthaftes Geld gespart, wenn sie gleich zu Beginn dieses häßlichen Mandats auf mich gehört hätte. Aber auf mich hört ja keiner …

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510/09

Der Mandant wurde am 20.02.2009 verhaftet und in die Untersuchungshaftanstalt Moabit eingeliefert. Dort (wie auch in anderen Knästen) wird ein Haftbuch geführt. Jeder Neuzugang erhält eine fortlaufende Nummer. Mein Mandant hat die Haftbuchnummer 510/09 bekommen

Er ist der 510. Häftling in diesem Jahr, also seit 37 Werktagen. Pro Tag sind damit knapp 14 Neue auf die 1.290 vorgesehenen Haftplätzen verteilt worden.

Der Mandant hat Glück im Unglück. Er wurde sofort in Haus III untergebracht – die Luxusabteilung in Moabit.

Die Teilanstalt 3 ist das der Kreuzung Alt-Moabit/Rathenower Straße zugewandte Backsteingebäude. Hier sind überwiegend Untersuchungsgefangene im Wohngruppenvollzug untergebracht. Es stehen 154 Haftplätze zur Verfügung, maximal bis zu 180 bei Notbelegung.

Die hier angebotene Form des gelockerten Vollzuges für Untersuchungsgefangene wird in Deutschland in nur sehr wenigen Haftanstalten praktiziert.

Die in den Wohngruppenbereichen der Teilanstalt 3 untergebrachten Gefangenen müssen bestimmte Voraussetzungen für die Aufnahme erfüllen: Sie dürfen nicht der organisierten Kriminalität zugerechnet sein, keine erkennbare Drogenproblematik, keine besonders hohe Straferwartung und keine Tatbeteiligten in den anderen Anstaltsbereichen haben.

Die Aufnahme in die Teilanstalt 3 ist freiwillig. Die Gefangenen müssen sich bereit erklären, eine zugewiesene Arbeit anzunehmen und die Gemeinschaftsunterbringung (teilweise Dreifachbelegung) zu akzeptieren; die Verlegung in Einzelhafträume erfolgt über eine Warteliste.

In der Teilanstalt 3 sind die Hafträume außerhalb der Arbeitszeiten geöffnet und werden erst abends verschlossen. Es kann täglich geduscht werden und jeder Gefangene hat ein verschließbares Kühlschrankfach.

Und er hat sofort einen Job als Hausarbeiter bekommen. Ein großes Privileg. Er weiß es zu schätzen. Beim letzten Mal war er 7 Monate im Haus 2 untergebracht. 23 Stunden auf der Zelle, 1 Stunde Hofgang.

Ich drücke ihm die Daumen, daß sein Glück anhält …

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Ordnungshaft einer Journalistin / Teil 2 und 3

barbarakeller

Barbara Keller hat nun den zweiten und dritten Teil ihres Selbstversuches in den Knästen Lichtenberg und Pankow auf Berlin Kriminell veröffentlicht.

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