Zeugen

Abschießender Staatsanwalt

Dem Staatsanwalt war es erkennbar bereits schon lästig, daß der Geschädigte – mein Mandant – mit einem Rechtsanwalt – also mit mir – vor der Jugendstrafkammer erschien. Er hielt sich aber noch bedeckt, als der Vorsitzende über meinen Antrag auf meine Beiordnung als Zeugenbeistand entschied.

Mein Mandant ist bereits im Ermittlungsverfahren mehrfach vernommen worden. Dort hatte ihn jeweils kein Rechtsanwalt begleitet. Aus den Vernehmungsprotokollen ergeben sich (daher?) massive Widersprüche. In der ersten Vernehmung war keine Rede von einem Stockeinsatz; dieser Stock tauchte erst in einem späteren Verhör auf. An diesen letzten Auftritt beim Landeskriminalamt hatte der Geschädigte noch ziemlich üble Erinnerungen.

Es gab weitere problematische Details – Messer/kein Messer und Pistole/keine bzw. „spätere“ Pistole – in den verschiedenen Protokollen.

Außerdem gab es ein weiteres, nicht abgeschlossenes Strafverfahren, das ein paar spannende Bezüge zu dem hiesigen Verfahren hatte; auch dort spielt der Mandant eine Rolle, allerdings nicht als Geschädigter.

Er sollte nun als Zeuge von drei erfahrenen Berufsrichtern, einem – eben diesem besagten – Staatsanwalt, vier kernigen Strafverteidigern und zwei Sachverständigen (erneut) vernommen werden. Es bestand also ein ernst zu nehmendes Risiko, daß sich der noch nicht volljährige Mann um Kopf und Kragen redet. Selbst dann noch, wenn ich neben ihm sitzen bleibe und aufpasse. So ein Zeugenbeistand hat nicht allzu viele Möglichkeiten, in eine Beweisaufnahme einzugreifen.

Aber für diese Problemfälle hat sich der Gesetzgeber eine Norm ausgedacht, den § 55 StPO. Der besagt ungefähr, daß niemand eine Aussage machen muß, wenn die Gefahr besteht, daß wegen dieser Aussage ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet werden könnte. Ein vielleicht reicht dabei schon.

Deswegen habe ich meinem Mandanten dazu geraten, sich genau auf diese Vorschrift zu beziehen und die Auskunft auf alle Fragen zu verweigern. Der Geschädigte war aber nun mal der Hauptbelastungszeuge, und den wollten weder das Gericht, noch der Staatsanwalt einfach so „laufen“ lassen. Es gab eine länger andauernde Diskussion, ich habe ein paar Anträge gestellt und es wurden reichlich Argumente hin und her geschickt.

Der Staatsanwalt verstieg sich dazu, das Gericht aufzufordern, mich als Zeugenbeistand wieder zu entpflichten. Ich sei nicht vorbereitet, kenne die Akten nicht und überhaupt wolle ich nicht mitteilen, von wem ich mein spärliches Wissen um die Details denn habe.

Unterstützung bekam mein Mandat selbstredend auch von den vier Verteidigern. Und der Staatsanwalt ärgerte sich zunehmend darüber, daß ich als Zeugenbeistand ihm als Inquisitor die „Beweisführung“ verhageln wollte. Es ist dann wohl seinem jugendlichen Elan zuzuschreiben, daß ihm – bei voll besetzter Galerie – rausrutschte:

So einen Zeugenbeistand sollte man besser abschießen.

Das Gericht lies sich von diesem postpubertären Verhalten des noch heranwachsenden Strafverfolgers nicht sonderlich beeindrucken, schloß sich meiner Ansicht an und die Beweisaufnahme war ohne die Vernehmung des Geschädigten beendet.

Bild: magicpen / pixelio.de

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Mizaru, Kikazaru und Iwazaru statt Richter

Zeugen müssen vor ihrer gerichtlichen Vernehmung belehrt – „zur Wahrheit ermahnt“ – werden, so will es § 57 StPO. In der Regel erfolgt diese Belehrung durch den Vorsitzenden Richter, sobald die Zeugen nach Aufruf der Sache im Saal erschienen sind.

Beim Amtsgericht Tiergarten mit seiner Filiale in der Kirchstraße hat man die Richter von dieser Aufgabe entlastet. Die Zeugen werden bereits im Wartebereich vor dem Gerichtssaal belehrt.

Und weil Berlin eine multikulturelle Stadt ist, in der viele verschiedene Sprachen gesprochen werden, hat die Verwaltung schlicht ein Bild aufgehängt, das die Zeugen auf das Wesentliche hinweist:

Es ist erfreulich, wenn die Moabiter Justiz sich nun auf bewährte buddhistische Grundsätze besinnt:

Nichts Böses sehen, nichts Böses hören, nichts Böses sagen.

Dann gibt es auch keine bösen Urteile mehr.

Künstlerin: Anni Schroeder / Fotos: Herr Dr. Jocko

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Der Blutdruck des Zeugen

Der Zeuge aus Berlin war vor Gericht geladen. Um 9:30 Uhr sollte er in Hamburg sein. Aus eigener (leidvoller) Erfahrung weiß ich, daß man dazu um 7:00 Uhr am Berliner Bahnhof sein muß. Das heißt in meinem Fall: Der Wecker klingelt mit einer 5 vor dem Doppelpunkt.

Der Zeuge war pünktlich beim Gericht in Hamburg. Es fehlte allerdings überraschend einer der Angeklagten, so daß der Termin nicht stattfand. Irgendwann nachmittags war der Zeuge wieder in Berlin.

Eine Woche später: Der Zeuge war wieder um 9:30 Uhr beim Gericht, der selbe Angeklagte nicht. Es gab ein gesundheitliches Problem. Der Zeuge hatte nun auch eins, mit seinem Blutdruck. Nachmittags war er wieder in Berlin.

In der Woche danach war der Angeklagte wieder gesund, der Zeuge aber nicht beim Gericht. Trotz ordnungsgemäßer Ladung. Der Vorsitzende Richter hatte seinen Blutdruck im Griff. Der Zeuge wohl nicht, er hatte sich kurz vor dem Termin telefonisch auf der Geschäftsstelle krank gemeldet und war danach nicht mehr erreichbar.

Richter können manchmal richtig hartnäckig sein. Also: Ein vierter Versuch sieben Tage später. Zeuge geladen. Zeuge nicht erschienen. Keine Entschuldigung.

Der Kundige weiß, was nun kommt: Die Vorführung. Auf den Fall bezogen heißt das: Der Zeuge wurde am Vorabend des fünften Anlaufs von der Berliner Polizei gepflückt und in eine Vorführzelle in Hamburg verbracht. Dort wurde er am nächsten Morgen zeitig geweckt und dann von einem Hamburger Polizisten zum Gericht eskortiert.

Pünktlich um 10:30 Uhr war er dort. Seine Vernehmung begann allerdings erst um 12:00 Uhr. Solange warteten der Polizist und der Zeuge draußen auf dem Flur.

Der Zeuge wurde in den Saal gebracht. Er sah nicht so aus, als wenn er gut geschlafen, frisch geduscht und lecker gefrühstückt hätte. Das Gegenteil schien der Fall gewesen zu sein – dem Gesichtsfarbe und seiner Frisur nach zu urteilen.

Bei der Angabe seiner Personalien hörte man seinen Blutdruck auch auf den hinteren Plätzen im Saal. Dann erfolgte die erste Belehrung durch das Gericht. Von wegen Wahrheit und so.

Da der Zeuge in einer gewissen kritischen Nähe zu den Angeklagten gestanden hatte, wurde ihm eine zweite Belehrung zuteil. Die nach § 55 StPO: Er muß nicht aussagen, wenn er sich dadurch der Gefahr aussetzt, daß dann gegen ihn ermittelt wird. Ihm stand sogar ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zu. Wegen der äußerst kritischen Nähe.

Aus dem von mir geführten – vollständigen (!) – Wortprotokoll

    Vorsitzender Richter:
    Sie müssen hier also gar nichts sagen, wenn Sie nicht wollen. Wie halten Sie es? Möchten Sie aussagen?

    Zeuge:
    Nein!

    Vorsitzender Richter:
    Dann sind Sie als Zeuge entlassen. Ich hoffe, Sie haben genug Geld für die Rückfahrkarte dabei. Tschüß.

Der Zeuge verläßt wortlos den Saal.

Es ist erstaunlich, was menschliche Blutgefäße für einen Druck aushalten können.

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Kino.to – Zwei Jahre, sechs Monate Knast

Das ging recht zügig:

Für die Mitarbeit am illegalen Internet-Filmportal kino.to ist ein 33 Jahre alter Webdesigner zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Das Amtsgericht Leipzig sprach ihn der gewerbsmäßigen unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke in mehr als 1,1 Millionen Fällen schuldig. Der 33-Jährige ist der erste, der im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu dem Filmportal verurteilt wurde. Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 2.12.2011

Der Hinweis auf die Rechtskraft und auch auf die seit dem 6. Juni 2011 andauernde Untersuchungshaft gibt Anlaß zu der Vermutung, daß die Entscheidung des Gerichts auf eine Verfahrensabrede (vulgo: Deal) zurück zu führen ist. Ich gehe auch davon aus, daß das Gericht den Haftbefehl aufgehoben hat, um dem Verurteilten die Tür zum offenen Vollzug zu öffnen.

Es gibt eine weitere Konsequenz aus diesem Urteil: Der Verurteilte steht der Staatsanwaltschaft nun als Zeuge zur Verfügung, der sich nur unter ganz engen Voraussetzungen noch auf das Recht aus § 55 StPO berufen kann. Weil er bereits (einmal) rechtskräftig wegen seiner Tatbeteiligung verurteilt wurde, besteht wohl eher nicht die Gefahr, sich durch seine Zeugenaussage der Gefahr auszusetzen, „wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit (ein weiteres Mal) verfolgt zu werden.“

Das werden er und sein Strafverteidiger sicherlich beim Dealen berücksichtigt haben.

Die anderen Beschuldigten, gegen die noch wegen „kino.to“ ermittelt wird, werden sich in ihren eigenen Verfahren darauf einzurichten haben … der Wettlauf um den Rabatt des § 46b StGB ist im vollen Gange.

 

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Neulich bei Gericht….

Ein sehr unterhaltsamer Gastbeitrag über eine mündliche Verhandlung vor dem gemütlichen Zivilgericht einer eher übersichtlichen Kleinstadt von Rechtsanwältin Silke Jaspert zeigt, daß auch Zivilisten manchmal recht fröhliche Veranstaltungen erleben können:

    Neulich bei Gericht hatte ich die ehrenvolle Aufgabe für einen Kollegen – in Untervollmacht – einen Termin wahrzunehmen.

    Stattgefunden hat das alles vor dem hiesigen Amtsgericht und es fügte sich, da ich eben an diesem Vormittag selbst einen Termin beim Gericht hatte … gern habe ich die Sache übernommen.

    Inhaltlich sollte es um einen Zahlungsanspruch von nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen der gesetzlichen Krankenkasse gegen die ehemalige Geschäftsführerin einer – zwischenzeitlich insolventen – GmbH gehen. Es ist zwar nicht mein Metier, aber bei der Durchsicht der Akte fiel mir auf, dass der Beklagtenvortrag (wohl) darauf fußen sollte, dass man sich auf „Notstand“ berufen wolle.

    Zum einen sei der Beklagten nicht bewusst gewesen, dass sie Geschäftsführerin und damit Arbeitgeberin geworden sei und zum anderen habe ihr Mann sie immer dann, wenn es um die Frage ging, ob die Buchhaltung in Ordnung sei, tüchtig verdroschen. Hierfür gab es sogar auch eine Zeugin, die benannt werden konnte.

    Der Richter hat diese Zeugin zum benannten Termin geladen und meine Aufgabe war es nun, der werten Zeugin auf den Zahn zu fühlen.

    Da ich sowohl den Richter als auch den Kollegen der Gegenseite schon einige Male erlebt habe, beide durchaus auch schätze, ging ich davon aus, dass dieser Termin einer meiner angenehmeren sein würde. Man fand sich dann also zum Termin zusammen.

    Kleiner Einschub, der Kollege kam 10 Minuten zu spät und dann musste der Sitzungssaal gewechselt werden, weil die Zeugin in einem Elektrorollstuhl unterwegs sei und der Sitzungssaal im 3. Stock nicht erreicht werden könne. Wir trafen uns daher nach (zeitraubendem) Umzug im „alten Saal“. Nach ca. 3 Minuten Vorgeplänkel hatte die Beklagte „einen soo trockenen Mund“ und bat um Wasser … der Vorsitzende unterbrach darauf hin die Sitzung und eilte derselbst hinfort, ein Glas Wasser zu holen.

    Es begann dann das zivilgerichtlich übliche Vorgeplänkel. Der Richter führt in den Sach- und Streitstand ein, die Kollegen tauschen einige gewichtige und unwichtige Argumente. Die Zeugin wird aufgerufen:

    „Frau Meier, bitte in Saal 1 eintreten!“

    Die Tür öffnet sich, ein E-Rolli rauscht herein, die Fahrerin strahlt mich freudig an und grüßt mich namentlich. Ich stutze, lese in der Ladung den Namen der Zeugin, und überlege.

    Die Zeugin wird belehrt.

    Dann bitte ich den Vorsitzenden um Unterbrechung und darum, etwas zu Protokoll zu nehmen:

    Ich kenne die Dame „Meier“ aus zwei Mandaten, die ich in meiner Kanzlei für sie führe. Ich kenne sie allerdings nicht als Frau „Meier“, sondern als Frau „Müller“. Sie hätte als ebenjene Frau Müller für ihren Gatten Rechtsrat eingeholt. Ich war daher auch nicht überrascht, dass die mir hierbei vorgelegte Korrespondenz auf den Namen „Herr Müller“ lautet. Ich sei nun irritiert und bäte um Feststellung der Personalien.

    Der Kollege schien trocken zu schlucken (hoffentlich will er nicht auch noch ein Glas Wasser). Der Richter … ich glaube, er grinste.

    Er fragte nun die Zeugin, wie sie denn nun wirklich hieße … „Ja, ich heiße Frau Meier. Nee, ich bin nicht verheiratet.“

    Der Kollege hustet leise.

    Wie es denn sein könne, fragt der Richter, dass die Anwältin (ich, quasi) sie denn nun als Frau Müller kenne und auch zwei Mandate für Frau Müller führe.

    „Ja, das war so, dass mein Freund sagte, ich solle das für ihn machen und das habe ich auch. Ich habe aber eben nie klargestellt, dass ich nicht Müller heiße.“

    Jetzt bin ich sicher, dass der Richter grinst.

    Das Gesichtsfeld des Kollegen unterzieht sich einem heftigen Farbspiel. An dieser Stelle ist es eher grüngelblich.

    Der Vorsitzende fragt mich nun, ob ich aus den Mandaten noch offene Forderungen gegen die Mandantin hätte …. Ich krame in meinem schwachen Hirn und meine mich duster zu erinnern, dass die Gebühren alle „schier“ sind – nichts offen.

    Nun wendet sich der Vorsitzende mitfühlend an den Kollegen, ob er denn in Anbetracht des bisherigen Verlaufs der Einvernahme der Zeugin noch darauf bestehe, diese auch noch zum Streitgegenstand zu hören.

    Der ist nun rot … der Kollege. Ja, er wolle.

    Nun also soll die Zeugin Tatsachen berichten, die dazu veranlassen könnten, einen Notstand der Beklagten anzunehmen, der sie vielleicht von der Zahlungspflicht gegenüber der Krankenkasse befreien könnte (sollte ich an dieser Stelle vielleicht noch erwähnen, dass es einen rechtskräftigen Strafbefehl wegen § 266a StGB gegen die Beklagte gibt?).

    Ja, da könne sie einiges berichten. Und tut dies auch. Ihr letzter Satz ist:

    „Ja, aber in der Zeit, um die es hier geht, war ich gar nicht mehr in der Firma beschäftigt, das was ich hier erzählt habe, war alles sechs Jahre vorher.“

    Ich hätte verstanden, wenn der Kollege nun wirklich vom Stuhl gefallen wäre.

    Der Richter sprach dann noch einige einfühlsame Worte – gerichtet an den Kollegen – über die Würdigung des potentiellen Wahrheitsgehaltes der eben getätigten Aussage dieser Zeugin und verlas einen in naher Zukunft liegenden Verkündungstermin.

    Ich eilte dann in die Kanzlei zurück, hechtete an den Aktenschrank und in unser Buchhaltungsprogramm…Rechnungen waren wirklich alle bezahlt. Dann habe ich noch ein nettes aber finales Schreiben an Frau Meier „Müller“ gerichtet und sie gebeten, die mir überlassenen Originalunterlagen (Leitzordner) bitte zeitnah hier abzuholen und mir im übrigen Verständnis dafür entgegenzubringen, dass ich die Mandate mit sofortiger Wirkung niederlege.

    Ich fand nicht, dass ich – angesichts des eher mäßigen Streitwertes in der Sache und der Vereinbarung mit dem Kollegen – überbezahlt war für diesen Termin … aber:

    So was kriegste echt nicht für Geld!

Silke Jaspert,
Rechtsanwältin und Mediatorin, Opferanwältin, 21335 Lüneburg.

 

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Die letzte Frage vor dem Ordnungsgeld

Frecher Zeuge

 

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Freies Geleit

Es kommt gar nicht mal so selten vor, daß Ermittlungsbehörden und Gerichte auf die Mithilfe von mutmaßlichen Straftätern angewiesen sind. Die bedienen sich dann quasi eines Teufels, um den Belzebub auszutreiben.

Diese Teufel Menschen werden also gern als Zeugen gebraucht. Ein paar dieser Leute haben jedoch ein Problem damit, sich als Zeugen zur Verfügung zu stellen – selbst wenn sie grundsätzlich bereit wären, bei der Aufklärung von Straftaten (anderer) mitzuwirken. Zum Beispiel, wenn sie z.B. steckbrieflich (dead or alive) gesucht werden oder ein ordnungsgemäßer Haftbefehl im Raum steht.

Und unter diesen Gesuchten gibt es welche, denen es reichlich Schnuppe ist, daß eine deutsche Behörde sie eintüten will. Dies ist immer dann der Fall, wenn sie sich dem Zugriff entzogen haben, zum Beispiel durch einen Wohnsitz in einem (Aus-)Land, das nicht nach Deutschland ausliefert.

Genau so einen will das Gericht als Zeugen vernehmen und schickt ihm also eine Zeugenladung auf dem Amtshilfewege in die ausländische Heimat.

Nun kann sich so ein Richter natürlich auch an fünf Fingern abzählen, was ein per Haftbefehl gesuchter Zeuge mit so einer Ladung machen wird. Für diese Fälle hat das Gericht ein Formular erfunden, mit dem die Einreise schmackhaft gemacht werden soll:

Ich kann mir bei bestem Willen nicht vorstellen, daß auch nur ein einziger Zeuge aufgrund dieses Textbausteins das Risiko eingeht, gleich bei der Paßkontrolle am Flughafen oder an der Grenze gepflückt zu werden.

Leicht vorstellbar ist hingegen, daß der gemeine Bundespolizeibeamte sich ein Ei drauf pellt, wenn der Eingereiste ihm irgend etwas vom freien Geleit erzählen will. Im besten Fall wird der Polizist ein paar Tage vergeblich versuchen, den Richter zu erreichen. Und während dieser Zeit wird der Zeuge im Café Viereck bei Wasser und Brot auf sein freies Geleit warten.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, hätte ich diesen Beitrag auch überschreiben können.

 

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Zivilrichter und Strafverteidiger

Es ist doch immer wieder erstaunlich, mit welchem Selbstbewußtsein Zivilrechtler sich an strafrechtliche Themen heranwagen.

Zuerst entschied das Amtsgericht Calw (4 C 596/08), später dann auch das Landgericht Tübingen (5 T 113/09), daß zwei Strafverteidiger als Zeugen in einem Zivilprozeß aussagen müssen.

Die LTO faßt den Sachverhalt so zusammen:

Betroffen waren …

… zwei Rechtsanwälte, die ein Ehepaar verteidigt hatten, dem eine versuchte schwere räuberische Erpressung vorgeworfen wurde.

Im Rahmen der Hauptverhandlung wurde auch über die Möglichkeit einer Strafmilderung (Strafaussetzung noch zur Bewährung) diskutiert, wenn im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs eine nicht unerhebliche Zahlung an den Geschädigten geleistet würde, der als Nebenkläger auftrat. Gesprochen wurde über einen Betrag von 10.000 Euro. In einer Verhandlungspause erörterten die Angehörigen der Angeklagten in Anwesenheit der Verteidiger, wie der Betrag aufgebracht werden könnte. Die Familie sagte schließlich die Zahlung zu.

Später klagte der Bruder der Angeklagten gegen seine Mutter, weil die Summe, die er zu den 10.000 Euro beigesteuert hatte, nur als Darlehen und nicht als Schenkung geleistet worden sei. Zum Beweis benannte er die beiden Verteidiger.

Die Anwälte aber verweigerten mit Hinweis auf ihre Verschwiegenheitspflicht die Aussage im Prozess …

Nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) haben Verteidiger das Recht, und nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB Strafgesetzbuch (StGB) sowie nach § 43a Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) die Pflicht, über solche Dinge zu schweigen, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit erfahren haben. Eigentlich klar wie Kloßbrühe. Andere Ansichten vertraten diese beiden Zivilgerichte.

Glücklicherweise gibt es aber auch Zivilrichter, die erkannt haben, in welchen sensiblen Bereich diese beiden Vorinstanzen in Calw und Tübingen da herumgefuhrwerkt haben: Sie sitzen im 4. Zivilsenat beim BGH (Beschluss vom 16. Februar 2011 – IV ZB 23/09).

Zutreffend stellt der BGH in seinem Beschluß klar, daß alles

unter die Verschwiegenheitspflicht gemäß § 43a Abs. 2 BRAO fällt […], was dem Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufs bekannt geworden ist, ohne dass es darauf ankommt, von wem und auf welche Weise er sein Wissen erworben hat. Die Pflicht betrifft deshalb auch Zufallswissen, das im Rahmen beruflicher Tätigkeit erlangt worden ist.

Abzugrenzen hiervon ist, was dem Anwalt nur anlässlich seiner beruflichen Tätigkeit zur Kenntnis kommt, ohne dass ein innerer Zusammenhang mit dem Mandat besteht, wie es z.B. bei solchem Wissen der Fall ist, das der Rechtsanwalt als wartender Zuhörer einer Gerichtsver-handlung erwirbt, die mit seinem Mandat nichts zu tun hat.

Der Rechtsbeschwerdeführer war jedoch nicht zufälliger Zuhörer der Unterredung auf dem Gerichtsflur, sondern hat ihr ersichtlich in seiner Eigenschaft als Verteidiger seines Mandanten beigewohnt. Dafür war eine aktive Beteiligung an den Gesprächen nicht erforderlich. Es liegt angesichts ihrer Bedeutung für den mit einer Freiheitsstrafe bedrohten Angeklagten, der den Gerichtssaal nicht verlassen durfte und deshalb an den Gesprächen nicht teilnehmen konnte, auf der Hand, dass die Anwesenheit des Verteidigers in seinem Interesse lag, um ihn sachgerecht unterrichten und beraten und zumindest im Bedarfsfalle eingreifen zu können, damit die Schlichtungsvereinbarung zustande kommen konnte. Ob und wie das hierfür benötigte Geld aufgebracht werden konnte, berührte die Interessen des Angeklagten in hohem Maße. Nach alledem hat sein Verteidiger das Gespräch nicht als unbeteiligter Dritter verfolgt.

Es ist erfreulich, daß der BGH diesen für die Rechtspflege außerordentlich gefährlichen Ansichten der Vorinstanzen Einhalt geboten hat. Und ich bin den beiden Kollegen dankbar, daß sie die Rechte ihrer Mandanten so nachhaltig und konsequent durch die Instanzen durchgesetzt haben.

Denn letztlich berührt, erhält und stärkt diese BGH-Entscheidung die Basis der Arbeit eines Strafverteidigers: Das Vertrauen seines Mandanten.

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Beugehaft gegen ehemaligen Rechtsanwalt

Das OLG Stuttgart hat gegen den ehemaligen Heidelberger Rechtsanwalt Siegfried Haag, früheres RAF-Mitglied, eine Beugehaft von (bis zu) sechs Monaten sowie eine Geldstrafe verhängt.

Haag soll im „Buback-Prozess“ gegen Verena Becker als Zeuge aussagen. Wie alle anderen Zeugen, die der RAF zugeordnet werden, verweigerte er die Aussage; das Gericht vertritt die Ansicht, daß Haag ein Auskunftsverweigerungsrecht aus § 55 StPO nicht zustehe, weil er an den unmittelbaren Vorbereitungen des Mords an Generalbundesanwalt Buback im Jahre 1977 nicht beteiligt gewesen sei.

Ob Haag die Beugehaft absitzen muß, entscheidet demnächst der Bundesgerichtshof: Haag hat Beschwerde erhoben gegen die Anordnung der Zwangsmittel.

Das Aussageverhalten Haags gleicht dem Verhalten der anderen RAF-Mitglieder, die in diesem Verfahren als Zeugen gehört werden sollten: Sie schwiegen.

Die Besonderheit bei Haag im Vergleich zu den anderen Zeugen ist allerdings seine Erklärung, die er kurz vor seiner Entlassung aus der Strafhaft (15 Jahre Freiheitsstrafe u.a. wegen Beihilfe zum Mord) abgegeben hat:

Die Handlungsweise der RAF hat sich als falsch herausgestellt. Ich bin zu der Gruppe gestoßen mit der Überzeugung, mal sehen, ob es klappt. Es hat all die Jahre gebraucht, um zu dem Ergebnis zu kommen, diese Politik muss ich aufgeben, sie ist falsch.

(Zitiert nach Wikipedia)

Es bleibt also abzuwarten, ob Haag sich ggf. doch noch beugen läßt …

Weitere Informationen über das Buback-Verfahren und das Verhalten der anderen Zeugen liefert Holger Schmidt in seinem Weblog „Terrorismus in Deutschland„.

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Reiseskostenvorschuß für mittellose Sachverständige

Auch auswärtige Zeugen müssen zum Termin erscheinen; eine weite Anreise ist kein Entschuldigungsgrund. Das Problem ist oftmals allerdings, daß Zeugen keine Mittel für’s Ticket haben. Wenn ihnen es gelingt, die Mittellosigkeit glaubhaft zu machen, dann gibt es einen Reisekostenvorschuß. Oder eben direkt ein Ticket per Post. Das sind die Spielregeln für Zeugen.

Aber auch für Sachverständige gilt dies, haben wir jetzt neulich gelernt:

Mittellose Sachverständige, davon hatte ich bisher noch nicht gehört. Jedenfalls, nachdem sie gehört wurden, sollte es an den Mitteln nicht mangeln; sie können mit einer Vergütung von 50 bis 85 Euro pro Stunde rechnen (§ 9 JVEG)

Nebenbei: Spannend finde ich hier auch, welches Reisebüro die Richter sich hier ausgesucht haben, um das Ticket zu kaufen. ;-)

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