Zeugen

Versenkt – jetzt aber richtig

Die Werthaltigkeit einer Zeugenaussage steht im direkten Zusammenhang mit etwaigen Widersprüchen zu anderen Beweismitteln. Wenn also mehrere Zeugen nachvollziehbar und glaubhaft versichern, Zeuge V sei ein Extrem-Kokser, während V selbst von sich sagt, er bekomme Zahnweh vom Koks, ist nur ein einziger Schluß naheliegend: Zeuge V lügt.

Damit hatte seine Zeugenaussage einen Wert, der vergleichbar ist mit einem Stück Teppich, auf dem ein Hund seinen Darm entleert hat. So weit, so genug. Jedenfalls genug für den Tatvorwurf einer falschen uneidlichen Aussage.

Kurz bevor der V dann als Zeuge entlassen werden sollte, bekam er noch einmal die Gelegenheit zur Korrektur. V bekundete im Brustton der vollen Überzeugung, daß er mit dem Zeug nichts zu tun habe. Ich konnte mir knapp den Antrag verkneifen, den Saal räumen zu lassen. Wegen der gefährlichen Biegung der Balken in der Decke.

Aber so eine kleine Vereidigung fand die Verteidigung dann aber irgendwie nicht verkehrt. Und Überraschung: Das Gericht ordnete genau das an. Nicht allerdings, ohne vorher mit blumigen Worten („Verbrechen“, „Mindestfreiheitsstrafe 1 Jahr“, „Höchststrafe 15 Jahre“) auf die Risiken und Nebenwirkungen hinzuweisen.

Und was machte Zeuge V da? Ein Zeuge, von dem alle Beteiligten angenommen haben, daß er weiter denken könne als nur von der Wand bis zu Tapete. Der Zeuge schwört tatsächlich … einen Meineid.

Es gibt intelligentere Lebewesen an seinem Duschvorhang zuhause.

Mal schauen, ob es jetzt auch noch gelingt, der Staatsanwaltschaft den Antrag auf Erlaß eines Haftbefehls aus ihrem Vermerk zu leiern, um zu verhindern, daß V seinen Migrantenhintergrund wieder zum Vordergrund macht.

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Versenkt

Der Zeuge V berichtet in epischer Breite über angebliche kriminelle Machenschaften derjenigen, die er in seiner Eigenschaft als Spitzel erst begleitet und dann verraten hatte.

Selbstverständlich hat dieser Zeuge sich immer treu und redlich verhalten, niemals etwas Unehrenhaftes getan und war auch sonst die personifizierte Unschuld vom Lande. Kokainkonsum? Er? Niemals! Hat er jedenfalls immer wieder versichert. Auf Fragen des Gerichts, auf Nachfragen der Staatsanwaltschaft und auf Bohren der Verteidigung. Nein, kein Koks. Die anderen, ja, die schon. Er nicht. Never ever. Nunca. Nada. Niente. Ehrlisch, ischwöre!

Es gibt einen anderen Zeugen, den A, der berichtete in illustrer Weise, daß V kein Koks „gesnieft“ habe. Sondern gesaugt. Trotzdem sei V dabei noch imstande gewesen, die Streckmittel herauszuschmecken und auf diesem Wege die Qualität zu beurteilen. Ein ganz hervorragender Kokaintester sei V gewesen. Eigentlich schon immer.

Der Zeuge A war allerdings nicht sonderlich beliebt beim Gericht. Deswegen glaubte man ihm nicht so richtig. Unentschieden urteilten die Beobachter.

Dann kam Zeugin Z. Sie berichtete ungefragt von wilden Parties, bei denen der Zeuge V eine tragende Rolle gespielt habe. Eine Menge Details über die Vita des Zeugen V wurden vorgetragen. Insiderwissen, sozusagen. Alles schön stimmig und rund.

Auf Vorhalt des Verteidigers, daß V mitgeteilt habe, er würde sich noch nicht einmal wegen Zahnschmerzen mit Kokain behandeln lassen, prustete sie los. Teelöffelweise habe sich V das Zeug in sich hineingezogen. Teelöffel, keine Espresso-Löffelchen, nein; Teelöffel auf dem Weg zum Eßlöffel. Davon redete die Zeugin. Von wegen kein Koks.

Nein, ich habe keine Fragen mehr an die Zeugin, Herr Vorsitzender.

Die Zeugin wurde mit Dank entlassen. Da wird wohl nun Bedarf an einem Verteidiger entstanden sein. Bei V.

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Berlinerisch

Ich habe ihn sowieso so schlecht verstanden die ganze Zeit. Dieses Berlinerische ist ein bisschen schwer zu verstehen.

sagt eine Österreicherin (!) in ihrer Vernehmung.

Frechheit!

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Fragen zur Person

Der Zeuge wurde aus der Jugendstrafanstalt vorgeführt. Er trug die klassische blaue Anstaltskleidung.

Das Gesetz schreibt es dem Richter vor, den Zeugen nach seinen Personalien zu fragen:

Richter:
Sie heißen?

Zeuge:
Brause Wilhelm.

Richter:
Haben Sie noch weitere Namen?

Zeuge:
???

Richter:
Heißen Sie nur Wilhelm Brause oder noch anders?

Zeuge:
??? Ick vasteh Sie nich!

Richter:
Hießen Sie schon immer Wilhelm Brause?

Zeuge:
Ey, Mann! Ick dachte, datt ick hier watt zu die Schlägerei bei Daggi sagen soll?!

Richter [Augend rollend]:
Gut. Lassen wir das.
Sie sind zur Zeit der JSA inhaftiert?

Zeuge [seine Anstaltskleidung anschauend]:
Datt sehense doch selba, wa?!

Richter [grimmig guckend]:
Gut.

Richter [neutral guckend]:
Was sind Sie von Beruf?

Zeuge
Baruf?! Ick bin in Knast, Mann!

Richter [hörbar ausatmend]

[…]

Der Zeuge war auch sonst nicht sehr ergiebig.

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Erst V-Mann, dann Feigling

Der Zeuge war ein V-Mann. Das „V“ steht je nach Blickwinkel für „Vertrauen“ oder für „Verräter“.

Jedenfalls genau in dieser Eigenschaft wurde er vernommen. Erst vom Gericht (neutral), dann von der Staatsanwaltschaft („V“ für „Vertrauensmann“) und dann war ich an der Reihe. Als der erste von fünf weiteren Verteidigern begann ich, dem Zeugen („V“ für „Verräter“) ein paar Fragen zum Aufwärmen zu stellen.

Meine Befragung mußte abgebrochen werden, weil es dem Zeugen nicht mehr so gut ging.

Nun sollte die Vernehmung fortgesetzt werden. Der Zeuge sollte morgen früh gut ausgeschlafen auf dem Zeugenstuhl im Saal 700 Platz nehmen und ich hatte mir die Werkzeuge zum Grillen schon bereit gelegt.

Und dann kommt das hier soeben per Fax rein:

Aber warte Freundchen, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ich kann warten …

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Eine bestimmte Anzahl Ladys / Weiber

Aus einer Ermittlungsakte, es geht um schwunghaften Handel mit Betäubungsmitteln.

Polizeibeamter:
Sie kündigten jeweils vor den einzelnen Berlinfahrten gegenüber der Person an, dass Sie mit einer bestimmten Anzahl Ladys/ Weiber zu der Person kommen würden. Äußern Sie sich dazu!

Verräter Beschuldigter:
Eine Lady oder ein Weib bezeichnete die Menge von 5 Gramm Kokain.

Auch noch frauenfeindlich, dieser Dealer.

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Der V-Mann weint

Der V-Mann hatte das Vertrauen seiner Landsleute, die irgendwie gemeinsam Geschäfte gemacht haben sollen, die nicht unbedingt gesellschaftsfähig sind. Über diese Geschäfte hat er das Bundeskriminalamt informiert, und zwar immer wieder und das über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Irgendwann schnappte die Falle zu und die Landleute sitzen nun als Angeklagte vor der großen Strafkammer.

Stolz berichtete er, der nun als Zeuge geladen war, dem Gericht und der Staatsanwaltschaft, was seine damaligen Gefährten so alles angestellt haben sollen. Die Staatsanwaltschaft nahm die meist diffusen Schilderungen des Verräters Zeugen vollständig für bare Münze und hofierte ihn. Das Gericht lies den V-Mann an der langen Leine „laufen“ und hörte sich alles interessiert an.

Über sechs Hauptverhandlungstage lang hatte dieser Zeuge sein Forum gefunden, dem er seine „Agententätigkeit“ in epischer Breite präsentieren konnte. Kein Widerspruch und nur wenige Nachfragen des Gerichts störten seinen großen Auftritt.

Am siebten Tag endlich hatte die Verteidigung das Fragerecht. Die Mittagspause mußte vorgezogen werden, weil der ansonsten stahlharte Zeuge plötzlich Konditionsschwächen zeigte. Die Verteidigung hatte eben nicht darauf verzichtet, konkrete Antworten auf konkrete Fragen zu erhalten; wenn der Zeuge eine Frage unscharf oder mit einem Wortschwall beantwortete, wurde die Frage einfach noch einmal gestellt. Und gegebenenfalls noch einmal und noch einmal und noch einmal. Bis eine bestimmte, abgrenzbare und knackige Antwort vorlag.

Der Zeuge war es aber nicht gewohnt, einfach mal mit einem „Ja“ oder „Nein“ zu antworten oder konkrete Daten statt Kaffeesatzleserei zu liefern. Bisher haben immer statt einer Antwort großen Mengen heiße Luft von ihm gereicht, dann kam schon die nächste Frage.

Nach der Mittagspause beschwerte sich der Zeuge dann heftigst über den Dolmetscher. Er würde falsch übersetzen, deswegen verstehe der Verteidiger auch seine Antworten falsch. Die Übersetzungen waren korrekt, die Befragung ging also weiter und weiter und weiter.

Irgendwann ging’s aber nicht mehr. Erst wurde der Zeuge zornig, dann griff er den Verteidiger persönlich an. Es folgten Fragen, und wieder seine indifferenten Antworten. Die Vernehmung mußte schließlich abgebrochen werden, als der V-Mann den Verteidiger und die Angeklagten für alles Elend der Welt, seine Zahnschmerzen, die gestörte Beziehung zu seinen Kindern und was-weiß-ich-noch-alles verantwortlich machte.

Wie ein Häufchen Elend saß der Verräter schließlich da und weinte.

Nein, er hat mir nicht Leid getan und er wird beim nächsten Verhandlungstag mit weiteren Fragen rechnen müssen …

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Wahllichtbildvorlage, iiihhhh!

Es ging um eine Prügelei unter Jugendlichen. Die Zeugin sollte die Polizei dabei unterstützen, einen Beschuldigten zu identifizieren.

Dazu wurden ihr sechs Bilder vorgelegt, von denen eines den Beschuldigten zeigt, eine so genannte Wahllichtbildvorlage (WLV). Dazu vermerkte der Polizeibeamte:

Bei Vorlage d. WLV reagierte sie insbesondere auf Blatt 58 der Akte. Sie drehte sich vom Blatt weg, zeigte sich übermäßiger Weise angeekelt. Sie legte die Nase in Falten und wiederholte mehrfach laut singemäß: „iiiihhhhhh, sind die eklig“, „iiiiiiihhhhhhh“, „iiihhhh sind die alle fett“.

Auch im übrigen war die Vernehmung dieser Zeugin nicht sehr ergiiiiiiiihhhbig.

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Rücknahme einer Falschaussage?

Der kluge Zeuge redete sich um Kopf und Kragen. Belastete sich und andere. Und erzählte erkennbar viel unwahres Zeug.

Irgendwann war es genug und das Gericht unterbrach die Vernehmung. Förmlich entlassen wurde der Zeuge allerdings nicht, er sollte später noch weiter vernommen werden.

Der Zeuge scheint dann doch etwas gemerkt zu haben; jedenfalls erschien er im zweiten Termin dann mit einem Strafverteidiger als Zeugenbeistand. Der Kollege reagierte auf die erste Frage des Vorsitzenden mit dürren Worten:

1. Das, was sein Mandant in dem ersten Teil seiner Vernehmung ausgesagt hatte, sei unrichtig gewesen. Er nehme die Aussage zurück. Weitere Erklärungen dazu gebe er nicht ab.

2. Im übrigen mache er von nun von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch.

Ob das nun ausreicht, um zumindest die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen der Falschaussage zu verhindern, glaube ich allerdings nicht.

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Der kluge Zeuge

Der Zeuge hatte den Angeklagten angerufen, zu einer Zeit, als die Staatsanwaltschaft noch ermittelte. Er wollte „etwas für die Nase“ bestellen, war in dem aufgezeichneten Gespräch zu hören. Der Angeklagte hatte dem Anrufer unfreundlich und ganz bestimmt geantwortet und das Gespräch beendet.

Nun stand der Zeuge als ebensolcher vor dem Gericht. Er wurde nach allen Regeln der Kunst belehrt. Über seine Pflicht, die Wahrheit zu sagen. Und über sein Zeugnisverweigerungsrecht, wenn er sich durch seine Aussage möglicherweise sich der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden (§ 55 StPO). Und er bekam den Hinweis, daß er auf Antrag auch einen Rechtsanwalt als Zeugenbeistand bekommen wird, wenn er das beantragt (§ 68b StPO). Soweit, so ordnungsgemäß unter den kritischen Augen von sechs Verteidigern.

Daß der Ankauf und der Besitz von Kokain strafbar ist, dürfte sich auch in den entlegensten Winkeln des Berliner Nachtlebens herumgesprochen haben. Die Verteidiger, die Strafkammer und sogar die Staatsanwaltschaft gingen also von einer extrem kurzen Befragung des Zeugen aus.

Aber nein. Der Zeuge wußte es besser:

Ich brauche keinen Beistand, und ich möchte aussagen.

tönte er selbstbewußt.

Zwei Stunden später weiß er nun, daß er eben nicht klüger ist als die zehn Volljuristen im Saal. Und falls er es doch noch nicht so richtig verstanden hat, wird ihm das sein künftiger Verteidiger erklären. Den wird er brauchen und notfalls bekommen, wenn es losgeht mit dem Verfahren gegen ihn. Wegen Falschaussage und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Es ist einfach ungerecht, daß die Evolution bei der Entstehung des Gehirns um manche Menschen einen großen Bogen gemacht hat.

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