Zivilrecht

so ein kreuzgefährliches Quad

Zwischen einem Quad und einem Pkw kam es zu einem Unfall, wobei sich im Nachhinein nicht recht aufklären ließ, welcher der beiden Fahrer dafür verantwortlich war.

Der Quadfahrer, der zu allem Übel bei dem Crash auch erheblich verletzt worden war, klagte vor dem Landgericht Ingolstadt auf Schadenersatz und Schmerzensgeld und bekam – nichts.

Noch nicht einmal die Hälfte seines Schadens nach der sogenannten Unaufklärbarkeitsquote gönnten ihm die Ingolstädter Richter. Die fanden nämlich – sachverständig durch einen Gutachter und Wikipedia beraten – so ein Quad sei ein kreuzgefährliches Ding. Wer damit im öffentlichen Straßenverkehr herumfahre, habe es nicht besser verdient.

Auch vor dem Oberlandesgericht München, dass sich mit der Berufung des Quadfahrers beschäftigen musste, fand dieser keine Gnade.

Da keinem der beiden Unfallbeteiligten irgendein Verschulden nachgewiesen werden konnte, kam es auf die verschuldensunabhängige Haftung aus der Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge an. Nun sollte man eigentlich denken, bei zwei Kraftfahrzeugen mit jeweils vier Rädern sei die Betriebsgefahr gleich hoch und damit der Schaden hälftig zu teilen.

Das OLG München belehrt eines Besseren.

Die(s) ist jedoch fehlsam. Es kommt vielmehr auf die spezifischen Besonderheiten der beteiligten Fahrzeuge an. (…) In die Bewertung der spezifischen Besonderheiten des klägerischen Quads ist zunächst und entscheidend dessen Instabilität einzustellen:

Der Sachverständige (…) hat anläßlich seiner Einvernahme vor dem Erstgericht (…) insoweit folgendes ausgeführt:

„Ich möchte die Fahrweise dieser Quads, wie es hier unfallgegenständlich ist, zumindest bei starker Bremsung als sehr instabil betrachten aufgrund des Verhältnisses von Spurweite zum Radstand. Das Fahrzeug neigt in diesen Fällen dazu, die Vorderachse zu belasten und die Hinterachse zu entlasten, was zu Schleudervorgängen führen kann. Das unfallgegenständliche Quad zumindest hatte kein ABS. Eine Verlagerung des Gewichts des Fahrers kann auch die Fahrlinie beeinflussen, wenn man sich insbesondere das Verhältnis des Fahrergewichts zum Fahrzeuggewicht anschaut, das gilt insbesondere beim Bremsen.“

Diese Feststellungen entsprechen den allgemein zugänglichen Quellen (vgl. etwa Wikipedia, „Quad“ Bearbeitungsstand: 24.07.2013, http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Quad&oldid=120836082 [abgerufen: 17.09.2013]).

(…) Die normale Betriebsgefahr des beklagtischen Toyotas tritt im Hinblick auf das Vorstehende im konkreten Fall vollständig gegenüber der Betriebsgefahr des Quad zurück.

OLG München, Urteil vom 17.09.2013, Az: 10 U 2166/13 (Vorinstanz LG Ingolstadt, Urteil vom 29. Mai 2013, Az: 33 O 361/11 in ZfS 2013, 679-680

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich.

Man ist mit einem straßenzugelassenen Kraftfahrzeug unterwegs, es knallt und man bekommt nichts, weil man kein ABS hat und das Fahrverhalten instabil ist. Auf den konkreten Nachweis, dass diese Umstände mit unfallursächlich waren, kommt es anscheinend nicht an.

Wie ist es dann mit motorisierten Zweirädern, bekommt man nach einem Unfall auch nichts?

Der BGH hat sich hierzu mehrfach geäußert und zum einen klargestellt, dass bei der Betriebsgefahr dem Umstand, dass ein Motorradfahrer selber nicht durch eine Karosserie geschützt ist, keine Bedeutung zukommt. Die allgemeine Betriebsgefahr eines Fahrzeugs wird vor allem durch die Schäden bestimmt, die dadurch Dritten drohen.

Dem Fahrer eines für den Verkehr zugelassenen, in verkehrstüchtigem Zustand befindlichen Fahrzeugs kann bei der Abwägung nicht zur Last gelegt werden, dass er schon wegen dieser Bauart und der geringeren Eigensicherung, die ihm das Fahrzeug bietet, bei Zusammenstößen mit anderen Fahrzeugen Verletzungen in höherem Maße ausgesetzt ist als in einem Fahrzeug, das in dieser Hinsicht größere Sicherheit bietet.

Die Betriebsgefahr eines Motorrads kann sich durch dessen Instabilität und die daraus resultierende Sturzgefahr grundsätzlich erhöhen. Aber nur soweit sich diese nachweislich als Unfallursache ausgewirkt hat (VI ZR 221/08 in VersR 2010, 642).

Ob die in München beim Oberlandesgericht eigentlich wissen, dass es den Bundesgerichtshof gibt?

, , , , , , , 10 Kommentare

Ein ganz schwieriges Ende

Das Verhältnis zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten beginnt meist mit der Auftragserteilung. Das Ende wird von der Art des Auftrags bestimmt; geht es um die Vertretung einem gerichtlichen Verfahren, liegt in der Regel zeitlich nach der Entscheidung des Gerichts. Soweit erst einmal der unproblematisch Normalfall.

Wie sieht es aber aus, wenn der Anwaltsvertrag vor Erledigung des Auftrags beendet werden soll? Dieser Problemfall wurde kürzlich auf der Mailingliste für Rechtsanwälte erörtert.

Es ging – erwartungsgemäß – um’s Honorar. Der Mandant hatte nicht gezahlt, der Anwalt wollte daher nicht weiter arbeiten. Beim Klempner oder KFZ-Mechaniker ist das ganz einfach: Wenn der Auftraggeber nicht zahlt, bleibt das Werkzeug im Kasten. Und gut ist.

Der Zivilrechtler hat da ein ernsthaftes Problem, wenn er es richtig machen möchte. Wie man es richtig macht, beschreibt ein versierter Kollege:

Er schickt voraus, daß das Mandatsverhältnis von beiden Parteien grundsätzlich jederzeit kündbar sei, § 627 Abs. 1 BGB. Aber da geht es schon los mit den Problemen:

Die Kündigung zur „Unzeit“ ist nicht mehr „Jederzeit“, der Mandant muß noch genügend Zeit haben, sich anderen Anwalt zu besorgen, § 627 Abs. 1 1. Alt. BGB. Die Unzeit verkürzt sich aber zulasten des Mandanten, wenn er einen „wichtigen Grund zur Kündigung“ geliefert hat, § 627 Abs. 2 2. Alt. BGB.

Ein wichtiger Grund ist eine schwere Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant, aufgrund derer dem Anwalt die Fortsetzung des Mandats nicht zugemutet werden kann, z. B. bewusst fehlerhafte lnformationserteilung, unbegründete oder formell unangemessene Vorwürfe, Weisungen, die vom Anwalt ein rechtswidriges Verhalten fordern, belehrungsresistentes Festhalten des Mandanten an offenkundig aussichtslosen Rechtspositionen, Nichtzahlung angeforderter Gebührenvorschüsse trotz Ankündigung der Mandatsniederlegung.

Wenn eine dieser (von Rechtsanwalt Holger Grams hier (PDF) genannten) Gründe vorliegt, ist der Anwalt aber zunächst einmal nur in der Startposition.

Dann fängt die Arbeit erst richtig an. Der Zivilist kann jetzt nicht einfach schreiben

„Ich kündige!“

und fertig. Auch wenn der Mandant ihn nicht bezahlt hat, muß er liefern, und zwar nicht zu knapp:

    Hinweis
    auf den „Anwaltsprozess“ (§ 87 ZPO), nämlich darauf, daß Mandant sich anwaltlich vertreten lassen muß, da er nicht postulationsfähig ist, so daß das Gericht seinen Vortrag und seine Anträge nicht zur Kenntnis nehmen darf. Das ist in der Regel ausführlich darzustellen, damit der juristischen Laie das auch versteht.

    Hinweis,
    daß ein Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und zur Durchführung einer Beweisaufnahme ansteht. Und zwar mit exakter Zeit- und Ortsangabe, auch wenn der Mandant bereits vom Gericht eine Ladung erhalten hat.

    Hinweis
    auf ein Versäumnisurteil oder die Entscheidung nach Lage der Akten, wenn er in diesem Termin nicht durch einen Anwalt vertreten ist.

    Hinweis
    darauf, dass noch Fristen offen sind, er also noch rechtzeitig durch seinen neuen Anwalt vorgetragen lassen muß, da eigener Sachvortrag des Mandanten nicht vom Gericht nicht berücksichtigt wird.

    Hinweis
    darauf, daß im Falle nicht rechtzeitigen Sachvortrags allein schon deswegen Prozessverlust droht.

    Hinweis
    darauf, daß sich der Vergütungsanspruch nach § 628 BGB richtet und durch die fristlose Kündigung nicht untergeht.

So ein Kündigungsschreiben kann also durchaus schon mal einen halben Arbeitstag in Anspruch nehmen. Arbeitszeit, die dem Anwalt nicht vergütet wird. Bei Steuerberatern sieht das wohl ähnlich aus, schreibt OStA Raimund Weyand hier.

Der hilfsbereite Kollege auf der Mailingliste schrieb zum Schluß

Mehr fällt mir momentan nicht ein.

Dazu fällt mir auch nichts mehr ein, jedenfalls nichts, was zitierfähig wäre.

Strafverteidiger haben es da wesentlich einfacher, jedenfalls immer dann, wenn es um die Vergütung geht. Die Dienstleistung des Verteidigers erfolgt, wenn die Gegenleistung des Mandanten erfolgt ist. Somit entfällt der häufigste Anlaß für die vorzeitige Beendigung eines Mandats gleich zu Beginn.

Exkurs zum Schluß:
Die Kostenhinweise unserer Kanzlei.

Danke an den freundlichen Hinweisgeber für seine Zustimmung zu diesem Beitrag!

4 Kommentare

Die Gutschrift der Gewerbeauskunftszentrale

Für den Mandanten waren sie ziemlich belastend, diese wiederholten Mahnungen und Zahlungsaufforderungen der Gewerbeauskunftszentrale.

Und weil es ihm wirtschaftlich gar nicht so schlecht ging, war er auch schon kurz davor, die Rechnung der

Gewerbeauskunftsgutschrift2

zu bezahlen, nachdem die GWE-Wirtschaftsinformations GmbH ihm schon Klageentwürfe und amtsgerichtliche Entscheidungen zugesandt hatte.

Ich habe mit dem Mandanten dann einen Tausch unserer Dienstleisungen vereinbart; er hilft mir und im Gegenzug helfe ich ihm. Das war für beide am Ende ein gutes Geschäft.

Unsere Kanzlei ist mit den Strukturen und Methoden vergleichbarer Unternehmungen bestens vertraut; im Rahmen von Strafverteidigungen bekommt man einen hervorragenden Einblick, wie es pfiffigen Kerlchen immer wieder gelingt, Kühlschränke an Eskimos oder den Sand in der Wüste zu verkaufen. Deswegen war es auch nicht besonders schwierig, den wunden Arschillespunkt der Gewerbeauskunftszentrale zu finden.

Es lief anfangs noch etwas zäh und wir erhielten auch zornige Reaktionen von den Gewerbeauskunftszentralorganen, aber am Ende bekam der Mandant Post aus 40597 Düsseldorf. Die GWE stornierte die Rechnung:

Gewerbeauskunftsgutschrift

Und ab da war dann Ruhe im Karton.

Im Nachhinein betrachtet war es eigentlich ganz einfach; man muß nur wissen, an welcher Schraube man drehen muß. ;-)

6 Kommentare

Glaskugelregulierung

Zur ordnungsgemäßen Bearbeitung eines Verkehrsunfalls gehört es, dass man die polizeiliche Unfallermittlungsakte anfordert, um sich ein Bild von der Unfallaufnahme, den gesicherten Spuren zu machen und die Aussagen gegebenenfalls vernommener Zeugen abzugleichen.

Diese Informationen sind wichtig, um abschätzen zu können, ob Schadenersatzansprüche voll oder vielleicht wegen eines Mitverschuldens des Mandanten nur nach einer Haftungsquote reguliert werden können. Kurz ausgedrückt, ohne Akte keine Kohle.

Die Übersendung einer Akte lässt sich die Justiz bezahlen. Jede Aktenübersendung kostet 12 Euro.

Bei unseren rechtsschutzversicherten Mandanten genügt es, die Kostenrechnung mit der Bitte um direkte Zahlung an die Versicherung zu schicken. Wir bekommen dann in aller Regel eine kurze Rückmeldung, dass man die Kosten wunschgemäß angewiesen hat. Selbst bei dieser Versicherung klappt das problemlos.

Nun schreibt uns die Rechtsschutz Union auf unsere Bitte die 12 Euro zu zahlen:

Wir weisen darauf hin, dass Maßnahmen die der Sachverhaltsaufklärung oder der Beschaffung von Beweismitteln dienen von uns bedingungsgemäß nicht übernommen werden können. Hierzu zählen z.B. Kosten für die Anschriftenermittlung, Registerauskünfte, Akteneinsicht, EMA-Anfragen, Kosten eines Privatgutachtens etc (vgl. Harbauer, ARBKommentar, § 2 Rdnr. 33).

Wir fassen zusammen. Fast alles was der Anwalt braucht, um überhaupt arbeiten zu können, nämlich Informationen, zahlt diese Rechtsschutz nicht.

Macht nichts, wir haben ja dieses wichtige Utensil in der Kanzlei. Da brauch es keine Akte.

, , , 10 Kommentare

Wer zu lange auf der Kreuzung steht, geht leer aus

Wer kennt die Situation nicht. Man steht mitten auf der Kreuzung und möchte links abbiegen. Es dauert und dauert, weil die vor einem stehenden Abbieger nicht aus dem Knick kommen. Und dann schaltet die Ampel für den Querverkehr auf Grün.

Spätestens jetzt hat man ein Problem. Man steht nämlich im Weg herum, müsste die Kreuzung eigentlich räumen, darf aber auch den Querverkehr nicht gefährden. Und je länger man überlegt und herumsteht, umso teurer wird es. Sagt jedenfalls das Berliner Kammergericht.

Dort verlangte die Klägerin ihren Schaden wenigstens zu 2/3 ersetzt, nachdem sie schon beim Landgericht gescheitert war. Das Kammergericht fand an dem Urteil des Landgerichts allerdings nicht auszusetzen und riet an, die Berufung zurückzunehmen.

Grundsätzlich ist das Räumen der Kreuzung zu ermöglichen. Kommt es zu einem Unfall haftet der Kreuzungsräumers in der Regel nach einer Quote von 1/3. Aber keine Regel ohne Ausnahme.

(…) Je länger ein Kreuzungsräumer auf der Kreuzung verharrt, wird dieser beachten müssen, dass der übrige Verkehr daraus schließen kann, er werde nicht weiterfahren. Ein solcher Kreuzungsräumer darf nicht an- oder weiterfahren, ohne sich vergewissert zu haben, dass ein Zusammenstoß mit einfahrenden Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (vgl. BGHZ 56, 146 = NJW 1971, 1407, 1409). Fährt der Kreuzungsräumer in dieser Situation unbedacht an, kann dies zu einer Abweichung von der Regelhaftung des Kreuzungsräumers von 1/3 führen (vgl. Senat, Urteil vom 6. Oktober 1977 – 12 U 767/77 – DAR 1978, 48, Urteil vom 26. Oktober 1992 – 12 U 5056/91 – VM 1993, 35 Nr. 50); das gilt vor allem dann, wenn der Teilnehmer des Querverkehrs sich sicher sein konnte, dass der hängengebliebene Kreuzungsräumer ihm die Vorfahrt lassen werde (vgl. BGH, a.a.O.).

Nachlesen kann man das Ganze hier: KG, Beschluss vom 08.09.2008, Az: 12 U 194/08

, , , , , 4 Kommentare

Niemals nach dem Weg fragen, schon gar nicht in Polen!

Ein Fall wie aus einem schlechten Film und voller Klischees. Es wurde ein Audi A8 gestohlen. In Gda?sk. Das ist eine wunderschöne Stadt in Polen.

Der Audifahrer war ausgestiegen, um das Auto herum gegangen und unterhielt sich mit einem Passanten. Vielleicht wollte er nach dem Weg fragen oder wo man Zigaretten kaufen kann, was auch immer. Ohne dass er es bemerkte, stieg jemand in den Audi und konnte dank des noch steckenden Zündschlüssels mit dem schönen A8 wegfahren.

Da Fahrzeugdiebstahl in der Vollkasko versichert ist, wollte der Audifahrer Ersatz für sein geklautes Auto und zwar in Höhe von 40.000 Euro. Die Versicherung fand das Aussteigen allerdings grob fahrlässig und zahlte nichts.

Vor dem Landgericht Rostock gewann der Audifahrer noch. Auf die von der Versicherung eingelegte Berufung wurde die Klage vom Oberlandesgericht Rostock allerdings abgewiesen.

Wer sein Fahrzeug verlässt und den Schlüssel stecken lässt, noch dazu in Polen, wo so das OLG wörtlich,

Personen unterwegs sind, die gezielt nach Möglichkeiten zum Fahrzeugdiebstahl, insbesondere von Luxusfahrzeugen (…) Ausschau halten oder spontan eine passende Gelegenheit ausnutzen, handelt grob fahrlässig, auch wenn er nur um das Auto herum auf die Beifahrerseite geht.

Das Steckenlassen eines Schlüssels ohne Eingriffsmöglichkeit sei grob fahrlässig. Nach § 61 VVG in der noch alten Fassung war die Versicherung damit leistungsfrei.

Darüber hinaus hatte der Audifahrer allerdings auch, wohl nachdem er bemerkt hatte, dass das Steckenlassen des Schlüssels wohl nicht die cleverste Erklärung war, der Versicherung noch verschiedenste Sachverhaltsalternativen präsentiert, so dass die Versicherung auch noch wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung nach § 6 Abs. 3 VVG a.F. leistungsfrei war.

OLG Rostock, Urteil vom 07.11.2008, Az: 5 U 153/08 (Vorinstanz: LG Rostock, Urteil vom 31.01.2008, Az: 10 O 291/06)

Das OLG Rostock hatte hier noch das alte Versicherungsvertragsgesetz anwenden müssen. Ein Versicherungsnehmer nach alter Rechtslage hatte keine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführte. Lediglich wenn ihm nur leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen war, hatte er Anspruch auf volle Entschädigung.

Eine der wichtigsten Neuregelungen der VVG-Reform zum 01.01.2008 war die Abschaffung dieses „Alles oder Nichts“ Prinzips.

Nach § 81 VVG in der Neufassung ist eine Versicherung leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich herbeiführt. Bei nur grob fahrlässigen Verstößen des Versicherungsnehmers kann die Versicherung die Leistung entsprechend der Schwere des Verschuldens kürzen.

Wie die Quote hier ausgefallen wäre, darüber kann man nur spekulieren. Angesichts der Bedeutung die das OLG Rostock dem „Tatort“ beigemessen hat, dürfte die Quote aber wohl weit jenseits von 50 Prozent liegen.

, , , , , , 7 Kommentare

Vor Gericht und auf hoher See

ist man in Gottes Hand, lautet ein Sprichwort. Wenn man bei der ARAG rechtsschutzversichert ist, hilft einem aber noch nicht einmal Gott.

Unser Mandant, ein junger sportlicher Mann, hatte einen unverschuldeten Motorradunfall, bei dem er sehr schwer verletzt wurde.

Unter anderem hatte er einen offenen Unterarmbruch davongetragen, Elle und die Speiche nahe des Handgelenks waren gleich mehrfach gebrochen, das rechte Oberschenkelgelenk war ausgekugelt, die Hüfte geprellt und ein sehr empfindliches männliches Körperteil gequetscht.

Es waren insgesamt 5 Operation notwendig, um den verunfallten Biker mit Platten und Drähten wieder zusammenzusetzen. Als Folge des Unfalls verblieb eine Muskelverkürzung, die Drehbewegung des Unterarms ist eingeschränkt.

Die hinter dem Unfallgegner stehende Kfz-Haftpflichtversicherung regulierte bräsig 4.000,– Euro Schmerzensgeld und verweigerte beharrlich die weitere Kommunikation.

Die wollten wir nun mit Hilfe des Gerichts fortführen und baten die Rechtsschutzversicherung des Mandanten, die ARAG, uns für die beabsichtigte Klage Deckung zu gewähren. Damit es schneller geht, fügten wir einen Klageentwurf bei.

Dummerweise landete unsere Deckungsanfrage auf dem Tisch der bereits bekannten Assessorin D. und die hat natürlich wieder Fragen.

Wie soll ein Dauerschaden dargelegt und bewiesen werden? Wir bitten um Vorlage von Entscheidungen, die in vergleichbaren Fällen ein Schmerzensgeld von mindestens 15.000,- € für angemessen erachten. Nach Eingang Ihrer Nachricht kommen wir auf die Angelegenheit zurück.

Dass ein Dauerschaden eingetreten ist, haben nicht wir uns ausgedacht, sondern die behandelnden Ärzte schätzen das so ein. Damit das Gericht sich hierzu seine Überzeugung bilden kann, haben wir Beweis nicht nur durch Zeugnis dieser Ärzte, sondern auch durch ein Sachverständigengutachten angeboten. In aller Regel klagt man aber erst und dann erhebt das Gericht Beweise.

Unser Mandant hatte sich auch nicht den kleinen Finger gebrochen, so dass das verlangte Schmerzensgeld angemessen ist. Entsprechende Entscheidungen haben wir natürlich brav übersandt.

Vielleicht sollten wir unsere Klagen künftig von Frau Assessorin D. schreiben lassen. Die scheint ja zu wissen, wie man es richtig macht.

, , 2 Kommentare

Der nackte Biker

Unser Mandant fand sich nach dem Zusammentreffen seiner Aprilia mit einem Pkw auf dem Straßenbelag wieder. Seine Motorradhose hatte darunter etwas gelitten und einige Prellungen waren auch zu beklagen.

Die in Anspruch genommene Versicherung des Unfallgegners meint, überhaupt nichts zahlen zu müssen, der Unfallhergang ist im höchsten Maße streitig. Insoweit Standard.

Wir klagen also neben dem Fahrzeugschaden auch Ersatz für die beschädigte Hose und Schmerzensgeld ein.

Nun überraschte uns der von der Versicherung beauftragte Kollege mit einer sehr kreativen Rechtsansicht, warum unserem Mandanten insbesondere kein Schmerzensgeld zustehe:

Der Kläger hat doch nach seinem eigenen Vortrag Schutzkleidung getragen. Bei ordnungsgemäßer Schutzkleidung konnten (…) die behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht entstehen. Der Kläger muss sich schon entscheiden: Entweder Schmerzensgeld oder Ersatz für Schutzkleidung.

Also dass fehlende Schutzkleidung ein Mitverschulden des Bikers bei bestimmten Verletzungen begründen kann, war uns bekannt. Aber dass ein Zuviel an Schutzkleidung ein Schmerzensgeld per se ausschließt, ist uns neu.

Wir raten trotzdem davon ab, nackt Motorrad zu fahren.

, , , 4 Kommentare

Mal sehen, wer nachher noch fahren kann

Zwei Studenten fuhren zu einer Erstsemesterfete. Nicht zum wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch, sondern mit dem Ziel, kräftig zu feiern und viel Alkohol zu trinken. Der eine hatte ein Auto und kaufte das Bier, der andere trank fleißig mit und feierte noch weiter, als der mit dem Auto schon längst in dem selbigen schlief. Einen Plan wann und vor allem wie man wieder nach Hause kommt, gab es nicht.

Irgendwann als der Morgen graute, verging dem übrig gebliebene Partygast die Feierlaune. Er weckte den im Auto schlafenden und fragte, ob man jetzt nicht mal langsam nach Hause fahren wolle. Schlaftrunken übergab der die Autoschlüssel, schnallte sich an und los ging die wilde Fahrt. Bis zur Kurve einer Autobahnauffahrt, wo der Fahrer das Auto zu Schrott fuhr.

Der mit dem Auto hatte auch eine Vollkaskoversicherung, die sollte nun den Wiederbeschaffungswert und die Bergungskosten zahlen. Die Versicherung lehnte das ab. Wer Besoffene fahren lässt, kann ja wohl nicht verlangen, dass die Versicherung dann die Zeche zahlt. Das Landgericht Bonn sah das ein wenig anders, vernahm den Fahrer als Zeugen und sprach dem mit dem Auto zumindest 25 Prozent des Schadens zu.

Der Versicherungsfall sei zwar grob fahrlässig herbeigeführt worden, da mit gegenseitiger Kenntnis viel Alkohol getrunken wurde und man einem erkennbar erheblich Betrunkenen eben nicht die Schlüssel zu seinem Pkw übergeben sollte. Unter Anwendung des zum Schadenszeitpunkt bereits geltenden neuen Versicherungsvertragsgesetzes müsse man aber eine dem Grad des Verschuldens entsprechende Quote bilden. Gegen eine komplette Leistungskürzung sprach nach Auffassung des Gerichts, dass nicht der Versicherte selbst im alkoholisierten Zustand den Wagen gefahren hat, sondern sein mindestens ebenso betrunkener Bekannter.

Hätte zum Unfallzeitpunkt das alte Versicherungsvertragsgesetz Anwendung gefunden, wäre der mit dem Auto leer ausgegangen. Es galt das „Alles oder Nichts“ Prinzip. Das hat der Gesetzgeber bei der Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes abgeschafft. Jetzt kommt es darauf an, welches Maß an Verschulden einem Versicherungsnehmer angelastet werden kann.

Nachlesen kann man das Urteil des Landgericht Bonn vom 31.07.2009, Az: 10 O 115/09 hier.

, , , , , , , , , , 9 Kommentare

Der Telefonjoker

Im Wort Rechtsschutzversicherung stecken die Worte Recht, Schutz und sicher. Manche Versicherer scheinen das zu vergessen und setzen lieber auf die Worte verraten und verkauft.

Nach einem Unfall hatte ein Ehepaar ihre Rechtsschutz angerufen, um sich zu erkundigen, wie man sich am besten verhält. Man stellte sie zu einem Rechtsanwalt durch, der ein paar wirklich gute Tipps auf Lager hatte.

Gegen den Mann, der gefahren war, hatte die Polizei vor Ort ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Er hatte ein Anhörungsschreiben erhalten. Da solle er mal was hinschreiben, meinte der Anwalt, dann würde das Verfahren sicher eingestellt. Der Frau, der das Auto gehört, riet er, sich mit der Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners in Verbindung zu setzen. Die würden dann einen Gutachter schicken, der den Schaden schätzt. Danach würde die gegnerische Versicherung dann Schadenersatz zahlen.

Da sprach geballte Kompetenz pur und wir dürfen nun versuchen, die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Die Bußgeldstelle erließ nämlich ungerührt einen Bußgeldbescheid und die Versicherung des Unfallgegners dachte nicht im Traum daran, hier den Schaden begutachten zu lassen. Bevor man sich zur haftung äußern könne, müsse man ja mal in die Unfallakte sehen.

Das tun wir im Übrigen auch bevor wir Mandanten Ratschläge geben.

Nachtrag: Das scheint Mode zu sein, wie der Kollege Wings hier berichtet.

, , , 5 Kommentare