Zivilrecht

Gericht hat die Faxen dicke

In aller Regel werden hier im Hause auch Schriftsätze an Gerichte lediglich gefaxt. Nur Klagen und Schriftsätze mit besonderen Anlagen, z.B. Farbausdrucken, werden per Post verschickt. Da alle Prozessbeteiligten wissen müssen was wir so schreiben, sind für jeden Abschriften beizufügen. Die erforderliche Anzahl an Abschriften faxen wir also mit.

Für uns hat das große Vorteile. Ohnehin erwartet das Gericht, dass Schriftsätze innerhalb bestimmter Fristen dort eingehen. Zweckmäßigerweise faxt man daher und hat einen Nachweis. Warum noch per Post verschicken? Es geht schnell und so ersparen wir uns das anschließende Ausdrucken, eintüten und natürlich die Briefmarke.

Einige Richter finden das gut, da Schriftsätze nicht einmal per Fax und danach noch einmal per Post kommen und die Akte unnötig aufblähen. Andere finden das gar nicht gut, weil die Abschriften ja beglaubigt werden müssen. Soll heißen, es wird bestätigt, dass die Abschrift den gleichen Inhalt hat wie das Original.

Unter den gefaxten Schriftsätzen findet sich daher so ein kleiner Textbaustein, in wir auf den gängigsten Kommentar zur Zivilprozessordnung verwiesen. In dem steht, dass eine Faxsendung völlig ausreichend ist und die Geschäftstelle bei Gericht die Beglaubigung der Abschriften bitte selbst vornehmen soll. Macht dort natürlich Arbeit, steht aber so in der ZPO.

Weil Rechtsanwälte, insbesondere Zivilisten, die viel mehr schreiben müssen als Strafrechtler, auch nur Menschen sind, passieren manchmal Fehler. Zum Glück nur kleine.

Bei den Klagen oder den bunten Schriftsätzen die wir per Post verschicken, beglaubigen wir die Abschriften selber und es steht auch ein anderer kleiner Textbaustein darunter. Nämlich, dass wir beglaubigte Abschriften beigefügt haben.

Es kam wie es kommen musste, in einem ausschließlich gefaxten Schriftsatz an das Amtsgericht Mitte standen am Ende beide Textbausteine untereinander.

Ja was soll das arme Gericht denn jetzt machen? Selbst beglaubigen oder mit dem Anwalt schimpfen.

Eigentlich eine überflüssige Frage. Es muss ein schreckliches Getöse gegeben haben, als aus dem Elfenbeinturm der Richterin eine Zinne brach und Staub in der Geschäftsstelle aufwirbelte. Sie ließ uns per Post (!) mitteilen:

Der Kläger wird um Mitteilung gebeten, warum er bei seinem Fax behauptet, dass beglaubigte Abschriften beigefügt werden, wenn er nicht einmal die Absicht hat, eine beglaubigte Abschrift beizufügen, wie aus dem Absatz darüber ergibt.

Jetzt hat sie es uns aber gegeben. Was schreiben wir nur zurück?

Man hätte natürlich auch einfach die Beglaubigung durch die Geschäftstelle vornehmen lassen können, dass hätte Zeit und Porto gespart.

In der nächsten Verhandlung, in der sich über mangelnde Ressourcen bei der Justiz beklagt wird, muss ich wohl arg an mich halten.

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Der Wanderwagen

Im Gebrauchtwagenhandel macht es für die Kaufentscheidung des Käufers einen beträchtlichen Unterschied, ob das Fahrzeug einen oder drei Vorbesitzer hatte. Die falsche Angabe eines Vorbesitzers statt in Wirklichkeit dreier beim Gebrauchtwagenhandel stellt einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar. So entschied es das OLG Naumburg.

Der Kläger hatte bei einem gewerblichen Händler einen Gebrauchtwagen gekauft und zunächst erfolglos versucht, den Wagen wieder loszuwerden mit der Behauptung dieser hätte Vorschäden. Erst mit dem Argument, der Händler habe nicht über sämtliche Vorbesitzer des Fahrzeuges aufgeklärt, fand er beim Gericht letztlich Gehör.

Im Kaufvertrag war nur ein Vorbesitzer laut Fahrzeugbrief aufgeführt, im Fahrzeugbrief war auch nur ein Halter eingetragen. Neben dem Datum der Erstzulassung war im Fahrzeugbrief dann aber vermerkt: „Anzahl der Vorhalter 2“.

Das Fahrzeug hatte eine bewegte Geschichte hinter sich. Der Erstbesitzer hatte es an ein Autohaus verkauft. Von dort wurde es, da ein Schaden am Turbolader vorlag, an eine Werkstatt weiter gereicht. Nachdem die Werkstatt den Schaden repariert hatte, kaufte es der nun verklagte Autohändler, der es wiederum an den Kläger verkaufte. Das Autohaus und auch die Werkstatt waren nicht in den Fahrzeugbrief eingetragen worden.

Das LG Dessau-Roßlau gab der Klage überwiegend statt. Die Berufung des Autohändlers blieb ohne Erfolg.

Maßgeblich war eine Entscheidung des BGH vom 16.12.2009 (VIII ZR 38/09 [NJW 2010, 858]) wonach der Händler über sämtliche Vorbesitzer aufklären muß.

(Es) liegt ein solcher für den Käufer eines Gebrauchtwagens wesentlicher Umstand vor, wenn der Verkäufer das Fahrzeug selbst – wie hier – kurz zuvor von einem ´fliegenden Zwischenhändler´ erworben hat. In einem solchen Fall ist der Verkäufer zur Aufklärung verpflichtet (OLG Bremen, NJW 2003, 3713 f.; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rdnr. 1599), denn ohne einen entsprechenden Hinweis geht der Käufer davon aus, dass der Vertragspartner das Fahrzeug von demjenigen übernommen hat, der als letzter Halter in dem Kraftfahrzeugbrief eingetragen ist.
Hat der Verkäufer das Fahrzeug kurze Zeit vor dem Weiterverkauf selbst von einer Person unbekannter Identität erworben, liegt der Verdacht nahe, dass es während der Besitzzeit des unbekannten Voreigentümers zu Manipulationen am Kilometerzähler oder einer sonstigen unsachgemäßen Behandlung des Fahrzeugs gekommen ist. Die Verlässlichkeit der Angaben des Verkäufers zum Fahrzeug wird dadurch grundlegend entwertet.

Für das OLG Naumburg machte es auch keinen Unterschied, dass es sich anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall um keinen sog. „fliegenden Zwischenhändler“ unbekannter Identität handelte, sondern um namentlich bekannte und möglicherweise greifbare Unternehmen. Allein entscheidend war, dass die Angabe zur Anzahl der Halter laut Fahrzeugbrief im Kaufvertrag objektiv falsch war, weil sich aus dem Fahrzeugbrief selbst wenigstens zwei weitere Halter ergaben. Der Käufer konnte demnach vom Vertrag zurück treten.

OLG Naumburg, Urteil vom 14.08.2012, 1 U 35/12 (VRR 2013, 183 f. mit Anmerkung von RA Kümmerle, Berlin)

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HIS – die Schufa der Versicherungswirtschaft

Nach erfolgter Regulierung ihrer Verkehrsunfälle beikommen unsere Mandanten in aller Regel, nämlich dann wenn fiktiv abgerechnet wurde und der Schaden über 2.500 Euro liegt, zum Abschluss noch ein nettes Schreiben von der gegnerischen Versicherung, in dem ihnen mitgeteilt wird, dass die Daten zum Fahrzeug – Kfz-Kennzeichen und Fahrzeugidentifizierungsnummer – an das Hinweis- und Informationssystem (HIS) übermittelt wurden.

Es folgen auf ein solches Schreiben oft aufgeregte Anrufe. Dürfen die das? Ja, sie dürfen.

Bei dem HIS handelt es sich um eine Datensammlung der deutschen Versicherungswirtschaft, die der Aufdeckung und Prävention von Versicherungsbetrug und Versicherungsmissbrauch sowie der begleitenden Risikoprüfung dienen soll. Sozusagen die „Schufa“ für Versicherungen.

Zweck der Meldung im Falle fiktiver Abrechnungen ist in erster Linie, dass beschädigte Fahrzeuge nicht mehrfach als Versicherungsfall gemeldet werden. Fiktivabrechner werden also unter den Generalverdacht gestellt, das sie sich durch Mehrfachabrechnung von Unfällen einen netten Zusatzverdienst verschaffen. Kennt man, machen Unfallgeschädigte ständig. Dagegen müssen sich die gebeutelten Versicherungen natürlich schützen.

Klagen gerichtet auf Löschung erfasster Daten, bleiben ohne Erfolg. Aktuell hat das Amtsgericht Kassel eine solche Klage abgewiesen.

In der HIS-Datenbank würden ja keine personenbezogene Daten im Sinne des § 3 BDSG gespeichert, lediglich fahrzeugbezogene Daten und die könnten nur über Umwege, so z.B. über das Kraftfahrtbundesamt oder die örtliche Kfz-Zulassungsstelle in Bezug zu einer bestimmten Person gesetzt werden.

Ob das so richtig ist, darüber kann man trefflich streiten. Aber selbst wenn man anderer Ansicht ist, sei die Speicherung der Daten erlaubt im Sinne des § 4 BDSG. Die Speicherung personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung finde in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG ihre Grundlage, da schutzwürdige Interessen der von der Datenspeicherung betroffenen Fiktivabrechner nicht tangiert würden.

Denn das System dient dem Interesse der Versichertengemeinschaft. Mithilfe der solchermaßen gespeicherten Daten können nämlich Fälle leichter bearbeitet werden, in denen eine unberechtigte Inanspruchnahme von Kfz-Haftpflicht- bzw. -Kaskoversicherungen in Frage steht, nachdem ein Schadensfall lediglich fiktiv, d.h. ohne Vorlage einer konkreten Reparaturkostenrechnung reguliert worden ist. Dabei kommt es nicht auf die Person des Halters am, sondern auf das Fahrzeug an sich, um ermitteln zu können, ob dieses bereits einmal einem vergleichbaren Schaden zuvor erlitten hat. (…)

Denn den dem …angeschlossenen Versicherungsunternehmen wird, wie bereits ausgeführt, die Bearbeitung besonders auffälliger Schadensfälle damit erleichtert, insbesondere im Hinblick auf Fälle, in denen der Verdacht betrügerischen Verhaltens durch mehrfache Abrechnung ein- und desselben Schadens eine Rolle spielt. Steht aber ein solches Verhalten eines Anspruchstellers zur Debatte kann er nicht für sich datenschutzrechtliche Bestimmungen reklamieren, weil er sich der dann selbst möglicherweise rechtswidrig verhalten hat oder zumindest ein solcher Verdacht auszuräumen ist (im Ergebnis wie hier AG Coburg, Urteil v. 07.11.2012 – 12 C 179/12).

Was an der fiktiven Abrechnung gegenüber einer Kfz-Haftpflichtversicherung auffällig, betrügerisch und unberechtigt sei, erklärt das Gericht leider nicht.

AG Kassel, Urteil vom 7. Mai 2013, Az: 435 C 584/13

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Hanseatische Pfennigfuchser

Ein freundlicher Kfz-Sachverständiger aus der Nachbarschaft hat einen seiner Kunden zu uns geschickt. Der Versicherer des Unfallgegners hatte nämlich Einsparpotential entdeckt.

Einmal durch die Vorlage eines der üblichen „Prüfgutachten“, was hier nicht von Interesse ist, da der Mandant sein Auto seit Jahr und Tag in ein und derselben markengebundenen Fachwerkstatt reparieren lässt und nicht vorhat, dass nun bei „Paul Kasubkes Karosserieklempnerei“ preiswerter erledigen zu lassen, zum anderen bei den Sachverständigenkosten. Der Gutachter sei zu teuer befindet die KRAVAG.

Sachverständigenkosten ersetzen wir, wenn sie erforderlich sind. Die hier berechneten Kosten waren der Höhe nach nicht erforderlich. Unsere Zahlung orientiert sich hinsichtlich des Grundhonorars an der Erhebung des BVSK 2010/2011 sowie bezüglich der Nebenkosten an der Entscheidung des LG Saarbrücken vom 10.02.2011 (Az. 13 S 109/10).

Neugierig geworden, was das Saarbrücker Landgericht so tolles im Sinne der Versicherungswirtschaft ausgeurteilt hat, las ich die Entscheidung nach. Das sollte auch die KRAVAG dringend machen.

Das LG Saarbrücken schreibt nämlich, dass der Schädiger bzw. dessen Versicherung, grundsätzlich Sachverständigenkosten zu ersetzen haben. die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Der Geschädigte ist dabei nicht verpflichtet, erst einmal den Markt zu erforschen und einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen.

Erst wenn für den Geschädigten erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, könnte er auf einem Teil der Gutachterkosten sitzen bleiben. Abgerechnet wird aber in der Regel nach Gutachtenerstellung und woher soll der Laie wissen, was willkürlich ist und was nicht.

Denn dem Sachverständigen ist es im Rahmen seiner privatautonomen werkvertraglichen Preisgestaltung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich gestattet, neben einem „Grundhonorar“ für die eigentliche Sachverständigentätigkeit „Nebenkosten“ nach ihrem konkreten Anfall zu berechnen (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2006 – X ZR 80/05, NZV 2007, 182 ff.). Im Bereich des „Grundhonorars“ ist dem Laien ein verbindlicher Preisvergleich zumindest dann nicht möglich, wenn der Sachverständige in grundsätzlich zulässiger Weise (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06, VersR 2007, 560 f.; Urteil der Kammer vom 12. Februar 2010 – 13 S 146/09) nach der erst noch zu ermittelnden Schadenshöhe abrechnet, was offenbar sehr häufig geschieht (vgl. etwa BVSK, Befragung zur Höhe des üblichen Kfz-Sachverständigenhonorars – BVKS-Honorarbefragung 2008/2009, S. 1; hierzu auch BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06, VersR 2007, 560 f.).

Einzig und allein bei den Nebenkosten hatte der Sachverständige nach Ansicht des Landgerichts etwas zu hoch gegriffen. Die waren nahezu genauso hoch ausgefallen, wie das Grundhonorar. Allerdings stellte das Gericht zunächst einmal klar, dass neben einem Grundhonorar auch weitere Auslagen anfallen können und zu erstatten sind.

Dass ein Sachverständiger sein „Grundhonorar“ für die Ingenieurleistung in pauschalierter Weise an der Schadenshöhe orientiert, hindert ihn nicht daran, zusätzlich „Nebenkosten“ pauschal oder nach ihrem tatsächlichen Anfall zu berechnen. Diese Abrechnungsweise ist werkvertraglich zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2006 aaO) und in den Honorarordnungen einzelner Berufsgruppen ausdrücklich vorgesehen. Auch schadensrechtliche Bedenken gegen die Erstattungsfähigkeit einer solchermaßen aufgespaltenen Abrechnung in pauschalierte „Grund-“ und individualisierte „Nebenkosten“ bestehen nicht (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 aaO; Kammerurteil vom 12. Februar 2010 – 13 S 146/09 mwN).

Manchmal fragt man sich schon, wer den Versicherern ihre Textbausteine schreibt.

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Schnelle Versicherung

In einer Unfallsache wurde nach fiktiver Abrechnung auf Gutachtenbasis von der Versicherung ein Prüfbericht übersandt, wonach eine Reparatur deutlich billiger möglich sei. Die Kürzung war recht deftig und der Mandant wenig begeistert. Ich hatte der Versicherung noch ein wenig Butter bei die Fische getan. Heute kam die Antwort der Versicherung.

Das Fahrzeug Ihrer Mandantschaft ist älter als 3 Jahre. Es wurde erstmals am … zugelassen und weist einen Kilometerstand von … km auf.

Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss sich der Geschädigte bei einer Abrechnung auf Gutachtenbasis auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit, die mühelos ohne weiteres zugänglich ist, verweisen lassen (z.B. BGF VI ZR 53/09 vom 20.09.2009).

Wir haben bei der … Karosseriebau in der …straße … in … Berlin die Preise ermittelt. Diese regionale Werkstatt befindet sich in der Nähe des Wohnorts des Klägers. Diese Firma bietet günstigere Stundenverrechnungssätze an. Die Qualität der Reparatur unterscheidet sich nicht von derjenigen einer Markenfachwerkstatt.

Wir können keine weiteren Reparaturkosten übernehmen und bitten um Verständnis.

Wenn die Versicherer doch bei der Schadenregulierung so schnell wären, wie bei der Umsetzung der neuesten Sparanleitung vom BGH.

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Das Ende der fiktiven Abrechnung?

Der BGH, der kürzlich noch entschied, dass bei fiktiver Abrechnung eines Unfallschadens selbstverständlich auch die auf Lohnkosten einer Werkstatt entfallenen Sozialabgaben und Lohnnebenkosten ersetzt werden müssen, hat nun in seiner unendlichen Weisheit einen neuen Kriegsschauplatz in der Schadenregulierung eröffnet, wenn nicht sogar das Ende der fiktiven Schadenabrechnung eingeläutet.

Eigentlich ein alltäglicher Fall. Der Unfallgeschädigte hatte seinen Fahrzeugschaden von einem unabhängigen Kfz-Sachverständigen kalkulieren lassen und wollte fiktiv abrechnen. Tatsächlich hatte er in Eigenregie und (das darf vermutet werden) etwas preiswerter repariert. Das ist völlig legitim und es geht insbesondere den Versicherer nichts an, was der Geschädigte mit dem zu zahlenden Schadenersatz anstellt und ob er anstelle die Karosse auszubeulen, lieber in den Urlaub fliegt.

Natürlich suchen die Versicherer nach Möglichkeiten, gerade in solchen Fällen zu sparen. Erst kamen dubiose Restwertbörsen zum Einsatz, die seltsamerweise immer mehr für ein Fahrzeug boten, als die von eigenen Sachverständigen benannten regionalen Anbieter. Dann erfand man die Prüfberichte, verfasst von „Car-Experten“ und den Verweis auf günstigere Alternativwerkstätten.

Der BGH hatte mehrfach Gelegenheit, dazu Entscheidungen zu treffen. Grundsätzlich könne ein Unfallgeschädigter seinen Schaden auf Grundlage der von seinem Sachverständigen ermittelten Preise von markengebundenen Fachwerkstätten auch fiktiv regulieren, es sei denn, der Versicherer verweist ihn auf eine preisgünstigere Werkstatt, die mühelos erreichbar, zu gleicher Qualität repariere wie eine Markenwerkstatt.

Man stritt vor den Instanzgerichten nunmehr erbittert um die Frage der Gleichwertigkeit, wobei die Versicherungen immer nur diese Prüfberichte und zum Nachweis der Gleichwertigkeit bunte Expertisen vorlegten, wonach die benannten Werkstätten zertifiziert und Mitglied in irgendwelchen Zusammenschlüssen waren. Das reiche nicht, entschied kürzlich das Landgericht Berlin. Die Versichererung hätte dem Geschädigten schon ein konkretes Werkstattangebot vorlegen müssen.

Der BGH liefert den Versicherern nun die Anleitung zum sparen. Jetzt dürfen diese so ein konkretes Angebot nämlich nachholen, sogar noch im Klageverfahren.

Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Schädiger den Geschädigten, der fiktiv abrechnet, noch im Rechtsstreit auf günstigere Reparaturmöglichkeiten in einer Referenzwerkstatt verweisen kann, ist nicht zu beanstanden.

a) Der Geschädigte darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Senatsurteile vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 4 – Porsche-Urteil; vom 20. Oktober 2009 – VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rn. 7 f. – VW-Urteil; vom 22. Juni 2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn. 6 – Audi-Quattro-Urteil; vom 22. Juni 2010 – VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn. 6 – Mercedes-A 170-Urteil). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht grundsätzlich ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (vgl. z.B. Senatsurteile vom 23. März 1976 – VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 241; vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 3).

Allerdings ist unter Umständen ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder “freien” Fachwerkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (Senatsurteile vom 20. Oktober 2009 – VI ZR 53/09, aaO Rn. 12 ff. – VW-Urteil; vom 23. Februar 2010 – VI ZR 91/09, VersR 2010, 923 Rn. 9, 11 – BMW-Urteil; vom 22. Juni 2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn. 7 – Audi-Quattro-Urteil; vom 22. Juni 2010 – VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn. 7 – Mercedes-A 170-Urteil; vom 13. Juli 2010 – VI ZR 259/09, VersR 2010, 1380 Rn. 7 – Mercedes-A 140-Urteil).

b) Hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem der Verweis spätestens erfolgen muss, bestehen unterschiedliche Auffassungen. Vertreten wird etwa, der Kfz-Haftpflichtversicherer könne den Unfallgeschädigten bei fiktiver Abrechnung des Unfallschadens an einem fünf Jahre alten Fahrzeug auch noch zu einem späteren Zeitpunkt, der mehrere Wochen nach dem Unfall liege, und zu dem das Fahrzeug bereits repariert worden sei, auf eine von ihm konkret benannte und dem Geschädigten zumutbare und zugängliche, technisch gleichwertige, aber kostengünstigere Reparaturmöglichkeit verweisen, es sei denn, der Geschädigte habe das Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren lassen (z.B. OLG Braunschweig, Urteil vom 27. Juli 2010 – 7 U 51/08, juris Rn. 18). Zum Teil wird es für ausreichend gehalten, dass im Fall der fiktiven Schadensberechnung der Schädiger auch noch erstmals im Prozess auf eine günstigere Werkstatt verweist (LG Frankfurt, Urteil vom 19. Januar 2011 – 2-16 S 121/10, juris; LG Stuttgart, Urteil vom 19. Juli 2010 – 4 S 48/10, juris Rn. 14; AG Flensburg, Urteil vom 8. Januar 2013 – 62 C 131/12, juris Rn. 8 ff.; AG Nordhorn, Urteil vom 19. Juni 2012 – 3 C 1596/11, juris Rn. 28 ff.). Die Möglichkeit, erst im Prozess auf freie Werkstätten zu verweisen, wird von anderen abgelehnt, wobei u.a. darauf abgestellt wird, der Verweis müsse in dem Zeitpunkt bekannt sein, in dem der Geschädigte gewöhnlich seine Dispositionsentscheidung treffe, also zeitnah nach dem Unfall (vgl. LG Kiel, Urteil vom 25. November 2011 – 1 S 37/11, juris Rn. 23 ff.; LG Frankenthal, Urteil vom 7. März 2012 – 2 S 180/11, juris Rn. 7 ff.; AG Hechingen, Urteil vom 28. Juni 2012 – 2 C 416/11, juris Rn. 16 ff.; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Juni 2008 – I-1 U 246/07, DAR 2008, 523, 525; Nugel, jurisPR-VerkR 18/2008 Anm. 1).

c) Nach Ansicht des erkennenden Senats ist der Verweis noch im Rechtsstreit möglich, soweit dem nicht prozessuale Gründe, wie die Verspätungsvorschriften, entgegenstehen.

Für den Geschädigten, der fiktiv abrechnet, ist es im Prinzip unerheblich, ob und wann der Versicherer auf die alternative Reparaturmöglichkeit verweist. Dem steht nicht entgegen, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen. Entscheidend ist, dass in solchen Fällen der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln ist. Der Geschädigte disponiert dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf dieser objektiven Grundlage zufrieden gibt. Hinweise der Schädigerseite auf Referenzwerkstätten dienen hier nur dazu, der in dem vom Geschädigten vorgelegten Sachverständigengutachten vorgenommenen Abrechnung entgegenzutreten.

BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 – VI ZR 320/12

Ein Geschädigter hat genau zwei Möglichkeiten, seinen Schaden abzurechnen. Er kann konkret abrechnen und den Schaden genau zu dem Preis, den sein Sachverständiger im Gutachten kalkuliert hat, in der Markenfachwerkstatt seines Vertrauens gegen Rechnung reparieren lassen. Die andere Möglichkeit ist, sich den für die fiktive Wiederherstellung erforderlichen Netto-Betrag auszahlen zu lassen.

Das Urteil greift in diese vom Gesetz her vorgesehene Dispositionsfreiheit des Geschädigten ein. Wie soll er denn disponieren, also planen, wenn die Versicherung später noch günstigere Werkstätten benennen darf? Für den Geschädigten, der fiktiv abrechnet, ist es nicht unerheblich, ob und wann der Versicherer auf die alternative Reparaturmöglichkeit verweist. Denn der Geschädigte hat in aller Regel schon disponiert und möglicherweise (preiswerter) repariert.

Der Geschädigte „verdient“ auch nicht am Schaden, denn er hat Anspruch auf den Betrag, der objektiv zur Herstellung erforderlich ist. Und diesen Betrag hat sein Sachverständiger ermittelt. Wenn der BGH schreibt, der Geschädigte disponiert dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf dieser objektiven Grundlage zufrieden gibt, meint er damit, der Geschädigte der in Eigenregie oder preiswert repariert, hätte auch das Billigangebot der Versicherung nehmen können. Weil mehr sei ihm sein Kfz anscheinend ja nicht wert. Das stellt den Gedanken, der in § 249 BGB steckt, völlig auf den Kopf.

Die Einschränkung durch den BGH, dass der Benennung einer konkreten Alternativwerkstatt im Prozess möglicherweise die Verspätungsvorschriften entgegenstehen können, hilft nicht weiter. Verspätung findet in den Instanzgerichten mal statt, wenn ein Prozessbevollmächtigter den Bus verpasst. Verspätungen in Sinne von § 296 ZPO kommen nicht vor. Die Versicherungen werden angesichts dieser Steilvorlage, die der BGH ihnen liefert, künftig weiter kürzen, ihre Prüfberichte vorlegen und auf angeblich reparaturbereite Alternativwerkstätten verweisen. Sollte der Geschädigte auf die Idee kommen, gegen die Kürzung zu klagen, legt man einfach ein konkretes Werkstattangebot vor. Letzdendlich kann man sich dann noch um die Frage der Gleichwertigkeit streiten, um mehr aber auch nicht.

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Helmpflicht für Radler durch die Hintertür?

Das Schleswig-Holsteinische OLG entschied am gestrigen Tag, dass ein Radfahrer, der im öffentlichen Straßenverkehr mit einem anderen – sich verkehrswidrig verhaltenden – Verkehrsteilnehmer (Kfz; Radfahrer usw.) kollidiert und infolge des unfallbedingten Sturzes Kopfverletzungen erleidet, die ein Fahrradhelm verhindert oder gemindert hätte, sich grundsätzlich ein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms anrechnen lassen müsse. Schon rauscht es durch den Blätterwald, dass damit quasi die Helmpflicht für Radler eingeführt sei.

Die Radfahrerin im konkreten Fall war gegen die sich unvermittelt öffnende Fahrertür eines am rechten Fahrbahnrand parkenden Pkw gefahren. Sie fiel auf den Hinterkopf und zog sich schwere Schädel-Hirnverletzungen zu, die u.a. einen zweimonatigen Krankenhausaufenthalt nach sich zogen. Da die ärztliche Behandlung und die berufliche Wiedereingliederung noch nicht abgeschlossen waren, verlangte die Fahrradfahrerin vor Gericht zunächst die Feststellung, dass die Halterin und deren Kfz- Haftpflichtversicherung verpflichtet sind, ihr alle aus dem Unfall entstandenen und zukünftig entstehenden Schäden zu ersetzen, insbesondere ihr auch ein Schmerzensgeld zu zahlen.

Das Gericht nahm ein anspruchsminderndes Mitverschulden der Radlerin an, da nach den Feststellungen eines gerichtlichen Sachverständigen der Umfang der Kopfverletzung mit einem Fahrradhelm zwar nicht hätte verhindert, in einem gewissen Umfang doch aber hätte verringert werden können.

Fahrradfahrer sind heutzutage jedoch im täglichen Straßenverkehr einem besonderen Verletzungsrisiko ausgesetzt. Der gegenwärtige Straßenverkehr ist besonders dicht, wobei motorisierte Fahrzeuge dominieren und Radfahrer von Kraftfahrern oftmals nur als störende Hindernisse im frei fließenden Verkehr empfunden werden. Aufgrund der Fallhöhe, der fehlenden Möglichkeit, sich abzustützen (die Hände stützen sich auf den Lenker, der keinen Halt bietet) und ihrer höheren Geschwindigkeit, z.B. gegenüber Fußgängern, sind Radfahrer besonders gefährdet, Kopfverletzungen zu erleiden. Gerade dagegen soll der Helm schützen. Dass der Helm diesen Schutz auch bewirkt, entspricht der einmütigen Einschätzung der Sicherheitsexperten und wird auch nicht ernsthaft angezweifelt. Die Anschaffung eines Schutzhelms ist darüber hinaus wirtschaftlich zumutbar. Daher kann nach dem heutigen Erkenntnisstand grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm tragen wird, soweit er sich in den öffentlichen Straßenverkehr mit dem dargestellten besonderen Verletzungsrisiko begibt.

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 05.06.2013., Aktenzeichen: 7 U 11/12

Auch wenn es allgemeine Empfehlungen zum Tragen eines Fahrradhelmes gibt und die Eignung des Tragens von Schutzhelmen zur Vermeidung bestimmter Kopfverletzungen wissenschaftlich belegt ist, es gibt keine Helmpflicht für Radfahrer.

In der bisherigen Rechtsprechung begründete das Radfahren ohne Schutzhelm – zumindest bei Erwachsenen – bislang auch nicht den Vorwurf des Mitverschuldens (so z.B. OLG Hamm NZV 2001, 86; OLG Hamm NZV 2002, 129; OLG Stuttgart VRS 97, 15; OLG Nürnberg DAR 1991, 173; OLG Nürnberg DAR 1999, 507; OLG Karlsruhe NZV 1991, 25; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Januar 2003, Az.: 1 U 110/02; OLG Celle, Urteil vom 11.06.2008, Az: 14 U 179/07).

Selbst eine Unterscheidung zwischen herkömmlichen Freizeitradfahrern, die sich im Straßenverkehr ohne sportliche Ambitionen bewegen, und Rennradfahrern, setzte sich nicht so recht durch.

Das OLG Düsseldorf entscheid zwar mit Urteil vom 12.02.2007, Az: I-1 U 182/06), dass bei einem Radrennfahrer – ungeachtet der Tatsache, dass eine gesetzlich normierte Pflicht zum Tragen eines Fahrradhelms nicht besteht – ein erhebliches Mitverschulden darin gesehen werden muss, dass der Rennradfahrer zum Unfallzeitpunkt keinen Schutzhelm trug. Eine Selbstgefährdung werde durch die Rechtsordnung regelmäßig nicht verboten; gleichwohl sehe § 254 BGB als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben eine Anspruchsminderung des Geschädigten vor, wenn er vorwerfbar die eigenen Interessen außer Acht lässt und ihn insofern ein “Verschulden gegen sich selbst” treffe.

Das Urteil wurde wohl rechtskräftig und das OLG Düsseldorf blieb bei seiner Linie und nahm bei einem weiteren Radsportler die Obliegenheit zum Tragen eines Schutzhelmes an (Urteil vom 18.06.2007, Az: I-1 U 278/06). Der BGH hob das Urteil dann aber auf und verwies die Sache zu neuer Entscheidung an das OLG Düsseldorf zurück (BGH, Urteil vom 6. 11. 2008 – VI ZR 171/ 07). Ein Mitverschulden des Radfahrers sei zwar anzunehmen, allerdings – darauf wies der BGH hin – nicht wegen des nicht getragenen Fahrradhelms.

Ob das Schleswig-Holsteinische OLG hier die Revision zugelassen hat, ist der Pressemitteilung nicht zu entnehmen. Selbst wenn das Urteil rechtskräftig wird, eine generelle Helmpflicht gibt es damit nicht. Außer in Schleswig-Holstein vielleicht.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Schleswig Nr. 9/2013 vom 17.06.2013

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Wir haben doch bezahlt!

Die Versicherung, die uns mit einem verspäteten Aprilscherz erfreute, sorgt sogar im Juni noch für Erheiterung. Nachdem ich die Klage auf die Reise in die Littenstraße geschickt hatte, meldete sich unser Mandant. Hoch erfreut berichtete er, dass der noch fehlende Betrag auf seinem Konto gutgeschrieben worden war. Da freuten wir uns natürlich mit und ich berichtete auch dem Amtsgericht Mitte von diesem freudigen Ereignis.

In einem solchen Fall muss man nämlich die Klage entweder zurücknehmen oder aber den Rechtsstreit für erledigt erklären, je nachdem, ob die Klage der Gegenseite schon zugestellt wurde oder nicht. Außerdem muss das Amtsgericht noch darüber entscheiden, wer die Kosten zu tragen hat. Steht alles in der Zivilprozessordnung.

Da die Klage tatsächlich bei der Versicherung noch nicht zugestellt worden war, nahm ich die Klage über den Zahlbetrag zurück und stellte, da noch ein paar Euro an Zinsen fehlten und auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten nicht bezahlt waren, den Klageantrag um. Keine große Sache. Die Versicherung rechnet einfach nach und zahlt. Rechtsstreit insgesamt erledigt. Nicht so diese Versicherung.

Erst kam ein Brief. Wir sollen die Klage nach Zahlung doch bitte zurück nehmen. Ja lesen die denn ihre Post nicht? Habe ich gemacht, fehlt aber noch was. Dann rief eine Schadensachbearbeiterin an, ich solle umgehend zurück rufen. Man soll ja gleiches nicht mit gleichem vergelten. Dass ist eine ganz schlechte Charaktereigenschaft, ich weiß. Aber da man mich auf meine Bitten hin vorher auch nie zurück gerufen hat, war ich nicht in Stimmung. Dann bekam das Gericht auch einen Brief, man habe doch gezahlt und die Klage sei von diesem unkommunikativen Anwalt endlich zurück zu nehmen.

Die zuständige Richterin hat nun ihrerseits darauf hingewiesen, dass da noch ein paar Euro offen sind und dieser Brief der Versicherung nicht unterzeichnet war. Letzteres ist etwas misslich, weil die Zivilprozessordnung vorsieht, dass man ausdrücklich erklären muss, wenn man sich gegen eine Klage verteidigen will und das auch noch innerhalb einer ziemlich kurzen Frist. Verpasst man dies, kann das Gericht auf Antrag ein Versäumnisurteil erlassen. Und genau ein solches habe ich beantragt.

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Wer hat eigentlich Schuld hier?

Ein Klassiker unter den Unfällen mit Beteiligung von Moppedfahrern: Die Pressemeldung der Polizei Berlin ist überschrieben mit „Motorradfahrer übersehen“.

Bei einem Verkehrsunfall in Britz wurden in der vergangenen Nacht ein 19-jähriger Motorradfahrer, sein ebenfalls 19-jähriger Sozius sowie vier Männer im Alter von 17, 19, 26 und 43 Jahren leicht verletzt. Der 19-Jährige fuhr mit einer „Kawasaki“ gegen 2.45 Uhr auf dem Buckower Damm in Richtung Britzer Damm und wurde nach ersten Erkenntnissen von einem 43-jährigen Taxifahrer übersehen, der in gleicher Richtung fuhr und wenden wollte. Es kam zum Zusammenstoß beider Fahrzeuge, in dessen Folge der Kradfahrer und sein Sozius stürzten.

Soweit, so klar. Auf diese Art hat mich auch schonmal ein Taxifahrer vom Mopped geholt. Wenn dem Kawasaki-Treiber keine überhöhte (was auch immer das sein mag) Geschwindigkeit nachzuweisen ist, liegt die Verschuldensquote zulasten des Berufskraft-RowdiesFahrers bei 100%. Zu schnell oder Fehler beim Bremsen bzw. Vorbeifahren könnten aber zu einer anderen Haftungsverteilung führen.

Aber nun beginnt das unfallregulatorische Hochreck:

Ein 19-jähriger „VW“-Fahrer, der in gleicher Richtung fuhr, machte eine Ausweichbewegung, um nicht mit den gestürzten Männern des Motorades zu kollidieren. Dabei stieß er gegen das Taxi. Durch den Aufprall wurden der 19-Jährige, seine beiden Insassen und der Taxifahrer verletzt. Rettungswagen brachten sie zur medizinischen Behandlung in umliegende Krankenhäuser, wo sie nach ambulanter Behandlung entlassen wurden.

So, und jetzt? Sind die herumliegenden Kradfahrer nicht schnell genug von der Straße gehumpelt? Hat der VW-Fahrer zu spät gebremst, d.h. ist er nicht rechtzeitig zum Stehen gekommen? Welche Aktien hat der Taxidriver an der Kollision des VW mit der Droschke?

Das wird sicherlich einige Diskussionen mit dem Haftpflichtversicherer des Taxiunternehmens und dem des VW geben. Bis dahin: Gute Besserung an die Verletzten!

Dank an die Donnerkatze für den Hinweis auf die PM.

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Gibt es ein Recht auf Nachbesichtigung?

Gern wird in Unfallsachen nachdem für den Geschädigten ein Gutachten über die Schadenkalkulation vorgelegt wurde und fiktiv abgerechnet wird, seitens der Kfz-Haftpflichtversicherung an dem Gutachten rumgemäkelt. Entweder es wird ein „Prüfbericht“ übersandt, in dem ein um vieles geringerer Reparaturaufwand kalkuliert und auf eine ganz leicht erreichbare, mehrfach ausgezeichnete und zertifizierte und überhaupt unglaublich tolle freie Werkstatt verwiesen wird, oder aber die Versicherung möchte von ihrem Recht auf Nachbesichtigung durch einen eigenen Sachverständigen Gebrauch machen. Dazu wird der Geschädigte auch gern unter Umgehung des eigenen Rechtsanwaltes angeschrieben. Es stellt sich die Frage, darf die Versicherung das? Klare Antwort, versuchen kann man es ja mal, ein Recht darauf besteht nicht.

In Anlehnung an BGH, Az: IV ZR 334/88, NJW 89, 3009 und zfs 89, 299, wonach der Geschädigte eines Verkehrsunfalls lediglich verpflichtet ist, ein Schätzgutachten eines Kfz-Sachverständigen vorzulegen, stellte das LG Kleve, Az: 3 O 317/98, zfs 89, 239, in seinem Urteil vom 29. Dezember 1998 klar, dass sich der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall auf die von seinem Sachverständigen vorgenommenen Feststellungen zur Schadenhöhe verlassen darf. Eine Schadensregulierung ist nicht davon abhängig zu machen, dass der Geschädigte in eine Nachbesichtigung durch einen Fremdgutachter einwilligt.

Zum vermeintlichen Nachbesichtigungsrecht hat das Landgericht Berlin in seiner Entscheidung vom 13.07.2011, Az: 42 0 22/10, ebenfalls deutlich Stellung genommen:

(…) Ist ein Kraftfahrzeug bei einem Unfall beschädigt worden, so kann der Geschädigte von dem ersatzpflichtigen Schädiger den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag gemäß § 249 Satz 2 BGB verlangen. Dieser Geldbetrag bemisst sich danach, was vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Eigentümers in der Lage des Geschädigten für die Instandsetzung des Fahrzeugs zweckmäßig und angemessen erscheint (BGH in ständiger Rechtsprechung, vgl. etwa BGHZ 54,82, 84ff.; 61, 346, 349f; 63, 182, 184ff.; Senatsurteil vom 20. Juni 1972 -VI ZR 61/71 = VersR 1972, 1024, 1025). Diese Ersetzungsbefugnis des § 249 Satz 2 BGB soll dem Geschädigten die Auseinandersetzung mit dem Schädiger darüber ersparen, ob die Herstellung durch den Schädiger nach § 249 Satz 1 BGB gelungen ist und vom Geschädigten als Ersatzleistung angenommen werden muss. Damit sie dieses Ziel voll erreichen kann, ist der Ersatz in Grenzen losgelöst von im Einzelfall von dem Geschädigten für die Schadensbeseitigung tatsächlich aufgewendeten Beträgen. Für das, was zur Schadensbeseitigung nach § 249 Satz 2 BGB erforderlich ist, ist ein objektivierender, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten typisierender Maßstab anzulegen. Dafür stellt das Schätzungsgutachten eines anerkannten Kfz-Sachverständigen über die Höhe der voraussichtlichen Reparaturkosten nicht nur für das Gericht, sondern auch für den Schädiger eine sachgerechte Grundlage dar, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden. Zwar ist es dem Schädiger unbenommen, durch substantiierte Einwände die Annahmen des Sachverständigen in Einzelpunkten in Zweifel zu ziehen. Solange aber keine Anhaltspunkte für gravierende Mängel bestehen, bleibt das Schätzgutachten eine ausreichende Grundlage für die Darlegung des Unfallschadens.

Nach den Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes hat der Haftpflichtversicherer zwar das Recht, vom Kläger Auskunft zu verlangen, soweit dies zur Feststellung des Schadensereignisses und der Höhe des Schadens erforderlich ist. Der Kläger war danach aber zur Vorlegung von Belegen nur insoweit verpflichtet, als ihm die Beschaffung billigerweise zugemutet werden konnte. Der Kläger schuldete daher allenfalls die Vorlegung von Belegen und nicht etwa die Vorstellung des Fahrzeugs zu einer Besichtigung durch Beauftragte der Beklagten (…).

Zwar dürfte eine Nachbesichtigung einen unfallgeschädigten Kraftfahrzeugeigentümer in der Regel nicht über Gebühr belasten, andererseits ergibt sich eine solche Verpflichtung aber nicht aus dem Gesetz und der Geschädigte schuldet auch keine Begründung dafür, warum er davon absehen will. Im vorliegenden Fall hat der Kläger der Beklagten (…) ein mit Lichtbildern des Fahrzeugs und aller daran festgestellten Schäden versehenes Gutachten eines zertifizierten Sachverständigen überlassen, in welchem nicht nur die Schäden beschrieben sind, sondern auch deren genaue Lage am Fahrzeug und ihr Umfang, ferner die zur Beseitigung erforderlichen Arbeiten. Dies genügt der dem Geschädigten in § 128 d Abs. 3 S. 2 VVG auferlegten Pflicht. Zu einer weiter ausdehnenden Interpretation der gesetzlich normierten Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten besteht kein Anlass. Die Überlassung eines beschädigten Gegenstandes zu Prüfungszwecken ist etwas grundsätzlich anderes als die Vorlegung von Belegen. Deshalb steht dem Kfz-Haftpflichtversicherer regelmäßig kein Anspruch auf Nachbesichtigung des unfallgeschädigten Fahrzeuges zu; etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn z. B. ein Verdacht auf betrügerische Geltendmachung von Unfallschäden vorliegt und behauptet wird, dass Vorschäden verschwiegen worden sind (vergleiche BGH, ZfSch 1989, 299; LG München, Urteil vom 20. Dezember 1990 – 19 S 11609/90 – und LG Kleve, Urteil vom 29. Dezember 1998 – 3 O 317/98 -: „Grundsätzlich darf der Geschädigte seinen Schaden allein auf der Grundlage des von ihm eingeholten Gutachtens abrechnen, sofern dieses Gutachten nicht derart gravierende Mängel aufweist, dass dessen Mangelhaftigkeit auch für ihn ohne weiteres erkennbar ist. Ein Anspruch auf Nachbesichtigung des Unfallfahrzeuges steht dem Schädiger grundsätzlich nicht zu.)”. Vorliegend gibt es weder Anhaltspunkte für eine Unredlichkeit des Klägers – selbst die Beklagten haben nicht behauptet, dass der Unfall nur vorgetäuscht gewesen ist, bzw., dass der Kläger auch unfallfremde Vorschäden abrechnet u.a. – noch ist das Gutachten des Sachverständigen erkennbar falsch oder mangelhaft. Die Beklagten haben vorprozessual gegenüber dem Kläger keine Angaben zu ihren Bedenken und Zweifeln an der Unfallkausalität der geltend gemachten Schäden gemacht. Die bloße Angabe, die Kalkulation des Sachverständigen sei nicht ohne weiteres nachvollziehbar, genügt jedenfalls nicht, um ein Nachbesichtigungsrecht mit der Folge einer zulässigen gänzlichen Zahlungsverweigerung zu begründen. (…)

LG Berlin, Urteil vom 13.07.2011, Az: 42 0 22/10, mitgeteilt und erstritten von Rechtsanwalt Umut Schleyer, Berlin.

Wenn das Schadengutachten eines Unfallgeschädigten also keine gravierenden Mängel aufweist, Vorschäden nicht vorhanden oder aber zu solchen im Gutachten bereits ausreichende Ausführungen gemacht wurden, geschweige denn Anhaltspunkte für ein betrügerisches Verhalten ersichtlich sind, besteht kein Grund, der Versicherung eine Nachbesichtigung zu erlauben.

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