Motorradrecht

Mal sehen, wer nachher noch fahren kann

Zwei Studenten fuhren zu einer Erstsemesterfete. Nicht zum wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch, sondern mit dem Ziel, kräftig zu feiern und viel Alkohol zu trinken. Der eine hatte ein Auto und kaufte das Bier, der andere trank fleißig mit und feierte noch weiter, als der mit dem Auto schon längst in dem selbigen schlief. Einen Plan wann und vor allem wie man wieder nach Hause kommt, gab es nicht.

Irgendwann als der Morgen graute, verging dem übrig gebliebene Partygast die Feierlaune. Er weckte den im Auto schlafenden und fragte, ob man jetzt nicht mal langsam nach Hause fahren wolle. Schlaftrunken übergab der die Autoschlüssel, schnallte sich an und los ging die wilde Fahrt. Bis zur Kurve einer Autobahnauffahrt, wo der Fahrer das Auto zu Schrott fuhr.

Der mit dem Auto hatte auch eine Vollkaskoversicherung, die sollte nun den Wiederbeschaffungswert und die Bergungskosten zahlen. Die Versicherung lehnte das ab. Wer Besoffene fahren lässt, kann ja wohl nicht verlangen, dass die Versicherung dann die Zeche zahlt. Das Landgericht Bonn sah das ein wenig anders, vernahm den Fahrer als Zeugen und sprach dem mit dem Auto zumindest 25 Prozent des Schadens zu.

Der Versicherungsfall sei zwar grob fahrlässig herbeigeführt worden, da mit gegenseitiger Kenntnis viel Alkohol getrunken wurde und man einem erkennbar erheblich Betrunkenen eben nicht die Schlüssel zu seinem Pkw übergeben sollte. Unter Anwendung des zum Schadenszeitpunkt bereits geltenden neuen Versicherungsvertragsgesetzes müsse man aber eine dem Grad des Verschuldens entsprechende Quote bilden. Gegen eine komplette Leistungskürzung sprach nach Auffassung des Gerichts, dass nicht der Versicherte selbst im alkoholisierten Zustand den Wagen gefahren hat, sondern sein mindestens ebenso betrunkener Bekannter.

Hätte zum Unfallzeitpunkt das alte Versicherungsvertragsgesetz Anwendung gefunden, wäre der mit dem Auto leer ausgegangen. Es galt das „Alles oder Nichts“ Prinzip. Das hat der Gesetzgeber bei der Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes abgeschafft. Jetzt kommt es darauf an, welches Maß an Verschulden einem Versicherungsnehmer angelastet werden kann.

Nachlesen kann man das Urteil des Landgericht Bonn vom 31.07.2009, Az: 10 O 115/09 hier.

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Der Telefonjoker

Im Wort Rechtsschutzversicherung stecken die Worte Recht, Schutz und sicher. Manche Versicherer scheinen das zu vergessen und setzen lieber auf die Worte verraten und verkauft.

Nach einem Unfall hatte ein Ehepaar ihre Rechtsschutz angerufen, um sich zu erkundigen, wie man sich am besten verhält. Man stellte sie zu einem Rechtsanwalt durch, der ein paar wirklich gute Tipps auf Lager hatte.

Gegen den Mann, der gefahren war, hatte die Polizei vor Ort ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Er hatte ein Anhörungsschreiben erhalten. Da solle er mal was hinschreiben, meinte der Anwalt, dann würde das Verfahren sicher eingestellt. Der Frau, der das Auto gehört, riet er, sich mit der Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners in Verbindung zu setzen. Die würden dann einen Gutachter schicken, der den Schaden schätzt. Danach würde die gegnerische Versicherung dann Schadenersatz zahlen.

Da sprach geballte Kompetenz pur und wir dürfen nun versuchen, die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Die Bußgeldstelle erließ nämlich ungerührt einen Bußgeldbescheid und die Versicherung des Unfallgegners dachte nicht im Traum daran, hier den Schaden begutachten zu lassen. Bevor man sich zur haftung äußern könne, müsse man ja mal in die Unfallakte sehen.

Das tun wir im Übrigen auch bevor wir Mandanten Ratschläge geben.

Nachtrag: Das scheint Mode zu sein, wie der Kollege Wings hier berichtet.

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Der Wanderwagen

Im Gebrauchtwagenhandel macht es für die Kaufentscheidung des Käufers einen beträchtlichen Unterschied, ob das Fahrzeug einen oder drei Vorbesitzer hatte. Die falsche Angabe eines Vorbesitzers statt in Wirklichkeit dreier beim Gebrauchtwagenhandel stellt einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar. So entschied es das OLG Naumburg.

Der Kläger hatte bei einem gewerblichen Händler einen Gebrauchtwagen gekauft und zunächst erfolglos versucht, den Wagen wieder loszuwerden mit der Behauptung dieser hätte Vorschäden. Erst mit dem Argument, der Händler habe nicht über sämtliche Vorbesitzer des Fahrzeuges aufgeklärt, fand er beim Gericht letztlich Gehör.

Im Kaufvertrag war nur ein Vorbesitzer laut Fahrzeugbrief aufgeführt, im Fahrzeugbrief war auch nur ein Halter eingetragen. Neben dem Datum der Erstzulassung war im Fahrzeugbrief dann aber vermerkt: „Anzahl der Vorhalter 2“.

Das Fahrzeug hatte eine bewegte Geschichte hinter sich. Der Erstbesitzer hatte es an ein Autohaus verkauft. Von dort wurde es, da ein Schaden am Turbolader vorlag, an eine Werkstatt weiter gereicht. Nachdem die Werkstatt den Schaden repariert hatte, kaufte es der nun verklagte Autohändler, der es wiederum an den Kläger verkaufte. Das Autohaus und auch die Werkstatt waren nicht in den Fahrzeugbrief eingetragen worden.

Das LG Dessau-Roßlau gab der Klage überwiegend statt. Die Berufung des Autohändlers blieb ohne Erfolg.

Maßgeblich war eine Entscheidung des BGH vom 16.12.2009 (VIII ZR 38/09 [NJW 2010, 858]) wonach der Händler über sämtliche Vorbesitzer aufklären muß.

(Es) liegt ein solcher für den Käufer eines Gebrauchtwagens wesentlicher Umstand vor, wenn der Verkäufer das Fahrzeug selbst – wie hier – kurz zuvor von einem ´fliegenden Zwischenhändler´ erworben hat. In einem solchen Fall ist der Verkäufer zur Aufklärung verpflichtet (OLG Bremen, NJW 2003, 3713 f.; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rdnr. 1599), denn ohne einen entsprechenden Hinweis geht der Käufer davon aus, dass der Vertragspartner das Fahrzeug von demjenigen übernommen hat, der als letzter Halter in dem Kraftfahrzeugbrief eingetragen ist.
Hat der Verkäufer das Fahrzeug kurze Zeit vor dem Weiterverkauf selbst von einer Person unbekannter Identität erworben, liegt der Verdacht nahe, dass es während der Besitzzeit des unbekannten Voreigentümers zu Manipulationen am Kilometerzähler oder einer sonstigen unsachgemäßen Behandlung des Fahrzeugs gekommen ist. Die Verlässlichkeit der Angaben des Verkäufers zum Fahrzeug wird dadurch grundlegend entwertet.

Für das OLG Naumburg machte es auch keinen Unterschied, dass es sich anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall um keinen sog. „fliegenden Zwischenhändler“ unbekannter Identität handelte, sondern um namentlich bekannte und möglicherweise greifbare Unternehmen. Allein entscheidend war, dass die Angabe zur Anzahl der Halter laut Fahrzeugbrief im Kaufvertrag objektiv falsch war, weil sich aus dem Fahrzeugbrief selbst wenigstens zwei weitere Halter ergaben. Der Käufer konnte demnach vom Vertrag zurück treten.

OLG Naumburg, Urteil vom 14.08.2012, 1 U 35/12 (VRR 2013, 183 f. mit Anmerkung von RA Kümmerle, Berlin)

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Schleiz liegt nicht in Österreich

Im Südosten von Thüringen liegt die „Rennstadt“ Schleiz. Die Mittelstadt im Saale-Orla-Kreis hat eigentlich recht wenig zu bieten, mit Ausnahme eines Straßendreiecks, das die Straßen von Schleiz nach Hof, von Schleiz nach Plauen und die Verbindungsstraße Heinrichsruh – Waldkurve (Prinzessinnenweg) bilden. Im Jahr 1923 bastelten ein paar Männer, durch deren Adern Benzin statt Blut floß, daraus eine Rennstrecke, das Schleizer Dreieck. Die Bedingungen seinerzeit:

Keine Strohballensicherung an den Kurven, keine Asphaltdecke, Bäume unmittelbar an der Straße, tiefe Chausseegräben, über Federungen der Maschinen gar nicht zu reden – es war härteste Arbeit für die mutigen Männer.

Vieles hat sich bis heute geändert. Die Geschichte der ältesten Naturrennstrecke Deutschlands kann man auf der Website der derzeitigen Betreiber nachlesen.

Mutige Männer gibt es aber auch heute noch am Schleizer Dreieck. Zum Beispiel flotte Motorradfahrer und aufmerksame Polizeibeamte. Eine interessante Begegnung zwischen einem Rennstreckenbesucher und einem Verkehrspolizisten, kann man sich mal in folgendem Video anschauen.

Ich war selbst ein paar Mal an diesem Dreieck und habe viele nette Polizeibeamte kennen gelernt, die dort einen hervorragenden Job gemacht haben. Dieser Polizeibeamte gehört aber eher nicht zu der Kategorie von Beamten, die ich für eine Beförderung vorschlagen würde.

Die Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten funktioniert nicht ganz so hemdsärmelig, wie sich dieser Herr Wachtmeister es sich vorgestellt hat. Es darf davon ausgegangen werden, daß das Bußgeldverfahren, wenn es denn überhaupt eingeleitet wurde, zumindest mit einer Einstellung, spätestens aber mit einem Freispruch beendet würde.

Der dicke Daumen eines Polizeibeamten reicht zur Messung der gefahrenen Geschwindigkeit vermutlich nicht aus. Wir sind hier nicht in Österreich, sondern in Schleiz.

Besten Dank an Sebastian B. für den Hinweis auf das Filmchen

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HIS – die Schufa der Versicherungswirtschaft

Nach erfolgter Regulierung ihrer Verkehrsunfälle beikommen unsere Mandanten in aller Regel, nämlich dann wenn fiktiv abgerechnet wurde und der Schaden über 2.500 Euro liegt, zum Abschluss noch ein nettes Schreiben von der gegnerischen Versicherung, in dem ihnen mitgeteilt wird, dass die Daten zum Fahrzeug – Kfz-Kennzeichen und Fahrzeugidentifizierungsnummer – an das Hinweis- und Informationssystem (HIS) übermittelt wurden.

Es folgen auf ein solches Schreiben oft aufgeregte Anrufe. Dürfen die das? Ja, sie dürfen.

Bei dem HIS handelt es sich um eine Datensammlung der deutschen Versicherungswirtschaft, die der Aufdeckung und Prävention von Versicherungsbetrug und Versicherungsmissbrauch sowie der begleitenden Risikoprüfung dienen soll. Sozusagen die „Schufa“ für Versicherungen.

Zweck der Meldung im Falle fiktiver Abrechnungen ist in erster Linie, dass beschädigte Fahrzeuge nicht mehrfach als Versicherungsfall gemeldet werden. Fiktivabrechner werden also unter den Generalverdacht gestellt, das sie sich durch Mehrfachabrechnung von Unfällen einen netten Zusatzverdienst verschaffen. Kennt man, machen Unfallgeschädigte ständig. Dagegen müssen sich die gebeutelten Versicherungen natürlich schützen.

Klagen gerichtet auf Löschung erfasster Daten, bleiben ohne Erfolg. Aktuell hat das Amtsgericht Kassel eine solche Klage abgewiesen.

In der HIS-Datenbank würden ja keine personenbezogene Daten im Sinne des § 3 BDSG gespeichert, lediglich fahrzeugbezogene Daten und die könnten nur über Umwege, so z.B. über das Kraftfahrtbundesamt oder die örtliche Kfz-Zulassungsstelle in Bezug zu einer bestimmten Person gesetzt werden.

Ob das so richtig ist, darüber kann man trefflich streiten. Aber selbst wenn man anderer Ansicht ist, sei die Speicherung der Daten erlaubt im Sinne des § 4 BDSG. Die Speicherung personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung finde in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG ihre Grundlage, da schutzwürdige Interessen der von der Datenspeicherung betroffenen Fiktivabrechner nicht tangiert würden.

Denn das System dient dem Interesse der Versichertengemeinschaft. Mithilfe der solchermaßen gespeicherten Daten können nämlich Fälle leichter bearbeitet werden, in denen eine unberechtigte Inanspruchnahme von Kfz-Haftpflicht- bzw. -Kaskoversicherungen in Frage steht, nachdem ein Schadensfall lediglich fiktiv, d.h. ohne Vorlage einer konkreten Reparaturkostenrechnung reguliert worden ist. Dabei kommt es nicht auf die Person des Halters am, sondern auf das Fahrzeug an sich, um ermitteln zu können, ob dieses bereits einmal einem vergleichbaren Schaden zuvor erlitten hat. (…)

Denn den dem …angeschlossenen Versicherungsunternehmen wird, wie bereits ausgeführt, die Bearbeitung besonders auffälliger Schadensfälle damit erleichtert, insbesondere im Hinblick auf Fälle, in denen der Verdacht betrügerischen Verhaltens durch mehrfache Abrechnung ein- und desselben Schadens eine Rolle spielt. Steht aber ein solches Verhalten eines Anspruchstellers zur Debatte kann er nicht für sich datenschutzrechtliche Bestimmungen reklamieren, weil er sich der dann selbst möglicherweise rechtswidrig verhalten hat oder zumindest ein solcher Verdacht auszuräumen ist (im Ergebnis wie hier AG Coburg, Urteil v. 07.11.2012 – 12 C 179/12).

Was an der fiktiven Abrechnung gegenüber einer Kfz-Haftpflichtversicherung auffällig, betrügerisch und unberechtigt sei, erklärt das Gericht leider nicht.

AG Kassel, Urteil vom 7. Mai 2013, Az: 435 C 584/13

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Ausgleichspflichtige Schadensposition

Das ist eine gewaltig wichtig klingende Überschrift, nicht wahr? In eine verständliche Sprache übersetzt bedeutet es, daß etwas schief (z.B. kaputt) gegangen ist und dadurch ein Schaden entstanden ist. Der Schädiger muß diesen Schaden ersetzen.

Bei einem Unfall sind das zum Beispiel Verkleidungsteile oder der Lenker des Motorrades. Oder die Kleidung des Moppedfahrers.

Aber auch den Aufwand für die notwendige Korrespondenz mit Versicherern, Ärzten und Anwälten muß der Schädiger ersetzen, wenn der Aufwand im Zusammenhang mit dem Unfall steht.

Einen solchen Aufwand macht – neben einem Schaden in hoch vierstelliger Höhe – einer unserer Mandanten geltend. Er hat einen Brief geschickt und dafür Porto gezahlt. Für diese Zahlung möchte er Ersatz.

Wenn man seinen Schaden ersetzt verlangt, muß man auch nachweisen, daß er entstanden ist. Im Falle des Portos ist dazu die Quittung von der Post geeignet. Diese Quittung haben wir per Fax von unserem Mandanten bekommen:

Ausgleichspflichtig

Der Schaden ist entstanden, nachdem alle anderen ausgleichspflichtigen Schadenspositionen ausgeglichen wurden. Der Mandant bittet uns, nun auch noch diesen (letzten) Schaden bei der Gegenseite geltend zu machen. Machen wir. Ich schicke ihm gleich mal ne neue Briefmarke. Per Fax.

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Hanseatische Pfennigfuchser

Ein freundlicher Kfz-Sachverständiger aus der Nachbarschaft hat einen seiner Kunden zu uns geschickt. Der Versicherer des Unfallgegners hatte nämlich Einsparpotential entdeckt.

Einmal durch die Vorlage eines der üblichen „Prüfgutachten“, was hier nicht von Interesse ist, da der Mandant sein Auto seit Jahr und Tag in ein und derselben markengebundenen Fachwerkstatt reparieren lässt und nicht vorhat, dass nun bei „Paul Kasubkes Karosserieklempnerei“ preiswerter erledigen zu lassen, zum anderen bei den Sachverständigenkosten. Der Gutachter sei zu teuer befindet die KRAVAG.

Sachverständigenkosten ersetzen wir, wenn sie erforderlich sind. Die hier berechneten Kosten waren der Höhe nach nicht erforderlich. Unsere Zahlung orientiert sich hinsichtlich des Grundhonorars an der Erhebung des BVSK 2010/2011 sowie bezüglich der Nebenkosten an der Entscheidung des LG Saarbrücken vom 10.02.2011 (Az. 13 S 109/10).

Neugierig geworden, was das Saarbrücker Landgericht so tolles im Sinne der Versicherungswirtschaft ausgeurteilt hat, las ich die Entscheidung nach. Das sollte auch die KRAVAG dringend machen.

Das LG Saarbrücken schreibt nämlich, dass der Schädiger bzw. dessen Versicherung, grundsätzlich Sachverständigenkosten zu ersetzen haben. die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Der Geschädigte ist dabei nicht verpflichtet, erst einmal den Markt zu erforschen und einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen.

Erst wenn für den Geschädigten erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, könnte er auf einem Teil der Gutachterkosten sitzen bleiben. Abgerechnet wird aber in der Regel nach Gutachtenerstellung und woher soll der Laie wissen, was willkürlich ist und was nicht.

Denn dem Sachverständigen ist es im Rahmen seiner privatautonomen werkvertraglichen Preisgestaltung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich gestattet, neben einem „Grundhonorar“ für die eigentliche Sachverständigentätigkeit „Nebenkosten“ nach ihrem konkreten Anfall zu berechnen (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2006 – X ZR 80/05, NZV 2007, 182 ff.). Im Bereich des „Grundhonorars“ ist dem Laien ein verbindlicher Preisvergleich zumindest dann nicht möglich, wenn der Sachverständige in grundsätzlich zulässiger Weise (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06, VersR 2007, 560 f.; Urteil der Kammer vom 12. Februar 2010 – 13 S 146/09) nach der erst noch zu ermittelnden Schadenshöhe abrechnet, was offenbar sehr häufig geschieht (vgl. etwa BVSK, Befragung zur Höhe des üblichen Kfz-Sachverständigenhonorars – BVKS-Honorarbefragung 2008/2009, S. 1; hierzu auch BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06, VersR 2007, 560 f.).

Einzig und allein bei den Nebenkosten hatte der Sachverständige nach Ansicht des Landgerichts etwas zu hoch gegriffen. Die waren nahezu genauso hoch ausgefallen, wie das Grundhonorar. Allerdings stellte das Gericht zunächst einmal klar, dass neben einem Grundhonorar auch weitere Auslagen anfallen können und zu erstatten sind.

Dass ein Sachverständiger sein „Grundhonorar“ für die Ingenieurleistung in pauschalierter Weise an der Schadenshöhe orientiert, hindert ihn nicht daran, zusätzlich „Nebenkosten“ pauschal oder nach ihrem tatsächlichen Anfall zu berechnen. Diese Abrechnungsweise ist werkvertraglich zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2006 aaO) und in den Honorarordnungen einzelner Berufsgruppen ausdrücklich vorgesehen. Auch schadensrechtliche Bedenken gegen die Erstattungsfähigkeit einer solchermaßen aufgespaltenen Abrechnung in pauschalierte „Grund-“ und individualisierte „Nebenkosten“ bestehen nicht (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 aaO; Kammerurteil vom 12. Februar 2010 – 13 S 146/09 mwN).

Manchmal fragt man sich schon, wer den Versicherern ihre Textbausteine schreibt.

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Unfall auf der Rennstrecke – Haftung?

Wir bearbeiten einen Unfall, der sich auf dem Lausitzring zugetragen hat. Am Ende der Zielgeraden beim Anbremsen und Einlenken der ersten Linkskurve kommt es zwischen zwei Moppeds zum ungewollten Kontakt; einer der beiden stürzt, der andere rettet sich knapp vor einem Umfaller. Keine wesentlichen Verletzungen, nur der übliche Sachschaden.

Beide Fahrer waren Teilnehmer eines Renn-/Fahrertrainings. Auf der Strecke waren Fahrer unterschiedlicher Leistungsklassen unterwegs – also Anfänger, Gewohnte und Fortgeschrittene durcheinander.

Hier die Aufzeichnung zweier Überwachungskameras:

Was sagen die rasenden Ferndiagnostiker dazu? Wer hat „Schuld“?

Bitte keine Kommentare, die irgendwelche Hinweise auf die Beteiligten geben. Wir wissen, wer sie sind.; und andere müssen es nicht wissen. Thx. crh

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Beschränkung der Verteidigung?

Gern übernehmen wir für unsere Mandanten auch die Anfrage bei ihren Rechtsschutzversicherungen, ob ihr Anliegen vom Versicherungsschutz umfasst ist und die entstehenden Kosten von dort getragen werden. Bei den zivilen Unfallsachen bekommen wir von den Versicherern diese Zusage zunächst beschränkt für die außergerichtliche Tätigkeit.

Nur einige wenige Versicherer haben soviel Vertrauen in unsere Arbeit, dass man sich schon vorab bereit erklärt, auch die Kosten eines sich möglicherweise anschließenden Gerichtsverfahrens zu übernehmen. Bei allen anderen müssen wir ein zweites Mal nachfragen, ob wir denn klagen dürfen.

Bei den versicherten Verkehrsstrafsachen und den Bußgeldverfahren gab es bislang – Versicherungsschutz vorausgesetzt – immer eine Deckungszusage für die Verteidigung in den sog. Tatsacheninstanzen. Mal mit der Maßgabe, dass der Schutz nachträglich wegfällt, wenn wegen eines Vorsatzdeliktes verurteilt wird. Aber immer gab es nur ein Schreiben von uns und eine Zusage für das komplette Verfahren vor der Bußgeldstelle und anschließend vor dem Amtsgericht.

Die ARAG hat sich jetzt etwas neues einfallen lassen. Die Beschränkung der Deckungszusage zunächst auf die außergerichtliche Tätigkeit bei einer Bußgeldsache.

Wir fragten uns natürlich wie das funktionieren soll und haben der ARAG ein Fax geschickt. Auf die Nachfrage, ob wir nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid für die Verteidigung in der irgendwann folgenden Hauptverhandlung vor dem Bußgeldrichter ernsthaft eine gesonderte Deckungszusage benötigen, kam einen guten Monat später die knappe Miteilung, dass Versicherungsschutz auch für die gerichtliche Interessenwahrnehmung besteht. Warum es so lange dauerte? Vielleicht war die Sachbearbeiterin, Frau Assessorin D. ja mal bei einer Schulung.

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Unfallregulierung ist Privatsache

Nach seinem Urlaub fuhr ein Assistenzarzt am Abend mit dem Auto los, um am nächsten Morgen pünktlich seinen Dienst im Krankenhaus antreten zu können. Auf der A 5 kam es kurz vor Mitternacht zu einem Unfall, als der Arzt bei einem Spurwechsel einen Mitsubishi übersah.

Während das Auto vom Arzt äußerst rechts auf einem Ausfahrtstreifen zu einer Tankstelle zum stehen kam, ragte der Mitsubishi in den mittleren Fahrstreifen hinein. Beide Fahrer hatten ihre Fahrzeuge verlassen und beratschlagten, was zu tun sei. Der Mitsubishifahrer machte sich auf in Richtung Tankstelle, um die Polizei zu benachrichtigen, während der Arzt am Seitenstreifen neben dem Mitsubishi stehen blieb. Unmittelbar danach fuhr ein Transporter frontal gegen das Heck des Mitsubishi, der Arzt wurde von dem herumschleudernden Transporter erfasst und tödlich verletzt.

Die Familie des Arztes hatte nicht nur den Tod des Ehemannes und Vaters zu beklagen, die Berufsgenossenschaft verweigerte dazu noch sämtliche Hinterbliebenenleistungen. Denn es habe sich hier nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt. Mit dem Verlassen seines Pkw habe der Arzt nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.

Während das Sozialgericht Freiburg noch feststellte, dass der Tod des Arztes selbstverständlich Folge eines Arbeitsunfalls war, wies das Baden-Württembergische Landessozialgericht auf die von der Berufsgenossenschaft eingelegte Berufung die Klage der Familie ab.

Zwar sei der Arbeitsweg grundsätzlich mitversichert, allerdings nur, wenn sämtliches Handeln auf diesem Weg allein dem Zweck dient, entweder zur Arbeit oder von dort nach Hause zu gelangen. Als der Arzt aus dem Auto ausstieg, um sich mit dem Mitsubishifahrer abzusprechen, ob die Polizei gerufen bzw. wie der Unfall reguliert werden sollte, habe er seinen Arbeitsweg mehr als geringfügig unterbrochen.

Bei dem Aussteigen aus dem eigenen Pkw, dem Zurücklegen von ca. 40 m zum Wagen des A., dem Gespräch mit A. und dem Warten auf die Polizei handelt es sich nicht nur um eine geringfügige Unterbrechung, während der der Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 4 SGB VII fortbestand. Eine Unterbrechung ist dann als geringfügig zu bezeichnen, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist. Das ist der Fall, wenn sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung des ursprünglich aufgenommenen Ziels führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung „im Vorbeigehen“ oder „ganz nebenbei“ erledigt werden kann (BSG, Urteil vom 17.2.2009, B 2 U 26/07, m.w.N.). Eine geringfügige Unterbrechung liegt jedenfalls beim Zurücklegen einer Wegstrecke von ca. 40 m zum Unfallgegner, einem Gespräch mit dem Unfallgegner und dem Warten auf die – zum Zwecke der Unfallaufnahme gerufenen – Polizei nicht vor. Dies umso mehr, als hier – auch aufgrund des Schadensbildes am PKW des K. – in zeitlicher Hinsicht nicht ohne Weiteres davon auszugehen war, dass dieser die Fahrt zum Arbeitsort alsbald hätte fortsetzen können, sei es mit dem eigenen PKW oder auf andere Weise.

(…) Dieses Verhalten ist – nach dem (…) Urteil des BSG vom 17.2.2009 – dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen. So hat das BSG im Urteil vom 17.2.2009 – entgegen zahlreicher Literaturmeinungen – entschieden, dass übliche Regulierungsgespräche nach einem Verkehrsunfall, der Austausch von Personalien mit dem Unfallgegner und Unfallzeugen sowie Maßnahmen der Spurensicherung, grundsätzlich nicht im inneren Zusammenhang mit dem versicherten Weg stehen. Ein Unfallversicherungsschutz lasse sich auch nicht damit begründen, dass ein Versicherter den durch §§ 34 StVO und 142 StGB auferlegten Verhaltenspflichten nachkomme. Er lasse sich auch nicht damit begründen, dass der Versicherte einer Gefahr erlegen sei, der er wesentlich infolge des Zurücklegen des versicherten Weges ausgesetzt gewesen sei. Ein den Anforderungen der §§ 34 StVO und 142 StGB genügendes Verhalten diene nicht objektiv der Ermöglichung oder Förderung des allein versicherten (späteren) Zurücklegens des Weges. Diese Vorschriften schützten das private Interesse der Unfallbeteiligten und Geschädigten an einer möglichst umfassenden Aufklärung des Unfallhergangs und damit auch die Anspruchssicherung. Dem stehe auch nicht entgegen, dass ein Versicherter die Verletzungen nicht ohne das Zurücklegen des versicherten Weges erlitten hätte. Seine Schädigung sei nicht auf die betrieblich veranlasste Fortbewegung, sondern sein eigenwirtschaftliches Handeln mit dem Ziel, den Unfallgegner aufzusuchen und mit diesem einen unfallregulierendes Gespräch zu führen, entstanden.

LSG Baden-Württemberg Urteil vom 14.5.2013, L 9 U 2788/11 (im Anschluss an BSG, Urteil vom 17.02.2009 – B 2 U 26/07SozR 4-2700 § 8 Nr. 32)

Wie man als Anwalt ein solches Urteil den Hinterblieben erklärt? Ich habe keine Ahnung.

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